Beziehung zu KollegInnen?

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
desi
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Beziehung zu KollegInnen?

Beitrag von desi »

Hallo liebe SexarbeiterInnen,
wie ihr vielleicht schon gesehen habt bin ich seit gestern im Forum. Ich beschäftige mich mit Straßensexarbeit in Innsbruck für meine Diplomarbeit, jedoch interessiert mich eigentlich Sexarbeit in all ihren Facetten.
Eine Frage habe ich an euch, da ich gerade beim Ausarbeiten darauf gestoßen bin:

Wie gestaltet sich die Beziehung zu den ArbeitskollegInnen?

Wie wird mit dem Gefühl der Konkurrenz umgegangen?
Gibt es das überhaupt?
Was sind die Besonderheiten in der Sexarbeit?

Bin schon gespannt auf eure Antworten, Meinungen und Ideen.
LG Desi

Moonlight
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Re: Beziehung zu KollegInnen?

Beitrag von Moonlight »

desi hat geschrieben:Wie gestaltet sich die Beziehung zu den ArbeitskollegInnen?
früher gab es innige Freundschaften. Man hat tagsüber gemeinsam was unternommen usw, in der heutigen Zeit denkt leider nur noch jeder an sich selbst auf dem Strassenstrich

Es gab in den Ende 80er Jahren Zeiten, wenn eine Frau kein HG hatte, das alle anderen zusammengeschmissen haben damit diese Frau ihre Kosten hatte, in der heutigen Zeit undenkbar...

Auf dem Strassenstrich kannst du so arbeiten wie du möchtest, das kann man in einem Bordell oder Club nicht... (oder ich war in den falschen Bordells :002 )
LG Moonlight

Wenn nicht jetzt - wann dann?

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

HG Haushaltsgeld ? ;-)

desi
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Beitrag von desi »

Danke Martina,
mir ging es da bei dieser Frage darum, ob ich die Behauptung aufstellen kann, dass es einen gewissen "Konkurzenkampf " unter den Frauen gibt. Denn wenn ich mich selbst in die Lage versetze und mir vorstelle ich arbeite auf der Straße und beobachte meine ArbeitskollegInnen. Sie haben sehr viele Kundschaften und ich schaue durch die Finger, würde ich wahrscheinlich einen gewissen Stress bekommen, denn ich muss meine Rechnungen zahlen und Leben können. Da gut ersichtlich ist wieviel meine KollegInnen verdiene denke ich mir, dass diese Situation so ein gewisses Konkurrenzdenken fördert. Aber das sind nur reine Spekulationen die ich aufstelle und wo ich eure Meinung und Erfahrungen bräuchte.
Vielen Dank für deinen Beitrag, darf ich deine Aussage in meine Diplomarbeit nehmen?
Lg desi

JennyHN
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Beitrag von JennyHN »

@ Marc
Könnte man so sagen...

Früher ging eine Frau niemals mit einem Nuller Heim.
Da war der Zusammenhalt tatsächlich noch groß unter den Frauen und man guckte, daß sie wenigstens mit einem Hunni Heim konnte. Das glich sich ja immer wieder aus, in einem guten Team.

Heute scheint es keine guten Teams mehr zu geben; kein "Vorlassen"; kein "Abwechseln".... jede will das Meiste.....
Jenny
Polygamie ist nicht unmoralisch.
Aber das Vertrauen und die Gesundheit liebender Partner zu mißbrauchen, schon....

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Marc of Frankfurt
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Politisches Prostitutionsregime

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das wichtigste, was die Konkurrenz fördert,
beziehungsweise was fehlt um soziale Härten abzupolstern wie in anderen Arbeitsbereichen üblich
sind:

(Zu vielen Themen gibt es bessere Aussagen und fundierte Texte an anderen Stellen in diesem unseren Portal www.sexworker.at - dem FachInformationsZentrum Sex Work - "sex work is work")





