Sind die so verzweifelt oder spielen die mit ihrem Leben?

Hier soll eine kleine Datenbank entstehen, die sich vornehmlich mit über den Geschlechtsverkehr übertragbaren Krankheiten und dem Schutz vor ihnen beschäftigt
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Kajus
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Beitrag von Kajus »

Solche Anzeigen gibt es doch schon immer. Ich glaube, das sind Männer, die sich da reinsteigern und sich aufgeilen oder es geht darum, die Identität von Interessenten herauszufinden, bzw. irgendwelchen Leichtgläubigen etwas zu vertickern, bzw. ihnen ds Geld aus der Tasche zu ziehen.
Andere Variante: Ein dummer "Beschützer" der für seine Häschen Kunden sucht, die dann abgezockt werden. Vor Ort läuft das dann anders als hier beschrieben. Den Text hat jedenfalls ein Mann geschrieben und keine Frau.
Beschiss und Betupp gibt es doch immer und überall (und nicht nur im Paysex). Unsere liebe Alice Schwarzer muss so etwas garnicht erst faken (witzige Vorstellung!).

Suchportalbetreiber
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Beitrag von Suchportalbetreiber »

Hallo,
also ich möchte mal zwei Punkte anführen:

1. sollte bei allen "schnellen" Kontakten (egal ob bezahlt oder nicht) das Kondom SELBSTVERSTÄNDLICH sein - und zwar nicht erst auf drängen der Frau, sondern auch aus Sicht und Verantwortung des Mannes

2. Sollte es doch gerade einem SW bewußt sein, wie wichtig dieser Schutz ist.

Ich gehe ja gedanklich mit, daß es sicher Freier und SW gibt, die es unter bestimmten besonderen Umständen und bei besonderer Sympathie ohne machen...
- ebenso, daß es eigentlich die freie Entscheidung eines jeden selbst ist....

...aber ein direktes, gezieltes Bewerben dieses russischen Roulettes - das paßt irgendwie nicht in meinen Kopf

Es kann/darf/soll keine Schuldzuweisung an SW geben, daß sie den Hauptanteil an Krankheitsverbreitungen hätten (glaube, die Schwulenszene führt ja noch die Statistik an, oder?) - vielmehr sollte es doch zum Grundwissen eines JEDEN Menschen gehören, daß es Krankheiten gibt und warum man sich und andere schützen sollte.

Man hat aber gerade in letzter Zeit in den Medien vernehmen können, daß in letzter Zeit generell der Trend wieder zum ungeschützen geht...da scheint es eine Art Welle zu geben, getreu dem Motto. "ach das mit dem Aids ist ja nicht so schlimm"...??

@Kajus
Leider muß ich Dir widersprechen - es gibt definitiv die, die für "alles ohne" werben - und es gibt leider definitv die dazugehörige Freiergruppe, die genau dies suchen.

Letztere findet man in speziellen Foren, wo sie stolz berichten, wie sie als bekennender Familienvater es mit xy ohne gemacht haben..

Sicher wird's das schon länger geben - was mich aber da so erschreckt ist, daß es eben SW gibt, die extra dafür Werbung machen - und das obwohl sie ja eigentlich vom Fach sein sollten.

Also entweder sind diese so risikofreudig (oder dumm?) - oder sie haben es aus irgendwelchen Gründen (Zwängen) heraus nötig, dies zu tun.

Meine persönliche Vermutung wäre eher das zweite...würde sich auch bischen mit der Marktlage decken, wie sie in "Nackt aus der Jobkrise" angedeutet wird...

Grüße vom Suchportalbetreiber

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

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Suchportalbetreiber hat geschrieben:2. Sollte es doch gerade einem SW bewußt sein, wie wichtig dieser Schutz ist.
Du kannst ja mit Deinem Suchportal voranschreiten und keine Unsafer-Praktiken auf Deiner Seite zulassen... Wenn dann noch die Foren und die diversen Printmedien mitmachen würden - wäre das Bild in der Öffentlichkeit ein Anderes.... ich denke ein Wahreres! Und ein Großteil des "Zwanges" wäre verschwunden.

Ich finde es ehrlich gesagt "heuchlerisch" wenn man hier im Sexworker Forum einer Gruppe - eigentlich sind es ja 2 (KundInnen und SexarbeiterInnen) - "Bewusstsein" predigst und gleichzeitig derartige Anzeigen veröffentlichen würde.

