31.07.2010, 13:00
Wachstumsmarkt Unterwelt
Geschäft mit der Menschenfracht
Menschenschmuggler haben ein einfaches Rezept: Sie nutzen die Transportwege des legalen Güterverkehrs. Für die Branche ist das eine gewaltige Bedrohung. von Marina Zapf
Wärmescanner, Kohlendioxidmessgeräte, Herzschlagdetektoren - der britische Grenzschutz fährt ganz schön auf angesichts der Ware, die normalerweise durch den Tunnel aus Frankreich nach Dover kommt. Die Laster haben Tomatenkisten, Salatpaletten oder Baguettekartons geladen, zumindest dem offiziellen Frachtbrief zufolge. Dahinter aber verbergen sich trotz aller Sicherheitsvorkehrungen immer wieder Menschen.
Flüchtlinge werden auf diesem Weg ins Land geschleust, Frauen in die Prostitution verschleppt, junge Männer als billige Erntehelfer, Tellerwäscher oder Hilfsarbeiter eingesetzt.
Bei der Überprüfung von knapp 900.000 Lkw haben Grenzbeamte im vergangenen Jahr mehr als 20.000 Einwanderer ohne gültige Papiere entdeckt [2% der LKWs]. Pro Kopf koste das Aufspüren von illegal Einreisenden die Verwaltung rund 20.000 Pfund, rechnet die britische Grenzpolizei vor [Summe:
40 Mio. Pfund].
Die Kosten für die Spediteure sind darin nicht enthalten. Menschenhandel wird für die Transport- und Logistikbranche zu einer wachsenden Belastung. Mit zunehmender Globalisierung spannt sich das Netz des Güterverkehrs nicht nur immer dichter um die Welt, es wird auch unübersichtlicher. Ein wichtiger Grund dafür ist die steigende Zahl involvierter Subunternehmer.
Das organisierte Verbrechen weiß das legale Netz zu nutzen. Die Trittbrettfahrer haben ein geringes Risiko und hohe Profite. Die
Haftung für Menschenschmuggel tragen die Fahrer.
"Die größten Handelspartner und Wirtschaftsmächte der Welt sind zugleich die größten Märkte für illegale Güter und Dienstleistungen", heißt es im
Bericht des Uno-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. "Das zeigt, in welchem Ausmaß die Unterwelt untrennbar mit der globalen Wirtschaft verquickt ist."
Menschenhändler oder Schleuser kommen aus Banden der Ursprungs- oder Bestimmungsländer. Sie wenden sich meist in der Landessprache an Fahrer der Speditionsfirmen, um ihre menschliche Fracht unterzubringen. Insbesondere bei Subunternehmern sind die Trucker meist schlecht bezahlt und offen für Nebeneinkünfte.
Weltweit schätzt die Uno die Zahl der Opfer von Menschenhandel für Sexgeschäfte auf jährlich
70.000.
Der Umsatz liege bei rund
3 Mrd. Dollar.
(
die beigelieferte Grafik zeigt die aufgedeckte Fälle aus dem Zeitraum 2005-2007; Gesamtzahl wohl an die 30.000; darunter aber auch Frauen aus Ländern, die seitdem der EU beigetreten sind. Das wird aber nicht erörtert)
Etwa
2,45 Millionen Menschen werden weltweit laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für einfache, gefährliche oder unwürdige Arbeiten ausgebeutet (
weit mehr also als für Sexarbeit; bemerkenswerterweise wird trotzdem eine Grafik in Sachen Sexarbeit gezeigt, und nicht für die Mehrzahl der Fälle), vier von fünf davon Frauen, mit einem "gesamtwirtschaftlichen Schaden für alle Opfer" von
21 Mrd. Dollar im Jahr 2009.
Logistikbranche in der Verantwortung
Dazu kommt das Geschäft mit Flüchtlingen. Schleuserbanden zocken an der Grenze zwischen Latein- und Nordamerika etwa drei Millionen Grenzgänger jährlich ab und setzen damit 6,6 Mrd. Dollar um. An der Grenze zwischen Afrika und Europa sind es mit 55.000 Flüchtlingen und 150 Mio. Dollar Umsatz deutlich weniger. Insgesamt wird die Zahl sogenannter internationaler
irregulärer Migranten auf 50 Millionen geschätzt.
Die Logistikbranche wird mit in die Verantwortung gezogen, wenn sie für Menschenschmuggel missbraucht wird. "Das organisierte Verbrechen versucht leider auch, die Nervenstränge des Transports für seine kriminellen Tätigkeiten zu nutzen", sagt Sabine Wiedemann, Vizepräsidentin für Sicherheitsfragen bei Deutsche Post DHL. Jedes Unternehmen sei bestrebt, solche Verbrechen zu unterbinden. Schutz der Menschen sei oberstes Gebot.
Bei jedem Zwischenfall müsse die Lieferkette unterbrochen werden, sagt Peter Krausz, zuständig für Güterverkehr und Sicherheit beim weltweit agierenden Speditionsverband IRU. Die Ladung gelte dann als "kontaminiert". Die persönliche Sicherheit der Fahrer stehe auf dem Spiel.
Der Trend zu immer längeren Lieferketten sei ein Sicherheitsproblem: "Je länger die Kette von Vertragsnehmern, desto höher das Risiko."
http://www.ftd.de/politik/international ... 50963.html