Hier die Liste der widrigen "Rahmenbedingungen" Sexarbeit
(Politisches Prostitutionsregime):
  1. Stigmatisierung von SexarbeiterInnen und Kunden
  2. Putophobie
  3. Kriminalitätsrisiko durch Hass-Taten ist überproportional (engl. hate crimes)
  4. Kriminalisierung, d.h. nur teilweise legal, vielfach illegalisiert
  5. Angst vor der Polizei, d.h. ihre Schutzfunktion entfällt für SW.
  6. Darüberhinaus Angst vor korrupten und mißbräuchlichen Beamten und Behörden
  7. Überforderung aus all diesen Gründen mit der Folge: Sex Worker Burn Out (SWBO)
    Bsp.: Angst erkannt zu werden (Stigma) aber sich zeigen müssen (Marketing)
  8. Sperrgebietsregelungen (engl. Zoning) ist räumliches Berufsverbot
  9. Werbeverbot
  10. Zwangs-Gesundheitskontrollen nur der AnbieterInnen als gesundheitswissenschaftlich nicht haltbare Schikane
  11. Verbot der selbstbestimmten Wohnungsprostitution
  12. Verbot der selbstbestimmten Zusammenarbeit (gilt als organisierte Kriminalität, Callgirlring)
  13. Selbstgewähltes Verbot für Stellenvermittlung durch die Arbeitsämter/-agenturen
  14. Zuhälterparagraphen (deshalb nur illegalisierte Partnerschaften für SW möglich)
  15. Menschenhandelparagraphen (Autonomer Wille wird als unerheblich den SW abgesprochen)
  16. Arbeitsverbote für Migranten (Ihnen bleibt teilw. nur die Sexarbeit)
  17. Drogenproblematik, prohibitive Drogenpolitik
  18. Keine Hurensozialkasse (Sexarbeiterbank nur in Indien)
  19. Kein Hurenaltenheim (Nur in Brazilien)
  20. Keine Hurenzeitung (ich kenne nur wenige Ausnahmen, kennst Du sie auch?)
  21. Keine Hurenuni, keine Erwachsenenbildung (nur wenige unterfinanzierte Sozialberatungen)
  22. Keine Huren-Coming-out Gruppen oder Huren-Kultur-Zentren
  23. Keine Förderung der Huren-Vernetzung und gewerkschaftlichen Selbstvertretung
  24. Huren werden traditioneller weise von der Politik nicht angehört (aber hier tut sich was in Österreich)
  25. Und bei alle dem Steuerpflicht ist auch keine leichte Übung für viele Frauen.
Was habe ich vergesseen?





Du darfst das zitieren. Wie zitiert wird steht im Link in meiner Signatur:
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 26.06.2010, 12:06, insgesamt 6-mal geändert.

Hanna
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Re: Beziehung zu KollegInnen?

Beitrag von Hanna »

desi hat geschrieben: Eine Frage habe ich an euch, da ich gerade beim Ausarbeiten darauf gestoßen bin:

1. Wie gestaltet sich die Beziehung zu den ArbeitskollegInnen?

2. Wie wird mit dem Gefühl der Konkurrenz umgegangen?
3. Gibt es das überhaupt?
4. Was sind die Besonderheiten in der Sexarbeit?

Bin schon gespannt auf eure Antworten, Meinungen und Ideen.
LG Desi
hallo Desi,
hab mir mal erlaubt deine Fragen im Text zu nummerieren.

zu meiner Situation: Transsexuell,mache H+H und Wohnungsprost.

ad 1
gut, da ich mir die Kolleginnen aussuche. In Leipzig tauschen wir uns aus, geben uns Tipps und überregional auch. Habe allerdings fast nur noch deutsche Kolleginnen mit denen ich mich austausche.

ad 2
es gibt m.E. in den reicheren Ländern Europas zu viel Konkurrenz und daher wird der Kampf seit dem Fall des eisernen Vorhangs härter. Gründe dafür sind:
-relativ leichter Zugang auch für Migrantinnen aus nicht EU-Ländern
- Armutsmigration von Frauen aus EU-Ländern und kaum Beschäftigungsnalternativen
- rel. hohe Arbeitslosigkeit in D und wachsender Anteil an geringqualifizierten.
- wachsende Konkurrenz durch Studentinnen, hobbyprost. etc in gewisen Kreisen scheints schon fast chic zu sein?
- allg. lockerer gesellschaftlicher Umgang, die Stigmatisierung der SWs ist m.E. nicht mehr so total wie früher

ad 3
oh ja!
mein einschneidendstes Erlebnis war, wie mich eine Bulgarengang vom Transenstrich in der Frobenstraße verdrängt hat. Mich als Deutsche! Da hab ich heut noch so eine Wut im Bauch :013

ad 4
siehe Antwort Marc.
vielleicht noch als Zusatz
- der Einstieg in die Sexarbeit ist mit keinerlei Hürden bürokratischer bzw. qualifikationstechischer Natur verbunden, wenngleich man natürlich von den Behörden sehr schikaniert werden kann.
-Sexarbeit läßt sich leicht auch in Teilzeit als Zubrot realisieren, oder neben Hartz IV
Augen gab uns Gott ein Paar / um zu schauen rein und klar / um zu GLAUBEN was wir lesen / wär ein Aug' genug gewesen (aus HH. zur Teleologie)

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HG = Handgeld

Beitrag von Moonlight »

Marc of Frankfurt hat geschrieben:HG Haushaltsgeld ? ;-)
könnte man so sagen, meine damit aber Handgeld, das heißt, der erste Gast/Kunde/Freier
desi hat geschrieben:Denn wenn ich mich selbst in die Lage versetze und mir vorstelle ich arbeite auf der Straße und beobachte meine ArbeitskollegInnen. Sie haben sehr viele Kundschaften und ich schaue durch die Finger, würde ich wahrscheinlich einen gewissen Stress bekommen, denn ich muss meine Rechnungen zahlen und Leben können. Da gut ersichtlich ist wieviel meine KollegInnen verdiene denke ich mir, dass diese Situation so ein gewisses Konkurrenzdenken fördert. Aber das sind nur reine Spekulationen die ich aufstelle und wo ich eure Meinung und Erfahrungen bräuchte.
ehrlich gesagt, zu meiner Anfangszeit gab es solch ein Denken nicht. Da hat jeder was abbekommen und das nicht gerade wenig... Möchte hier jetzt keine Summen nennen denn ich weiß nicht wer das alles lesen kann, aber die Geschäfte liefen bombastisch... und ich denke mal das die Frauen die schon sehr lange dabei sind das bestätigen können...