Ich für meinen Teil lehn(t)e Service ohne Schutz ab (auch als Kunde, der ich in Vorzwergzeit war) halte jedoch die sexuelle Selbstbestimmung für unantastbar! Bin jedoch sauer, wenn diverse Moralapostel (wobei ich vorwiegend Zeitungen meine), einer Seits mit der Materie Geld vedienen (Annoncen verkaufen) und gleichzeitig genau die Praktiken verurteilen...

Wenn sich eine SexarbeiterIn entschließt "Ohne Service" anzubieten - dann ist dies, meines Erachtens, höchst bedauerlich oder auch unwissend (siehe Hinweise auf "Schnelltests bei diversen Anzeigen" - man kann vielleicht vesuchen aufzuklären - aber sonst sehe ich keine Möglichkeit. Das ein "Verbot" nicht greift sollte mittlerweile auf Grund zahlreicher Beispiele vollkommen klar sein. Was aber helfen würde das (falsche) Bild in der Öffentlichkeit zurecht zu rücken ist, wenn die Werbeträger entsprechend reagieren würden.

Bei uns sind generell keine Werbungen erlaubt. Aber naturgemäß stellen sich auch manchmal SexarbeiterInnen ein wenig erotischer vor - und sie können auch ihre Webseiten im Profil eintragen. Trotzdem gelten wir als "safer" - Weil die ModeratorInnen und Admins darauf achten! Das ist die Verantwortung die jeder in sich trägt! Ob Journalist - Forenbetreiber - Anzeigenverkäufer - oder eben Suchportalbetreiber! Bei sich selbst anfangen und Andere zum Nachdenken bringen! Seine eigene Position hinterfragen - das wäre eine gangbare Lösung.

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Beitrag von Suchportalbetreiber »

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Zwerg hat geschrieben:          Bild
Suchportalbetreiber hat geschrieben:2. Sollte es doch gerade einem SW bewußt sein, wie wichtig dieser Schutz ist.
Du kannst ja mit Deinem Suchportal voranschreiten und keine Unsafer-Praktiken auf Deiner Seite zulassen...
Gut, daß Du das vorschlägst... ;-)

Ist nämlich bereits vor längerer Zeit geschehen!

Wobei ich mir aber ehrlich gesagt noch nicht sicher bin, ob das im Sinne eines sich meinungsbildenden Gastes gut oder schlecht ist.

Denn vielleicht ist es ja auch für einen normalen Gast interessant zu erfahren, welche Einstellung zu Risiko und Gesundheit der entsprechende SW hat (?) - damit er diesen vielleicht gezielt NICHT besucht? - lasse ich aber mal im Raum stehen.


Egal, ich habe das jedenfalls vor geraumer Zeit unterbunden - weil ich der Meinung bin, daß man indirekt mit dem Umherschleudern solcher Anzeigen eine Meinung bildet und ich eigentlich nicht mitmachen möchte, diese Unsafer-Einstellung zu verbreiten.

Das war glaube ich hier aber nicht Thema -

- ich habe mich in das Thema nicht eingeklinkt, um zu predigen, oder eine Moral zu verteidigen - das steht mir nicht zu - sondern möchte hinterfragen und VERSTEHEN...
- in diesem Fall, was gerade einen SW bewegt, eine solche Initiative ergreifen?

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

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Suchportalbetreiber hat geschrieben:Denn vielleicht ist es ja auch für einen normalen Gast interessant zu erfahren, welche Einstellung zu Risiko und Gesundheit der entsprechende SW hat (?) - damit er diesen vielleicht gezielt NICHT besucht? - lasse ich aber mal im Raum stehen.
Schreibe es doch einfach auf Deine Seite drauf..... dann wissen die KundInnen die bei Dir "suchen" oder "annoncieren", dass Du ein "Safer Only" Portal betreibst. Man braucht also die "Einstellung der annoncierenden SW`s zu Risiko und Gesundheit" (Sätze wie Diese lassen meinen Blutdruck steigen) nicht mehr hinterfragen. Auch die KundInnen welche Unsafer-Praktiken suchen wissen gleich "da bin ich falsch"

christian

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Beitrag von Blanca »

"Bin jedoch sauer, wenn diverse Moralapostel (wobei ich vorwiegend Zeitungen meine), einer Seits mit der Materie Geld vedienen (Annoncen verkaufen) und gleichzeitig genau die Praktiken verurteilen..."

