Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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fraences
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RE: Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beitrag von fraences »

Ich kann in meinem Fall nicht direkt von Zwangsouting sprechen, da ich immer offen im meinem Umfeld mit meinem Berufstätigkeit umgegangen bin.

Vielleicht lag aber meine Entscheidung ,offen mit meine Prostitutionstätigkeit umzugehen, auch damit zusammen, das ich vor 33 Jahre die Zwangsregistrierung bei der Polizei (Hurendatei bei der Sitte) und die Zwangsuntersuchungen mit machen musste. Dadurch war ich eh geoutet. Für ein Doppelleben zu führen bin ich schlicht weg ein schlechte Lügnerin und in manche Situationen, wo ich mich versucht habe, es zu verstecken, es mich immer belastet hat.Ich wollte mich nicht selbst stigmatisieren, also entschloss ich mich ziemlich von Anfang an zu meiner Prostitutionstätigkeit zu stehen.
Solange ich Single war, lief das auch ganz gut. Es haben zwar einige (auch Familienangehörige) Bekannte sich von mir distanziert, damit konnte ich aber gut leben. Ich hab mir halt gesagt: "Wer mich nicht im Ganzen akzeptiert und respektiert, dazu gehört nur mal auch mein Beruf, den brauche ich auch nicht in meiner Nähe."

Problematisch würde es als ich Mutter würde. Denn genau das was Nutella ansprichst, wenn die eigene Kind/er
im Kita , Schule, Verein oder Freundeskreis gemobbt werden.
Solche Situation belasten einen Mutter ungemein und hab sie Gott sei Dank, mit meiner Tochter gut überstanden. Aber da haben wir auch manche Tränen vergossen und Familienspannung aushalten müssen.
An eine extreme Situation kann ich mich erinnern, wo sie 12 Jahre alt war und heulend aus der Schule abgehauen ist und nach Hause kam. Man hatte sie gehänselt: "Deine Mutter ist eine Hure."

Sie weigert sich jemals wieder ein Schritt in die Schule zu setzen. Was tun?

Wir haben alle ihre Schulfreunde bei uns in der Wohnung eingeladen , ca 20 KLassenkameraden kamen und ich habe gemeinsam mit meinem Mann stundenlange Gesprächemit ihnen geführt. Und alle ihre Fragen offen beantwortet.

Das ganze würde durchweg positiv aufgenommen und man versprach nie wieder meine Tochter anzugreifen . Es kamen Entschuldigungen und Umarmungen und sie meinten dann zu meiner Tochter. "Boah,wir wünschten wir hätten so coole Eltern."
Die Einleichterung , die sich in einem strahlenden KIndergesicht wiederspiegelte, werde ich niemals vergessen.

Am nächsten Tag haben wir meine Tochter in die Schule gebracht und dort um ein vertrauensvolle Gespräch mit der Klassenlehrerin und Rektor der Schule gebeten. Auch diese Gespräche waren fruchtbar.
Natürlich will ich mein persönliches Erleben nicht auf andere übertragen, mir ist ja klar, das nicht jeder das so handhaben kann oder will.
Ich musste damals auch mein ganzen Mut zusammen nehmen, aber ich hätte nicht anders handeln können. Ergänzend möchte ich, das ich von Klein auf meiner Tochter altersgemäß natürlich , nie verschwiegen habe, bzw. ihr immer offen und ehrlich auf ihre Fragen geantwortet habe, wenn ich auf Termin gefahren bin, bzw. wenn sie Geschäftstelefonat mitgehört hatte.
Irritationen bezüglich meines Berufes ergaben sich für mein Kind erst in der Konfrontationen mit der Außenwelt. Aber meine Tochter hat auch das , natürlich mit Hilfe gut verarbeitet und ist in ihrem Wesen sehr gereift und auch belastbarer geworden. Heute mit 19 Jahren ist sie viel toleranter und respektvoller anderen Lebensformen gegen über eingestellt. Und darauf bin ich als Mama auf sie stolz, das es so sich positiv entwickelt hat.
Meine offensive Erfahrung mit der Bedrohung des Zwangsoutings umzugehen, war letztendlich ein Selbstschutzmechanismus ,dem Stigma etwas entgegen zu setzen.

