Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
Boris Büche
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 693
Registriert: 20.12.2014, 13:53
Wohnort: Berlin
Ich bin: Keine Angabe

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Boris Büche »

@fragender:

"mittelbare Rechtsverletzungen" - was soll denn das sein?
Per google finde ich da nichts brauchbares. Ich fand nur "Rechtsgefährdung, die erst durch Zutreten weiterer Ursachen zur Rechtsverletzung führt"
Also in etwa in punkto Diebstahl: Ich nehme im Zimmer des A. etwas in die Hand. Ich könnte es in meine Tasche stecken . . . die Tür zur Wohnung des A. stand auf, ich ging kucken was los ist - mittelbarer Einbruch?

Boris Büche
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 693
Registriert: 20.12.2014, 13:53
Wohnort: Berlin
Ich bin: Keine Angabe

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Boris Büche »

@kasharius:

"Wo soll den bei einer freiwillig-selbstbestimmten sexuellen Dienstleistung bitte die mittelbare oder unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte Dritter oder der Beteiligten liegen?"

Lassen wir mal die Beteiligten außen vor, um die geht es den AbolitionistInnen ja auch in Wirklichkeit nie. Es geht ihnen nur darum, sexuelle Dienstleistungen als Handlung so zu erschweren, dass die Zahl möglicher Beteiligter minimiert wird. Ob das klappt? - egal, Hauptsache, wer sich an sowas beteiligt, wird bestraft!

Die Rechte Dritter sind hier interessanter. Dazu lassen sich die AbolitionistInnen gelegentlich auch aus. Sie sehen das so: Wenn mein/e Partneri/in, Gemahl/in, Gelegenheitsdate Freier/in ist, war, sein könnte, finde ich das eklig - und meine sexuelle Erfüllung ist perdü. Meine sexuelle Selbstbestimmung ist beeinträchtigt, wie durch Pornos im Übrigen auch. Schmutzige Gedanken der Mitmenschen (die ich mir vorstellen kann, ahne, manchmal sogar gesagt bekomme!) schränken meine Lebensführung ein. Das soll es alles nicht mehr geben, damit ICH mich frei fühlen kann!

Das gefühlte Recht kann anknüpfen an die weitverbreitete Haltung, der Sexualpartner gehöre einem, und keiner sonst dürfe da ran. Monogamie hat aber keinen Verfassungsrang, nicht mal irgendeine Rechtsgrundlage mehr. Fremdgehen Ist mindestens so erlaubt, wie eifersüchtig zu sein.

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

@Boris

Danke! Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Kennst Du die Attac-Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes...?

Kasharius grüßt

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

@Fragender

zugegeben: Der Begriff der mittelbaren Rechtsverletzung ist eher untechnisch gemeint. In unserem Kontext verweise ich auf den zutreffenden Beitrag von @Boris

Die Jurisprudenz kennt den Begriff der mittelbaren Diskriminierung und im Strafrecht der mittelbaren Täterschaft (spielt bei (organisierter) Regierungskriminaität eine Rolle...)

Bei weiteren Fragen gerne fragen

Kasharius grüßt

Benutzeravatar
Ursa Minor
wissend
wissend
Beiträge: 299
Registriert: 08.01.2016, 22:18
Wohnort: Schweiz
Ich bin: Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Ursa Minor »

@Boris und @Kasharius

Danke für eure aufklärenden und informativen Beiträge!

solidarische Grüsse

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

@all
@admins

wenn sich jemand hier im Forum durch den nun folgenden Vergleich verletzt fühlt, oder die Admins meinen einschreiten oder mich gar sperren zu müssen, täte mir das sehr leid. Ich würde/müsste es aber akzeptieren. Ich will die Abolitionisten auch keinesfalls mit Hitler oder den Nationalsozialisten vergleichen.

Dennoch: Wenn sie die Abilotionistinnen und Befürworter des Sex-Kauf-Verbotes andere (selbstbestimmte, freiwillig agierende SW) in die Minderheitenecke stellen und meinen, deshalb würden ihre Rechte nicht zählen erinnere ich mich gerade in diesen Tagen an Hitlers Beschreibung der Attentäter vom 20. Juli 1944. In seiner Radioansprache vom 21. Juli 1944 sprach er von einer ganz "kleine(n) Clique" und später "Der Kreis den diese Ursupatoren darstellen, ist ein denkbar Kleiner" Hier der ganze Wortlaut https://www.1000dokumente.de/index.html ... ation&l=de . Man weis ja heute. So klein war dieser Kreis eben nicht, wenn auch nicht groß genug. Ich möchte mit diesem Beitrag auch die Widerständler ehren! Den sie waren aus meiner Sicht Helden und keine Verbrecher. Die Parallele zu den Abolis sehe ich in der demagogischen Verschleierungstaktik; nur darum geht es mir.