Allerdings war es schon früher so das die jüngeren Frauen immer etwas mehr hatten an Kundschaft als die älteren, genauso ist es heutzutage auch noch, denn viele haben eine Frau im Mittleren Alter daheim und wollen dann was junges und knackiges...
desi hat geschrieben:Vielen Dank für deinen Beitrag, darf ich deine Aussage in meine Diplomarbeit nehmen?
gerne doch, allerdings würde mich dann schon mal interessieren wie so eine fertige Diplomarbeit ausschaut :002 interessiert den einen oder anderen hier bestimmt auch :003
LG Moonlight

Wenn nicht jetzt - wann dann?

Melanie
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Beitrag von Melanie »

Ich sehe das etwas anders.
Durch die Agentur arbeiten wir sehr gut zusammen.
Die eine Dame kann eben mit dem einenHerren besser zurecht kommen, als eine andere von uns.
Da wird sich keine Frau von uns einmischen - nur wundern, wenn der Kunde plötzlich eine andere Frau buchen möchte.
- auch ich gebe Termine oft ab, weil die Entfernung für mich zu weit ist oder ich bin selbst an einem bestimmten Tag nicht so gut drauf.
Es besteht bei uns ein Austausch und Kunden die "unmöglich" oder gar gefährlich waren - melden wir sofort weiter.
- Sie werden auch sofort gestrichen, so das es nicht noch mal zu einem traurigen Zwischenspiel kommt.

Auch die Frage - wie geht man vor, wie gestaltet man den Erstkontakt = liegt frei im Gespräch.
Kann sein, dass wir in einer Region tätig sind - wo sonst Haus- ,Hotelbesuche und Escort nicht weiter angeboten werden von anderen Agenturen.
Deshalb haben wir mehr Kunden, als wir Termine machen können und da braucht kein Neid aufkommen.
Außerdem wählt ja der Kunde und der Geschmack ist eben unterschiedlich.

Ich frage mich nur immerzu - wo kann man hier im Forum andere Frauen vor gefährlichen Männern warnen ???
- es gibt in Waren ander Müritz eine richtige Bande die versuchen die Mädels mit OK-Tropfen, Pommers und Faustan gefügig zumachen und später mit Videoaufnahmen zu erpressen.

BITTE. WOHIN MIT SOLCHEN WARNUNGEN ???
„Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen.“
Johann Wolfgang von Goethe

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Beitrag von Zwerg »

Melanie hat geschrieben:BITTE. WOHIN MIT SOLCHEN WARNUNGEN ???
Hi Melanie!

Zuerst einmal willkommen auf sexworker.at :-)

Dann darf ich Dich auf 2 Bereiche aufmerksam machen -> <a href="http://www.sexworker.at/phpBB2/viewforum.php?f=29">Mitglieder stellen sich vor</a> und vielleicht (in dem oben genannten Fall) noch wichtiger viewtopic.php?t=706

Nach erfolgter Verifizierung bekommst Du Zugang zu Bereichen dieses Forums, die öffentlich nicht einsehbar sind (sexworker only) - Dort sind Warnungen, wie die von Dir Beschriebene am Besten aufgehoben.

Liebe Grüße

Christian

geisha1
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Beitrag von geisha1 »

Hm,da habe vor Jahren meine beste Freundin gefunden.
Mitterweile(bei uns wechseln die Mädels leider oft)habe ich 2 super Freundinnen dazugefunden,Konkurrenz waren wir uns nie.Leider sind beide nicht mehr in "meinem "Haus,aber wir telefonieren und simsen regelmäßig und manschmal ist sogar ein Treffen drin:-)Im Moment habe neue Mädels da,nun,wir arrangieren uns,viel privates gibt es von meiner Seite aus nicht,die Chemie stimmt halt nicht..
Aber ich finde es enorm wichtig,sich zu verstehen,das macht doch so einiges leichter oder?Sauer war ich nur mal auf ein bulgarisches Mädel,da sie sich an die Gäste, derart rangeschmissen hat(was bei uns so nicht üblich ist!)
vlg
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Joy
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Beitrag von Joy »

@JennyHN
Schade, dass es heute nicht mehr so ist.
Ich erfahre, den Neider/Konkurrenzkampf gerade am eigenen Leib
und es ist manchmal sehr schwierig das ganze einfache zu ignorieren. Vorallem wenn versucht wird jemanden mit allen Mitteln aus dem Haus zu bekommen.
Meiner Meinung nach muss man doch irgendwie miteinander zurecht kommen wenn man unter einem "Dach" arbeitet. Auch wenn das Geschäft zur Zeit nicht so gut läuft.


Vielleicht war es früher nicht so, da einfach mehr Kundschaft vorhanden war.
Groll mit uns herumtragen ist wie das Greifen nach einem glühenden Stück Kohle in der Absicht, es nach jemandem zu werfen. Man verbrennt sich nur selbst dabei

Buddha