Nun hat sich ein Mitarbeiter der Kripo Offenburg / Ortenaukreis in einem Interview mit der Badischen Zeitung zur Situation geäußert. Ich freue mich, dass dies nicht "reißerisch" dargestellt wird.
Gruß Jupiter
Hier der Link:
http://www.badische-zeitung.de/ortenauk ... perrbezirk
und hier der Text:
ORTENAU. Blau oder grün: Polizeibeamte sind in ihren Uniformen rasch zu erkennen. Allerdings nicht alle: Die Beamten der Kriminalpolizei sind an ihrem Arbeitsplatz meist in Zivil anzutreffen, ob im Büro oder an einem Tatort. Was tut die "Kripo"? Wofür ist sie zuständig? Mit welchen Fällen beschäftigt sie sich? Antworten auf derlei Fragen gibt eine Serie, die einen Blick hinter die Kulissen dieser so wichtigen Abteilung der Polizeidirektion Offenburg wirft. Heute: der Bereich "Sitte" – alles, was mit Prostitution und dem strafrechtlichen Umfeld zu tun hat.
SKANDAL IM SPERRBEZIRK
Einer der gravierendsten Fälle datiert vom vergangenen Jahr. Übers Internet hatte ein 17-jähriges Mädchen aus dem Ortenaukreis einen wesentlich älteren Mann aus Bayern kennengelernt. Der hatte ihr vorgemacht, eine Model-Agentur zu besitzen. Der Kontakt zwischen dem ungleichen Paar wurde enger, man vereinbarte ein Foto-Shooting, es kam zum Sex. Der Mann trat hernach zudem als eiskalter Geschäftsmann auf, bot das Mädchen über Anzeigen im Internet zum "Kauf" an, führte ihr Freier zu. "Das Ganze flog erst auf, als sie sich ihren Eltern offenbarte", erinnert sich Kriminalhauptkommissar Tobias Sester, "das Mädchen war einfach zu gutgläubig, gestand sogar, dass sie freiwillig mitgemacht habe." Es kam dennoch zur Strafanzeige.
Die junge Frau war nämlich noch keine 18 Jahre alt. Wäre der Vorgang vor zehn Jahren passiert, wären diesbezüglich Polizei und Staatsanwaltschaft nicht aktiv geworden. Denn erst seit 2008 ist es strafbar, eine 17- oder gar 16-jährige Person für sexuelle Dienstleistungen zu entlohnen. Das Schutzalter von Jugendlichen wurde von 16 auf 18 angehoben. Saftige Geldstrafen oder gar lange Freiheitsstrafen drohen dem, der sich nicht daran hält. Auch die Jugendlichen selbst, die auf diese Weise gegen Geld ihren Körper anbieten, müssen mit Strafen rechnen. Noch härter bestraft wird, wer mit Kindern (unter 14) sexuelle Handlungen ausübt.
Der geschilderte Fall hatte noch einen zweiten strafrechtlich relevanten Aspekt: Die 17-Jährige bot ihre Reize gegen Geld im Kinzigtal an – auch das ist verboten, betont Sester. Denn laut einer Verordnung des Regierungspräsidiums von 1976 ist die Prostitution, früher noch als Gewerbsunzucht beschrieben, nur in Städten und Gemeinden mit mehr als 35 000 Einwohnern gestattet, und eine solche gab es im Kinzigtal nie.
ROTLICHT NUR IN OFFENBURG
Lediglich Offenburg, größte Stadt des Landkreises, liegt mit heute knapp 60 000 Einwohnern klar darüber – und lag es auch damals schon. Die Einwohnerzahlen auch anderer Städte haben sich seither mächtig gewandelt, Lahr hat inzwischen um 45 000 Einwohner, und auch Kehl als drittgrößte Stadt des Kreises hat rund 35 000 Einwohner.
Doch die Verordnung gilt nach wie vor nur für Offenburg. Offenbar weil aus Lahr und Kehl noch nie Anträge gestellt wurden, auch in diesen beiden Städten (legale) Prostitution zu erlauben.
Und so ist das horizontale Geschäft im 420 000 Einwohner zählenden Ortenaukreis nach wie vor nur in Offenburg erlaubt. Und auch hier längst nicht überall, sondern lediglich außerhalb des so genannten Sperrbezirks. Das ist nur ein ganz kleiner Teil der Gemarkung. Zum Nicht-Sperrbezirk zählen lediglich das Gewerbegebiet Elgersweier, die Heinrich-Hertz-Straße und die Carl-Benz-Straße. In diesen drei Arealen stehen fünf Bordelle und gibt es zudem sieben sogenannte "Terminwohnungen" – Wohnungen, die von den Prostituierten für eine gewisse Zeit angemietet werden. Außerhalb dieser Sperrzone ist jegliche Prostitution strengstens verboten. "Straßenstrich", also das Sich-Anbieten leicht bekleideter Damen am Straßenrand, ist im Ortenaukreis, und das gilt auch für Offenburg, genauso untersagt wie das geschäftsmäßige Offerieren von Liebesdiensten in Wohnwagen, in Hotels oder gar im dunklen Wald.
