Mein erstes Treffen mit einem Mann mit geistiger Behinderung
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Mein erstes Treffen mit einem Mann mit geistiger Behinderung
Es ist schon bald ein Jahr her, daß mich eine Frau anrief.
Sie arbeite in einem Wohnheim für leicht geistig- und körperbehinderte Menschen und wolle wissen, ob ich bereit wäre, mich auch mit einem geistig behinderten Mann zu treffen.
Er sei über 40 und habe noch nie körperlichen Kontakt zu einer Frau gehabt – sehne sich deshalb umso mehr danach, dies einmal zu erleben.
Wir führten mehrfach lange Gespräche. Über Themen wie Gesetzeslage; gesellschaftliches Denken zum Thema Behinderung & Sexualität; unsere Lebensweisen; Möglichkeiten… – ich fand eine sehr einfühlsame, vertraute Frau und inzwischen Freundin in ihr.
In Deutschland ist es nicht wirklich einfach für Verantwortliche solcher Einrichtungen, behinderten Bewohnern Sexualität zu ermöglichen. Es gibt verschiedenste Gesetze, die ursprünglich zum Schutz der Behinderten verabschiedet wurden – um Mißbrauch zu vermeiden.
Andererseits stehen Verantwortliche doch nahe am Gesetzesbruch, sollten sie den sehnlichsten Wünschen eines Bewohners nachkommen und ihn bei der Erfüllung erotischer Wünsche unterstützen wollen.
In diesem Fall folgten Gespräche innerhalb der Heimleitung und auch mit den Eltern des Mannes. Ich fand es unglaublich schön, daß diese sich so offen zeigten und die erotischen Wünsche ihres erwachsenen Sohnes als das sehen konnten, was sie sind – SELBSTVERSTÄNDLICH.
Nach langen Monaten mit Beinbruch, Reha, Kur und Nachsorge bei diesem Mann kam es dann tatsächlich zum Treffen.
Das Heim hatte extra ein ruhiges Umfeld organisiert – ohne Putzfrau; Mittagessen-Austeilung o.ä. – damit wir uns entspannt annähern konnten.
Wir waren beide sehr aufgeregt.
Es waren sehr viele neue Eindrücke für ihn und seine Behinderung tat das ihre um seine Konzentration völlig durcheinander zu werfen….
Ich war unsicher, wie weit er wußte, was er möchte. Wie weit will er WIRKLICH gehen? Was sind konkrete Vorstellungen? Wo liegen seine Sehnsüchte und Träume?
Er kannte „Erotik“ lediglich aus Pornofilmen und hatte absolut keine realen Erfahrungen.
Es ist ein bißchen, wie das erste Mal unter Teenagern – hier fängt man auch oft eher mit Petting an und nähert sich dem anderen vorsichtig.
Die Stunde war angefüllt mit Geschichten zu den vielen Fotos an der Wand; mit Träumen von einer Märchenprinzessin, die ein „normales Leben“ ermöglicht; mit kuscheln und streicheln; mit Staunen über das Anfaßgefühl von Nylons; mit schüchternem „nicht-hin-gucken“; mit unsicheren Fragen zur Sexualität; mit Kaffee trinken; mit Fragen über die eigene Körperlichkeit; ….
Die Zeit ging schnell vorrüber – obwohl ich ihm statt der bezahlten Stunde ein größeres Zeitfenster gelassen hatte. Er war völlig von den Socken, daß er endlich, endlich reale, weibliche Haut fühlen, riechen, drücken durfte….
Als ich ging, wollte er noch wissen, was denn 3 Std. kosten würden… – und er hätte mich am liebsten behalten. Immerhin habe ich ja ein Auto… ;)
Inzwischen gab es durch das Heim ein feedback.
Er hat sich scheinbar im Alltag wesentlich entspannt. Seine bisherigen Annäherungsversuche zum Pflegepersonal werden leichter. Er ist ausgeglichener und entspannter.
Und er ist sehr sparsam – weil er auf unser nächstes Treffen spart.
Er ist schon ganz aufgeregt und freut sich wie ein Kind, mich wieder zu sehen.
Es ist eine völlig andere Ebene von Erotik, die man hier erlebt. Eine absolute Menschlichkeit; die Offenheit eines 8-jährigen mit der Körperlichkeit eines Mittvierzgers. Aufgeregte Freude mit jauchzendem Gequieke, sobald ich ankomme.