Dies wird je mehr die Ächtung in der Gesellschaft gegen über Prostitution und die verschärfte Gesetzgebung zu nehmen, schwieriger für uns alle werden.
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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blumentopf
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Beitrag von blumentopf »

wow!
fraences, ich ziehe den hut! :icon_thumright

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Beitrag von Veraguas »

@fraences
Schöne Geschichte.
Danke.
Welches Problem auch immer in der Gesellschaft besteht-
der Staat weiss eine völlig irre Problemlösung die niemandem nützt, aber Arbeitsplätze im Beamtenapparat schafft. H.S.

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fraences
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Beitrag von fraences »

Ob es ein schöne Geschichte mag ich nicht beurteilen.

Sagen wir es mal so in einem Zitat von Wilhelm Busch:

"Ist der Ruf erst ruiniert, Lebt es sich ganz ungeniert."

Wobei ich betonen will, den Hurenhass was uns in den letzten Jahren zunehmend begegnet, habe ich in meinen 3 Jahrzehnten Zeit im Prostitutionsgewerbe nie so erlebt. Und das erstreckt mich doch sehr und macht mich sehr traurig und wütend zu gleich.

Ein solchen Paradigmawechsel im Umgang mit der Prostitution hätte ich mir in meinem schlimmsten Träume nie vorstellen können.

Und leider erlebe ich an die Reaktionen von vielen Menschen, das sie das garnicht wahrhaben wollen , bzw. sich das in Deutschland vorstellen können.

Aber leider hat sich eine große Front Prostitutionsgegner von Radfemistinnen, fundamentalistische Christen und konservative Menschen zusammen gebraut, die lange an diese Schraube drehen. Plus die schon seit lange Forderung der Polizei wieder die totale Kontrolle über unsere Branche wieder zu haben.

In den letzten Tagen kommen mir oft Gedanken, hat es überhaupt noch einen Sinn täglich Kraft und Zeit in den politische Arbeit zu stecken?

Zumal erstmal viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist, und dann wird vieles heruntergespielt, : Wird ja nicht so schlimm?
Ist ja alles nur Hirngespirnst von euch Aktivistinnen.
Ist ja richtig das ihr reguliert werdet?
(Wobei gegen eine sinnvolle Regulierung sprechen wir uns ja nicht aus. Wohl gegen weitere Kriminalisierung.
Das Gesetz wird ja nicht durch kommen und vieles mehr.



Was ist schon dabei , wenn ihr im Polizeidatei geführt wird?
Es bewegt sich alles in ein Mordgeschwindigkeit in Richtung mehr Kriminalisierung und mehr Stigmatisierung.
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Beitrag von Doris67 »

fraences: Ich kann dir aus Erfahrung sagen, daß politische Arbeit erst durch langjährige Hartnäckigkeit Früchte trägt, also nicht aufgeben. Versuch aber, dabei nicht allein zu bleiben, werdet mehr/viele, um nicht auszubrennen.
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Re: RE: Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beitrag von Doris67 »

(Doppelpost, sorry)
Zuletzt geändert von Doris67 am 16.09.2014, 10:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: RE: Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beitrag von Doris67 »

