Danke für den Link. Eine wirklich gelungene Diskussion zum Jahresausklang, denn die Sendung liefert eine differenzierter gelungene Analyse zur Lage der Gesellschaft
Deutschlandfunk: "Aufreger des Jahres"
mit
- Norbert Seitz als Moderator
- Thea Dorn, _Moderatorin des SWR-Bücherjournals Lesenswert und Buchautorin (u.a. "Die deutsche Seele")
(Abgesetzte Tannhäuser-Oper in Düsseldorf wg. Zuschauertraumatisierung durch SS-Thematik und zensierung von Begriffen wie Neger)
- Tanja Dückers, Publizistin und Schriftstellerin (u.a. "Hausers Zimmer")
http://de.wikipedia.org/wiki/Tanja_D%C3%BCckers
www.tanjaDueckers.de
Sie bringt als ihr Aufreger des Jahres die Prostitutionsdebatte ein
- Wolfgang Herles, Moderator des ZDF-Literaturmagazins Das blaue Sofa
(Aufreger Pseudowahlkampf, wichtige Themen wie Snowden-NSA-Orwell2.0-Skandal und Faschismustendenzen fehlen)
Ich frage mich warum die Debatte so gut gelungen ist und ob wir für unsere Medienarbeit daraus lernen können?
Gut gelungen weil:
- es allesamt professionelle kulturschaffende FeuilletonistInnen sind,
· die sowohl bestens informiert sind,
· die im Gegensatz zu vielen Sexworkern bestens ausgebildet und etabliert sind
· als auch langjährige professionelle Praxis haben sich punktgenau artikulieren zu können.
- weil sie ein professionelles Interesse verbindet, eine gute Sendung zu machen und sie nicht konkurrierende Interessenvertreter sind, die das Podium für Emanzipationskampf oder Buchpromotion ausnutzen
- das Sendeformat einfach klasse ist,
· 3 Experten jeweils ein Thema vorbereiten zu lassen und dann gemeinsam zu erörtern
- die Sendung gut vorbereitet d.h. abgesprochen wurde. Ich vermute alle Teilnehmer bekamen vorher mitgeteilt welchen Aufreger die jeweils anderen einbringen werden und konnten sich somit einstimmen.
- das alles hat zur Folge, dass eine äußerst harmonische, dichte, gutinformierte Sendung herausgekommen ist.
Tanja Dückers hatte als Studentin in Berlin beobachtet wie in Neukölln morgens um 9:30 eine sehr junge Frau aus einem Kofferaum in ein Bordell geschleppt wurde, sie wurde geschlagen und war offenbar bewußtlos, und hat es damals nicht der Polizei gemeldet was sie jetzt geschärft durch die Debatte öffentlich bereut.
Sie berichtet von Berichten der schwedischen Polizei, dass nach dem Sexkaufverbot von 1999 jetzt der Menschenhandel an Stärke und Komplexität zugenommen hat. Wir wissen jetzt dass das Gesetz neu evaluiert werden soll.
Thea Dorn klingt zwar sehr sympatisch modern progressiv und als Frau emanzipiert, transportiert aber zahlreiche versteckte Aspekte von Prostitutionsfeindlichkeit! Z.B. das internalisierte Stigma, dass angeblich keine Eltern es wollen könnten, dass die eigenen Kinder Sexwork als Berufstätigkeit wählen, um sich dementsprechend für eine gute berufsadäquate Ausbildung einzusetzen.
Damit spricht Thea Dorn unserer Branche Qualifizierungsmöglichkeiten aufzubauen ab und macht sich quasi mitschuldig, dass die Sexarbeit im Ghetto verfangen bleibt in dem sie derzeit noch steckt. Sie perpetuiert die Verhältnisse (das ist der Kern von Konservatismus: "es ist so wie es ist"). Immerhin gibt sie zu, dass es ihre Instinkte sind, die sie GEGEN staatliche Förderprogramme für Sexworker eintreten läßt. Ich sage dazu nur sie ist von NIEDEREN Instinkten gesteuert.
Unser Sammelthema: "Fortbildungen für Sexworker"
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=817
Thea Dorn kritisiert Schwarzers pauschalisierende Analyse und
Kollektiv-Viktimisierungen z.B. im Buch "Die Antwort" dass jeder ein Opfer von sexuellem Mißbrauch sei, so auch in einem Nebensatz mitgeteilt
George Orwell, weil als Kind im autoritären Internat Bettnässer gewesen. Schwarzer sei von
Paranoia getrieben. Demonisierung sei aber kontraproduktiv.