Verzeiht diesen vielleicht zu gewagten Vergleich!

Kasharius grüßt und ist auf alles vorbereitet...

Benutzeravatar
Ursa Minor
wissend
wissend
Beiträge: 299
Registriert: 08.01.2016, 22:18
Wohnort: Schweiz
Ich bin: Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Ursa Minor »

Heftig, aber absolut kein Problem für mich.
Die Bewältigung mit der NSDAP und ihren irren Ablegern sollte ja mal erfolgt sein.
Ich erkenne die Demagogie und Verschleierungstaktik bei den Abolis.

Denke da wird der niemand ein Strack ziehn..

Ein Verbrechen in einer aufgeklärten Gesellschaft ist eher das eine einvernehmliche Dienstleistung zwischen zwei mündigen Menschen kriminalisiert werden soll.

solidarische Grüsse

Benutzeravatar
Tilopa
Silberstern
Silberstern
Beiträge: 444
Registriert: 17.02.2013, 12:50
Ich bin: SexarbeiterIn

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Tilopa »

Danke für die sehr guten Beiträge von @Kasharius und @Boris weiter oben! :001

Ich möchte mich ebenfalls gleich mal vorsorglich mit unserem lieben Kasharius solidarisieren, der sich seit Jahren für unsere Rechte einsetzt. :001 :049 Der deutsche Faschismus (mit dem Kasharius die Abolis ja ausdrücklich nicht gleichsetzt) gilt in der heutigen Politikwissenschaft als Form totalitärer Herrschaft. Hier eine Definition des Totalitarismus: (Wikipedia)
Totalitarismus bezeichnet [...] eine diktatorische Form von Herrschaft, die, im Unterschied zu einer autoritären Diktatur, in alle sozialen Verhältnisse hinein zu wirken strebt, oft verbunden mit dem Anspruch, einen „neuen Menschen“ gemäß einer bestimmten Ideologie zu formen.
Man braucht nur die Abolis lesen (egal, ob christlich oder feministisch oder einfach nur verklemmt), um zu sehen, wessen Geistes Kind die sind und wie menschenverachtend deren "ideale" Gesellschaft aussieht. Und mit was die uns nicht schon alles verglichen und entmenschlicht und unserer Würde beraubt haben...

Im deutschen Sprachraum gibt es aufgrund der schmerzhaften historischen Erfahrungen den Begriffs des Unrechtsstaats. Genau den wollen die Abolis wieder errichten, wenn ihre Partikularmoral zum Gesetz erklärt, wenn offensichtliches Unrecht zu Recht werden soll...

Benutzeravatar
deernhh
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 1652
Registriert: 17.06.2018, 13:17
Ich bin: SexarbeiterIn

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von deernhh »

Super Klasse Beiträge, Kasharius, Tilopa, Boris Büche, Ursa Minor!!!

Hier mal was anderes:
Es geht zwar um Seenotrettung der Flüchtenden, aber die Meinung des Autors über Moral, Abolitionismus und Menschenrettung usw. ist doch recht stark.
Aber lest selbst.

Felix Perrefort / 10.07.2019 / 06:03

Seenotrettung: Deutsche Moralapostel und libysche Sklavenhalter

Eine Umfrage bei „express.de“ bringt das Diskussionsniveau der Debatte um die Seenotrettung im Speziellen und um die Flüchtlingsmigration im Allgemeinen beispielhaft zum Ausdruck. Auf die Frage, ob wir Flüchtlinge in Deutschland mehr unterstützen sollten, erhält man zwei Optionen „Ja, da haben wir Nachholbedarf“ und „Nein. Wir machen ohnehin schon mehr als genug“.

Zu entscheiden habe sich man derart zwischen den neudeutschen Moralaposteln, deren Schuldkomplex von ihrem insgeheimen Sündenstolz nicht zu trennen ist, und den altdeutschen Grantlern, für deren pathetisches Gejammer dasselbe gilt. Diese Frage, die so gestellt ist, dass ihre Beantwortung nur dumm machen kann, verweist auf die politische Kultur Deutschlands, die nämlich auf die Bedürfnisse ihrer Insassen und nicht die Abschaffung unnötigen Leids hin zentriert ist.

