Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrte Mitglieder der SPD-Fraktion des Bundestages,
sehr geehrte Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion des Bundestages,
die Rechtsstaatlichkeit Deutschlands war noch nie in seiner Geschichte seit dem 2. Weltkrieg so gefährdet wie in dieser Zeit.
Sehr direkt und unmittelbar durch Angriffe von rechts bis hin zur Forderung nach Remigration von Einwohnern Deutschlands, sogar solchen mit deutscher Staatsangehörigkeit, bis eher langfristig, mittelbar und in komplexerer Weise durch Putin und seine Anhänger.
Es ist unverständlich, wie in diese Situation hinein nun auch die etablierten Parteien, unter deren Regierungen sich einst in den späten 60er und in den 70er Jahren die sexuelle Befreiung und die damit verbundene Liberalisierung und Entrümpelung des Sexualstrafrechts vollzogen, jetzt (ohne Not!) selbst wieder nach der Mottenkiste des Sexualstrafrechts greifen und dabei mit der Forderung nach einem Sexkaufverbot gleich in dreifacher Weise (!) die Rechtsstaatlichkeit bzw. freiheitliche Grundordnung infrage stellen:
Erstens, indem sie in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht unter mündigen, erwachsenen Menschen eingreifen und Teilbereiche der Ausübung dieses Selbstbestimmungsrechts dem (gesellschaftlich besonders diskriminierenden, ächtenden) Sexualstrafrecht unterwerfen;
zweitens, indem sie die angebliche „Notwendigkeit“ der Verschärfung des Sexualstrafrechts mit Fake News begründen, die nichts weiter als Propaganda, Populismus und Alarmismus darstellen, aber nicht evidenzbasiert sind.
Als Beispiel für diese Fake News sei nur - stellvertretend für viele andere Vertreter des Nordischen Modells - Frau Antje Grotheer, Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, zitiert:
"Deutschland habe sich in den vergangenen Jahren zum Bordell Europas entwickelt, Frauen würden systematisch ausgebeutet. Menschenhandel, Zwangsprostitution und die Organisierte Kriminalität hätten »ein neues Ausmaß« erreicht." (zitiert aus Spiegel.de)
(Hervorhebungen durch mich).
Natürlich war Prostitution auf dem Höhepunkt von Corona unsichtbar (da verboten und dadurch in die Unsichtbarkeit und den Untergrund gedrängt) und wird nun nach Ende der Corona-Restriktionen wieder sichtbarer.
Tatsache ist aber auch, dass die Prostitution in Deutschland im Vergleich zu der Zeit vor der Einführung des ProstSchG zurückgegangen ist (sowohl was die Anzahl der Prostituierten wie der Prostitutionsgewerbe betrifft),
Beleg hier:
https://pdfhost.io/v/Q9J3OT4fp_Deutschl ... ll_Europas
und dass die mit Prostitution / Menschenhandel für Zwecke sexueller Ausbeutung verbundene Kriminalität schon seit zwei Jahrzehnten stark zurückgeht,
Beleg hier:
https://www.donacarmen.de/wp-content/up ... re-CDU.pdf
(ab Seite 15)
sowie konkret am Beispiel einer deutschen Großstadt (Frankfurt) hier:
https://www.donacarmen.de/wp-content/up ... rbot-1.pdf
Solche Aussagen, wie sie – hier zur beispielhaft erwähnt – von Frau Grotheer getätigt werden, sind somit reiner Alarmismus und entbehren jeglicher Grundlage. In Wirklichkeit bestehen gegensätzliche Tendenzen: ein klarer Rückgang.
Behauptungen, die einen massiven Anstieg der prostitutionsbedingten Problemlagen suggerieren, sind also nichts anderes als Fake News, Propaganda, Populismus, Alarmismus – oder beruhen auf einer konkreten Situation in einer bestimmten Straße oder in einem bestimmten Stadtviertel, wo sich eine solche lokale Problemlage ja tatsächlich entwickelt haben mag, die dann aber auch lokal ordnungspolitisch zu lösen wäre, anstelle aus einer lokalen Problemlage auf ganz Deutschland zu generalisieren und die lokale Problemlage damit als „universell“ darzustellen, die nur durch eine „universelle Lösung“ (wie das Sexkaufverbot) aufzulösen wäre.
Ist es mit Rechtsstaatlichkeit vereinbar, dass ein Rechtsstaat auf einer solchen Datenlage das Sexualstrafrecht verschärft, bisher unbescholtene und staatstreue Bürger dem Sexualstrafrecht unterwirft, und in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht erwachsener mündiger Menschen eingreift – im wahrsten Sinne des Wortes damit also „übergriffig“ wird?
Drittens, indem die praktische Umsetzung des Sexkaufverbots, also die Ermittlungsrealität unter dem Sexkaufverbot, zutiefst diskriminierend ausfallen wird: (1) sie wird sich naturgemäß auf Heterosex fokussieren (so wie auch jetzt schon nur von Frauen als „Opfern“ die Rede ist), da bezahlter Homosex kaum im Sinne eines Anfangsverdachtes auffallen wird, und (2) sie wird sich vor allem altersdiskriminierend gegen ältere und alte heterosexuelle Männer richten, denn für jüngere Männer ist es plausibel, sexuelle Kontakte als finanzinteressenlose Beziehung zu fingieren, während älteren Männern fast schon routinemäßig unterstellt wird, dass Geld oder geldwerte Leistungen geflossen sein müssen, wenn sie mit (wesentlich) jüngeren Frauen Sex haben – ein Anfangsverdacht für Ermittlungen also auf jeden Fall gegeben ist.
Ist den etablierten Parteien eigentlich klar, dass sie durch Kriminalisierung eines Teils der (männlichen) Bevölkerung, die sich bisher gesetzesgetreu verhalten hat, deren Radikalisierung und Abwanderung zu Protest-Parteien wie jenen des rechten Spektrums fördern?
Dass sie Teile ihrer ehemaligen Wählerschaft fundamental verärgern und irreversibel verlieren?
Dass sie damit Demokratie- und Staatsverdrossenheit schüren? Die Regierung als Feindbild, die dem Bürger Böses will, ihn bestrafen will? Die das Sexleben der erwachsenen Bürger u.a. auch mit digitalen Methoden (die in Ermittlungsverfahren eine Rolle spielen werden) überwacht, kontrolliert?
Fazit: Das Nordische Modell kommt, die Rechtsstaatlichkeit geht.
Mit freundlichen Grüßen
Eddy
Offener Brief zum Sexkaufverbot
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Re: Offener Brief zum Sexkaufverbot
Lieber Eddy,
super Dein offener Brief zum Sexkaufverbot!
Vielen Dank, dass Du Dich so toll einsetzt!
Sei liebevoll umarmt und ich grüße Dich ganz herzlich!
Sexarbeiterin deernhh
super Dein offener Brief zum Sexkaufverbot!
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Re: Offener Brief zum Sexkaufverbot
@Eddy
Kasharius grüßt


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