Ein liebevoll vom Frühstück „aufgesparter“ Kaffee, den er extra für mich auf dem Zimmer gelassen hat.
Ein bißchen wie die Doktor-Spiele, die man früher mit dem Nachbarsjungen verborgen unter einer Decke im Garten versucht hat.
Weg von Leistungsdruck und Erwartungen.
Liebevolles Ausprobieren, was man denn dem Körper wohl für Gefühle entlocken kann, wenn man hier oder dort reibt; kitzelt; streichelt; knabbert…
Ich freue mich auf das nächste Treffen.
Er machte mir das schönste Geschenk seit langem – er sagte am Telefon mit quitschigem Lachen und voller Aufgeregtheit, daß er sich darauf freut, „endlich mein liebes Gesicht wieder zu sehen“……
Jenny
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Ich war unsicher, ob meine Berichte über meine Besuche bei Menschen mit Behinderung hier gern gelesen werden und Willkommen sind.
Somit habe ich aus meinem Blog nun auch diesen hier rein kopiert. Er stammt vom 12.10.08
Ich habe diesen Mann inzwischen bereits 3 Mal getroffen.
Mittlerweile stellt sich heraus, daß sein Motiv mich zu treffen, weniger ein sexueller Grund, als die Sehnsucht nach einer "echten Freundin" und einer Art von Liebe ist, wie sie ihm in seinem Leben vermutlich kaum jemals ein Mensch schenken wird.
Wir sind unsicher, ob es Sinn macht, noch weitere Treffen zu ermöglichen.
Wirklich Erotik findet nicht statt.
Es sind Gespräche um die Eltern; seine Barbie-Sammlung und seinem großen Wunsch nach einer Frau mit Auto und ganz viel Zeit - damit sie mit ihm spazierenfahren kann, die unser Zusammensein prägen.
Und er kann und wird niemals verstehen können, daß ICH ihm diesen Wunsch nicht erfüllen kann und nie erfüllen WERDE.
Ich werde sehen, wie die Verantwortlichen im Heim entscheiden.
Jenny
Sie arbeite in einem Wohnheim für leicht geistig- und körperbehinderte Menschen und wolle wissen, ob ich bereit wäre, mich auch mit einem geistig behinderten Mann zu treffen.
Er sei über 40 und habe noch nie körperlichen Kontakt zu einer Frau gehabt – sehne sich deshalb umso mehr danach, dies einmal zu erleben.
Wir führten mehrfach lange Gespräche. Über Themen wie Gesetzeslage; gesellschaftliches Denken zum Thema Behinderung & Sexualität; unsere Lebensweisen; Möglichkeiten… – ich fand eine sehr einfühlsame, vertraute Frau und inzwischen Freundin in ihr.
In Deutschland ist es nicht wirklich einfach für Verantwortliche solcher Einrichtungen, behinderten Bewohnern Sexualität zu ermöglichen. Es gibt verschiedenste Gesetze, die ursprünglich zum Schutz der Behinderten verabschiedet wurden – um Mißbrauch zu vermeiden.
Andererseits stehen Verantwortliche doch nahe am Gesetzesbruch, sollten sie den sehnlichsten Wünschen eines Bewohners nachkommen und ihn bei der Erfüllung erotischer Wünsche unterstützen wollen.
In diesem Fall folgten Gespräche innerhalb der Heimleitung und auch mit den Eltern des Mannes. Ich fand es unglaublich schön, daß diese sich so offen zeigten und die erotischen Wünsche ihres erwachsenen Sohnes als das sehen konnten, was sie sind – SELBSTVERSTÄNDLICH.
Nach langen Monaten mit Beinbruch, Reha, Kur und Nachsorge bei diesem Mann kam es dann tatsächlich zum Treffen.
Das Heim hatte extra ein ruhiges Umfeld organisiert – ohne Putzfrau; Mittagessen-Austeilung o.ä. – damit wir uns entspannt annähern konnten.
Wir waren beide sehr aufgeregt.
Es waren sehr viele neue Eindrücke für ihn und seine Behinderung tat das ihre um seine Konzentration völlig durcheinander zu werfen….
Ich war unsicher, wie weit er wußte, was er möchte. Wie weit will er WIRKLICH gehen? Was sind konkrete Vorstellungen? Wo liegen seine Sehnsüchte und Träume?