@Zwerg:
Das ist leider das Problem an der Diskussion mit Zeitungen. Vor vielen Jahren habe ich mal einen längeren schriftlichen Diskurs mit National Geographic geführt. Eine Zeitschrift, die in diversen Artikeln über die Ausbeutung der Natur durch Ölfirmen berichtet und immer wieder mehrseitige Werbungen der schuldigen Konzerne schaltet.
Das Argument ist immer dasselbe. Der redaktionelle und der Anzeigen-Teil einer Zeitung sind getrennte Bereiche, die auch getrennt voneinander administriert werden. Die Verantwortlichen sehen hier keinen Widerspruch und lassen auch keine Vorwürfe der Doppelmoral gelten.
Ich denke, das muß man leider akzeptieren und das Pferd besser ohne diesem Argument von einer anderen Seite aufzuzäumen versuchen.
Wie auch immer das gehen mag..

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Beitrag von Aoife »

Suchportalbetreiber hat geschrieben:Man hat aber gerade in letzter Zeit in den Medien vernehmen können, daß in letzter Zeit generell der Trend wieder zum ungeschützen geht...da scheint es eine Art Welle zu geben, getreu dem Motto. "ach das mit dem Aids ist ja nicht so schlimm"...??
Tja - auch das ist so eine Phantasie der Schreiberlinge, getriggert duch die zwischenzeitlich wieder zunehmende Anzahl der HIV-Neuinfektionen,
und jounalistisch sauber "belegt" durch gezieltes Aufsuchen von Einzelfällen, in denen dieser als Trend vermutete Mechanismus wohl tatsächlich zugrunde liegen mag ...

Tatsächlich hat sich dieser Anstieg der Neuinfektionen schon wieder abgeflacht, und war bedingt durch die im Zuge der Öffnung
nach Osten ausgelöste Syphiliswelle. Weil das Risiko, sich bei einem HIV-positiven Partner auch tatsächlich anzustecken, erheblich steigt,
wenn man selbst (oder auch der Partner) gerade eine Syphilisinfektion hat.

Wobei diese Aussage jetzt für D gilt, Zahlen für Ö liegen mir nicht vor.

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von Suchportalbetreiber »

Hi Christian,
hast Du Dir gerade mit Deinem Wissenshintergrund mal darum Gedanken gemacht, daß automatisch die Unsafer-Kunden erst gar nicht - wenn eher zufällig auf meine Seite kommen werden - eben WEIL ich diese Anzeigen gesperrt habe?

Natürlich könnte ich jetzt überall dick "nur safe" hinschreiben - aber ganz ehrlich - aussagen tut' dies sicher nicht viel - weil entsprechende SW Ihre Anzeigen umformulieren und entsprechende Kunden es eben mit persönlicher Nachfrage probieren können/werden.

Und: wenn ich da "alles safer" bewerbe, müßte ich es ja auch an irgendwas festmachen, es "kontrollieren" - ein irrealer Gedanke.

Also gehe ich den für meine Einschätzung realistischen Weg und glaube ich muß dann diesbezüglich nichts nachsagen lassen.

@Aoife
Bei uns hatten sie vor einiger Zeit mal im öffentlich rechtlichem Jugendradio so einen Bericht gebracht - daher kam ich darauf, daß die Infektionen wieder steigen und der Trend generell zum ungeschützten geht.
Da es aber ne Weile her ist, sind mir Zahlen natürlich entfallen - und es ist ebenso möglich daß dieser Bericht absichtlich so formuliert wurde, daß er einen meinungsbildenden Charakter haben sollte - was aber aus meiner Sicht im Sinne der Krankheitsverhütung i.O. ist...

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Beitrag von Aoife »

Suchportalbetreiber hat geschrieben:... - und es ist ebenso möglich daß dieser Bericht absichtlich so formuliert wurde, daß er einen meinungsbildenden Charakter haben sollte - was aber aus meiner Sicht im Sinne der Krankheitsverhütung i.O. ist...
Das ist vielleicht "gut gemeint" - und somit alles andere als "gut" ...

Diese Dinge haben wir im Herbst auf dem Hamburger AIDS-Kongress diskutiert:
viewtopic.php?t=5418

Ich zitiere von dort:
Insbesondere sind die “3 Fallstricke des Diskurses” zu vermeiden, sonst kann keine sachgerechte Erkenntnis, und somit auch keine vernüftige Entscheidung gefunden werden:
1.Defizitorientierte Sichtweisen
2.Stereotype und Zuweisungen
3.Paternalismus

Alle 3 Bedingungen für einen kontaproduktiven Diskurs sind erfüllt, wenn Journalisten:
1. nicht die Ursachen ansprechen, sondern stattdessen einen irrationalen "Trend" diagnostizieren
2. diesen Trend aufgrund einzelner, ausgesuchter Interviewpartner (oder sollte ich besser schreiben: -opfer?) verallgemeinern
3. dies unter dem Vorwand, damit die "Gesundheitsvorsorge" zu fördern, tun.

