Unermüdlich versucht Anita de Wit ihre Mitmenschen von den von loverboys ausgehenden Gefahren zu überzeugen. Warum ist nicht wirklich nachzuvollziehen.
Auch in dem hier von ihr medienwirksam aufbereiteten Beispiel wird nur allzu deutlich, dass eben nicht der loverboy die junge Frau um ihre Jugend gebracht hat, sondern dass das Problem alleine bei der Familie liegt. Niemand weiß was passiert wäre, wenn sie diesen loverboy nicht getroffen hätte, ob sie überhaupt noch leben würde, sich vielleicht suizidiert hätte. Aber Was will Frau de Wit auch mit der Wahrheit anfangen, sschließlich will sie unter dem Vorwand einer "guten Sache" Geld sammeln, und da wäre es kontraproduktiv, mit dem Finger auf die potentiellen Geldgeber, auf gutbürgerliche Familien zu zeigen.
Wie gut für Frau de Wit und ihre Geldsammelorganisation, dass es loverboys gibt, denen man die Schuld zuschieben kann.
18.12.2010
Vormittags Schule, nachmittags in den Puff
Loverboys verführen in den Niederlanden junge Mädchen und machen sie zu Prostituierten. Nun will der Staat eingreifen – nur wie?.
Es sind kleine Gesten, die ihr Leiden, ihre Unsicherheit verraten. Samantha sitzt auf dem Sofa im Wohnzimmer und schlingt die Arme um den eigenen Körper, als wolle sie sich selbst umarmen, beschützen vor einer unsichtbaren Gefahr. "Es ist ein Teufelskreis. Obwohl ich weiß, dass die Männer mir nicht gut tun, gehe ich immer wieder zurück. Ich sehne mich nach Liebe und Aufmerksamkeit", sagt die Niederländerin und schaut erst kurz auf, dann wieder auf ihre Hand, die sich an einer Zigarette festhält.
Samantha hat vier Jahre lang als Prostituierte gearbeitet. Sie wurde dazu gezwungen. Heute ist sie erst 15 Jahre alt und hat ihre Jugend doch schon hinter sich. "Ich hatte keine Zeit, erwachsen zu werden", sagt sie. "Sie haben mir die schönste Zeit meines Lebens genommen."
Samantha, die aus einem Städtchen in der Nähe von Hilversum stammt, hat jahrelang ein Doppelleben geführt: Vormittags ging sie in die Schule, am Nachmittag anschaffen. Manchmal musste sie auch nachts arbeiten, am Wochenende, in Privatwohnungen oder in Autos in den großen holländischen Städten Rotterdam, Den Haag und Amsterdam.
Angefangen hat alles bei Samantha, als sie elf Jahre alt war. "Zu Hause war es schwierig. Meine Eltern und mein kleiner Bruder waren vor allem mit sich selbst beschäftigt. Ich fühlte mich alleine, und dann tauchte dieser Mann auf. Er gab mir das Gefühl, dass ich etwas Besonderes bin, dass er mich versteht."
Der Mann war ein sogenannter Loverboy. Loverboys sind Männer, meist junge, die sich darauf spezialisiert haben, minderjährige Mädchen schrittweise zu Prostituierten zu machen. Ihre Masche ist immer die gleiche: Sie geben sich als liebevoller Liebhaber und perfekter Freund aus und zeigen erst nach ein paar Wochen oder gar Monaten ihr zweites Gesicht. Dann beginnen sie Druck auszuüben, den Sex zu erzwingen, nicht nur mit ihnen selbst, sondern auch Sex mit anderen Männern.
"Sie haben mich geschlagen, misshandelt. Mir Drogen gegeben. Sie haben mir immer wieder gedroht, dass meinem kleinen Bruder etwas zustoßen würde, falls ich nicht mehr mitmache, falls ich etwas verrate", sagt Samantha. Vor sechs Monaten ist sie ausgestiegen, hat Hilfe gesucht bei einer Stiftung, die sich um die Opfer der Loverboys kümmert.
"Stop Loverboys Nu!" nennt Anita de Wit ihren Verein. Er kämpft dafür, die Problematik öffentlich zu machen, und fordert, gegen die Zuhälter vorzugehen. "Ich vergleiche den Mechanismus, den die Männer benutzen, oft mit dem, den Männer einsetzen, wenn sie ihre Ehefrau schlagen", sagt de Wit. "Solange sie ihr nur immer wieder versichern, wie sehr sie sie lieben, wird sie bleiben und ihren Mann nicht anzeigen."
Seit 2007 kümmert sich die blonde Frau um die Opfer, nimmt sie bei sich zu Hause auf und hilft ihnen, einen Weg aus der teuflischen Abhängigkeit zu finden. Denn auch Anita de Wit ist ein Opfer. Ihre eigene Tochter Angélique hat sie vor sechs Jahren an die Prostitution verloren. Auch Angélique fiel auf einen Loverboy herein und hat es seitdem nicht geschafft, sich von der Welt der Prostitution und Drogen zu befreien.