Die Debatte müsse die Ambivalenzen aushalten, auf hohem Niveau die Diffusitäten in der Sexarbeit diskutieren und die Prostitutionsregulierung muß angemessen und mit Augenmaß darauf reagieren. Das finde ich ist eine gutinformierte differenzierte Schlußfolgerung, die aber in der politischen Praxis, wo wie in anderen Stellen der Sendung herausgearbeitet die symbolische Politik und Lobbyinteressen so übermächtig sind und daher es wohl eher unwarscheinlich ist. Jedenfalls wenn es unserer Gemeinschaft der Sexworkerrechtevertreter nicht gelingt eine starke politikwirksame öffentliche Stimme zu erlangen.
Wolfgang Herles arbeitet heraus dass ein Staat die Urgewalt der Sexualität und somit auch der Prostitution zwar als Verbot ins Gesetz schreiben kann, aber diese sich in der Praxis nicht durch Gesetz kontrollieren oder gar verbieten läßt. Diese Erkenntnis ist sprachlich schon eine Herausforderung. Man kann einerseit Prostitution per Gesetz verbieten (es ins Gesezt hineinschreiben), aber gleichzeitig läßt sich Prostitution als soziale Realität nicht per Gesetz verbieten oder abschaffen (privates Sexualverhalten richtet sich im wesentlichen wenig nach Gesetzen).
Wir haben es also beim Thema der Prostitutionsgesetzgebung www.sexworker.at/prostg d.h. der Sexwork-Reglementierung im Kern oder im Subkontext mit einer Contradictio in adiecto zu tun, engl: Contradictio in terminis; vgl. Oxymoron, Paradox, Widerspruch, Contradiciton, Self-refuting idea, Inconsistency, Circular Reasoning... . Das finde ich eine sehr fundamentale und auch tragische Erkenntnis. Dieser immanente (innere) Widerspruch erklärt letztlich den prekären ausgegrenzt-tabuisiert-stigmatisiert-bis-kriminalisierten Status der moralischen und rechtlichen Bewertung von Prostitution & Sexarbeit. Die Gesellschaft oder Menschen und ihr Verstandesvermögen sind schlicht überfordert !!! Deswegen wird Prostitution als Grenzüberschreitung erlebt, weil sie in sich im Verhältnis zu Gesellschaft eine ist! Eine unaufgeklärte Gesellschaft kann also nur mit Ausgrenzung oder Bestrafung reagieren.
Struktureller Widerspruch in sich = Contradictio in adjecto = Oxymoron
Beispiele aus Wikipedia:
Weniger ist mehr
„Diese Fülle hat mich arm gemacht“ (deutsche Übersetzung von inopem me copia fecit aus Ovid, Metamorphosen III, V. 466)
Eile mit Weile
Hassliebe
Bürgeradel
Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke (George Orwell, 1984)
Regelausnahme bzw. Ausnahmeregel
Alter Knabe
unsichtbar sichtbar (Faust I V. 3450)
¡Viva la muerte! („Es lebe der Tod!“, Wahlspruch der spanischen Falangisten im Bürgerkrieg)
und nach meiner Meinung jetzt eben auch Worte wie Prostitutions-Reglementierung !!!
http://de.wikipedia.org/wiki/Contradictio_in_adiecto
http://de.wikipedia.org/wiki/Oxymoron
http://en.wikipedia.org/wiki/Contradictio_in_terminis
http://en.wikipedia.org/wiki/Self-refuting_idea
Karl Kraus formulierte diesen komplizierten Grundtatbestand, der nur besonders reifen Menschen zugänglich ist, sinngemäß so:
"Die Probleme mit der Prostitution fangen an, wenn der Staat damit anfängt die Probleme der Prostitution durch Verbote abschaffen zu wollen".
Wolfgang Herles arbeitet heraus dass nicht die innere Prostitution zwischen Sexworker und Kunde das Problem ist, sondern die Kriminalität die sich im Umfeld (der äußeren Prostitution) organisiert (vgl. Alkohol Prohibition USA). Dieses Schichtenmodell von innen-bis-außen habe ich versucht durch folgendes Schaubild aufzuarbeiten, zeigt es doch gleichzeitig die Punkte wo wir Sexworker teilweise die größten Probleme haben und diese Tatsache dann so formulieren:
"Es ist nicht das bisschen Sex bei der Sexarbeit was problematisch ist, sondern es ist das gesellschaftliche Stigma" oder auf englisch:
"No bad whores, just bad laws" [Scarlet Allinace] - "Stigma kills" - "Silence = death" [act up] ...
Vgl. Bremer Kriminalist Axel Petermann sinngemäß:
"Weniger Morde an Homosexuellen seit oder wg. Entkriminalisierung" [
§175 StGB abgeschafft] .
