"Ein Milieu voller Elend und Gewalt"
Von Harald Küng / WANN & WO - 15.01.2020 08:17
Am Montag präsentierten die HLW Rankweil-Schülerinnen Lena Mock, Isabella Schneider und Katrin Winder ihre Diplomarbeit „Menschenhandel und (Zwangs-)Prostitution – Rotlichtmilieu in Vorarlberg“. Als Gast auf dem Podium: der bekannte Kriminalist Johann Poiger.
Von Harald Küng (Wann&Wo)
Zahlreiche Besucher folgten der Einladung der drei jungen Frauen am Montagabend in die Aula der HLW Rankweil.
Zu Beginn informierten die Schülerinnen über Menschenhandel, Zwangsarbeit und Prostitution in Europa und der Welt. Anschließend gewährte der ehemalige Kriminalbeamte Johann Poiger einen Einblick auf die Situation im Ländle.
Kampf gegen Kriminalität
Poiger war Beamter der Kripo Bregenz und kämpfte ab Mitte der 1970er bis Anfang der 90er-Jahre an vorderster Front gegen die ausufernde Kriminalität im Vorarlberger Rotlichtmilieu. Alleine im Raum Bregenz waren bis zu 300 Prostituierte und 50 bis 70 Zuhälter unterwegs. Die Freier kamen überwiegend aus der Schweiz und Deutschland. „Die Zeit war von Elend und Gewalt bestimmt. Es war immer viel Geld im Spiel. Dies führte zu Neid, Profitgier, Kriminalität. Fünf Frauen sowie elf Zuhälter wurden damals ermordet“, schilderte er seine Erfahrungen. Durch zahlreiche Festnahmen und die Verlagerung der Prostitution ins Netz beruhigte sich die Lage allerdings.
Prostitution im Geheimen
Auch heute ist Prostitution im „subara Ländle“ noch immer ein Thema – auch wenn sie aufgrund der rechtlichen Lage (in Vorarlberg ist Prostitution nur in bewilligten Bordellen erlaubt) ausschließlich im Verborgenen stattfindet. So wurde die Polizei im vergangenen Dezember in ein Hotel im Vorarlberger Oberland gerufen. Wie Poiger berichtete, fanden die Beamten zwei rumänische Frauen, „hilflos, verängstigt, eingeschüchtert – die nächsten Freier standen bereits vor der Tür.“
„Gratuliere zu eurem Mut“
Abschließend wandte sich Poiger an die drei Schülerinnen der HLW-Rankweil: „Ich finde es sehr mutig, dass ihr das Thema in eurer Arbeit ansprecht. Euch gilt meine ganze Anerkennung.“
30 bis 46 Mio. Menschen sind aktuell Opfer von Sklaverei. Die Dunkelziffer ist weitaus höher.
27 Mrd. Euro Gewinn werden jährlich weltweit durch erzwungene Prostitution, Kinder- und Organhandel sowie erzwungene Arbeitsleistungen erwirtschaftet.
58 % des Gesamtgewinns stammt aus sexueller Ausbeutung. Die häufigsten Herkunftsländer sind Rumänien, Bulgarien, China, Ungarn und Nigeria.
200.000 Frauen werden jährlich an Zuhälter in Europa verkauft. Eine Flucht ist nahezu unmöglich.
„Solwodi“ aus Wien – Hilfe für Frauen in Not
Im Rahmen ihrer Diplomarbeit stellten die drei HLW-Schülerinnen die Organisation Solwodi (Solidarity with women in distress – Solidarität mit Frauen in Not) vor. Solwodi wurde 1985 von Sr. Dr. Lea Ackermann in Kenia gegründet und setzt sich auch in Deutschland und Rumänien für eine Verbesserung der Stellung von Frauen ein, die in eine große Notlage bis in die Prostitution geraten sind. Weiterführende Informationen unter www.solwodi.at.
---------------------
Fassen wir das einmal kurz zusammen...
3 Schülerinnen einer höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe schreiben eine Diplomarbeit
Sie wollen ein Thema - greifen Prostitution in Vorarlberg auf - haben aber wahrscheinlich keine Kontakte.... sie suchen und werden fündig.
Bis dahin ist alles gut.... na ja, bei der Themenwahl hätte vielleicht eine verantwortungsbewusste Lehrkraft eingreifen können....
Jetzt kommt ein Experte ins Spiel: Ein Polizist a.D. - der vor 45 Jahren im Land tätig war - bis in die 90er /auch schon 30 Jahre her - "gekämpft hat".
Und dann kommen noch ein paar Zahlen (die nicht hinterfragt wurden - sich in keiner Kriminalstatistik wiederfinden lassen) hinzu. Alleine bei diesen Zahlen wird jede seriöse Expertin bzw. NGO im deutschsprachigen Raum Zweifel anmelden. Ich leite seit 15 Jahren die Notrufnummer von sexworker.at - und kann sie nicht nachvollziehen. Aber vielleicht weiß ja SOLWODI mehr - oder ein Polizist, der vor 30 Jahren aktiv war?
Und weil wir gerade von SOLWODI sprechen - wie immer hilfsbereit wenn es um Missionierung oder auch Einflussnahme gegen SexarbeiterInnen geht.
Ich möchte den jungen Damen nicht zu nahe treten - aber ein wenig mehr kritisches Denken, hätte ich schon gewünscht. Im Text davon zu sprechen "nicht über Frauen urteilen zu wollen" - und gleichzeitig die ganze Branche als kriminell darstellen? Und dann noch Solwodi (als Gegengeschäft?) anzupreisen? Vielleicht hätte man doch einen kurzen Anruf bei einer richtigen NGO (ohne katholischen Background, dafür aber mit Kontakten zu SexarbeiterInnen (und auch von der UNO anerkannt (sexworker.at würde mir da einfallen)) machen können? Aber zu hinterfragen scheint ja bei einer Diplomarbeit der HLW Rankweil nicht Bedingung zu sein...
Irgendwie traurig, wenn man derart viele durchaus kritische und skeptische SchülerInnen und StudentInnen bisher kennenlernen durfte und dann sowas liest.
christian knappik
https://www.wannundwo.at/interview/2020 ... ewalt.wawo