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fraences hat geschrieben: Meine offensive Erfahrung mit der Bedrohung des Zwangsoutings umzugehen, war letztendlich ein Selbstschutzmechanismus ,dem Stigma etwas entgegen zu setzen.
Genau so funktioniert es, und das ist der Sinn des Wortes "Pride" (ursprünglich in der Befreiungsbewegung der Schwarzen in den USA, dann bei Transen/Schwulen/Lesben): Dadurch, daß man sich nicht schämt, so zu sein, den Diskriminierern/-innen ihre Waffen aus der Hand zu schlagen. Das funktioniert ganz genauso für Sexarbeiter/-innen: Laßt uns selbstbewußt und stolz sein, Huren zu sein, anstatt uns dafür zu schämen, dann bedrückt uns auch das Stigma nicht mehr. Selbstbewußtsein ist der erste und wichtigste Schritt zu politischem Handeln.
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RE: Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beitrag von Jupiter »

Ich denke, wie bei jeder extremen Lebenssituation, ist es, wenn man sich mit einer Vertrauensperson aussprechen, gemeinsam sich beraten kann, ja vielleicht gemeinsam vorgehen kann.
Fraences, dir stand dein Mann kompetent zur Seite und hat dich voll unterstützt. Deswegen gilt dir und ihm meine Anerkennung.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Nuttella66
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RE: Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beitrag von Nuttella66 »

Fraences, du hast die Kinder zu euch eingeladen? Und die durften alle echt kommen? Auf meinem Dorf würden die Eltern ihren Kindern verbieten das Haus einer Hure zu betreten. Denn warscheinlich erzählt sie noch pornografische Geschichten und zeigt ihren Körper. (Leider sehen die meisten das so.)

Ich habe meinen Kindern die Wahrheit über meinen Job vor einem Jahr gesagt. Eine Freundin von mir war zu Besuch und meine Tochter hörte dieses Gespräch über meinen Job mit. / Ich dachte, sie würde schlafen - tat sie aber nicht und stand neugierig hinter der Tür. Es gibt ein Sprichwort: In jedem Schlechten liegt auch etwas Gutes.
Und ja, es war gut nun endlich die Wahrheit sagen zu können. Ich habe es beiden Kindern gesagt und war gespannt auf die Reaktion. Die war aber wirklich ganz easy.
Mein Mann hatte Bedenken, dass unsere Kinder durch meine Offenheit einen "Schock" bekommen könnten. Darüber lachen meine Kinder noch heute und ich auch.

Ich habe Elternsprechtage gehasst, weil ich immer befürchtete einen Teil der Eltern oder den Lehrer "näher" zu kennen.
Ich hole meinen Sohn auch nie von seiner Arbeit ab, weil ich hier auch befürchte jemanden "näher" zu kennen.

Ein Outing ist nicht immer so einfach wie bei Fraences und den eingeladenen Kindern. Es kann auch ganz, ganz schwer "ins Auge" gehen. Vorher weiß niemand wie das Ganze enden wird.

Es ist russisches Roulette. Manchmal kommt man sich vor wie im Mittelalter. Früher wurden die Frauen auf dem Marktplatz gesteinigt. Heute werden sie das auch, aber heute ist es psychisch.

Es ist traurig genug, dass deswegen Tränen geweint werden müssen.
Denn die Würde des Menschen ist unantastbar ...........
(Manche Leute scheinen dies aber noch nie gehört zu haben.)
** - Wenn du in den Abgrund schaust, schaut der Abgrund auch in dich -**

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Beitrag von fraences »

@Nutella

Ich hab den Eltern gar nicht die Chance/Zeit gegeben, es ihren Kinder zu verbieten. Direkt nach dem Vorfall haben wir die Mitschüler von der Schule angesprochen und sie zu dem Gespräch eingeladen.
Es war in NRW und in einem Kleinstadt Bergheim bei Köln.

Was ländliche Gegend verstehe ich dich voll und ganz. Hab später in einem kleinen Bergdorf in BW gelebt.

Zu erst wollte ich die ersten Monaten meine Tätigkeit dort auch verschweigen, habe aber schnell gemerkt, das mich das krank gemacht hätte. Bin dann auch in die Offensive gegangen und habe mich geoutet.

Über die Reaktion (es ist eine sehr konservative Gegend) war ich sehr verblüfft und musste innerlich grinsen.

