POMPEJI: Wo Liebe so billig war wie Brot
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POMPEJI: Wo Liebe so billig war wie Brot
POMPEJIS BORDELL
Wo Liebe so billig war wie Brot
Von Karl-Wilhelm Weeber
In Pompeji steht das einzige zweifelsfrei identifizierbare Bordell der Antike. Das Haus, speziell für seinen Zweck gebaut, beweist: Die Prostitution war eine Normalität des römischen Alltags, eine Dienstleistung, die für Kleinstbeträge wie am Fließband verkauft wurde.
"Lustgewinn" überschrieb die "Süddeutsche Zeitung" im vergangenen Oktober einen Artikel im Feuilleton, der von einem pompejanischen Bordell handelte. Für die Ohren der professionellen Führer, die Tag für Tag Touristengruppen durch die Ausgrabungen Pompejis schleusen, eine bittere Überschrift - denn sie werden ein Jahr lang auf das Highlight ihrer Tour verzichten müssen. Der Höhepunkt im Bordell entfällt - das sogenannte Lupanar des Africanus ist wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen. 400.000 Euro sind dafür veranschlagt.
Ein teures Vergnügen, mag mancher Skeptiker denken, zumal ganze Viertel der ausgegrabenen Vesuvstadt durch Wind, Wetter und Touristen dem Verfall ausgesetzt sind. Muss da ausgerechnet in ein Freudenhaus so viel investiert werden? Die zuständige Soprintendenza wird dem entgegenhalten können, dass das Haus einer der Stars in Pompejis Sightseeingprogramm ist. Es ist das einzige wirklich zweifelsfrei identifizierbare Bordell der Antike.
Vieles spricht dafür, dass es als solches von vornherein konzipiert war. Das Haus liegt an der Gabelung zweier Straßen und hat zwei für "Laufkundschaft" leicht erreichbare Eingänge. Vom Flur aus, lateinisch Atrium genannt, gehen fünf Zimmer ab, die unverkennbar Arbeitsplätze von Prostituierten waren. Die kleinen, fensterlosen Räume verfügten lediglich über eine gemauerte Liege. Sonstige Möbel passten nicht hinein. Das Obergeschoss hatte fünf weitere, ähnlich spartanisch eingerichtete Räume. Nur einer von ihnen hat ein Fenster. Unter dem Treppenaufgang befand sich eine Latrine.
Ein "Eros-Center", das in seiner architektonisch funktionalen Schlichtheit alles andere als einladend wirkt! Tatsächlich war dieses Freudenhaus von einem ausgesprochen freudlosen Ambiente geprägt. Kultivierte Freude jedenfalls konnten die engen, ungemütlichen, muffigen, von Kerzenrauch verrußten Kammern keineswegs verströmen.
Mit provinzieller Kargheit hatte der fehlende Ausstattungsluxus des Bordells jedoch nichts zu tun. Literarische Berichte über lupanaria in Rom - lupa, also Wölfin, war ein ziemlich deftiger Begriff für Prostituierte - bestätigen den archäologischen Befund aus Pompeji.
Der Satiriker Juvenal beschreibt in seinem fiktiven "Bericht" sehr realitätsnah die nächtlichen Eskapaden der "kaiserlichen Hure" Messalina (meretrix Augustana): wie die Gattin des Kaisers Claudius nach Einbruch der Dunkelheit vom Palatin in den Mief eines "schwülen Bordells" am Circus Maximus herabschleicht, wo ein stickiger, dämmriger Raum für sie als Arbeitsplatz reserviert ist. Stundenlang geht sie dort unter dem Fantasienamen Lycisca ihrem verschwiegenen Gewerbe nach, bis der Strom der Bordellbesucher versiegt und sie "hässlich, die Wangen geschwärzt und entstellt vom Rußen der Lampe" mit dem "üblen Geruch des Bordells auf der Haut" in den Kaiserpalast zurückkehrt.
Schein und Wirklichkeit
Juvenals drastische Darstellung und die Trostlosigkeit der Hurenkammern im Bordell des Africanus werfen ein Schlaglicht auf die miserablen Arbeitsbedingungen im römischen Bordellbetrieb. Die düsteren, übel riechenden Billigbordelle boten raschen Sex-Service im Zehnminutentakt. Abdruckstellen auf den steinernen Liegen zeigen, dass viele Besucher sich nicht einmal die Mühe machten, ihre Schuhe auszuziehen
Lycisca nahm ihren Hurenlohn selbst in Empfang, bevor "sie die Stöße von vielen verschlang". In unserem pompejanischen Bordell mögen die Zahlungsmodalitäten auch so gewesen sein. Als Alternative käme aber auch eine Art Zentralkasse im Atrium in Frage, an welcher der Bordellwirt oder sein Manager saß. Die Gestaltung des Empfangsraums legt diese Variante nahe, denn im Unterschied zu den tristen cellae strahlte er durch die Fresken über jedem Eingang zu einer Prostituiertenkammer sogar einen gewissen Glanz aus.
Die Fresken zeigen in bräunlichen Tönen gehaltene erotische Szenen auf bequemen, mit weichen Decken üppig gepolsterten Liegen. Die cellae sind auf diesen Bildern von bunten Girlanden geschmückt und die "Damen" verbreiten eine Aura verführerischer Willigkeit, zu der verschiedene Liebesstellungen ebenso beitragen wie einladende laszive Gesten und Blicke.
Mit der Realität des Billigbordells hatten diese pornografischen Fantasien indes nichts zu tun. Aber sie waren sicher gut fürs Geschäft, weil sie den Kunden erotische Wonnen der Spitzenklasse in Aussicht stellten und Illusionen weckten, die die Kasse klingeln ließen. Spätestens wenn sich die Tür oder der Vorhang öffnete, das Schild occupata ("besetzt") abgenommen wurde und der Blick des Kunden in die düstere cella fiel, verflogen manche Illusionen.
Schäbige Wirklichkeit - sie erweist sich auch in nackten, nüchternen Zahlen. Durch Graffiti sind wir bestens über die Preise für sexuelle Dienstleistungen informiert. Der übliche Basispreis für einen Prostituiertenbesuch lag bei zwei Assen. Das entspricht dem Preis von zwei Laiben Brot oder einem halben Liter Wein gehobener Qualität. Manchmal war sogar noch Fellatio inklusive.
