Diskriminierung im Privatleben weil Prostituierte - wie damit umgehen?

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
Benutzeravatar
Mariamex
UserIn
UserIn
Beiträge: 40
Registriert: 21.02.2024, 02:44
Wohnort: Deutschland
Ich bin: SexarbeiterIn

Diskriminierung im Privatleben weil Prostituierte - wie damit umgehen?

Beitrag von Mariamex »

Hallo ihr lieben.
Ich wurde mal gefragt, was ich machen würde, wenn meine Töchter auch prostituierte werden würden und ob ich das gut finden würde oder nicht.
Meine Antwort kam schnell und mir war klar, ich würde sie dabei unterstützen. (Was ja überhaupt nicht sein wird, weil Beide studiert haben und eine Job nachgehen) aber später habe ich mal etwas mehr darüber nachgedacht. würde ich sie wirklich dabei unterstützen? ja keine frage. ABER ich würde sie auch aufklären, was sie dann erwartet.
in meinem fall ist es so, das ich es überhaupt nicht leicht hatte (habe). ich wohne in einem Dorf. jeder kennt mich und jeder weiß, was ich beruflich mache. ich werde gemieden. manche Männer, wenn sie alleine unterwegs sind, grüßen mich. wenn sie mit ihren Frauen unterwegs sind, werde ich ignoriert. Getuschel überall. "guck mal, da ist die Matratze!" und was weiß ich noch. Kurioserweise, waren schon Ehemänner aus meinem Dorf bei mir. also beruflich. und so weiß ich verdammt viel über diese Ehefrauen, die so gerne mit dem finger auf mich zeigen. aber ich schweige und ignoriere das.
als meine Kleine in der schule war, war es auch nicht leicht, weder für sie, noch für mich. hier kam kaum jemand zum spielen. beim Elternabend wurde ein Elternvertreter gesucht natürlich wollte das keiner machen. Keiner meldete sich, also habe ich mich gemeldet. als ich mich dafür gemeldet habe, hob gleich eine andere mutter, total panisch, die hand und lies sich auch aufstellen. und ich hörte, leise, aber ich hörte es, wie ihre Freundin sie fragte "du wolltest das doch nicht machen" (irgendwie sowas) und sie antwortete irgendwie sowas wir "lieber ich als die Hure" und sie wurde gewählt mit ALLEN stimmen. das ist an sich nicht schlimm, denn ich wollte es ja auch nicht machen. aber geärgert hast es mich dann doch. ich bin KEINE schlechte Mutter, nur wegen meinem Beruf. ich verführe keine Kinder und bin hier zu Hause auch nicht ständig am ficken. ich weiß nicht, was die sich da denken. aber es nervt. wenn ein mann, eine fremde Frau als Hure betitelt, ist es eine Beleidigung und er riskiert eine Strafe. Wenn er mich Hure nennt, dann ist das ok, denn ich bin eine. Warum ist das so? warum gibt es denn keine Strafe, wenn jemand Bäcker genannt wird? oder Fleischer, oder was auch immer? Es gibt SOOOO viele Frauen, Ehefrauen, die Fremdgehen, die in Swingerclubs gehen, acht denkt es euch aus und alles was ihr euch vorstellen könnt, gibt es. Aber es so zu machen wie ich? Sex für Geld? nein, das ist moralisch schlecht. warum?
von der Politik und den Medien, werden wir gerne als Opfer hingestellt. und ich werde nicht müde es zu sagen, JA es gibt Opfer. und das MUSS 100% bekämpft werden. Ausbeutung und Zwang ist NICHT OK. aber dann bitte auch die Werkverträge in den Fabriken angehen, denn das ist das gleiche. aber darüber wird geschwiegen. in der Vorstellungskraft der Politikerinnen und Feministinnen, passt es einfach nicht, das eine Frau, freiwillig, diesen Beruf ausübt. "Da MUSS ja was nicht stimmen". das ist aber nicht so. ich arbeite fast jeden Tag! ich halte mich an alle Gesetze, ich habe meinen Hurenpass und ich zahle meine Steuern. ich bin sogar so, wenn da einer an mein Fenster kommt, der mir etwas jung aussieht, lasse ich mir den Ausweis zeigen (was öfters mal zu. teils, aggressiven Diskussionen führt). aber so ist nunmal das Gesetz und daran halte ich mich.
all meine Leitung, wird aber nie "positiv" aufgenommen. sondern ich werde verurteilt. ohne, dass die. mich kennen.
als ich hier eingezogen bin, war meine Nachbarin von gegenüber, super nett zu mir. sie brachte mich Kuchen und und und.
also sie dann erfuhr, was ich beruflich mache, war Funkstille und später dann ein schlimmer "rosenkrieg" (ich lasse sowas nicht auf mir sitzen und provoziere dann gerne)
es gibt aber nicht nur Nachteile für mich, sondern auch für meine Töchter. Am meisten hat es meine kleine getroffen, da sie jünger war, als die große. irgendwann, in einem alter, so 14-16 hatte sie in der Schule auch Probleme. "deine mutter ist ne hure!" oder Jungs meinten zu ihr "vielleicht gehe ich heute zu deiner mutter und ficke die!" all so ein misst halt, wir sind da aber durchgekommen, da wir ein gutes und inniges Verhältnis haben. wir sind stark und lassen uns nicht kaputt machen. Freundschaften hatten wir auch viele, aber die waren nicht aus unserem Dorf. das macht nichts. und wie sagt man? "ist der ruf einmal ruiniert..." naja. ich liebe meinen Garten, auch wenn er nicht so groß ist. ich bin im Sommer genre nackt und sonne mich. und wenn jemand meint, aus dem Fenster in mein garten gucken zu müssen, dann stört mich das nicht, aber meine Nachbarin stört das ungemein, mein provokantes Verhalten hilft natürlich nicht. ich hatte hier auch schon parties im garten, die dann sehr "heiß" wurden. das fütterst natürlich all deren Vorurteile. und ALLES was ich zu Hause mache, sieht meine werte Nachbarin und die infos fließen dann durchs Dorf, "Maria hatte sex im Garten!" "Maria ist Nackt im Garten!" "war ja klar!" usw.
also ich weiß nicht, was ich hätte anders machen können. ich weiß nicht, ob ein anderes verhalten meinerseits vielleicht Deeskalation gebracht hätte. aber ich habe es lange versucht. aber keine möchte. also können die mich mal.
es gibt aber auch Frauen, die vielleicht nicht so "stark" sind wie ich und sowas kann echt auf die psyche gehen. manche haben sicher den Vorteil der anonymen Großstadt. nicht jede macht ihren Beruf öffentlich. habe ich übrigens auch nicht, aber ich hatte Werbung im netzt, mit fotos. also "Komplett fotos" und so kam es dann raus.
bei solchen, alltags Problemen, könnte wohl ein Psychologe helfen. FALLS das hier eine, oder einer, liest, die solche Probleme hat, lasst euch nicht fertig machen! wir sind wichtig! wir haben rechte und wir sind MEHR als "nur" huren! wir sind Frauen, Mütter, Omas, Ehefrauen, Freundinnen etc.