"Bilde dir nichts drauf ein eine Hure zu sein, ist doch nichts besonders."

Was ich später von einem Nachbarn erfuhr, das bis vor ein paar Jahren in fast jedem Dorf entlang der Schweizer Grenze es jeder Menge Wohnungsprostitution gegeben hatte. Bis man dann mit der Begründung der Sperrgebietsverordnung sie geschlossen hatte.

Ja, ein Outing kann immer ins Auge gehen, und das muss jeder für sich selbst entscheiden. Und es ist auch ein Unterschied, ob man alleinstehend ist oder die Mitverantwortung für Familienangehörige trägt, ob man noch einen anderen berufliche Hauptjob hat, ob man nur eine Zeitlang in der Prostitution tätig ist, ob man jung ist und andere berufliche Ziele hat. etc.
All das macht es schwierig zu entscheiden, ob man sich die Gefahr eines Outing aussetzen will oder kann.
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Beitrag von fraences »

@Nutella

Ich hab den Eltern gar nicht die Chance/Zeit gegeben, es ihren Kinder zu verbieten. Direkt nach dem Vorfall haben wir die Mitschüler von der Schule angesprochen und sie zu dem Gespräch eingeladen.
Es war in NRW und in einem Kleinstadt Bergheim bei Köln.

Was ländliche Gegend verstehe ich dich voll und ganz. Hab später in einem kleinen Bergdorf in BW gelebt.

Zu erst wollte ich die ersten Monaten meine Tätigkeit dort auch verschweigen, habe aber schnell gemerkt, das mich das krank gemacht hätte. Bin dann auch in die Offensive gegangen und habe mich geoutet.

Über die Reaktion (es ist eine sehr konservative Gegend) war ich sehr verblüfft und musste innerlich grinsen.

"Bilde dir nichts drauf ein eine Hure zu sein, ist doch nichts besonders."

Was ich später von einem Nachbarn erfuhr, das bis vor ein paar Jahren in fast jedem Dorf entlang der Schweizer Grenze es jeder Menge Wohnungsprostitution gegeben hatte. Bis man dann mit der Begründung der Sperrgebietsverordnung sie geschlossen hatte.

Ja, ein Outing kann immer ins Auge gehen, und das muss jeder für sich selbst entscheiden. Und es ist auch ein Unterschied, ob man alleinstehend ist oder die Mitverantwortung für Familienangehörige trägt, ob man noch einen anderen berufliche Hauptjob hat, ob man nur eine Zeitlang in der Prostitution tätig ist, ob man jung ist und andere berufliche Ziele hat. etc.
All das macht es schwierig zu entscheiden, ob man sich die Gefahr eines Outing aussetzen will oder kann.
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Beitrag von nina777 »

16.09.14

Ver.di ist gegen die Meldepflicht von Prostituierten

Die Gewerkschaft Ver.di wendet sich gegen die von Ministerin Schwesig geplante Registrierung von Prostituierten. Sexarbeiterinnen würden dadurch nicht besser geschützt, sondern stigmatisiert.


Hamburg. Die Gewerkschaft Ver.di hat sich gegen die von der Bundesregierung geplante Meldepflicht für Sexarbeiterinnen ausgesprochen. Diese Maßnahmen erinnerten an die Behandlung von Prostituierten in der NS-Zeit, sagte Ver.di-Referent Peter Bremme am Dienstag in Hamburg.

Mit der Meldepflicht für Sexarbeiterinnen werde das gesellschaftliche Stigma dieser Gruppe manifestiert. Sie gebe weder Schutz noch beinhalte sie eine Verbesserung der sozialen und arbeitsrechtlichen Situation von Sexarbeiterinnen in Deutschland.