SPIEGEL ONLINE
Wo Liebe so billig war wie Brot
Von Karl-Wilhelm Weeber
In Pompeji steht das einzige zweifelsfrei identifizierbare Bordell der Antike. Das Haus, speziell für seinen Zweck gebaut, beweist: Die Prostitution war eine Normalität des römischen Alltags, eine Dienstleistung, die für Kleinstbeträge wie am Fließband verkauft wurde.
"Lustgewinn" überschrieb die "Süddeutsche Zeitung" im vergangenen Oktober einen Artikel im Feuilleton, der von einem pompejanischen Bordell handelte. Für die Ohren der professionellen Führer, die Tag für Tag Touristengruppen durch die Ausgrabungen Pompejis schleusen, eine bittere Überschrift - denn sie werden ein Jahr lang auf das Highlight ihrer Tour verzichten müssen. Der Höhepunkt im Bordell entfällt - das sogenannte Lupanar des Africanus ist wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen. 400.000 Euro sind dafür veranschlagt.
Ein teures Vergnügen, mag mancher Skeptiker denken, zumal ganze Viertel der ausgegrabenen Vesuvstadt durch Wind, Wetter und Touristen dem Verfall ausgesetzt sind. Muss da ausgerechnet in ein Freudenhaus so viel investiert werden? Die zuständige Soprintendenza wird dem entgegenhalten können, dass das Haus einer der Stars in Pompejis Sightseeingprogramm ist. Es ist das einzige wirklich zweifelsfrei identifizierbare Bordell der Antike.
Vieles spricht dafür, dass es als solches von vornherein konzipiert war. Das Haus liegt an der Gabelung zweier Straßen und hat zwei für "Laufkundschaft" leicht erreichbare Eingänge. Vom Flur aus, lateinisch Atrium genannt, gehen fünf Zimmer ab, die unverkennbar Arbeitsplätze von Prostituierten waren. Die kleinen, fensterlosen Räume verfügten lediglich über eine gemauerte Liege. Sonstige Möbel passten nicht hinein. Das Obergeschoss hatte fünf weitere, ähnlich spartanisch eingerichtete Räume. Nur einer von ihnen hat ein Fenster. Unter dem Treppenaufgang befand sich eine Latrine.
Ein "Eros-Center", das in seiner architektonisch funktionalen Schlichtheit alles andere als einladend wirkt! Tatsächlich war dieses Freudenhaus von einem ausgesprochen freudlosen Ambiente geprägt. Kultivierte Freude jedenfalls konnten die engen, ungemütlichen, muffigen, von Kerzenrauch verrußten Kammern keineswegs verströmen.
Mit provinzieller Kargheit hatte der fehlende Ausstattungsluxus des Bordells jedoch nichts zu tun. Literarische Berichte über lupanaria in Rom - lupa, also Wölfin, war ein ziemlich deftiger Begriff für Prostituierte - bestätigen den archäologischen Befund aus Pompeji.
Der Satiriker Juvenal beschreibt in seinem fiktiven "Bericht" sehr realitätsnah die nächtlichen Eskapaden der "kaiserlichen Hure" Messalina (meretrix Augustana): wie die Gattin des Kaisers Claudius nach Einbruch der Dunkelheit vom Palatin in den Mief eines "schwülen Bordells" am Circus Maximus herabschleicht, wo ein stickiger, dämmriger Raum für sie als Arbeitsplatz reserviert ist. Stundenlang geht sie dort unter dem Fantasienamen Lycisca ihrem verschwiegenen Gewerbe nach, bis der Strom der Bordellbesucher versiegt und sie "hässlich, die Wangen geschwärzt und entstellt vom Rußen der Lampe" mit dem "üblen Geruch des Bordells auf der Haut" in den Kaiserpalast zurückkehrt.
Schein und Wirklichkeit
Juvenals drastische Darstellung und die Trostlosigkeit der Hurenkammern im Bordell des Africanus werfen ein Schlaglicht auf die miserablen Arbeitsbedingungen im römischen Bordellbetrieb. Die düsteren, übel riechenden Billigbordelle boten raschen Sex-Service im Zehnminutentakt. Abdruckstellen auf den steinernen Liegen zeigen, dass viele Besucher sich nicht einmal die Mühe machten, ihre Schuhe auszuziehen
Lycisca nahm ihren Hurenlohn selbst in Empfang, bevor "sie die Stöße von vielen verschlang". In unserem pompejanischen Bordell mögen die Zahlungsmodalitäten auch so gewesen sein. Als Alternative käme aber auch eine Art Zentralkasse im Atrium in Frage, an welcher der Bordellwirt oder sein Manager saß. Die Gestaltung des Empfangsraums legt diese Variante nahe, denn im Unterschied zu den tristen cellae strahlte er durch die Fresken über jedem Eingang zu einer Prostituiertenkammer sogar einen gewissen Glanz aus.
Die Fresken zeigen in bräunlichen Tönen gehaltene erotische Szenen auf bequemen, mit weichen Decken üppig gepolsterten Liegen. Die cellae sind auf diesen Bildern von bunten Girlanden geschmückt und die "Damen" verbreiten eine Aura verführerischer Willigkeit, zu der verschiedene Liebesstellungen ebenso beitragen wie einladende laszive Gesten und Blicke.
Mit der Realität des Billigbordells hatten diese pornografischen Fantasien indes nichts zu tun. Aber sie waren sicher gut fürs Geschäft, weil sie den Kunden erotische Wonnen der Spitzenklasse in Aussicht stellten und Illusionen weckten, die die Kasse klingeln ließen. Spätestens wenn sich die Tür oder der Vorhang öffnete, das Schild occupata ("besetzt") abgenommen wurde und der Blick des Kunden in die düstere cella fiel, verflogen manche Illusionen.
Schäbige Wirklichkeit - sie erweist sich auch in nackten, nüchternen Zahlen. Durch Graffiti sind wir bestens über die Preise für sexuelle Dienstleistungen informiert. Der übliche Basispreis für einen Prostituiertenbesuch lag bei zwei Assen. Das entspricht dem Preis von zwei Laiben Brot oder einem halben Liter Wein gehobener Qualität. Manchmal war sogar noch Fellatio inklusive.
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Wo Liebe so billig war wie Brot Teil 2
POMPEJIS BORDELL
Wo Liebe so billig war wie Brot
Von Karl-Wilhelm Weeber
2. Teil: Großes Angebot, kleiner Preis: Warum Bordellbesuche selbst für Sklaven erschwinglich waren
Je nach Aussehen der Dirne oder nach Sonderwünschen und Umfang des Service erhöhte sich der Preis. Manche "Damen" verlangten vier oder acht Asse, Spitzenverdienerinnen wie eine gewisse Attice konnten 16 Asse, die wahrhaft "glückliche" Fortunata sogar 23 Asse durchsetzen. Selbst diese Höchstpreise waren günstig, setzt man sie in Beziehung zum Tageslohn eines Arbeiters. Der lag bei rund 16 Assen.