Es sollte nicht darum gehen, ob und wie sehr, sondern WIE geholfen wird – im Sinne einer pragmatischen Politik, die simple Ursache- und Wirkungszusammenhänge ebenso reflektiert wie europäische Bevölkerungsinteressen, die Folgeerscheinungen der bisherigen Migrationsströme, gegebenes Interventionspotenzial oder schlichte Kapazitätsgrenzen. Dieses Wie rückt jedoch nicht ins Zentrum der Debatte, da Politposaunen wie Jan Böhmermann und Klaas Heufer diese vereinnahmen, um sie auf ihr Kleinkind-Niveau herunterzubrechen.

Dort unten angekommen, also im Ideenhimmel des geläuterten Deutschlands, meint Böhmermann dann per Video-Ansprache mit betroffenen Kulleraugen und verzerrtem Lächeln klarstellen zu müssen, was von niemandem in Abrede gestellt wird: „Wer ertrinkt, dem wird geholfen. Wer Menschenleben rettet, der wird nicht eingesperrt.“ Und wer zwanghaft gegen imaginierte Gegenstimmen predigt, der hat gewisse zivilisatorische Basisbanalitäten wohl selbst noch nicht verinnerlicht.


Deutschlands moralische Lichtgestalten

Bei Jan Böhmermann handelt es nicht um einen aufgeklärten Journalisten, sondern um einen deutschen Politclown, der nicht mit den Mitteln der Satire – wohl aber mit solchen der GEZ – die Wirklichkeit nicht kritisch aufbereitet, sondern sie für eine neue „Wir-sind-wieder-wer“-Stimmung zurechttrimmt. Daher möchte er genauso wenig wie sein Gesinnungskollege wissen, dass niemand ernsthaft in Erwägung zieht, die Seenotrettung zu kriminalisieren. „Ich hoffe, dass wir mit dieser Unterstützung nicht nur die Moral hochhalten, in diesen schwierigen, anstrengenden Zeiten dort unten, sondern auch Dinge möglich machen, die ohne diese finanzielle Unterstützung dort einfach nicht stattfinden würden.“ Je uninformierter der Deutsche, desto moralischer töst er herum.

Immerhin ist nun bekannt: Jan Böhmermann und Klaas Heufer sind Lichtgestalten in düsterer Epoche. Verschwistert mit der deutschen Zivilgesellschaft, die mit wohl ebenso bewegten Kulleraugen den Belehrungen der Politstöpsel lauscht, zerstören sie schonungslos einen Strohmann und arbeiten damit der Irrationalisierung der Verhältnisse zu: Wenn der zum Faschismus hochgejazzte „Rechtspopulismus“ gerade nicht als Feind im Inneren sein Gift in die Wunden des deutschen Multikulti-Volks träufelt, ersäuft er zuweilen als italienischer Kannibale zum „Menschenfleisch“ erklärte Flüchtlinge. Man kann über den desolaten Zustand der Bundeswehr fast erleichtert sein angesichts des unverhohlen imperialistischen Herrschaftshungers, der sich nicht im Stammtisch-Maul von irgendwelchem Stahlhelmen, sondern von einem Migrationsbeauftragten namens Stefan Schmidt ausspricht, der am liebsten mit Gebirgsjägern in Italien einmarschieren würde.

In diesem Wahn agiert Carola Rackete als maritimer Arm eines neudeutschen Gegensouveräns, der nationalstaatliche und damit demokratische Souveränität für ewiggestrigen Zivilisationsballast hält, welcher sich dem keinerlei Grenzen kennenden Sendungsbewusstsein der neuen Deutschen einfach nicht beugen will. Der anmaßende Wille, italienische Gesetze genauso wenig beachten zu müssen wie den Willen der dortigen Bevölkerung, legitimiert sich als „antifaschistischer“ Kampf gegen den „Rechtspopulismus“, den der tapsig-vorsichtige und auf seinen guten Ruf bedachte Deutsche nun überall wittert: Ihn im Inland wie im Ausland zu bekämpfen, schweißt derzeit von Antifa über den sozialdemokratischen Außenminister bis hin zur CSU zusammen: „Die tatsächliche Opposition der Bundesregierung sitzt nicht mehr im Bundestag sondern im Ausland“, wie Dirk Maxeiner es treffend formulierte.