Nur empowerment und harm reduction können weiterhelfen, und das Herausdeuten von von einzelnen Gruppen,
die durch angeblich unverantwortliches Handeln "Schuld" an einer Entwicklung sein sollen, kann nur schaden.

So sehr ich selbst hinter "save only" stehe - es dürfen keine Fronten aufgebaut werden, ansonsten
dienen wir nicht der Sache, sondern nur dem Glauben an unsere eigene Überlegenheit.

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von Zwerg »

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Aoife hat geschrieben:
Suchportalbetreiber hat geschrieben:So sehr ich selbst hinter "save only" stehe - es dürfen keine Fronten aufgebaut werden, ansonsten
dienen wir nicht der Sache, sondern nur dem Glauben an unsere eigene Überlegenheit.
Den Beitrag schreibe ich nur mit einer Hand. Die Andere packt gerade meine Nase und schüttelt sie kräftig durch.

Du hast vollkommen recht - Wir dürfen das nicht aus den Augen verlieren.

Liebe Grüße

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Beitrag von JayCynic »

Ich bin gespalten.

Einerseits finde ich "Selbstbestimmung" ein sehr hohes Gut. Andererseits existieren auch in anderen Bereichen (Gastronomie) Hygiene-Vorschriften, die nicht einfach umgangen werden dürfen, weil der Anbieter in die Speisekarte schreibt, er verarbeite Zutaten nach Ablauf des MHD ... Extrem riskante Praktiken können daher meiner Meinung nach schon verboten werden, ich stehe auch verpflichtenden Aufklärungstrainings etc nicht ablehnend gegenüber.

Wie das bei Praktiken aussieht - wie FO -, bei denen selbst die HIV-Beratungsstellen kein eindeutiges Meinungsbild ausweisen, weiss ich nicht. Die bayerische Hygiene-Verordnung verbietet ja selbst diese; und das geht mir etwas zu weit. (Auch wenn ich es selber nicht anbieten würde.)

Nächster Punkt ist die Bewerbung. Da fände ich es gut, wenn die jeweilige Risiko-Lage in der Werbung stünde. Denn SW, die "AO" anbieten, wären für mich komplett indiskutabel, selbst für "safer" Praktiken. Man kann ja auch schlecht nachfragen: "Machst Du's ohne?" wird am Ende noch so verstanden, als wolle man es in Anspruch nehmen, und dementsprechend selber in eine andere Risikoklasse geschoben ...

Ein Portal, in dem per se "Safer only" in jede Anzeige geschrieben wird, reduziert den Informationswert der Anzeige für mich gravierend, und ich müsste anderweitig schauen - und demnach würde ich dieses Profil weniger nutzen.
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Beitrag von Zwerg »

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JayCynic hat geschrieben:Die bayerische Hygiene-Verordnung verbietet ja selbst diese; und das geht mir etwas zu weit. (Auch wenn ich es selber nicht anbieten würde.)
Verstehe ich jetzt nicht wirklich.... Bist Du Kunde? Oder bist Du SW? Ein ausgefülltes Profil und ein paar Zeilen im Bereich <a href="http://www.sexworker.at/phpBB2/viewforum.php?f=29">Mitglieder stellen sich vor</a> würden meinen ergrauten Verstand ein wenig aufhellen helfen :-)

Mit einer "Informationsverpflichtung" - aber bitte in Zusammenarbeit mit SexarbeiterInnen (und nicht mit manchen SozialarbeiterInnen bei Untersuchungsstellen als Expertinnen - die werden als "Vertrauensperson" von den SW zumeist nicht angenommen) bin ich durchaus einverstanden. Von Verboten bin ich, auf Grund der bisherigen Erfahrungen, weit entfernt.

Liebe Grüße

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Beitrag von Aoife »

JayCynic hat geschrieben:Einerseits finde ich "Selbstbestimmung" ein sehr hohes Gut. Andererseits existieren auch in anderen Bereichen (Gastronomie) Hygiene-Vorschriften, die nicht einfach umgangen werden dürfen, weil der Anbieter in die Speisekarte schreibt, er verarbeite Zutaten nach Ablauf des MHD ... Extrem riskante Praktiken können daher meiner Meinung nach schon verboten werden, ich stehe auch verpflichtenden Aufklärungstrainings etc nicht ablehnend gegenüber.
Jay, das ist eine Meinung :002

Die Zahlen belegen, dass das auf dem Gebiet der AIDS- & STD-Prophylaxe eben anders ist als in der Gastronomie ...
ich verweise nochmals auf: viewtopic.php?t=5418

(Frage an die Admins: Sollen wir den thread als "wichtig" setzen?)