Solche Maximaltarife für die käufliche Liebe stellten aber absolute Ausnahmen dar. In 16 von 28 einschlägigen Tarifangaben werden lediglich zwei Asse genannt. Das war offenkundig der Standardpreis, zu dem sich die "Griechin Eutychis, von nettem Wesen" ebenso hingab wie die "nuckelnde Lahis".
Wie erklärt sich das außerordentlich niedrige Preisniveau der Prostitution in der römischen Welt - in Pompeji und anderswo? Zum einen war die Prostitution in der römischen Zivilisation geradezu allgegenwärtig. Sie diente als gesellschaftlich anerkanntes Ventil zum Schutz unverheirateter und verheirateter "ehrbarer" Frauen. Es galt nicht als besonders anstößig, beim Betreten oder Verlassen eines Bordells gesehen zu werden. Und den Verkehr mit einer Prostituierten wertete das Gesetz nicht als - ansonsten strafbaren - Ehebruch, weil sie als ehrlos galt.
Zum anderen stand ein schier unerschöpfliches Reservoir an Mädchen und Frauen zur Verfügung, die als Sklavinnen von ihren Herren zur Prostitution gezwungen werden konnten. Freigelassene Frauen, die nichts anderes gelernt hatten, blieben oftmals in dem ihnen vertrauten Rotlichtmilieu. Das Gros der Prostituierten rekrutierte sich aus diesen sozialen Schichten. Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, verkauften aber auch manche frei geborenen Frauen ihren Körper in Bordellen.
Die ehrlosen Orte
Der großen Nachfrage stand damit ein noch größeres Angebot gegenüber, und das drückte erheblich auf den Preis der Dienstleistung. Auch für Geringverdiener und selbst für Sklaven, die nur über ein bescheidenes Taschengeld verfügten, war der Besuch bei einer Prostituierten erschwinglich. Männer aus höheren sozialen Schichten stürzten sich schon einmal ins Nachtleben der kleinen Leute. In der Regel aber ließen sie sich von Edelprostituierten in ihren eigenen vier Wänden verwöhnen und mieden Bordelle und andere loci inhonesti, "ehrlose Orte".
Zu denen gehörten auch Kneipen, Imbisslokale, Nachtbars und Absteigen. Alle im Gastronomiegewerbe Tätigen standen unter dem Generalverdacht der Förderung oder Ausübung der Prostitution. "Viele pflegen unter dem Vorwand, eine Schankwirtschaft zu betreiben, Frauen zu beschäftigen, die sich prostituieren", stellt der Rechtsgelehrte Domitius Ulpian (gest. 323 n. Chr.) lapidar fest. Viele ja, aber nicht alle, muss man fairerweise einschränken.
Für Archäologen und Historiker ein schwieriges Unterfangen: Wie lassen sich aus den mehreren Dutzend Gastronomiebetrieben Pompejis diejenigen herausfiltern, die Ulpian meint? Es sind im Wesentlichen zwei Indikatoren, die auf einen Bordellbetrieb schließen lassen. Einmal obszöne Wandmalereien, wie sie das Lupanar des Africanus schmücken. Die stimulierende Wirkung unmissverständlicher sexueller Motive machten sich auch manche Wirte zu Nutze.
Beredte Künstlernamen
Den zweiten Indikator liefern Graffiti, in denen Kunden die Mädchen, ihre Preise und "besondere Künste" vorstellen oder der Wand anvertrauen, dass sie wie etwa ein gewisser Scordopordonicus "hier prima" oder wie ein Anonymus "hier viele Mädchen gevögelt" haben. Wie sich allein im Bordell des Africanus rund 120 solcher "Themengraffiti" erhalten haben, so sprechen auch die Wände mancher Gaststätten von sexuellen Ausschweifungen.
Sie verraten uns, dass die meisten Prostituierten ansprechende Pseudonyme verwendeten. Sie nannten sich Optata, "die Erwünschte", Spes oder Helpis, "die Hoffnung", Fortunata, Felicia, Faustilla, "die Glückliche", oder auch Victoria oder griechisch Nica, "die Siegreiche". Manche ließen sich von ihren Verehrern als fellatrix, "Fellatio-Expertin", extaliosa, "die mit dem üppigen Hintern", pamhira, "die Trinkgierige", oder Callidrome, "die mit dem schönen Gang", preisen.
Bordellbesucher vor zweitausend Jahren hatten es jedenfalls deutlich leichter als moderne Archäologen, ihren Weg zu tatsächlich "unanständigen Lokalitäten" zu finden. Bei Tage stand oder saß manche Dirne in aufreizender Kleidung vor ihrer cella oder flanierte auffällig in stark frequentierten Anbahnungszonen wie Säulenhallen, Thermen und Theatern. Bordelle und Kneipen mit einschlägigem Angebot machten durch Werbeschilder auf sich aufmerksam. Die Darstellung eines Phallus mit der einladenden Beischrift hic habitat felicitas ("Hier wohnt das Glück") war als Logo eines Amüsierbetriebs kaum misszuverstehen.
Nachts hing vor manchem Etablissement eine Lampe, die eindeutig den Weg wies. Nicht mit rotem Licht, aber mit ihrer Form: Ein erigierter Phallus leuchtete standhaft zum nächtlichen Glück.
SPEIGEL ONLINE
Wo Liebe so billig war wie Brot
Von Karl-Wilhelm Weeber
2. Teil: Großes Angebot, kleiner Preis: Warum Bordellbesuche selbst für Sklaven erschwinglich waren
Je nach Aussehen der Dirne oder nach Sonderwünschen und Umfang des Service erhöhte sich der Preis. Manche "Damen" verlangten vier oder acht Asse, Spitzenverdienerinnen wie eine gewisse Attice konnten 16 Asse, die wahrhaft "glückliche" Fortunata sogar 23 Asse durchsetzen. Selbst diese Höchstpreise waren günstig, setzt man sie in Beziehung zum Tageslohn eines Arbeiters. Der lag bei rund 16 Assen.
Solche Maximaltarife für die käufliche Liebe stellten aber absolute Ausnahmen dar. In 16 von 28 einschlägigen Tarifangaben werden lediglich zwei Asse genannt. Das war offenkundig der Standardpreis, zu dem sich die "Griechin Eutychis, von nettem Wesen" ebenso hingab wie die "nuckelnde Lahis".