Die Duldung libyscher Sklaverei ist ein Armutszeugnis

Würde es statt um die Projektionen, Bedürfnisse und Befindlichkeiten der neuen Deutschen darum gehen, wie der menschenverachtende Kreislauf aus Schleppertum und Seenotrettung als erster Schritt zu einer humanen Migrationspolitik zu durchbrechen wäre – das Sterben im Mittelmeer könnte ein Ende haben. Dessen Verewigung ist jedoch heimlicher Zweck jenes Moralismus, der das schlechte Weltgewissen, in der „Festung Europa“ zu hocken, derweil es anderen schlechter geht, beruhigen möge. Und zwar indem die Rettung von Flüchtlingen als „Humanitätsproduktion“ betrachtet wird, anstatt sie überflüssig zu machen. Deshalb steht nicht zu erwarten, dass die Migrationsströme unter die ausschließliche Kontrolle souveräner Staaten gebracht werden – anstatt sie in den Händen krimineller Banden und privater Akteure zu belassen –, was das erste Anliegen der Migrationsbefürworter sein müsste.

Dass es mit dem Willen, das Elend der Migranten zu beenden, nicht weit her ist, sondern im Zweifel der eigene zutiefst egoistische Konformismus Priorität genießt, zeigt sich nicht nur an der Feigheit, die islamische Sklaverei in Libyen als solche zu benennen, sondern auch an dem antiimperialistischen Unwillen, sie per militanter Intervention zu beenden. Weil es nie eine islamische Massenbewegung zur Beendigung der Sklaverei gegeben hat und diesbezügliche Fatwas nur postulierten, sie sei bis auf Weiteres nicht praktizierbar, herrschen in Libyen Zustände fort, denen bis zu einer Million Sklaven unterworfen sind: Von der Kritik der Sklaverei zur abolitionistische Praxis fortschreiten hieße, die libyischen Sklaven-Camps zu schließen und sie durch Asylzentren unter internationaler Aufsicht zu ersetzen. Das wäre zudem ein entscheidender Schritt gegen die Schlepperindustrie.

Doch so viel ist sicher: Keinem der zur Tat schreitenden Flüchtlingsretter wird der Begriff „islamische Sklaverei“ über die Lippen gehen, weil deren Aktionismus nicht auf die Kritik und damit Überwindung solcher menschenverachtender Zustände zielt, sondern auf moralisches Erpressertum, camoufliert als heroisches Selbstopfer: „Ich bin weiß, Deutsche, in einem reichen Land geboren und habe den richtigen Pass. Ich fühle die moralische Pflicht, denen zu helfen, die nicht die gleichen Chancen haben“, so Rackete zu ihrer Motivation.


Der blinde Fleck rechter Migrationskritik

Zwar ist Sebastian Kurz zuzustimmen, wenn er sagt: „Solange die Rettung im Mittelmeer mit dem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist, machen sich immer mehr Menschen auf den Weg“ (weshalb er fordert, gerettete Migranten in ihre Herkunftsländer oder Transitländer zurückzubringen). Doch ist dies nur ein Teil der Wahrheit: Während die Flüchtlingsideologie von den destruktiven Folgeerscheinungen bestimmter Migrationsbewegungen schweigt, vermeidet deren rechte Kritik die Rechtlosigkeit afrikanischer Migranten in Libyen. Sie dorthin zurückzuschicken, wäre tatsächlich inhuman, weshalb Sea-Watch-Kritik auch deren Dilemma benennen müsste: Langfristig wäre diese Art Bevölkerungspolitik nur um den Preis kultureller und ökonomischer Selbstzerstörung zu haben, während man Migranten nicht guten Gewissens in Zustände zurückbringen kann, die deutlich zu benennen auch die Flüchtlingsideologen zu feige sind.

Von den Verteidigern von Carola „Captain Europe“ Rackete wäre eine Hinwendung zur Realität zu verlangen und die Beendigung ihres nötigenden Moralismus, von den Migrationskritikern eine Skandalisierung – nicht nur, doch insbesondere – der libyschen Zustände, und von allen Europäern, in denen ein Funken westlichen Selbstbewusstseins die weit verbreitete Zivilisationsmüdigkeit überlebt hat, ein Plädoyer für das längst überfällige, durchaus auch militante Vorgehen gegen Sklavenhalter und Menschenschleuser.