Er kannte „Erotik“ lediglich aus Pornofilmen und hatte absolut keine realen Erfahrungen.
Es ist ein bißchen, wie das erste Mal unter Teenagern – hier fängt man auch oft eher mit Petting an und nähert sich dem anderen vorsichtig.
Die Stunde war angefüllt mit Geschichten zu den vielen Fotos an der Wand; mit Träumen von einer Märchenprinzessin, die ein „normales Leben“ ermöglicht; mit kuscheln und streicheln; mit Staunen über das Anfaßgefühl von Nylons; mit schüchternem „nicht-hin-gucken“; mit unsicheren Fragen zur Sexualität; mit Kaffee trinken; mit Fragen über die eigene Körperlichkeit; ….
Die Zeit ging schnell vorrüber – obwohl ich ihm statt der bezahlten Stunde ein größeres Zeitfenster gelassen hatte. Er war völlig von den Socken, daß er endlich, endlich reale, weibliche Haut fühlen, riechen, drücken durfte….
Als ich ging, wollte er noch wissen, was denn 3 Std. kosten würden… – und er hätte mich am liebsten behalten. Immerhin habe ich ja ein Auto… ;)
Inzwischen gab es durch das Heim ein feedback.
Er hat sich scheinbar im Alltag wesentlich entspannt. Seine bisherigen Annäherungsversuche zum Pflegepersonal werden leichter. Er ist ausgeglichener und entspannter.
Und er ist sehr sparsam – weil er auf unser nächstes Treffen spart.
Er ist schon ganz aufgeregt und freut sich wie ein Kind, mich wieder zu sehen.
Es ist eine völlig andere Ebene von Erotik, die man hier erlebt. Eine absolute Menschlichkeit; die Offenheit eines 8-jährigen mit der Körperlichkeit eines Mittvierzgers. Aufgeregte Freude mit jauchzendem Gequieke, sobald ich ankomme.
Ein liebevoll vom Frühstück „aufgesparter“ Kaffee, den er extra für mich auf dem Zimmer gelassen hat.
Ein bißchen wie die Doktor-Spiele, die man früher mit dem Nachbarsjungen verborgen unter einer Decke im Garten versucht hat.
Weg von Leistungsdruck und Erwartungen.
Liebevolles Ausprobieren, was man denn dem Körper wohl für Gefühle entlocken kann, wenn man hier oder dort reibt; kitzelt; streichelt; knabbert…
Ich freue mich auf das nächste Treffen.
Er machte mir das schönste Geschenk seit langem – er sagte am Telefon mit quitschigem Lachen und voller Aufgeregtheit, daß er sich darauf freut, „endlich mein liebes Gesicht wieder zu sehen“……
Jenny
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Ich war unsicher, ob meine Berichte über meine Besuche bei Menschen mit Behinderung hier gern gelesen werden und Willkommen sind.
Somit habe ich aus meinem Blog nun auch diesen hier rein kopiert. Er stammt vom 12.10.08
Ich habe diesen Mann inzwischen bereits 3 Mal getroffen.
Mittlerweile stellt sich heraus, daß sein Motiv mich zu treffen, weniger ein sexueller Grund, als die Sehnsucht nach einer "echten Freundin" und einer Art von Liebe ist, wie sie ihm in seinem Leben vermutlich kaum jemals ein Mensch schenken wird.
Wir sind unsicher, ob es Sinn macht, noch weitere Treffen zu ermöglichen.
Wirklich Erotik findet nicht statt.
Es sind Gespräche um die Eltern; seine Barbie-Sammlung und seinem großen Wunsch nach einer Frau mit Auto und ganz viel Zeit - damit sie mit ihm spazierenfahren kann, die unser Zusammensein prägen.
Und er kann und wird niemals verstehen können, daß ICH ihm diesen Wunsch nicht erfüllen kann und nie erfüllen WERDE.
Ich werde sehen, wie die Verantwortlichen im Heim entscheiden.
Jenny
Polygamie ist nicht unmoralisch.
Aber das Vertrauen und die Gesundheit liebender Partner zu mißbrauchen, schon....
Aber das Vertrauen und die Gesundheit liebender Partner zu mißbrauchen, schon....
