Grundsatz

Die Sexworker Forum Deklaration steht hier als PDF zum Download zur Verfügung: http://www.sexworker.at/Sexworker_Forum_Deklaration.pdf

***sexworker.at-Deklaration***

Das Sexworker-Forum ist beunruhigt über ungerechtfertigte Eingriffe in die
Grund- und Menschenrechte von Frauen, Männern und transsexuellen
Personen im Umfeld der Sexarbeit, seien es Anbieter, Kunden, Betreiber oder
Angehörige. Die Anerkennung der Menschenwürde inkludiert den Respekt vor
dem Sexualleben der Anderen als Kern derer Intimsphäre, auch und gerade im
Umfeld der Sexarbeit, denn die sexuelle Selbstbestimmung ist unantastbar.
Sexworker.at fordert daher, dass sowohl auf der Ebene der Gesetzgebung als
auch bei der praktischen Durchführung der Gesetze auf die Anerkennung der
Persönlichkeitsrechte aller Menschen im Umfeld der Sexarbeit zu achten ist.

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Hieraus folgen konkret diese Forderungen:

1. Grund- und Menschenrechte dürfen nur dort eingeschränkt werden, wo ein fairer
Interessenausgleich mit Grund- und Menschenrechten Anderer hergestellt werden
muss. Eine vorsorgliche Einschränkung, etwa zum einfacheren Schutz von potentiellen
Opfern, ist unverhältnismäßig, daher menschenrechtswidrig und somit abzulehnen. Denn in
Weiterführung dieses überzogenen Vorsorge-Gedankens wäre die vorsorgliche Einzel-
Schutzhaft aller Bürger der beste Schutz für potenzielle Opfer von Verbrechen.

2. Keine verleumderische Vermischung von einvernehmlicher Sexarbeit mit Verbrechen!
Sexsklaverei und Menschenhandel sind keine Prostitution und müssen von dieser begrifflich
scharf getrennt werden. Der Verweis auf milieubedingte Kriminalität ist eine Verletzung der
Unschuldsvermutung aufgrund der Herkunft des Täters bzw. des Opfers. Forderungen nach
staatlicher Regulierung der Prostitution zur Bekämpfung von milieubedingter Kriminalität
stellen daher bereits in sich eine Missachtung von Grund- und Menschenrechten dar. Auch
ein Vorwurf der ausbeuterischen Zuhälterei gegen Betreiber kann nur dann Bestand haben,
wenn Maßstäbe wie bei Arbeitgebern anderer Branchen angewandt werden.

3. Keine grundrechtswidrige Überwachung bei Verwaltungsübertretungen mit Methoden,
die nur bei schweren Verbrechen zulässig sind! Selbstverständlich ist ein rechtswidriges
Erlangen von Einblicken in die Intimsphäre durch Staat und Behörden (Lockspitzel,
Scheinfreier) nicht zu tolerieren und mit sofortiger Wirkung einzustellen. Vorfälle aus der
Vergangenheit sind zu untersuchen und Täter im Fall erniedrigender Behandlung strafrechtlich
zu verfolgen.

4. Keine Zwangsregistrierung aufgrund von Sexarbeit! Menschen im Umfeld der Sexarbeit
unterscheiden sich durch die besondere Form ihres Sexuallebens. Eine Registrierungspflicht
für diese Menschen aufgrund ihres Sexuallebens ist ein Wiederaufleben von überwunden
geglaubten undemokratischen Eingriffen, vergleichbar mit der Registrierung Homosexueller.
Es gibt in einer demokratischen Gesellschaft für einen derartig schwerwiegenden, weil
stigmatisierenden, Eingriff in das Sexualleben keinen zwingenden Grund.

5. Keine Zwangsuntersuchung von SexarbeiterInnen! Die Erfahrung hat gezeigt, dass dem
gesellschaftlichen Gesundheitsinteresse mit Pflichtuntersuchungen von SexarbeiterInnen
(Bockschein) nicht gedient ist. Im Hinblick auf die Gefahr erniedrigender Behandlung der
Zwangsuntersuchten, die auch seitens der Vereinten Nationen (CAT, 44. Session) beobachtet
wurde, fordern wir die Abschaffung bestehender Zwangsuntersuchungspflichten und lehnen
alle Forderungen nach der Einführung von Zwangsuntersuchungen auf das Schärfste ab. Wir
fordern stattdessen den Ausbau niederschwelliger, anonymer und kostenloser Untersuchungs-
Beratungs- und Behandlungsangebote für alle. Hierin schließen wir uns einer
Forderung der WHO an.

6. Sexarbeit ist freiberuflich! Die de facto ohnehin bestehende Freiberuflichkeit der Sexarbeit
ist auch offiziell anzuerkennen. Sexarbeit ist ihrem Wesen nach freiberuflich, weil es eine
höchstpersönliche, nicht delegierbare Dienstleistung ist, für die es prinzipiell kein inhaltliches
Weisungsrecht des Arbeitgebers geben kann. Die Alternative der gewerberechtlichen
Regelung der eigentlichen Erbringung sexueller Dienstleistungen wäre grund- und menschenrechtlich
bedenklich.

7. Keine Sonderregelungen für Paysex im Steuerrecht! Vorschriften für SexarbeiterInnen
und ihr Umfeld sind nur dann zulässig, wenn sie alle Bürger betreffen. Sexarbeiter versteuern
ihren erwirtschafteten Gewinn, so wie alle anderen Wirtschaftstreibenden. Jede steuerliche
Sonderbehandlung aufgrund der Tätigkeit (Vergnügungssteuer, Pauschalsteuer, Zuständigkeit
von Steuerfahndung anstelle vom Finanzamt) ist unsachlich, daher gleichheitsrechtswidrig
und somit abzulehnen.

8. Abschaffung sämtlicher Sperrgebietsverordnungen und baurechtlicher Sonder-
Beschränkungen bei der Ausübung der Sexarbeit! Sexualität, die öffentlich nicht in
Erscheinung tritt (z.B. Besuch einer Sexarbeiterin beim Kunden in dessen Wohnung),
rechtfertigt keine behördliche Überwachung. Derartige Regeln begrenzen auch in nicht
menschenrechtskonformer Weise das Sexualleben immobiler Personen (behinderte Kunden).
Es gibt auch in anderen Bereichen keine solche Überwachung (z.B. Besuch eines Nachhilfelehrers
beim Schüler in dessen Wohnung). Alle Regelungen, die etwa dem Vermeiden der
Erregung öffentlichen Ärgernisses dienen, aber nur auf den Bereich des bezahlten Sexes
angewandt werden, sind aufzuheben.

9. Entscheidungen über Sexarbeit nur unter Beteiligung der Sexarbeiter! SexarbeiterInnen
müssen mit selbstgewählten Vertretern an allen sie betreffenden Entscheidungen mitwirken
können. Eine Politik der runden Tische, bei denen nicht mit, sondern über SexarbeiterInnen
gesprochen wird, zeugt vom Verfall der demokratischen Werte, wie auch jede Argumentation
auf der Basis einer angeblichen (teils auch nur diffus empfundenen) “Sittenwidrigkeit”.

Nur Rechte können Unrecht beseitigen!

Staatliche Versuche die Sexualität zu regulieren sind nicht nur an sich bereits
grundrechtswidrig, sondern fördern darüber hinaus ausschließlich mafiöse Strukturen.

2. Juni 2010

Intl. Sexworker Day

© www.sexworker.at


Die Sexworker Forum Deklaration steht hier als PDF zum Download zur Verfügung: https://www.sexworker.at/Sexworker_Foru ... ration.pdf