Die Abschaffung der Sklaverei ist ein westliches Projekt

Dass die Geschichte des Westens nicht nur aus Kolonialismus und Schuld besteht, ist in der Flüchtlingsideologie nicht präsent. „Die vollständige Abschaffung der Sklaverei war eine westliche Idee, die durch Konflikte im 18. Jahrhundert und die Ausdehnung des Kapitalismus geboren wurde“, zitiert Bahamas-Autor Philippe Witzmann aus dem 1988 von Suzanne Miers und Richard Robert veröffentlichten „The End of Slavery in Africa“. Und schließt mit einem aktuellen Kritiker der Sklaverei an:

„Auch für [Tidiane] N’Diaye ist die Abschaffung der Sklaverei ein dezidiert westliches Projekt gewesen: ‚Überall in der westlichen Welt protestierten Humanisten und Philantropen gegen das Schicksal der ihrer Heimat beraubten afrikanischer Völker [...] Entstanden im Westen nach und nach Bewegungen für die Abschaffung des transatlantischen Sklavenhandels und später gegen die transsaharische Sklaverei, so wurden in der arabo-muslimischen Welt weder vergleichbare Initiativen noch – bis heute – irgendwelche Zeichen von Reue gezeigt.’“

Anstatt mit Deutschlands moralischen Lichtgestalten den Italienern auf die Nerven zu fallen wäre an die westliche Tradition des Abolitionismus als Voraussetzung migrationspolitischer Humanität anzuknüpfen. Die libyschen Sklavencamps müssen endlich geschlossen werden.

Ich danke Philippe Witzmann für seinen emphatischen Abolitionismus. Sein so pointierter wie empirisch gesättigter Text „Die unkultivierte Aneignung – Über die verdrängte Geschichte der islamischen Sklaverei“ wurde als Quelle herangezogen und ist in Bahamas Nr. 79 erschienen.

https://www.achgut.com/artikel/seenotre ... _vom_elend

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

Ach ihr lieben @Tilopa und @Ursa Minor

ich danke Euch für Eure warmen Worte. Ich hoffe unser lieber @Zwerg zürnt mir ebenfalls nicht, ob meines riskanten Vergleiches und dder lieben @deernhh danke ich für ihren lesenswerten klugen Schwenk!

Ich würde dranbleiben und grüße Euch alle mit den Worten


Kasharius grüßt :006

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

Und hier ein Artikel aus einer mir nicht bekannten Zeitschrift Namens Emma vom 24.11.18 https://www.emma.de/artikel/unter-schwestern-335941. Er verdeutlicht sehr schön dass Zusammenwirken von Sisters e.V. und Karo e.V. die beide ein Sex-Kauf-Verbot befürworten und die sog. Mainzer Erklärung unterzeichnet haben. Sehr schön wird auch dass großherzige Sponsering einer gewissen Alice Schwarzer beschrieben. Die Vorsitzende des Vereins Karo e.V. hat von 2005-2006 nach eigenem Bekunden als Auskunftsperson mit dem Sächsischen Verfassungsschutz zusammengearbeitet; ein damaliger Mitarbeiter des Landesamtes Michael Heide ist heute Beisitzer im Vorstand des Vereins. Wir lernen dass Frau Schauer bei "Freiern" von Kindern die Hand ausrutscht. Menschlich absolut verständlich aber für mich neben der Zusammenarbeit mit einem Geheimdienst ein weiteres Zeichenfehlender kritischer Distanz. Das gilt, bei aller großen Sympathie für den Kampf gegen Kindesmissbrauch in einer seiner schlimmsten Variante, leider auch für den Artikel. Zwangs- und Kinderprostitution haben nichts mit Sexarbeit zu tun. Deshalb ein generelles Sex-Kauf-Verbot zu fordern ist nach meiner Illegitim und nützt den Opfern wenig. Den deren Peiniger werden jetzt schon bestraft.

Ich würde weiter dranbleiben.
,
Kashrius grüßt

Benutzeravatar
deernhh
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 1652
Registriert: 17.06.2018, 13:17
Ich bin: SexarbeiterIn

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von deernhh »

Video: Brauchen wir ein Prostitutionsverbot?