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Hallo Jenny,
obwohl ich die Geschichte schon von dir persönlich gehört UND in deinem Blog gelesen hatte, ich finde es immer wieder auf's Neue bewundernswert, wie liebevoll und warmherzig du den Menschen gegenüber eingestellt bist.
Und auch, wie gut du das sogar schriftlich rüberbringst
Liebe Grüße, Eva
obwohl ich die Geschichte schon von dir persönlich gehört UND in deinem Blog gelesen hatte, ich finde es immer wieder auf's Neue bewundernswert, wie liebevoll und warmherzig du den Menschen gegenüber eingestellt bist.
Und auch, wie gut du das sogar schriftlich rüberbringst

Liebe Grüße, Eva
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'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
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Hallo Jenny
Es ist schön Deine positiven Berichte über Sexarbeit mit Menschen mit Behinderungen zu lesen.
Ich denke dadurch kannst Du helfen bei vielen Sexarbeiter/innen die Berührungsängste abzubauen!
Liebe Grüße Nina
Es ist schön Deine positiven Berichte über Sexarbeit mit Menschen mit Behinderungen zu lesen.
Ich denke dadurch kannst Du helfen bei vielen Sexarbeiter/innen die Berührungsängste abzubauen!
Liebe Grüße Nina
Zuletzt geändert von nina777 am 01.03.2009, 12:05, insgesamt 1-mal geändert.
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.
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RE: Mein erstes Treffen mit einem Mann mit geistiger Behinde
Ich finds total schön, dass du uns diese Eindrücke zukommen lässt! Danke! 

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RE: Mein erstes Treffen mit einem Mann mit geistiger Behinde
Liebe Jenny,
ganz ähnlich habe ich auch solche Begegnungen erlebt, sie sind liebevoll und sehr berührend.
Danke für deinen Bericht.
Liebe Grüsse
Kali
ganz ähnlich habe ich auch solche Begegnungen erlebt, sie sind liebevoll und sehr berührend.
Danke für deinen Bericht.
Liebe Grüsse
Kali
Sexualbegleiterin
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Danke Jenny,
das war eine schöne Wiedergabe Deiner / Eurer Begegnung.
Ich kann mir gut vorstellen,dass Du erst Mal ausgeregt warst = völlig verständlich, wenn man sich noch nicht kennt.
Schön finde ich Dein Einfühlungsvermögen und Deine Geduld !!!
Und toll finde ich auch die Einstellung der Heimleitung und der Eltern.
Eben = NORMAL !!! ( leider nicht selbstverständlich )
LG Melly
das war eine schöne Wiedergabe Deiner / Eurer Begegnung.
Ich kann mir gut vorstellen,dass Du erst Mal ausgeregt warst = völlig verständlich, wenn man sich noch nicht kennt.
Schön finde ich Dein Einfühlungsvermögen und Deine Geduld !!!
Und toll finde ich auch die Einstellung der Heimleitung und der Eltern.
Eben = NORMAL !!! ( leider nicht selbstverständlich )
LG Melly
„Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen.“
Johann Wolfgang von Goethe
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Liebe Jenny, liebe MitleserInnen,
als Neuling in diesem Forum möchte ich alle TeilnehmerInnen erst einmal herzlich grüßen. (Mein Vorstellungsposting steht indes an anderer Stelle!) Für meinen ersten größeren Beitrag habe ich das Sachgebiet Sexarbeit und Handicap gewählt, weil ich mit den Personengruppen der Behinderten in meinem - nunmehr abgeschlossenen - Berufsleben zu tun hatte. Behinderung und Sex war allerdings nicht mein Spezialgebiet und deswegen möchte ich hier auch nicht oberlehrerhaft in Erscheinung treten. Doch weiß ich etwas über die allgemeine Befindlichkeit der verschiedenen Behindertengruppen und könnte vielleicht, falls erwünscht, mit dem einen oder anderen kleinen Hinweis dienen. Die einschlägigen Beiträge in diesem Forum habe ich gelesen und bin erstaunt, welch eine Menge an Informationen und Material hier bereits vorliegt.