Mutter und Tochter sehen sich regelmäßig, und Anita de Wit hofft noch immer, dass das Mädchen eines Tages den Ausstieg schafft. "Ich verurteile sie nicht. Ich unterstütze sie und werde alles dafür tun, dass sie da raus kommt. Aber es muss ihre Entscheidung sein", sagt die Mutter.
Wie viele Mädchen jedes Jahr Loverboys zum Opfer fallen, ist unklar. Die niederländische Polizei spricht offiziell von rund 1500 Personen, Anita de Wit rechnet mit einer weitaus höheren Zahl. Allein in diesem Jahr haben sich bei ihr mehr als 20 junge Frauen gemeldet, die Hilfe suchten. Und längst ist das Phänomen kein rein holländisches mehr; immer wieder erreichen den Verein auch Anfragen aus Deutschland, Ungarn und anderen europäischen Ländern.
Viele der Loverboy-Opfer landen früher oder später da, wo Samantha sich zurzeit nicht hin traut: Im Amsterdamer Rotlichtviertel De Wallen. "Ich musste dort in Wohnungen anschaffen. Die meisten meiner Kunden wussten, dass ich minderjährig bin, dass ich das nicht freiwillig mache, aber es war ihnen egal", sagt Samantha. Aus Angst davor, von ihren Zuhältern gefunden oder selbst schwach zu werden, macht sie momentan einen großen Bogen um das Viertel.
De Wallen ist eine Touristenattraktionen. In Schaufenstern bieten leichtbekleidete Frauen ihre Dienste. Daneben leuchten die Reklameschilder von Sex-Kinos und Peep-Shows. Auch die Tochter von Anita De Wit schafft hier an, sie empfängt die Freier über einer Bar, deren Fassade geschmückt ist mit Malereien von nackten Pärchen.
Untersuchungen der Stadtregierung deuten darauf hin, dass über die Hälfte der Frauen, die hier arbeiten, es nicht freiwillig tun. Deshalb will der Stadtrat jetzt härter durchgreifen. "Die Kriminalität liegt in diesem Viertel besonders hoch und es gibt viele Opfer von Menschenhändlern", erklärt der zuständige Stadtrat Lodewijk Asscher. Deshalb wolle man nun ein Mindestalter für Prostituierte einführen und nachts eine Sperrstunde einrichten. Sogar ein Busfahrer, sagt der Sozialdemokrat, müsse in den Niederlanden mindestens 21 Jahre alt sein. Für eine Prostituierte gebe es dagegen kein solches Mindestalter, "obwohl die jungen Frauen doch besonders verletzlich sind".
Samantha erholt sich nur langsam von ihren Erfahrungen in Amsterdam. Manche Traumata sind tief eingegraben in ihrer jungen Seele. Anita De Wit sitzt neben ihrer Tochter auf dem Sofa und hält deren Hand. "Sie fragt mich immer noch, wenn sie etwas trinken möchte oder zur Toilette muss. Sie sehen: Sie wurde zum absoluten Gehorsam erzogen", sagt De Wit.
Es sei natürlich zu begrüßen, dass nun endlich auch die Politiker sich für das Schicksal ihrer Schützlinge interessierten, sagt sie, "aber ich glaube nicht, dass sich die Männer durch Gesetze von der Misshandlung von Minderjährigen abhalten lassen".
Das bezweifelt auch Setna in ihrem Schaufenster in De Wallen, in dem sie sich auf einem Barhocker rot angestrahlt in ihrer Unterwäsche räkelt. Zwei Buchstaben an ihrem Fenster verweisen darauf, dass sie auch Sadomaso-Spiele anbietet. Setna ist 35 Jahre alt und kommt aus Spanien. Seit drei Jahren ist sie in Amsterdam – gekommen sei sie wegen der Wirtschaftskrise, sagt sie. Auch wenn die junge Frau sonst nicht viel von den Politikern in der Stadt hält, eine Altersgrenze findet sie gut: "Ich weiß in meinem Alter wenigstens, auf was ich mich einlasse. Ich kann auf mich aufpassen, mich schützen. Ein junges Mädchen hat doch gar keine Ahnung, was es tut", sagt die Prostituierte. Manche lassen sich zu schnell vom Geld verführen: "Wenn Du jung bist und schön, kannst Du bis zu 10 000 Euro im Monat verdienen", sagt Setna.
Samantha sitzt auf ihrem Bett im Dachgeschoss von Anita De Wits Wohnhaus und packt ihre Tasche: ein paar Klamotten, ein Tiger aus Stoff, Schminksachen, Nagellack. Sie wirft einfach alles durcheinander in ihre Reisetasche. Sie soll nach Südfrankreich aufbrechen in eine Einrichtung für betreutes Wohnen. "Hier bin ich zu nah dran an meiner Vergangenheit. Die Versuchung, zu den Männern zurückzugehen, ist zu groß. Sie versuchen immer wieder, mich zu kontaktieren. Ich brauche Abstand", sagt die junge Frau. Abstand, um Kraft zu sammeln. Abstand für eine klitzekleine Chance auf ein neues Leben ohne Zwang und Misshandlungen.
http://www.badische-zeitung.de/nachrich ... 02547.html
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.