Wie erklärt sich das außerordentlich niedrige Preisniveau der Prostitution in der römischen Welt - in Pompeji und anderswo? Zum einen war die Prostitution in der römischen Zivilisation geradezu allgegenwärtig. Sie diente als gesellschaftlich anerkanntes Ventil zum Schutz unverheirateter und verheirateter "ehrbarer" Frauen. Es galt nicht als besonders anstößig, beim Betreten oder Verlassen eines Bordells gesehen zu werden. Und den Verkehr mit einer Prostituierten wertete das Gesetz nicht als - ansonsten strafbaren - Ehebruch, weil sie als ehrlos galt.
Zum anderen stand ein schier unerschöpfliches Reservoir an Mädchen und Frauen zur Verfügung, die als Sklavinnen von ihren Herren zur Prostitution gezwungen werden konnten. Freigelassene Frauen, die nichts anderes gelernt hatten, blieben oftmals in dem ihnen vertrauten Rotlichtmilieu. Das Gros der Prostituierten rekrutierte sich aus diesen sozialen Schichten. Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, verkauften aber auch manche frei geborenen Frauen ihren Körper in Bordellen.
Die ehrlosen Orte
Der großen Nachfrage stand damit ein noch größeres Angebot gegenüber, und das drückte erheblich auf den Preis der Dienstleistung. Auch für Geringverdiener und selbst für Sklaven, die nur über ein bescheidenes Taschengeld verfügten, war der Besuch bei einer Prostituierten erschwinglich. Männer aus höheren sozialen Schichten stürzten sich schon einmal ins Nachtleben der kleinen Leute. In der Regel aber ließen sie sich von Edelprostituierten in ihren eigenen vier Wänden verwöhnen und mieden Bordelle und andere loci inhonesti, "ehrlose Orte".
Zu denen gehörten auch Kneipen, Imbisslokale, Nachtbars und Absteigen. Alle im Gastronomiegewerbe Tätigen standen unter dem Generalverdacht der Förderung oder Ausübung der Prostitution. "Viele pflegen unter dem Vorwand, eine Schankwirtschaft zu betreiben, Frauen zu beschäftigen, die sich prostituieren", stellt der Rechtsgelehrte Domitius Ulpian (gest. 323 n. Chr.) lapidar fest. Viele ja, aber nicht alle, muss man fairerweise einschränken.
Für Archäologen und Historiker ein schwieriges Unterfangen: Wie lassen sich aus den mehreren Dutzend Gastronomiebetrieben Pompejis diejenigen herausfiltern, die Ulpian meint? Es sind im Wesentlichen zwei Indikatoren, die auf einen Bordellbetrieb schließen lassen. Einmal obszöne Wandmalereien, wie sie das Lupanar des Africanus schmücken. Die stimulierende Wirkung unmissverständlicher sexueller Motive machten sich auch manche Wirte zu Nutze.
Beredte Künstlernamen
Den zweiten Indikator liefern Graffiti, in denen Kunden die Mädchen, ihre Preise und "besondere Künste" vorstellen oder der Wand anvertrauen, dass sie wie etwa ein gewisser Scordopordonicus "hier prima" oder wie ein Anonymus "hier viele Mädchen gevögelt" haben. Wie sich allein im Bordell des Africanus rund 120 solcher "Themengraffiti" erhalten haben, so sprechen auch die Wände mancher Gaststätten von sexuellen Ausschweifungen.
Sie verraten uns, dass die meisten Prostituierten ansprechende Pseudonyme verwendeten. Sie nannten sich Optata, "die Erwünschte", Spes oder Helpis, "die Hoffnung", Fortunata, Felicia, Faustilla, "die Glückliche", oder auch Victoria oder griechisch Nica, "die Siegreiche". Manche ließen sich von ihren Verehrern als fellatrix, "Fellatio-Expertin", extaliosa, "die mit dem üppigen Hintern", pamhira, "die Trinkgierige", oder Callidrome, "die mit dem schönen Gang", preisen.
Bordellbesucher vor zweitausend Jahren hatten es jedenfalls deutlich leichter als moderne Archäologen, ihren Weg zu tatsächlich "unanständigen Lokalitäten" zu finden. Bei Tage stand oder saß manche Dirne in aufreizender Kleidung vor ihrer cella oder flanierte auffällig in stark frequentierten Anbahnungszonen wie Säulenhallen, Thermen und Theatern. Bordelle und Kneipen mit einschlägigem Angebot machten durch Werbeschilder auf sich aufmerksam. Die Darstellung eines Phallus mit der einladenden Beischrift hic habitat felicitas ("Hier wohnt das Glück") war als Logo eines Amüsierbetriebs kaum misszuverstehen.
Nachts hing vor manchem Etablissement eine Lampe, die eindeutig den Weg wies. Nicht mit rotem Licht, aber mit ihrer Form: Ein erigierter Phallus leuchtete standhaft zum nächtlichen Glück.
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Antike Prostitution
Lupanar des Africanus

Lupanar des Africanus (Fotos) | Zeichnung
mehr Bilder ...
Ich denke es war nicht grundsätzlich billiger oder teurer als heute. Pornokabinensex gibt es in Frankfurt um 20 eur. Quicki im Laufhaus ab 35 eur/15min und unsereins verlangt 100 bis 200 eur/std oder session. Die Preisdifferenzen sind und waren ebenso wie die ihnen entgegenstehenden Leistungsunterschiede gewaltig, ebenso wie die Tagesverdienste der Kunden in heutiger oder dieser Epoche der Antike, die was Globalisierung, Komplexität und Modernismus betrifft uns in kaum etwas nachstand.
Links:
Prostitution in der griechischen Antike
Auch Preis/Leistung von antikem Callboy bekannt
Preisvergleich heute: Big-Mac-Index
Vortrag fürs Hurencollege
.

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Ich denke es war nicht grundsätzlich billiger oder teurer als heute. Pornokabinensex gibt es in Frankfurt um 20 eur. Quicki im Laufhaus ab 35 eur/15min und unsereins verlangt 100 bis 200 eur/std oder session. Die Preisdifferenzen sind und waren ebenso wie die ihnen entgegenstehenden Leistungsunterschiede gewaltig, ebenso wie die Tagesverdienste der Kunden in heutiger oder dieser Epoche der Antike, die was Globalisierung, Komplexität und Modernismus betrifft uns in kaum etwas nachstand.