Liebe Jenny, Dein Bericht über Sexarbeit mit einem über 40jährigen Mann mit geistiger Behinderung hat mir sehr gut gefallen; auch von mir daher ein herzliches "Bravo"! Alles, was Du berichtest, ist sehr gut nachvollziehbar, auch, dass die Sache ganz am Schluss etwas aus dem Ruder zu laufen scheint. Dein behinderter Kunde wird hier trotz erkennbar guter Vorbereitung durch die BetreuerInnen (er muss sich ja das Geld für die Meetings selbst zusammensparen) mit den eisernen Gesetzen des Prostitutionsgewerbes konfrontiert und kommt damit offenbar nicht ganz klar. Wie sollte er auch eine Illusion als solche erkennen, wenn er gar nicht weiß, was das überhaupt ist? Der "Liebeskasper" (bitte hier nicht abwertend verstehen) erscheint daher vorprogrammiert.
In diesem Zusammenhang einmal eine etwas dreiste, aber doch ernst gemeinte Idee: Habt Ihr mal daran gedacht, bei solchem Geschehen eine weitere SW einzubeziehen mit dem Ziel, das erotische Interesse des behinderten Kunden frühzeitig ein wenig zu verteilen? Ob es gelingt, weiß ich nicht. Kann sein, dass der Kunde nicht mitspielt; dann war's für die Katz. Aber einen Versuch wäre es m.E. schon wert.
LG rainman
als Neuling in diesem Forum möchte ich alle TeilnehmerInnen erst einmal herzlich grüßen. (Mein Vorstellungsposting steht indes an anderer Stelle!) Für meinen ersten größeren Beitrag habe ich das Sachgebiet Sexarbeit und Handicap gewählt, weil ich mit den Personengruppen der Behinderten in meinem - nunmehr abgeschlossenen - Berufsleben zu tun hatte. Behinderung und Sex war allerdings nicht mein Spezialgebiet und deswegen möchte ich hier auch nicht oberlehrerhaft in Erscheinung treten. Doch weiß ich etwas über die allgemeine Befindlichkeit der verschiedenen Behindertengruppen und könnte vielleicht, falls erwünscht, mit dem einen oder anderen kleinen Hinweis dienen. Die einschlägigen Beiträge in diesem Forum habe ich gelesen und bin erstaunt, welch eine Menge an Informationen und Material hier bereits vorliegt.
Liebe Jenny, Dein Bericht über Sexarbeit mit einem über 40jährigen Mann mit geistiger Behinderung hat mir sehr gut gefallen; auch von mir daher ein herzliches "Bravo"! Alles, was Du berichtest, ist sehr gut nachvollziehbar, auch, dass die Sache ganz am Schluss etwas aus dem Ruder zu laufen scheint. Dein behinderter Kunde wird hier trotz erkennbar guter Vorbereitung durch die BetreuerInnen (er muss sich ja das Geld für die Meetings selbst zusammensparen) mit den eisernen Gesetzen des Prostitutionsgewerbes konfrontiert und kommt damit offenbar nicht ganz klar. Wie sollte er auch eine Illusion als solche erkennen, wenn er gar nicht weiß, was das überhaupt ist? Der "Liebeskasper" (bitte hier nicht abwertend verstehen) erscheint daher vorprogrammiert.
In diesem Zusammenhang einmal eine etwas dreiste, aber doch ernst gemeinte Idee: Habt Ihr mal daran gedacht, bei solchem Geschehen eine weitere SW einzubeziehen mit dem Ziel, das erotische Interesse des behinderten Kunden frühzeitig ein wenig zu verteilen? Ob es gelingt, weiß ich nicht. Kann sein, dass der Kunde nicht mitspielt; dann war's für die Katz. Aber einen Versuch wäre es m.E. schon wert.
LG rainman
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Lieber Rainman,
es wird sich nicht verhindern lassen, dass Klienten sich in uns verlieben, das gehört zum Leben dazu, egal ob nun behindert oder nicht behindert. Liebeskummer gehört auch zum Leben dazu, so schmerzhaft das auch ist, behinderte Menschen in eine Glasglocke zu setzen kann auch nicht die Lösung sein.
Vielleicht hilft es, wenn der Mann selbst bezahlt, also das Geld selbst überreicht, damit deutlicher wird, dass es sich um eine Dienstleistung handelt und nicht um eine Paarbeziehung. Ja und dann ist es glaube ich sehr wichtig, dies auch immer wieder zu kommunizieren.