Benutzeravatar
Lucille
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 715
Registriert: 23.07.2011, 14:28
Wohnort: Frankfurt
Ich bin: SexarbeiterIn

Re: Diskriminierung im Privatleben weil Prostituierte - wie damit umgehen?

Beitrag von Lucille »

BRAVO !!!
Ja wir sind all das, was diese angepassten ( Ehe-)Frauen sich nicht trauen - wir führen ihnen täglich vor Augen was sie nicht können mit all ihren moralischen und oft auch gesetzlichen, familiären Abhängigkeiten.
Wir waren und sind Freie Frauen.

Benutzeravatar
violet
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 218
Registriert: 27.08.2018, 23:21
Ich bin: SexarbeiterIn

Re: Diskriminierung im Privatleben weil Prostituierte - wie damit umgehen?

Beitrag von violet »

Ich denk mir das war schon immer so. Es gibt bestimmte Normen an die sich alle zu halten haben und Normen haben in technischen Bereichen auch durchaus ihren Sinn. Aber es gibt keine DIN-Norm die vorschreibt wie wir zu leben haben und wie wir unser Geld verdienen dürfen und das ist auch gut so.

Natürlich ärgern sich Leute, die in genormten Verhältnissen leben, darüber wenn andere es nicht tun und stattdessen außerhalb dieser Norm leben. Vermutlich ist es zu einem gewissen Grad auch Neid, so wie man vielleicht neidisch ist wenn der Nachbar ein neues Auto hat, kann es auch Neidgefühle hervorrufen wenn man ein lustvolles Leben und ebensolchen Beruf hat - außerhalb der Norm.

Was folgt ist die Stigmatisierung und teilweise auch Diskriminierung. Was man nicht beherrschen kann macht Angst und wird abgewertet um wieder 'drüberstehen' zu können.

So wie auch Freier in ihren Foren SexarbeiterInnen abwerten um sich selber zu erhöhen, wird selbiges Prinzip auch dann angewandt wenn jemand eher freizügig oder hedonistisch lebt.

Mich erinnert das übrigens gerade an das Lied 'Ein ehrenwertes Haus' von Udo Jürgens. Die Heuchelei, die damit einhergeht, seh ich teilweise auch als Vorteil. Die Männer mögen uns ja sonst würden sie ja nicht zu uns kommen. Allerdings können sie das auch vielfach nur im Geheimen, damit es niemand mitbekommt, schon gar nicht die Ehefrau.

Ein Kunde von mir meinte mal "Niemand sagt er geht ins Laufhaus, niemand. Und trotzdem florieren die Laufhäuser." und hat dabei gelächelt.

In Amsterdam war bereits vor Jahrhunderten eine Kirche mitten im Rotlichtviertel und das nicht ohne Grund. Männer hatten nach dem Besuch im Bordell ein schlechtes Gewissen und was lag da näher als sich von der 'Sünde' mittels Obolus gleich wieder reinzuwaschen.

Es hat nicht alles nur schlechte Seiten, selbst die größte Heuchelei und Prüderie sorgt dafür, dass das vermeintlich Verbotene umso reizvoller ist. Nicht ohne Grund schmeckt gerade die verbotene Frucht umso besser...
~~~ Am Rande des Abgrunds ist die Aussicht sehr gut ~~~

Benutzeravatar
friederike
Goldstück
Goldstück
Beiträge: 2191
Registriert: 07.12.2010, 23:29
Wohnort: Saarlouis
Ich bin: SexarbeiterIn

Re: Diskriminierung im Privatleben weil Prostituierte - wie damit umgehen?

Beitrag von friederike »

Schöne Sprüche: "Niemand sagt er geht ins Laufhaus, niemand. Und trotzdem florieren die Laufhäuser." "Wir waren und sind Freie Frauen."

Die Diskriminierung schweißt uns auch zusammen. Das darf man nicht vergessen.