Links:
Prostitution in der griechischen Antike
Auch Preis/Leistung von antikem Callboy bekannt
Preisvergleich heute: Big-Mac-Index
Vortrag fürs Hurencollege
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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 06.03.2008, 01:22, insgesamt 10-mal geändert.
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Sex in der Antike
Wissen
Liebe & Triebe im alten Rom
Kein Reich war mächtiger, keins lüsterner. Eine Sittengeschichte
Von Michael Brettin
Tiefschwarz liegt die Nacht auf Rom. Durch die engen Gassen der Subura, des berüchtigten Armenviertels, huscht eine Gestalt. Unter dem Gewand schimmern strohblonde Haare. Und goldfarbene Brüste.
Die junge Kaiserin ist wieder auf Jagd nach Sex. Auch in dieser Nacht ist ihr Ziel ein Bordell, wo sie sich hingeben wird, inkognito. Sie ist so lüstern, dass sie einen Wettstreit mit Roms bekanntester Hure gewinnt: Innerhalb von 24 Stunden lässt sie sich 25 Mal nehmen ...
So toll trieb es Kaiserin Valeria Messalina (um 25 bis 48 n.Chr.), wenn wir altrömischen Historikern wie Tacitus glauben. Nicht nur, dass sie sich im Bordell vergnügte - sie nötigte Männer von Stand, ihren Ehefrauen bei der Unzucht zuzusehen; sie zwang den berühmten Schauspieler Mnester mit Peitschenhieben, ihr Geliebter zu werden.
Rom, kein Weltreich war mächtiger, keins verruchter. Wen wundert's, begann seine Geschichte doch mit einer Verführung: Es heißt, dass die Priesterin Rhea Silvia mit Kriegsgott Mars ein Verhältnis hatte (oder vergewaltigt wurde) und die Zwillinge Romulus und Remus gebar, die 753 v.Chr. Rom gründeten.
"Kaum jemals konnten sich Menschen derart hemmungslos ,selbstverwirklichen' wie die römischen Kaiser", heißt es im Buch "Das Privatleben der römischen Kaiser" (14,90 Euro) des Berliner Althistorikers Alexander Demandt. Wie hemmungslos, zeigt die 12-teilige Fernseh-Serie "Rom", die heute startet (RTL II, 20.15 Uhr). Erzählt wird die Geschichte zweier Legionäre zur Zeit des Cäsar (100 bis 44 v.Chr.). Dabei wird heftig gelebt, geliebt, gemordet.
"Sechs Stunden Arbeit genügen; die folgenden Stunden des Tages rufen mit deutlicher Schrift: Lebe!", besagt eine altrömische Lebensweisheit. Doch ohne Wenn und Aber zu leben, konnten sich nur reiche Römer leisten. Und auch nur so lange dies nicht öffentlich geschah.
Rom, der Inbegriff der Doppelmoral: Cato der Ältere (234 bis 149 v. Chr.) ließ einen Mann aus dem Senat werfen, weil der vor den Augen seiner gemeinsamen Tochter seine Frau auf den Mund geküsst hatte. Aber: Besuche in Bordellen, Sex mit Sklaven, Ausschweifungen bei Orgien wurden stillschweigend toleriert.
Rom, eine Welt der Männer, die die Liebe fürchteten und dem Sex frönten. Die meisten glaubten, Liebe mache abhängig von Frauen, was das Ende der Männlichkeit bedeute und die göttergewollte Ordnung auf den Kopf stelle.
Zu dieser Ordnung zählte die Heirat, eine "heilige Pflicht für allen freien Bürger" (und für Mädchen ab 12 Jahren). Die Ehe diente einzig und allein dem Zweck, Kinder zu bekommen. Daraus ergab sich alle Macht den Vätern: Söhne wurden erst mündig, wenn der Vater tot war; und Töchter auch dann nur, wenn sie das dritte Kind bekommen hatten. Der Hausherr wählte für seine Kinder die Ehepartner. Immerhin war es sittenwidrig, Brautleute gegen ihren Willen zu verheiraten. Doch Protest war selten, schließlich kannte die Gesellschaft keine Liebes-, sondern nur die Mitgiftheirat.
Das erste Mal wurde nicht romantisiert - der altrömische Philosoph und Naturforscher Seneca schreibt, viele Männer praktizierten beim ersten Mal mit ihrer Frau Analverkehr, um sie nicht durch die Entjungferung zu erschrecken. Ansonsten galt: Die Frau ist beim Sex nie ganz nackt, Sex vor Einbruch der Dunkelheit ist tabu (Ausnahme: die Hochzeitsnacht, die am Nachmittag vollzogen wurde).
Vor der Ehe Sex zu haben, war für junge Männer selbstverständlich. Sie gingen ins Bordell. Hoch im Kurs standen Frauen, die sich die Schamhaare wegätzten (mit Arsenik und Kalklauge). Gefragt war Oralverkehr; verpönt aber, dass ein Mann eine Frau mit der Zunge befriedigt - diese dienende Rolle untergrub die Männlichkeit, doch zeigen Wandmalereien aus Pompeji, dass das manchem Mann schnuppe war. Letztlich kam es nur darauf an, die männliche Lust zu stillen.
Wer des Ehepartners überdrüssig wurde, ließ sich einfach scheiden (die Kinder blieben beim Vater). Das rechnete sich, wenn die Mitgift der neuen Frau die der alten übertraf - die alte Mitgift musste zurückgezahlt werden. Auch Frauen konnten daraus Kapital schlagen: Wenn ihr Vater tot war, durften sie über die Rückzahlung selber verfügen.
Kaiser Augustus (63 v.Chr. bis 14 n.Chr.) zum Beispiel war dreimal verheiratet, das dritte mal mit Livia, die er ihrem Ehemann ausspannte - sie war im sechsten Monat schwanger, seine zweite Frau Scribonia stand vor der Niederkunft. Livia führte ihm bis zu seinem Tod Mädchen zu.
Viele Kaiser standen auch auf Jungs. "Knabenliebe ist in der Antike gewöhnlich bisexuell", schreibt Althistoriker Demandt. "Sie wurde unter griechischem Einfluss in der späten Republik üblich, galt aber immer als anstößig, zumal in der passiven Rolle ..."

Kaiser Caligula (12 bis 41 n.Chr.) - für den altrömischen Autor Sueton ein "Ausbund an Unzucht" - liebte seinen Schwager Lepidus und den Schauspieler Mnester, der es auch mit Messalina treiben musste. Caligula soll auch mit seinen drei Schwestern regelmäßig Sex gehabt haben.