Eine Berufsgruppe, die aufgrund der Doppelmoral in der Gesellschaft schon mehrfach diskriminiert sei, dürfe mit der geplanten Meldepflicht nicht noch weiter ausgegrenzt werden, sagte auch Emilija Mitrovic vom Ratschlag Prostitution Hamburg. Die Umsetzung der Meldepflicht hätte "enorme Konsequenzen für die freie Wahl des Arbeitsplatzes von Sexarbeiterinnen".

Die individuelle Registrierung ist in dem umstrittenen Gesetzesvorhaben der am heftigsten umkämpfte Punkt. Laut Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) dient sie dem Schutz vor Ausbeutung und Zwang. Die Registrierung solle die Frauen nicht stigmatisieren, sondern ihnen helfen, betont die Sozialdemokratin: "Ich kann nicht anonym bleiben und gleichzeitig besser geschützt werden."

http://www.abendblatt.de/hamburg/articl ... erten.html
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Re: RE: Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beitrag von fraences »

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Nuttella66 hat geschrieben:Ich habe meinen Kindern die Wahrheit über meinen Job vor einem Jahr gesagt. Eine Freundin von mir war zu Besuch und meine Tochter hörte dieses Gespräch über meinen Job mit. / Ich dachte, sie würde schlafen - tat sie aber nicht und stand neugierig hinter der Tür. Es gibt ein Sprichwort: In jedem Schlechten liegt auch etwas Gutes.
Und ja, es war gut nun endlich die Wahrheit sagen zu können. Ich habe es beiden Kindern gesagt und war gespannt auf die Reaktion. Die war aber wirklich ganz easy.
Mein Mann hatte Bedenken, dass unsere Kinder durch meine Offenheit einen "Schock" bekommen könnten. Darüber lachen meine Kinder noch heute und ich auch.
Bei Jugendlichen haben ich auch die Erfahrung gemacht, das sie offener und freidenkender sind, als wir es oft gut annehmen.

Viele Freunde meiner Tochter, die bei uns zu Hause waren, haben es zwangsläufig mit bekommen und haben dann ein paar Fragen gestellt und danach war es für sie kein Thema mehr.
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RE: Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beitrag von Klaus Fricke »

Den Link hatte Frances dankenswerterweise schon am anderen Ort eingestellt. Ich habe die Stellungnahme jetzt gelesen. Mein Fazit: Durchwachsen. Aber wenigstens lehnt der Deutsche Juristinnenbund eine Anzeigepflicht (Registrierung) für Sexarbeitende ab. Hier ein Auszug aus dem Text


Deutscher Juristinnenbund e.V.
Vereinigung der Juristinnen,
Volkswirtinnen und
Betriebswirtinnen

Berlin, 15. September 2014
S T E L L U N G N A H M E
zur Reform der Strafvorschriften des Menschenhandels, Verbesserung des
Schutzes der Opfer von Menschenhandel und Regulierung der Prostitution




Individuelle Anzeigepflicht

"Eine individuelle Anzeige-/Anmeldepflicht, wie sie das Eckpunktepapier des BMFSFJ für Prostituierte in den Raum stellt, lehnt der djb ab, weil die Gefahr der Stigmatisierung evident ist und hohe Anforderungen an die Erhebung und Verarbeitung von Daten, die mit der Sexualität eines Menschen zu tun haben, im Europarecht und bundesdeutschem Recht bestehen. Auch eine Pflicht zur Offenlegung der Namen gegenüber Kunden durch Bereitstellung eines „Nachweisdokuments“ könnte Gefahren und Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Folge haben." (S. 3)

und weiter:


"Eine individuelle Anzeige- bzw. Anmeldepflicht für Prostituierte, die in einer Kommune tätig werden, wie sie das Eckpunktepapier des BMFSFJ vorsieht, hält der djb nicht für erforderlich und sähe bei einer Entscheidung des Gesetzgebers für eine solche Regelung hohe Anforderungen an die Ausgestaltung des Datenschutzrechts, um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu schützen. Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über Prostituierte beinhaltet notwendigerweise Informationen über die Sexualität dieser Person, die besonders zu schützen sind. Auch Vorschläge, die auf ein „Nachweisdokument“ für „offiziell“ tätige Prostituierte hinauslaufen, würden zu Gefahren für diese Gruppe und möglichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen führen (z.B. durch eine Verpflichtung zur Vorlage des Nachweisdokuments mit dem eigenen Namen gegenüber Kunden). Gleichzeitig würde die Bekämpfung des Menschenhandels nicht befördert, denn eine ordnungsgemäße Durchführung der Anmeldung könnte auch unter Zwang erfolgen. (S. 27 - 28) (Hrvrhbg. K.F.)

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Beitrag von nina777 »

Emma Newsletter vom 17.9.2014

Liebe Freundinnen und Freunde von EMMA!

Im Rahmen der geplanten Reform des Prostitutionsgesetzes ist die Anmeldepflicht für Prostituierte im Gespräch. Sie scheint sowohl von der Union wie von der federführenden Ministerin Schwesig gewollt zu sein.

Was spricht für eine Anmeldepflicht?

In der Diskussion ist eine individuelle Anmeldepflicht nicht beim Einwohnermeldeamt, sondern bei der Kriminalpolizei. Warum? Weil die meisten Frauen permanent den Wohnort wechseln (sie werden als "Frischfleisch" von Bordell zu Bordell geschoben), und weil die Polizei die Daten der Frauen effektiv schützen kann.

Experten gehen heute davon aus, dass bis zu 95 Prozent der in der Prostitution tätigen Frauen aus dem Ausland, meist Osteuropa, kommen. Diese Frauen können oft kein Wort Deutsch und wissen häufig noch nicht einmal, in welcher Stadt sie sich gerade befinden (in die sie von Schleppern bzw. Bordellbetreibern gebracht werden). Niemand weiß, wo sie sind, ihr Verschwinden würde keinem auffallen. Sie sind also quasi vogelfrei.

Mit der Anmeldepflicht könnte eine Beratung über die Rechte der Frauen verbunden werden, die angemessene Regelung der Steuer (die heute oft zwangseingehalten wird von Bordellbetreibern) sowie die Grundlage für ein legales Wohnrecht in Deutschland. Außerdem erwerben die Frauen so Ansprüche auf Sozial- und Rentenleistungen.

Die GegnerInnen der Anmeldepflicht sehen das anders

Juanita Henning von Doña Carmen vergleicht die Anmeldepflicht mit der Erfassung der Prostituierten durch die Nazis als "Berufs- und Gewohnheitsverbrecher". Johanna Weber vom so genannten "Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen" warnt vor der Anmeldepflicht, weil angeblich vor allem die deutschen heimlichen bzw. Gelegenheits-Prostituierten dadurch geoutet würden.

ver.di Hamburg (die auch die Reform von 2002 bis heute gut heißt) plädiert gegen eine Meldepflicht, denn "diese Maßnahmen erinnern an die Behandlung von Prostituierten in der NS-Zeit" (so ver.di-Referent Peter Bremme im Hamburger Abendblatt).

Auch der Deutsche Juristinnenbund lehnt die Einführung einer individuellen Anmeldepflicht ab. Argumente: "Die Gefahr der Stigmatisierung ist evident hoch und der Nutzen einer solchen Regelung fragwürdig. (...) Hinzu kommen hohe datenschutzrechtliche Anforderungen, die mit der Sexualität einer Person zu tun haben." (Ramona Pisal).

Alle, die für eine Anmeldepflicht plädieren, sollten den GewerkschafterInnen und den Juristinnen baldmöglichst ihre Argumente darlegen:

ver.di
per Mail an bezirk.hamburg@verdi.de
oder auf www.verdi.de/Kontakt

Deutscher Juristinnenbund
per Mail an geschaeftsstelle@djb.de
oder auf www.djb.de/extras/kontakt

Mehr zum Thema auf der Übersichtsseite Prostitution
Mit lieben Grüßen
Die EMMAs
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RE: Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beitrag von Nuttella66 »

Es wird noch der Tag kommen, da sollen alle DL´innen Tag und Nacht ein auffälliges Zeichen am Pullover haben ..... damit alle gleich sehen können "was man für eine ist".