Liebe Jenny
ich bin überzeugt davon, dass Streicheleinheiten und sinnliche Berührungen heilend wirken. Dass der Mann sich eine Beziehung wünscht ist ganz normal. Die Erfahrung zu machen, dass Erotik auch anders ablaufen kann als in Pornos ist ein großes Geschenk. Es kann ihm auch helfen in der Zukunft eine Partnerin zu finden.
Liebe Grüsse
Kali
es wird sich nicht verhindern lassen, dass Klienten sich in uns verlieben, das gehört zum Leben dazu, egal ob nun behindert oder nicht behindert. Liebeskummer gehört auch zum Leben dazu, so schmerzhaft das auch ist, behinderte Menschen in eine Glasglocke zu setzen kann auch nicht die Lösung sein.
Vielleicht hilft es, wenn der Mann selbst bezahlt, also das Geld selbst überreicht, damit deutlicher wird, dass es sich um eine Dienstleistung handelt und nicht um eine Paarbeziehung. Ja und dann ist es glaube ich sehr wichtig, dies auch immer wieder zu kommunizieren.
Liebe Jenny
ich bin überzeugt davon, dass Streicheleinheiten und sinnliche Berührungen heilend wirken. Dass der Mann sich eine Beziehung wünscht ist ganz normal. Die Erfahrung zu machen, dass Erotik auch anders ablaufen kann als in Pornos ist ein großes Geschenk. Es kann ihm auch helfen in der Zukunft eine Partnerin zu finden.
Liebe Grüsse
Kali
Sexualbegleiterin
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- aufstrebend
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Hallo Ihr,
hierzu fällt mir gerade noch ein wichtiger Punkt in unserer Ausbildung ein.
Wir dürfen nie - und das halte ich für enorm wichtig - von uns aus einen neuen nächsten Termin ausmachen. Dieser Wunsch muss immer vom Gast ausgehen.
Gerade in diesem sensiblen Bereich von Menschen, die so gut wie nie sinnliche Berührungen erfahren, ist sonst der Manipulation und Abhängigkeit Tür und Tor geöffnet. Allein der Gedanke daran schüttelt mich.
Mir hat ein Mann in einer meiner allerersten Begegnungen gesagt: "Kali ruf mich an, wenn du wieder Sexualbegleitung mit mir willst." "Nein", habe ich gesagt, "du rufst an wenn du wieder Sexualbegleitung mit mir willst."
Abhängigkeiten sind in jeder Lebenssituation ungut, in diesen Situationen empfinde ich sie als Machtmißbrauch, Grenzüberschreitungen.
Sonnige Grüße
Kali
hierzu fällt mir gerade noch ein wichtiger Punkt in unserer Ausbildung ein.
Wir dürfen nie - und das halte ich für enorm wichtig - von uns aus einen neuen nächsten Termin ausmachen. Dieser Wunsch muss immer vom Gast ausgehen.
Gerade in diesem sensiblen Bereich von Menschen, die so gut wie nie sinnliche Berührungen erfahren, ist sonst der Manipulation und Abhängigkeit Tür und Tor geöffnet. Allein der Gedanke daran schüttelt mich.
Mir hat ein Mann in einer meiner allerersten Begegnungen gesagt: "Kali ruf mich an, wenn du wieder Sexualbegleitung mit mir willst." "Nein", habe ich gesagt, "du rufst an wenn du wieder Sexualbegleitung mit mir willst."
Abhängigkeiten sind in jeder Lebenssituation ungut, in diesen Situationen empfinde ich sie als Machtmißbrauch, Grenzüberschreitungen.
Sonnige Grüße
Kali
Sexualbegleiterin
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- SW Analyst
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Initiativverbot
Wenn man das Verbot der Initiative für den Sexbegleiter weiterdenkt auf der Ebene der sogenannte sexuellen Mikrokommunikation [Ahlmeyer] bedeutete es, daß auch strenggenommen keine Handlungsaktion vom Assistenten ausgehen dürften.
Das wiederum wurde heißen er/sie darf nicht motivieren, anregen, anleiten, erregen, verführen, spielen, necken... was doch alles zum Kern von klassischer Sexdienstleistung und den Kompetenzen einer erfolgreichen Kurtisane gehört.
Dienstleister dürfte also formal nur als Spiegel wie bei bestimmten Meditationsübungen agieren oder negativ formuliert wie ein Brett oder passiver nasser Sack im Bett liegen. ;-(
Das muß zwangsläufig auch unbefriedigend für die Arbeitszufriedenheit des Dienstleisters ausgehen.