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=138077#138077

Mehr:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=137549#137549
Wolfgang Herles spricht von
Tugend-Terror. Er analysiert eine gutmenschentümelnde Scheinheiligkeit bei der Debatte, weil sie der Gesellschaft einen
Vojeurismus ermöglicht sich mit "Schmuddelthemen für niedrige Instinkte" zu befassen und so z.B. mutige Sexworker oder Opfer in TV-Duellen zu Gesicht zu bekommen und dabei den gruseligen Schauder genießen zu können das Andere oder Fremde oder ... aus geschützter Sofa-TV-Distanz zu beobachten und bewerten zu können... Die Gesellschaft müßte der Schwarzer dankbar sein, die rede zwar Unsinn, aber gebe uns die Gelegenheit uns
"auszumären" über Themen wo die meisten keine Ahnung haben und auch keine haben wollen. Das ist spießig und daher sind solche Sendungen das eigentliche Ärgernis und nicht das Thema was sie behandeln.
Tanja Dückers schlägt dieses Buch vor: "Transparenzgesellschaft" von Byung-Chul Han (Berlin, HdK)
www.google.de/search?q=transparenzgesellschaft
"Der Imperativ der Transparenz macht uns zu Sklaven der Sichtbarkeit." Das ist auch das Problem der Sexworker falls es Zwangsregistrierung oder Zwangsuntersuchung per Prostitutionsgesetz gäbe. Auch hier das Problem Contradictio in adiecto, weil nämlich das Leben komplexer ist als Gesetze ja sogar Worte es fassen können! Im Prinzip sind solche Regulierungskonflikte nur durch Augenmaß, Toleranz und Akzeptanz zu lösen. D.h. es braucht eine Grauzone, ein Auslegungsspielraum und eine Freiheitsnorm wo Vielfalt und Diversity möglich sind, um so GMF (
Syndrom Gruppenbezogene MenschenFeinlichkeit) z.B. gegen sozio-sexuelle Minderheiten wie Homos und Huren und ihre Liebhaber ... vorzubeugen).
Sie kennt die Aktionen der Sexworker viel genauer und beklagt dass meist über statt mit Sexworker gesprochen wird. Alice Schwarzer sagte zu den Sexworkern, die in der Urania ihre Stimme gegen ihre Falschbehautungen erhoben haben "
haltet ihr mal die Klappe". Chefredakteurin
Stephanie Lohaus vom Missy Magazin will im Februar eine Sondernummer mit Stimmen von Sexworkern herausbringen, was jetzt schon viel Konflikt mit den Alt-Feministinnen (Opfer-Feministinnen) erregt hat.
Missy-Magazin Queer-Feminismus & Sexwork
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=136297#136297
Thea Dorn erhofft sich dass der 3D-Cyber-Sex aus dem Internet die Prostitution überflüssig machen würde. Auch das eine versteckt internalisierte Prostitutionsfeindlichkeit. Aber sie ist so aufgeklärt Bordelle legalisiert zu wollen und nur ausufernde Bordellwerbung zu verbieten (Pascha auf Kölner Taxis).
Norbert Seitz fragt ob die "Grenze der Vergleichbarkeit" vorliegt, wenn Sexarbeiterin Lena bei Jauch sagt sie würde
lieber erotisch massieren als bei Aldi kassieren. Wolfgang Herles widerspricht indem er
Entscheidungsautonomie reklamiert statt Tabugrenzen zu ziehen. Er erinnert an den Fall Klatten und fordert zu
unterscheiden in die moralische und wirtschaftliche Komponente, um die es in Wahrheit gehe. Dazu wird auch folgendes kontrovers aufgenommene Buch erwähnt:
Götz Aly 2005: "Hitlers Volksstaat - Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus"
www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2005/01/15/a0167
http://de.wikipedia.org/wiki/Hitlers_Volksstaat
Er hatte bereits die
Arisierung der Firma Fromms Kondome aufgearbeitet und erklärt Shoah/Holocaust volkswirtschaftlich: "Die Deutsche Arbeiterklasse und Mittelschicht haben vom Raubzug an den Juden und unterworfenen Völkern direkt profitiert (größter Massenraubmord der modernen Geschichte aufgrund von Massenkorruption durch nationalsozialistische Sozialpolitik und Angriffskrieg)". Die Kriegsfinanzierung ist bis heute nicht aufgearbeitet. Hier stoßen wir wie auch hier im Forum beim Thema Geld an die m.E. stärkste bekannte Tabugrenze.
BMW-Milliardärin Susanne Klatten (Fam. Quandt) wird 2008 Opfer von Liebes-Erpresser (Loverboy)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=44990#44990
Koalitionsvertrag Seite
95 104 will Prostitutionsbetriebe und Menschenhandel neu regeln. Später dekonstruieren sie den Koalitionsvertrag, an den man sich ja fast so wie bei Wahlversprechen kaum halte, wenn dann politische Entscheidungen "auf Sicht" getroffen werden müssen...
Koalitionsvertrag CDU/CSU/SPD für den 18. Bundestag
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=136454#136454
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