04.07.19 | 09:31 Min. | Verfügbar bis 04.07.2020

War die Legalisierung der Prostitution ein Fehler?

Deutschland ist das Bordell Europas. Aus der SPD melden sich Frauen mit der Forderung nach einem Prostitutionsverbot zu Wort. Schweden und Frankreich haben dies bereits eingeführt. Dort werden Freier für den Sexkauf bestraft, nicht jedoch die Prostituierten - die Erfahrungen sind überwiegend positiv. Kontraste-Reporterinnen haben im Rotlicht-Milieu in Deutschland recherchiert. Sie trafen Armutsprostituierte, die unter unwürdigen Bedingungen in den Brandenburger Wäldern anschaffen, Zwangsprostituierte, die ihren Zuhältern entfliehen konnten und auch eine Frau, die freiwillig anschafft und nicht in die Illegalität gedrängt werden möchte. Doch ist saubere Prostitution überhaupt möglich?

Mehr Informationen zur Sendung
Kontraste
Alle Videos zu Kontraste

https://www.daserste.de/information/pol ... t-102.html#

Um das Video sehen zu können, bitte auf den Link klicken.

Benutzeravatar
Ursa Minor
wissend
wissend
Beiträge: 299
Registriert: 08.01.2016, 22:18
Wohnort: Schweiz
Ich bin: Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Ursa Minor »

Danke@deernhh
für das Einstellen des Videos!

Boris Büche
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 693
Registriert: 20.12.2014, 13:53
Wohnort: Berlin
Ich bin: Keine Angabe

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Boris Büche »

. . . wie leicht der Breymeier und ihren Sisters das Wort "Prostitutionsverbot" doch immer über die Lippen kommt!
Sie merken nicht einmal (oder halten es für unwesentlich), dass es ihrer Behauptung, nicht die Prostitution verbieten zu wollen, glatt entgegensteht.

Fragender
unverzichtbar
unverzichtbar
Beiträge: 180
Registriert: 12.07.2011, 10:18
Wohnort: Am Rand des Ruhrgebiets
Ich bin: Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Fragender »

Boris Büche hat geschrieben:
16.07.2019, 13:08
@fragender:

"mittelbare Rechtsverletzungen" - was soll denn das sein?
Ich dachte, das wäre durch meine vorherigen Beiträge klar: Nehmen wir mal an, die Aussagen stimmen, dass eine große Mehrheit der in der Prostitution tätigen Personen dieser entweder aufgrund von Zwang durch Dritte oder mit selbst ohne solchen Zwang erzeugten seelischen Schäden nachgeht. Ich fürchte, dass dann ein Gesetz, welches mit der Begründung, dass sich das Leiden der Mehrheit nicht anders verhindern lässt als dadurch, dass das Recht auf Selbstbestimmung einer kleinen Minderheit zugunsten des Wohls einer großen Mehrheit beschnitten wird, durchaus verfassungskonform wäre.

Obwohl, nein, wenn das mit Minderheit und Mehrheit so wahr wäre, würde ich das gar nicht fürchten. Fürchten tue ich vielmehr, dass bei entsprechender Stimmung in Bevölkerung und Parlamenten eine Faktenprüfung gar nicht mehr stattfindet.

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

@Fragender,

so einfach wie Du es erwartest f - Gott sei Dank - funktionieren entscheidungsprozesse in der Politik dann doch nicht. Viele neue populistische Strömungen versuchen eben Glauben zu machen, es komme in der Demokratie immer auf den Willen einer (imaginären) Mehrheit an; wobei die Populisten definieren, wer diese Mehrheit ist. Wir erleben solches gerade bei Trump der entscheidet wer Amerika liebt und wer es angeblich haßt (Letztere sollen in ihre Heimatländer gehen, wobei sie da ja schon sind..egal!) und wir kennen das aus der Geschichte: Bei den Nationalsozialisten waren es die arischen Volksgenossen und in der DDR die sozialistischen (Partei)Genossen bzw. die Arbeiterklasse. Und in diesem Kontext hier sind eben die übergroße Mehrheit der in der Protitution tätigen Frauen aus osteuropa, traumatisiert, zwangsausgebeutet und/oder minderjährig - in jedem Falle aber fremdbestimmte Opfer. Die sich Sexarbeiter nennenden Frauen und Männer sind eine zu vernachlässigende Minderheit die sich mit der soeben beschriebenen Mehrheit solidarisieren sollte. Dies wiederum soll in letzter Konsequenz dadurch geschehen, dass sie von ihrem tun ablassen, akzeptieren, dass ihre Kunden kriminalisiert werden und sich (gefälligst) eine andere Betätigung suchen. Dies wäre auch möglich den die (angeblich) selbstbestimmten SW (die sich auch gar nicht so nennen dürfen!) würden von der ausgebeuteten Mehrheit profitieren (Emma schrieb im Zusammenhang mit Salomé Balthus von "Profiteusen") und seien ja finanziell gut situiert....ich hoffe ich hane nichts vergessen. Also@freances, @deernhh, @rose, @lucille @Friederike, @magdalena, @Tilopa, ihr alle und alle anderen: WERDET BEFREIER UND LASST AB VON EUREM SCHÄNDLICHEN TUN - ihr könnt es Euch ja leisten und fallt weich... :003 Solltest Du in diesen Zeilen lieber @Fragender einen gewissen Zynismus erkennen, richtet der sich nicht gegen Dich.