Damals bei den Juden wurde das auch so gemacht - Judenstern.

Traurig - aber wahr!
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Beitrag von Doris67 »

Nuttella66: Die geplante Totalüberwachung ist genau das, weil sie dauerhaft stigmatisiert.
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RE: Registrierungspflicht von SexarbeiterInnen

Beitrag von fraences »

Offener Brief an den Ratsvorsitzenden der EKD

Herrn Dr. h.c. Nikolaus Schneider
Herrenhäuser Str. 12
30419 Hannover

Meldepflicht für Sexarbeiter/innen
Sehr geehrter Herr Dr. Schneider,

als Organisation, die sich für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten einsetzt, wendet sich Doña Carmen e.V. heute mit diesem Schreiben an Sie und die Verantwortlichen in der EKD mit der Bitte, zur aktuellen gesellschaftlichen Debatte
um eine geplante Meldepflicht für Sexarbeiter/innen Position zu beziehen.
Es mag nicht oft vorkommen, dass sich eine Pro-Prostitutions-Organisation wie Doña Carmen e.V. an die EKD wendet, deren Haltung von einer grundsätzlichen Ablehnung der Prostitution geprägt ist. Gleichwohl sollte die prinzipielle Unvereinbarkeit beider Sichtweisen kein Hinderungsgrund sein, sich pragmatisch
über Fragen des rechtlichen Umgangs mit Prostitution zu verständigen.

Hier weiter lesen:
http://www.donacarmen.de/wp-content/upl ... RIEF-4.pdf
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Re:

Beitrag von straponlady »

Zwerg hat geschrieben:
15.08.2014, 20:51
Nach unserer Erfahrung in AT:

Durch eine Registrierungspflicht wird lediglich eine künstliche Form der Illegalität geschaffen. Der Bockschein bzw. in AT der Deckel dient ausschließlich dazu SexarbeiterInnen zu benachteiligen - Hier vorzugeben, man würde "zum Schutz der SexarbeiterInnen" agieren, ist blanker Hohn!

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Für mich wäre Schutz, wenn in LH und für Escort die Freier jedes Mal Schnelltest machen bzw. aktuellen Befund auf Krankheiten haben. Auch mit Kondom geht es schnell, was zu bekommen. Die SW müssen sich testen, die Freier nicht. Freier gehen ja auch zu unterschiedlichen Frauen (in der Regel), wenn sie Geld und Lust haben. Danach kann man die Pflichten der SW besprechen

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Re: Re:

Beitrag von Zwerg »

straponlady hat geschrieben:
29.09.2023, 12:51
Für mich wäre Schutz, wenn in LH und für Escort die Freier jedes Mal Schnelltest machen bzw. aktuellen Befund auf Krankheiten haben. Auch mit Kondom geht es schnell, was zu bekommen. Die SW müssen sich testen, die Freier nicht. Freier gehen ja auch zu unterschiedlichen Frauen (in der Regel), wenn sie Geld und Lust haben. Danach kann man die Pflichten der SW besprechen
Wir verlangen ein Ende der staatlichen Diskriminierung und berufen uns auf den Schutz der Intimsphäre (bzw. Privatsphäre) - und werden keines Falls einer anderen Gruppe genau das aufzwingen wollen, wogegen wir uns wehren! Der Staat bzw. dessen Vertreter*Innen haben im Intimbereich keines Menschen etwas zu suchen!

Und Schnelltests sind auch nicht das Gelbe vom Ei.... Ein verantwortungsvoller Umgang mit Kondomen ist die Lösung.
christian