Domenica - der letzte Schritt in die Herzen
30 Freunde, Nachbarn und Weggefährten kamen zu einer stillen Beerdigung in den "Garten der Frauen" auf dem Ohlsdorfer Friedhof.
Von Matthias Rebaschus
Mächtig wirken die hohen Eichen zwischen breiten Rhododendren-Hecken am "Garten der Frauen". Eigentlich ein prächtiger Park mitten auf dem Ohlsdorfer Friedhof mit einem Rosenstock am eisernen Eingangstor, einer Rundbank in der Mitte und einem Windspiel im Geäst. Die meisten der Trauergäste stehen auch noch eine Stunde nach der Beisetzung dort, betrachten andere Gräber, unterhalten sich. Dann fließen Tränen. Peter, ein besonders enger Freund, kniet auf der braunen Erde vor dem Grab, beugt sich tief in die enge Grube und legt einen goldenen Ring, den er sich mühevoll vom rechten Ringfinger zog, auf die Urne. Sein Gesicht verzerrt sich im Schmerz. "Hallo, hörst du mich?", flüstert er.
"Hier ist unser Verlobungsring." Dann blickt er nach oben, und sein Gesicht hellt sich auf. "Ich spür dich schon da oben. Du wartest auf mich." Schließlich hilft St.-Pauli-Fotograf Günter Zint dem aufgewühlten Mann, führt ihn zur Bank, wo er sich setzt, raucht und lange ins Leere blickt. Den Ring hat er wieder angesteckt.
30 Freunde, Nachbarn und Weggefährten, die meisten von ihnen Frauen, waren zu Beisetzung von Domenica Niehoff, Hamburgs bekanntester Hure, gekommen. Zint, der den letzen Weg organisiert hatte, trug die Urne - ein rotes Herz - zum Grab. An seiner Seite die Schriftstellerin Peggy Parnass.
Es war eine ehrliche Beerdigung. Mit lauten Stimmen, die das Vaterunser beteten. Mit Briefen, die Kinder geschrieben haben, Engelsfiguren, einem Dutzend Kränzen, Blumensträußen und auch einem schlichten Lebkuchenherz als letztem Gruß. "Alle Engel mögen dich umgeben", rief Martin Paulekuhn, Pastor der St.-Pauli-Kirche, zum Schluss der vierminütigen Zeremonie und sagte: "Domenica war eine ganz, ganz wichtige Frau für St. Pauli und Hamburg." Andere fanden üppige Worte. "Sie fehlt mir schon jetzt", sagte die Domenica-Freundin und Bauchtänzerin Christine Licht. "Wenn sie mich in die Arme nahm, gab sie mir Mutterliebe für 200 Jahre. Domenica bestand nur aus Herz mit Haut drübergezogen." Ihr Herz sei wohl zu groß gewesen. "Sie hat nur an andere gegeben - ohne an sich zu denken."
Die Prostituierte aus der Herbertstraße hatte sich mit ihrem sozialen Engagement seit den 70er-Jahren einen Namen gemacht, setzte sich für die Legalisierung der Prostitution ein, arbeitete als Streetworkerin nach ihrem Ausstieg. Domenica Niehoff war Mitte Februar nach einem Lungenleiden im Alter von 63 Jahren gestorben.
"Aus ganz Deutschland kamen Spenden für eine würdige Beerdigung; es sind mehr als 4000 Euro die meisten in Fünf- oder Zehn-Euro-Beträgen", sagte Günter Zint, der für das St.-Pauli-Museum einen Teil des Nachlasses aufarbeitet.
"Ja, es war eine ruhige und würdige Beisetzung", sagte Lisa Hamann, die 30 Jahre in der ehemaligen Kultkneipe Gretel & Alfons auf der Großen Freiheit arbeitete und Domenica genauso lange kannte. "Man soll ja nicht sagen, sie liegt schön - aber das hat sie sich verdient, hier im Garten der Frauen."
Domenica Niehoff hat das zweite Grab am Eingang neben der ehemaligen Theaterintendantin Gerda Gmelin. 20 bedeutende Frauen sind dort bestattet; von anderen stehen nur die Grabsteine. "Es soll eine heitere Stätte sein. Grabsteine haben die Form einer Wasserwelle, dem Zeichen für ewiges Leben", sagt Rita Bake, die den Verein Garten der Frauen gründete. Metalltafeln erklären, das Wirken der Frauen. Den Grabstein für Domenica soll der berühmte Zeichner Tomi Ungerer gestalten.
Einen weiten Weg hatte Michael Stienz aus dem Eifeldorf Boos. Er lernte Domenica kennen, als sie dort eine Pension führte. "Sie war eine herzensgute Frau; der Abschiedsbrief, der im Grab liegt, stammt von meinen Kindern."
Abendblatt
http://www.abendblatt.de/daten/2009/03/12/1081975.html
Garten der Frauen
www.garten-der-frauen.de
Fotos von der Beisetzung
http://www.abendblatt.de/gallery/galler ... enica08/s/

Die Urne mit der Asche von Domenica.
Foto:Holger Stöhrmann

Ein Kranz der "Sexworker" liegt neben dem Grab.
Foto:Holger Stöhrmann
Link zum Sankt Pauli Museum und Fotos von der Trauerfeier
http://www.st-pauli-museum.com/news.php