REGELMÄßIGE KONTROLLEN
Laut Tobias Sester gehen im Ortenaukreis etwa 120 Personen, meist Frauen, der legalen Prostitution nach: "Verstöße kommen relativ selten vor, sie liegen jährlich im einstelligen Bereich." Und zwar ziemlich konstant. Kontrolliert werde "mehrmals im Jahr und natürlich unangekündigt und zu einer Zeit, da Betrieb herrscht". Dabei werde der Ausweis geprüft, auch die Aufenthaltsgenehmigung – und ob der Sperrbezirk tatsächlich nicht verletzt wurde. Das geschehe auch durch die Lektüre einschlägiger Anzeigenblätter oder von Internet-Angeboten. Und man gehe Indizien nach, so Sester, ob Zwangsprostitution vorliege oder Menschenhandel, ob die Prostituierten ihrem Beruf freiwillig nachgehen oder andere eine Zwangslage gnadenlos ausnutzen, dabei auch klare Angaben machen, was die Frauen an Geld an ihre Zuhälter abzuliefern haben, welche Kunden sie zu bedienen haben, und welche Praktiken von ihnen verlangt werden. Eine 21-jährige rumänische Staatsangehörige hat 2011 nach polizeilichen Recherchen diese bittere Erfahrung machen müssen, sie war möglicherweise von einem Paar aus der nördlichen Ortenau permanent überwacht worden. Für Juni ist die Hauptverhandlung vorgesehen.
Manchmal verteilen Kripo-Beamten Visitenkarten – und hoffen darauf, dass sie einschlägige Hinweise von besorgten Kolleginnen bekommen. "Den Klassiker, dass in einem Bordell plötzlich eine blutende Frau vor einem steht, gibt es nicht." Besser könnte kein Beweis sein.
Neben den 120 registrierten Damen geht die Polizei von einer Dunkelziffer unbekannter Größe aus. Etwas mehr als zwei Drittel dieser "legalen" 120 Prostituierten stammen aus Osteuropa, vor allem aus Rumänien und Bulgarien. Ein Phänomen, das der Wegfall des Eisernen Vorhangs mit sich gebracht hat. Jeweils rund zwölf Prozent stammen aus dem asiatischen Raum und aus Deutschland. Bisweilen sind auch Frauen aus Afrika und Südamerika in dem Geschäft tätig. Die Fluktuation, sagt Sester, sei hoch: "Manche Frauen sind lediglich an Wochenenden im Einsatz oder manchmal auch nur für zwei Wochen. Länger als zwei Jahre ist die Ausnahme."
Die Frauen sind im Schnitt um die 30 Jahre alt, die Altersspanne reicht von 18 bis 55. "Es gibt auch Frauen, die kommen alleine hierher, manche treten auch nur in der Gruppe auf." Manche werden sogar von Bekannten über viele Kilometer hinweg an ihren künftigen Arbeitsplatz gefahren: "Das ist nicht strafbar." Die Kontaktaufnahme hat sich in jüngster Zeit stark ins Internet verlagert.
Neben den Prostituierten, die im Ortenaukreis ihrer Arbeit nachgehen, gibt es auch unzählige, die hier wohnen, aber in Straßburg ihr Geld verdienen.
AUSSTIEG IST MÖGLICH
Warum prostituieren sich Frauen? Das habe mehrere Gründe, so Sester: "Die einen sehen dies sehr wohl als Erwerbsarbeit an, andere ziehen die Prostitution dem Gelegenheitsputzen vor." Und dann gebe es welche, die damit ihren Drogenkonsum finanzieren. Dass Prostituierte – in Deutschland soll es rund 400 000 geben – keinen besonders guten Leumund haben, wissen Organisationen wie "FreiJa" oder "Pink gut: Sie bieten Frauen in Zwangslagen Hilfen zum Ausstieg an. 20 bis 30 Frauen, so der Mann von der Offenburger "Sitte", "suchen jährlich von sich aus die Anlaufstellen auf". Auch Streetworker helfen Ausstiegswilligen.
Kriminalhauptkommissar Sester: "Ob sie es tatsächlich tun, sei dahingestellt."
ZUR INFO: KRIPO OFFENBURG
Die Kriminalpolizei Offenburg ("Kripo") ist in vier Kriminalinspektionen untergliedert. Meist sind diese noch unterteilt in Dezernate. So sind, zum Beispiel, dem Dezernat 1. 1. Tötungsdelikte, Sexualdelikte oder Freiheitsberaubung zugeordnet, während es im Dezernat 1.2 unter anderem um Raub oder Erpessung geht. Das Dezernat 2.1 kümmert sich etwa um organisierte Kriminalität oder Menschenhandel beziehungsweise Zuhälter, während der Kriminalinspektion III (kein Dezernat) Dinge vorbehalten sind wie Wirtschaftsdelikte, Computerkriminalität oder illegale Beschäftigung. Die Kriminalinspektion IV ist unterteilt in die Dezernate 4.1 (Fahndung), 4.2 (z.B. Kriminaltechnik) und 4.3 (Datenstation, Aktensammlung). Des weiteren gibt es Kripo-Außenstellen in Kehl und Lahr.
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.
(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)