Kaiser Nero (37 bis 68 n.Chr.), dem Tacitus "abscheuliche Zügellosigkeit" nachschreibt, war vernarrt in den Knaben Sporus, den er kastrieren ließ, in ein Weib umoperieren wollte und in aller Form heiratete.
Kaiser Commodus (161 bis 192 n.Chr.) nannte seinen Favoriten "Onos" (Esel) wegen seines langen ... Er hatte zudem 300 Konkubinen.
Solche Sex-Eskapaden waren für Ehefrauen nicht ungefährlich. Wer in flagranti erwischt wurde, musste mit Verbannung rechnen. Oder Schlimmerem, wie Crispina, die Frau des Commodus, die verbannt und getötet wurde.
So ein Schicksal ereilte auch Messalina: Im Jahr 48 verliebt sie sich in einen designierten Konsul und will sich scheiden lassen von Kaiser Claudius (10 v.Chr bis 54 n. Chr.). Obwohl die Scheidung noch läuft, feiert sie schon Hochzeit. Davon erfährt Claudius. Und von einem angeblichen Mordkomplott. Und so stirbt sie durch das Schwert. Zur Todesstrafe überredet hatte ihn ein Sekretär namens Narcissus, ein verschmähter Liebhaber Messalinas.
Berliner Kurier, 08.07.2007
Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Caligula | Der Film
Gründungsmythos des Imperium Romanum
Messalina, meretrix augusta
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Liebe & Triebe im alten Rom
Kein Reich war mächtiger, keins lüsterner. Eine Sittengeschichte
Von Michael Brettin
Tiefschwarz liegt die Nacht auf Rom. Durch die engen Gassen der Subura, des berüchtigten Armenviertels, huscht eine Gestalt. Unter dem Gewand schimmern strohblonde Haare. Und goldfarbene Brüste.
Die junge Kaiserin ist wieder auf Jagd nach Sex. Auch in dieser Nacht ist ihr Ziel ein Bordell, wo sie sich hingeben wird, inkognito. Sie ist so lüstern, dass sie einen Wettstreit mit Roms bekanntester Hure gewinnt: Innerhalb von 24 Stunden lässt sie sich 25 Mal nehmen ...
So toll trieb es Kaiserin Valeria Messalina (um 25 bis 48 n.Chr.), wenn wir altrömischen Historikern wie Tacitus glauben. Nicht nur, dass sie sich im Bordell vergnügte - sie nötigte Männer von Stand, ihren Ehefrauen bei der Unzucht zuzusehen; sie zwang den berühmten Schauspieler Mnester mit Peitschenhieben, ihr Geliebter zu werden.
Rom, kein Weltreich war mächtiger, keins verruchter. Wen wundert's, begann seine Geschichte doch mit einer Verführung: Es heißt, dass die Priesterin Rhea Silvia mit Kriegsgott Mars ein Verhältnis hatte (oder vergewaltigt wurde) und die Zwillinge Romulus und Remus gebar, die 753 v.Chr. Rom gründeten.
"Kaum jemals konnten sich Menschen derart hemmungslos ,selbstverwirklichen' wie die römischen Kaiser", heißt es im Buch "Das Privatleben der römischen Kaiser" (14,90 Euro) des Berliner Althistorikers Alexander Demandt. Wie hemmungslos, zeigt die 12-teilige Fernseh-Serie "Rom", die heute startet (RTL II, 20.15 Uhr). Erzählt wird die Geschichte zweier Legionäre zur Zeit des Cäsar (100 bis 44 v.Chr.). Dabei wird heftig gelebt, geliebt, gemordet.
"Sechs Stunden Arbeit genügen; die folgenden Stunden des Tages rufen mit deutlicher Schrift: Lebe!", besagt eine altrömische Lebensweisheit. Doch ohne Wenn und Aber zu leben, konnten sich nur reiche Römer leisten. Und auch nur so lange dies nicht öffentlich geschah.
Rom, der Inbegriff der Doppelmoral: Cato der Ältere (234 bis 149 v. Chr.) ließ einen Mann aus dem Senat werfen, weil der vor den Augen seiner gemeinsamen Tochter seine Frau auf den Mund geküsst hatte. Aber: Besuche in Bordellen, Sex mit Sklaven, Ausschweifungen bei Orgien wurden stillschweigend toleriert.
Rom, eine Welt der Männer, die die Liebe fürchteten und dem Sex frönten. Die meisten glaubten, Liebe mache abhängig von Frauen, was das Ende der Männlichkeit bedeute und die göttergewollte Ordnung auf den Kopf stelle.
Zu dieser Ordnung zählte die Heirat, eine "heilige Pflicht für allen freien Bürger" (und für Mädchen ab 12 Jahren). Die Ehe diente einzig und allein dem Zweck, Kinder zu bekommen. Daraus ergab sich alle Macht den Vätern: Söhne wurden erst mündig, wenn der Vater tot war; und Töchter auch dann nur, wenn sie das dritte Kind bekommen hatten. Der Hausherr wählte für seine Kinder die Ehepartner. Immerhin war es sittenwidrig, Brautleute gegen ihren Willen zu verheiraten. Doch Protest war selten, schließlich kannte die Gesellschaft keine Liebes-, sondern nur die Mitgiftheirat.
Das erste Mal wurde nicht romantisiert - der altrömische Philosoph und Naturforscher Seneca schreibt, viele Männer praktizierten beim ersten Mal mit ihrer Frau Analverkehr, um sie nicht durch die Entjungferung zu erschrecken. Ansonsten galt: Die Frau ist beim Sex nie ganz nackt, Sex vor Einbruch der Dunkelheit ist tabu (Ausnahme: die Hochzeitsnacht, die am Nachmittag vollzogen wurde).
Vor der Ehe Sex zu haben, war für junge Männer selbstverständlich. Sie gingen ins Bordell. Hoch im Kurs standen Frauen, die sich die Schamhaare wegätzten (mit Arsenik und Kalklauge). Gefragt war Oralverkehr; verpönt aber, dass ein Mann eine Frau mit der Zunge befriedigt - diese dienende Rolle untergrub die Männlichkeit, doch zeigen Wandmalereien aus Pompeji, dass das manchem Mann schnuppe war. Letztlich kam es nur darauf an, die männliche Lust zu stillen.