Und ich denke, das Hauptproblem ist daran zu denken, den Bezugsrahmen zu erkennen und richtig darauf zu reagieren.
In meiner Werbung benutze ich ja auch den Slogan "Schützt auch dich und deine Familie" um mit meinem save-Angebot
unter den unsave-Mitbewerberinnen meine Chancen zu erhöhen :001

Auch das Eröffnungsposting dieses threads hier beschäftigte sich mit mit der individuellen Frage nach der Motivation
des zitierten unsave-Anbieter-Paars ... und da sind Meinungen gefragt.

Wenn wir aber Fragen wie "gesetzliche Regelungen?" oder "Volksgesundheit" ansprechen, dann befinden wir uns auf einer
völlig anderen Ebene und müssen uns dementsprechend verhalten - z.B. belegbare Fakten in die Diskussion einbringen :017

sexworker.at ist ja kein Stammtisch, sondern durchaus auf internationalem Parkett zu Hause, und wenn wir das
vernachlässigen, dann schießen wir uns ganz schnell ein Eigentor ...

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von JayCynic »

Zwerg, der Haken ist, im Profil kann ich nur einen solchen setzen ;-) Ich bin sowohl (gelegentlichst) SW, Partner von, als auch Kunde.

Aoife, ja. Wie man die Risikolage für sich persönlich umsetzt, wird wohl immer eine Meinung bleiben. Das macht ihre allgemeine Regelung sehr schwierig, und jede Grenzziehung wird letztlich willkürlich bleiben. (Und auf der politisch stärksten Meinung beruhen.)
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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

In Australien gibt es verpflichtend eine STD-Inspektion des Kunden durch die Sexworker:

viewtopic.php?t=1310

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Kajus
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Beitrag von Kajus »

Bei meinem Wiedereinstieg als Sexworker vor vielen Jahren habe ich bei einer Beratung durch eine offizielle Institution die australischen Unterlagen erhalten, in denen diese Inspektion detailliert beschrieben und die Merkmale der verschiedenen Krankheiten gezeigt wurden. Das ist so nicht möglich im Pay6 und darüber hinaus auch völlig unakzeptabel für den Kunden (oder die Kundin), die dadurch einseitig zu einem Krankheitsherd degradiert werden. Das Risiko besteht für beide, nicht nur für die Sexworker. Natürlich muss man genau hinschauen und achtsam sein, ich halte es aber für ein vertretbares Berufsrisiko, wenn man seine Kunden nicht einer sorgfältigen Inspektion wie beim Militär oder was weiß ich für einer "Anstalt" unterzieht bevor man sich dann der Erotik zuwendet. Ich käme mir als SW wie Vieh behandelt vor, wenn die Kundin mich zuerst untersuchen würde. Und das hat selbsterständlich auch umgekehrt zu gelten. So läuft das aber ab in Australien, oder besser gesagt, so soll es dort ablaufen. So etwas denken sich Leute aus, die keine Ahnung von Sexwork haben. Ganz schnell vergessen! In diesen Unterlagen mit Anweisungen zur Inspektion befinden sich DIN-A 4-Fotokopien aller möglichen Merkmale übertragbarer Krankheiten, die so aussehen, dass jemand, der fast blind ist, sie in einer Entfernung von 20 Metern erkennen könnte.

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Du brauchst es nicht kleinreden. Die Punkte stehen schon als Verbesserungsvorschläge in dem Thema dort bzw. sind ergänzungsfähig. Ebenso Tipps wie es elegant und reibungslos abläuft.
Bedenkt doch bitte wie diese Institution die Sexworker in ihrer Position, Kompetenz und Ethos stärken kann.

Wichtig ist es immer wieder klar zu stellen, daß in der Sexarbeit kein keimfreies Fleisch mit Siegel der Gesundheitspolizei gehandelt wird,
sondern daß hier Menschen einvernehmlich ein höchst privat-intimes Tauschverhältnis auf Zeit eingehen.