Eine genauere Abwägung und Selbstreflektion der Handlungen und Motivationen des Momentes ist sicher notwendig und gefordert, mehr und anders als es so ein einziger Verbots-Leitsatz ausdrücken könnte.
Das Verbot keine Termine auf Initiative des geschäftlich Tätigen ausmachen zu dürfen ist grundsätzlich richtig als Schutz.
Doch auch Sexworker rufen ihre Kunden i.A. nicht an (gilt als unprofessionell). Der Kunde muß den 1. Schritt machen, weil es ja um seinen Moment der Geilheit geht und die Verhandlunksmacht der Sexarbeiterin davon schlicht abhängt. Nur Stricher in Geldnot rufen ihre Freier an und fragen "Na willst du heute was machen" (Freier als Geldautomat). Auf dem Straßenstrich ruft die Sexarbeiterin "Hi Süßer, wie wär es mit uns beiden...", im Nobelbordell dürfen die Frauen 'nur' Anwesenheit zeigen (kobern verboten)...
.
Das wiederum wurde heißen er/sie darf nicht motivieren, anregen, anleiten, erregen, verführen, spielen, necken... was doch alles zum Kern von klassischer Sexdienstleistung und den Kompetenzen einer erfolgreichen Kurtisane gehört.
Dienstleister dürfte also formal nur als Spiegel wie bei bestimmten Meditationsübungen agieren oder negativ formuliert wie ein Brett oder passiver nasser Sack im Bett liegen. ;-(
Das muß zwangsläufig auch unbefriedigend für die Arbeitszufriedenheit des Dienstleisters ausgehen.
Eine genauere Abwägung und Selbstreflektion der Handlungen und Motivationen des Momentes ist sicher notwendig und gefordert, mehr und anders als es so ein einziger Verbots-Leitsatz ausdrücken könnte.
Das Verbot keine Termine auf Initiative des geschäftlich Tätigen ausmachen zu dürfen ist grundsätzlich richtig als Schutz.
Doch auch Sexworker rufen ihre Kunden i.A. nicht an (gilt als unprofessionell). Der Kunde muß den 1. Schritt machen, weil es ja um seinen Moment der Geilheit geht und die Verhandlunksmacht der Sexarbeiterin davon schlicht abhängt. Nur Stricher in Geldnot rufen ihre Freier an und fragen "Na willst du heute was machen" (Freier als Geldautomat). Auf dem Straßenstrich ruft die Sexarbeiterin "Hi Süßer, wie wär es mit uns beiden...", im Nobelbordell dürfen die Frauen 'nur' Anwesenheit zeigen (kobern verboten)...
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- verifizierte UserIn
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- Ich bin: Keine Angabe
"Sexuelle Mikrokommunikation", so nennt man das also. Das wußte ich wirklich noch nicht. Wenn es ernst wird, würde ich diese Problematik indes komplett ignorieren. Typisch für geistig behinderte Menschen ist ja u.a. ihr eingeschränktes Antriebsverhalten. Und warum sollte einer SW verwehrt werden, worüber sich eine SonderschullehrerIn tagtäglich den Kopf zerbricht?
LG von rainman, der sich jetzt für ein paar Tage verabschieden muss, um dem Segelsport zu frönen
LG von rainman, der sich jetzt für ein paar Tage verabschieden muss, um dem Segelsport zu frönen
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- aufstrebend
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Lieber Marc,
<<<Das wiederum wurde heißen er/sie darf nicht motivieren, anregen, anleiten, erregen, verführen, spielen, necken... was doch alles zum Kern von klassischer Sexdienstleistung und den Kompetenzen einer erfolgreichen Kurtisane gehört.
Dienstleister dürfte also formal nur als Spiegel wie bei bestimmten Meditationsübungen agieren oder negativ formuliert wie ein Brett oder passiver nasser Sack im Bett liegen. ;-( <<<
das ist absurd :-)
Ich habe keine Ahnung wie das in der Prostitution gehandhabt wird, ob es da vielleicht üblich ist, am Ende eines Dates zu fragen ob der Mann wieder kommen will. Hinterher telefonieren finde ich auch sehr peinlich :-), das ist ja nochmal eine andere Nummer.