Wer des Ehepartners überdrüssig wurde, ließ sich einfach scheiden (die Kinder blieben beim Vater). Das rechnete sich, wenn die Mitgift der neuen Frau die der alten übertraf - die alte Mitgift musste zurückgezahlt werden. Auch Frauen konnten daraus Kapital schlagen: Wenn ihr Vater tot war, durften sie über die Rückzahlung selber verfügen.
Kaiser Augustus (63 v.Chr. bis 14 n.Chr.) zum Beispiel war dreimal verheiratet, das dritte mal mit Livia, die er ihrem Ehemann ausspannte - sie war im sechsten Monat schwanger, seine zweite Frau Scribonia stand vor der Niederkunft. Livia führte ihm bis zu seinem Tod Mädchen zu.
Viele Kaiser standen auch auf Jungs. "Knabenliebe ist in der Antike gewöhnlich bisexuell", schreibt Althistoriker Demandt. "Sie wurde unter griechischem Einfluss in der späten Republik üblich, galt aber immer als anstößig, zumal in der passiven Rolle ..."

Kaiser Caligula (12 bis 41 n.Chr.) - für den altrömischen Autor Sueton ein "Ausbund an Unzucht" - liebte seinen Schwager Lepidus und den Schauspieler Mnester, der es auch mit Messalina treiben musste. Caligula soll auch mit seinen drei Schwestern regelmäßig Sex gehabt haben.
Kaiser Nero (37 bis 68 n.Chr.), dem Tacitus "abscheuliche Zügellosigkeit" nachschreibt, war vernarrt in den Knaben Sporus, den er kastrieren ließ, in ein Weib umoperieren wollte und in aller Form heiratete.
Kaiser Commodus (161 bis 192 n.Chr.) nannte seinen Favoriten "Onos" (Esel) wegen seines langen ... Er hatte zudem 300 Konkubinen.
Solche Sex-Eskapaden waren für Ehefrauen nicht ungefährlich. Wer in flagranti erwischt wurde, musste mit Verbannung rechnen. Oder Schlimmerem, wie Crispina, die Frau des Commodus, die verbannt und getötet wurde.
So ein Schicksal ereilte auch Messalina: Im Jahr 48 verliebt sie sich in einen designierten Konsul und will sich scheiden lassen von Kaiser Claudius (10 v.Chr bis 54 n. Chr.). Obwohl die Scheidung noch läuft, feiert sie schon Hochzeit. Davon erfährt Claudius. Und von einem angeblichen Mordkomplott. Und so stirbt sie durch das Schwert. Zur Todesstrafe überredet hatte ihn ein Sekretär namens Narcissus, ein verschmähter Liebhaber Messalinas.
Berliner Kurier, 08.07.2007
Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Caligula | Der Film
Gründungsmythos des Imperium Romanum
Messalina, meretrix augusta
.
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Pompeji
Ich war selbst vor nicht allzulanger Zeit in Pompeji, und wenn man sich in die damalige Kultur und Lebensweise hineindenkt (was aufgrund der gut erhaltenen Straßen, Gebäude und Lokale leicht fällt), sieht man viel, was sich von dem Heute unterscheidet.
Neben dem oben erwähnten derzeit wegen Renovierung geschlossenen Bordell gibt es noch andere Locations an der Hauptstraße, die vorne eine Theke mit steinernen Speisenbehältern direkt an der Straße haben - sozusagen antikes Fastfood - und dahinter, durch eine Treppe erreichbar, zwei kleine Räume mit Liege. An der Straßenfront war eine große farbige Werbeaufschrift mit den Namen der beiden Mädchen, die in den Zimmern ihre Dienste anboten, angebracht.
Prostitution war damals wirklich allgegenwärtig, und nicht auf bestimmte Gebiete oder Häuser diskret beschränkt. "Bordelle" oder aber auch Speiselokale mit angeschlossener Sexdienstleistung waren damals offensichtlich so häufig und so offen beworben wie heutzutage die Handy-Shops.
Moon Dog
Neben dem oben erwähnten derzeit wegen Renovierung geschlossenen Bordell gibt es noch andere Locations an der Hauptstraße, die vorne eine Theke mit steinernen Speisenbehältern direkt an der Straße haben - sozusagen antikes Fastfood - und dahinter, durch eine Treppe erreichbar, zwei kleine Räume mit Liege. An der Straßenfront war eine große farbige Werbeaufschrift mit den Namen der beiden Mädchen, die in den Zimmern ihre Dienste anboten, angebracht.
Prostitution war damals wirklich allgegenwärtig, und nicht auf bestimmte Gebiete oder Häuser diskret beschränkt. "Bordelle" oder aber auch Speiselokale mit angeschlossener Sexdienstleistung waren damals offensichtlich so häufig und so offen beworben wie heutzutage die Handy-Shops.
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Antikes Gonzo-Marketing
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Schuh und Werbe-Printer "Follow me" - British Museum, London und Sexmaschinen-Museum Prag.
sorry for crossposting

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Von Pornoi bis Hetaira...
The History Channel is surprisingly accurate about Ancient Greek Sexuality
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=VEF7lM4-2m4[/youtube]
Deutsche Version in unserem Filmforum...
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Kriminalität im antiken Rom
Die Welt kompakt - 06.07.2011.
Mit Flüchen gegen das Verbrechen
Eine Ausstellung in Xanten beschäftigt sich mit der Kriminalität im antiken Rom
Polizei gab es bei den Römern nicht. Die Menschen suchten Schutz in der Magie
Den Kopf sollte man dem Dieb abreißen, ihm das Augenlicht nehmen oder ihn am besten gleich in die Hölle schicken - wer im alten Rom Opfer eines Betrugs oder Raubes wurde, wusste sich oft nicht anders zu helfen als mit Flüchen und Verwünschungen. Zwar hatte das Römische Reich ein ausgefeiltes Justizwesen, das teilweise bis heute fortlebt, doch eine Polizei gab es nicht.
Kein Wunder, dass viele auf okkulte Praktiken setzten und die Götter zu beschwören versuchten. Die Flüche ritzten die Opfer in ihrer Hilflosigkeit auf Bleitäfelchen und vergruben sie. Rasend vor Wut muss ein Mann gewesen sein, dem der Umhang in einer Therme gestohlen wurde, der seinem Ärger auf einem Fluch-Täfelchen Luft machte. "Auf dass er weder urinieren, kacken, reden, schlafen oder wachen kann, weder Wohlergehen noch Gesundheit hat!"
Rom war ein gefährliches Pflaster. Das LVR-Römermuseum in Xanten zeigt erstmals zahlreiche archäologische Funde und antike Textquellen zu Verbrechen, Strafverfolgung und Rechtsprechung im Römischen Reich.