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Beitrag von Aoife »

@JayCynic:

Du vermischst nach wie vor die Bezugsrahmen.
JayCynic hat geschrieben:Wie man die Risikolage für sich persönlich umsetzt, wird wohl immer eine Meinung bleiben.
Das ist gut und richtig so, und soll gar nicht anders sein.
Das nennt man empowerment :002
JayCynic hat geschrieben:Das macht ihre allgemeine Regelung sehr schwierig, und jede Grenzziehung wird letztlich willkürlich bleiben.
NEIN: Das beweist, dass jeder Versuch einer allgemeinen Regelung kontraproduktiv ist.
Wie ich weiter oben erwähnte, wir sind hier nicht am Stammtisch, wo folgenlos Meinungen abgegeben werden
können, weil "die da oben" eh machen, was *sie* wollen ...
Wenn du den Gedanken einer "allgemeinen Regelung" auch nur ansprichst, verlagerst du die Diskussion auf die Ebene der
Gesetzgebung, und dort dürfen weder deine noch meine "Meinung" eine Rolle spielen.

Wenn wir mit Infektionsprophylaxe im epidemiologischen Kontext auf nationaler Ebene ("allgemeine Regelung") argumentieren wollen, dann hat das für uns auch die
Selbstverpflichtung zu beinhalten, dei epidemiologischen Fakten ernst zu nehmen, und sie nicht mit dem Totschlagargument:
JayCynic hat geschrieben:(Und auf der politisch stärksten Meinung beruhen.)
vom Tisch wischen, wenn sie nicht unserer Meinung entsprechen.

Dass das in dieser Weise partei-, kirchen- und behördenpolitisch durchaus gängig ist, kann IMHO für uns keine Ausrede sein,
uns auf dieses Niveau herabzubegeben. Vielmehr sehe ich gerade darin unsere Chance, überhaupt etwas zu bewirken,
wenn wir zur Versachlichung der Diskussion beitragen.

Was bei dem emontionsgeladenen Thema zugegebenerweise nicht immer einfach ist :001

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Beitrag von Kajus »

Ich halte das in dieser Form, wie es in Australien durchgeführt werden soll, für eine fixe Idee. So wie Jenny es in dem entsprechenden Thread beschreibt, sollte man zu Beginn des Dates im Rahmen des Vorspiels genau hinschauen und sich die entsprechenden Köperteile genau betrachten. Die Australier stellen sich das aber so vor, dass definitiv vorher der Kunde über diese "Untersuchung" zu informieren ist, er sich dann auszuziehen hat und er dann nach einem bestimmten Schema auf übertragbare Krankheiten, Läuse und Flöhe untersucht wird. Wenn ich mich richtig erinnere, benötigt man dazu eine bestimmte Lampe oder Taschenlampe um Nissen erkennen zu können. Das hat nichts mit dem zu tun, was Jenny beschreibt, dem ich voll und ganz zustimme.
Auch halte ich freiwillige Weiterbildung und Informationsmöglichkeiten für SW für sinnvoll, um zu erlernen, wie bestimmte Krankheiten zu erkennen sind. Ebenso kostenlose Untersuchungen und Behandlung von sexuell übertragbaren Krankheiten für alle, Sexworker oder nicht. Daraus eine von medizinischen Laien durchgeführte Massenuntersuchung von Kunden und Kundinnen zu machen, halte ich genau so sinnvoll wie das Burkaverbot in Frankreich. Hier werden Probleme gelöst, die so nicht bestehen.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Sollte man sich einmal tatsächlich Filzläuse einfangen, geht dadurch die Welt nicht unter. Deshalb muss man nicht 20 Jahre lang seine Kunden mit einer Taschenlampe auf Nissen untersuchen. Das ist nun etwas polemisch. Aber eine solch ostantative Kundeninspektion bringt kaum zusätzliche Sicherheit und gilt auch nur für mit dem Auge erkennbare Infektionen.

Während es immer mehr Angebote für Sex ohne jeden Schutz gibt, reden wir hier jetzt von Maßnahmen, wie sie in "Anstalten" um die Jahrhundertwende durchgeführt wurden oder beim Militär üblich sind. Sexwork erfordert ein gewisses Maß an Feingefühl und keine ostentativen Maßnahmen, die Kunden als Gefährdung stigmatisieren.

Mein Wiedereinstieg war vor 10 Jahren. In der ganzen Zeit habe ich einmal eine Candidainfektion gehabt, deren Herkunft ungeklärt ist und nicht zwangsläufig durch Sexkontakte hervorgerufen worden sein muss. Diese Infektion wäre durch dieses Untersuchungsprozedere nicht zu erkennen gewesen.