Liebe Grüsse
Kali
<<<Das wiederum wurde heißen er/sie darf nicht motivieren, anregen, anleiten, erregen, verführen, spielen, necken... was doch alles zum Kern von klassischer Sexdienstleistung und den Kompetenzen einer erfolgreichen Kurtisane gehört.
Dienstleister dürfte also formal nur als Spiegel wie bei bestimmten Meditationsübungen agieren oder negativ formuliert wie ein Brett oder passiver nasser Sack im Bett liegen. ;-( <<<
das ist absurd :-)
Ich habe keine Ahnung wie das in der Prostitution gehandhabt wird, ob es da vielleicht üblich ist, am Ende eines Dates zu fragen ob der Mann wieder kommen will. Hinterher telefonieren finde ich auch sehr peinlich :-), das ist ja nochmal eine andere Nummer.
Liebe Grüsse
Kali
Sexualbegleiterin
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Re: Initiativverbot

Ich kenn sehr wohl einige Frauen, die Kunden anrufen oder SMS schicken, um Kontakt zu halten um nicht "vergessen" zu werden und finds auch legitim. (Mir passierts eher nicht und wenn nur dann um um eine Gefallen oder Infos zu bitten).Marc of Frankfurt hat geschrieben:
Doch auch Sexworker rufen ihre Kunden i.A. nicht an (gilt als unprofessionell). Der Kunde muß den 1. Schritt machen, weil es ja um seinen Moment der Geilheit geht und die Verhandlunksmacht der Sexarbeiterin davon schlicht abhängt. Nur Stricher in Geldnot rufen ihre Freier an und fragen "Na willst du heute was machen" (Freier als Geldautomat). Auf dem Straßenstrich ruft die Sexarbeiterin "Hi Süßer, wie wär es mit uns beiden...", im Nobelbordell dürfen die Frauen 'nur' Anwesenheit zeigen (kobern verboten)...
Einer der Unterschiede zwischen Bordell und RL ist, dass im Regelfall die Frau auf den Mann zugeht (für einige SW ein Problem).
In den "Nobelbordellen" die ich kenne kommen die Frauen sehrwohl auch zu den Gästen.
@kali
das ende eines dates kann unterschiedlich sein:
1. die frau ist nicht (mehr) interessiert - daher keine frage
2. man/frau kennt sich ohnehin, und weiss, dass man sich wieder treffen wird. frage erübrigt sich.
3. die fragen "wann kommst du wieder" oder "sehen wir uns wieder" sind üblich.
(die erste frage war für mich unangenehm - was weiss ich wann ich was zu meinem vergnügen mache (n kann).
Die Moral ist nur der äussere Anschein von Treu und Glauben, und der Verwirrung Beginn.
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RE: Mein erstes Treffen mit einem Mann mit geistiger Behinde
@Jenny
für diesen Bericht kann man dich aus Sicht eines Behinderten nur knuddeln....
Du hast das wunderbar in Worte gefasst, was uns Behinderten fehlt: Menschliche Wärme, jemanden Berühren zu können und zu dürfen....
Danke!
Rolliman
für diesen Bericht kann man dich aus Sicht eines Behinderten nur knuddeln....
Du hast das wunderbar in Worte gefasst, was uns Behinderten fehlt: Menschliche Wärme, jemanden Berühren zu können und zu dürfen....
Danke!
Rolliman
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Lieber Angelfriend,
die Frage "wann kommst du wieder?" impliziert ja auch schon, dass vorausgesetzt wird dass du wiederkommst, die Frage ist nur wann. Da ist schon ein gewisser Druck in der Frage vorhanden, so fragt eigentlich nur jemand, der Ansprüche an den anderen stellt. Würd mich auch stören.
Kann auch mal unbeabsichtigt aus dem Mund rausflutschen so eine Äußerung :-), im besten Fall.
Liebe Grüsse
Kali
die Frage "wann kommst du wieder?" impliziert ja auch schon, dass vorausgesetzt wird dass du wiederkommst, die Frage ist nur wann. Da ist schon ein gewisser Druck in der Frage vorhanden, so fragt eigentlich nur jemand, der Ansprüche an den anderen stellt. Würd mich auch stören.
Kann auch mal unbeabsichtigt aus dem Mund rausflutschen so eine Äußerung :-), im besten Fall.
Liebe Grüsse
Kali
Sexualbegleiterin