"Der Römer war sehr abergläubisch", sagt der Leiter des Museums und Archäologe Marcus Reuter. Außerdem waren die Bürger Roms in ihrem Sicherheitsbedürfnis wahre Schlüsselfetischisten. "Die Römer schlossen alles ab, vom großen Portal bis zum kleinen Schmuckkästchen", sagt Reuter. "Unmengen von Schlüsseln wurden bei Ausgrabungen gefunden."
Schutz bieten sollten auch Fabelwesen wie Seeleopardinnen oder Medusenköpfe, die in Bronze gegossen an prominenter Stelle an den Haustüren angebracht waren. Geldschätze wurden in der Fußbodenheizung vergraben oder in die Wand eingemauert. Mosaike mit Hunde-Darstellungen warnten vor dem bissigen Wachhund ("Cave Canem").
Schädel von Mordopfern werden in Xanten ebenso gezeigt wie eiserne Fußfesseln und eine ganze Armee von Terrakotta-Wachhunden, die nur in Gräbern gefunden wurden und offenbar Schutz vor Grabräubern bieten sollten. Damals wie heute kämpften Staaten auch gegen Seeräuberei. Einen Coup landete Caesars Gegenspieler Pompeius im Mittelmeer: Durch ein verlockendes Amnestieangebot soll er schlagartig Hunderte Ex-Piraten in Kleinasien neu angesiedelt haben.
Menschenhandel, Prostitution und Zuhälterei waren legitim in der römischen Antike. Käufliche Liebe war steuerpflichtig. Ehebruch dagegen war ein anzeigepflichtiges Verbrechen. Die Vergewaltigung einer verheirateten Frau konnte mit dem Tod bestraft werden - eine Verjährungsfrist gab es nicht.
Umfangreiche Protokolle von Gerichtsverhandlungen zeugen von einem entwickelten Rechtswesen. Die Justiz machte mit den Verbrechern dann aber größtenteils kurzen Prozess. Haftstrafen gab es nicht. Verurteilte erwartete eine Geldstrafe, Verbannung, Schinderei in Bergwerken oder ein grausamer Tod.
Für einen günstigen Preis konnten Finanzprokuratoren zum Tode verurteilte Verbrecher außerdem für Volksfeste zum Zerfleischen durch wilde Tiere weitergeben. Sträflinge wurden Löwen und Tigern immer nur im Morgenprogramm an den Amphitheatern vorgeworfen, der Nachmittag gehörte voll und ganz den Gladiatoren.Welt Online
Mit Flüchen gegen das Verbrechen
Eine Ausstellung in Xanten beschäftigt sich mit der Kriminalität im antiken Rom
Polizei gab es bei den Römern nicht. Die Menschen suchten Schutz in der Magie
Den Kopf sollte man dem Dieb abreißen, ihm das Augenlicht nehmen oder ihn am besten gleich in die Hölle schicken - wer im alten Rom Opfer eines Betrugs oder Raubes wurde, wusste sich oft nicht anders zu helfen als mit Flüchen und Verwünschungen. Zwar hatte das Römische Reich ein ausgefeiltes Justizwesen, das teilweise bis heute fortlebt, doch eine Polizei gab es nicht.
Kein Wunder, dass viele auf okkulte Praktiken setzten und die Götter zu beschwören versuchten. Die Flüche ritzten die Opfer in ihrer Hilflosigkeit auf Bleitäfelchen und vergruben sie. Rasend vor Wut muss ein Mann gewesen sein, dem der Umhang in einer Therme gestohlen wurde, der seinem Ärger auf einem Fluch-Täfelchen Luft machte. "Auf dass er weder urinieren, kacken, reden, schlafen oder wachen kann, weder Wohlergehen noch Gesundheit hat!"
Rom war ein gefährliches Pflaster. Das LVR-Römermuseum in Xanten zeigt erstmals zahlreiche archäologische Funde und antike Textquellen zu Verbrechen, Strafverfolgung und Rechtsprechung im Römischen Reich.
"Der Römer war sehr abergläubisch", sagt der Leiter des Museums und Archäologe Marcus Reuter. Außerdem waren die Bürger Roms in ihrem Sicherheitsbedürfnis wahre Schlüsselfetischisten. "Die Römer schlossen alles ab, vom großen Portal bis zum kleinen Schmuckkästchen", sagt Reuter. "Unmengen von Schlüsseln wurden bei Ausgrabungen gefunden."
Schutz bieten sollten auch Fabelwesen wie Seeleopardinnen oder Medusenköpfe, die in Bronze gegossen an prominenter Stelle an den Haustüren angebracht waren. Geldschätze wurden in der Fußbodenheizung vergraben oder in die Wand eingemauert. Mosaike mit Hunde-Darstellungen warnten vor dem bissigen Wachhund ("Cave Canem").
Schädel von Mordopfern werden in Xanten ebenso gezeigt wie eiserne Fußfesseln und eine ganze Armee von Terrakotta-Wachhunden, die nur in Gräbern gefunden wurden und offenbar Schutz vor Grabräubern bieten sollten. Damals wie heute kämpften Staaten auch gegen Seeräuberei. Einen Coup landete Caesars Gegenspieler Pompeius im Mittelmeer: Durch ein verlockendes Amnestieangebot soll er schlagartig Hunderte Ex-Piraten in Kleinasien neu angesiedelt haben.
Menschenhandel, Prostitution und Zuhälterei waren legitim in der römischen Antike. Käufliche Liebe war steuerpflichtig. Ehebruch dagegen war ein anzeigepflichtiges Verbrechen. Die Vergewaltigung einer verheirateten Frau konnte mit dem Tod bestraft werden - eine Verjährungsfrist gab es nicht.
Umfangreiche Protokolle von Gerichtsverhandlungen zeugen von einem entwickelten Rechtswesen. Die Justiz machte mit den Verbrechern dann aber größtenteils kurzen Prozess. Haftstrafen gab es nicht. Verurteilte erwartete eine Geldstrafe, Verbannung, Schinderei in Bergwerken oder ein grausamer Tod.
Für einen günstigen Preis konnten Finanzprokuratoren zum Tode verurteilte Verbrecher außerdem für Volksfeste zum Zerfleischen durch wilde Tiere weitergeben. Sträflinge wurden Löwen und Tigern immer nur im Morgenprogramm an den Amphitheatern vorgeworfen, der Nachmittag gehörte voll und ganz den Gladiatoren.Welt Online
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