@all

und hier ein weiterer Beleg, dass mein neuer Lieblingsverein Karo e.V. auch wirklich für ein Sexkaufverbot eintritt und insoweit auch gut vernetzt mit anderen diesbezüglichen Kampangen ist https://www.karo-ev.de/taetigkeitsfelde ... xkauf.html ...

Ich bleibe dran.

Kasharius grüßt

Benutzeravatar
deernhh
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 1652
Registriert: 17.06.2018, 13:17
Ich bin: SexarbeiterIn

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von deernhh »

Danke @ Kasharius für Deine tolle Antwort! Klasse!

Jetzt mal ein Artikel aus der taz, schon etwas älter, nämlich vom 2.6.2016
Irgendwie müssen wir Sexarbeiter*innen uns andauernd wehren und unsere selbstständige Arbeit / Dienstleistung verteidigen .....

GesellschaftKolumnen
2. 6. 2019
VON
HENGAMEH YAGHOOBIFARAH

Kolumne Habibitus

Scheinheilig und voller Doppelmoral
SexarbeiterInnen werden pauschal zu Opfern erklärt. Wer Menschenhandel erschweren will, sollte für offene Grenzen kämpfen.


Ein Dokument mit der Aufschrift Hurenausweis
Verbände warnen, die Registrierung von Sexarbeiter_innen könnte mehr schaden als nutzen
Solange es einvernehmlich ist, hat niemand darüber zu bestimmen, unter welchen Umständen, wie häufig und auf welche Art Erwachsene miteinander Sex haben. Das sollte feministischer Konsens sein. Geht es jedoch um Sexarbeit, wird dies für so manch eine_n zu einer schwer akzeptierbaren Sache. Ähnlich wie beim Thema Kopftuch, Trans*Identität oder Fat-Liberation zeigt sich auch beim Sexarbeitsdiskurs, dass die Floskel „Mein Körper, meine Regeln“ eigentlich nur schlanken, bürgerlichen, weiß-christlichen cis Frauen zugestanden wird.

Sexarbeiterinnen – stets als weiblich begriffen, denn nichtbinäre oder (cis wie trans) männliche kommen in dieser Narrative schlicht nicht vor – werden von der Gesellschaft pauschal zu Opfern erklärt. Dabei sind die eigentlichen Opfer diejenigen Frauen, die ohne jegliche Kompensation mit ihren Partner_innen (für sie unbefriedigenden) Sex haben, während sie anderen Personen vorschreiben wollen, was eine gesunde oder moralisch (auf)richtige Sexualität ist.

Manche behaupten, Sexarbeit sei ein schmutziger Beruf. Mich wundert es, dass diese Arbeit als schmutzig gilt, aber beispielsweise Polizist_in, Politiker_in, Atomkraftlobbyist_in oder Fahrkartenkontrolleur_in nicht. Dabei sind dies allesamt Jobs, die in Korruption, Menschenfeindlichkeit und gruppenbezogener Gewalt münden können.

Verbot der Prostitution?

Um die Kriminalisierung der Sexarbeit zu rechtfertigen, höre ich oft das Alibi-Argument, viele Prostituierte seien von Menschenhandel betroffen. Menschenhandel gibt es auch in sehr vielen anderen Sektoren, wie etwa der Gastronomie, der Landwirtschaft, im Baugewerbe oder der Haushaltsarbeit. Offensichtlich kann ein Verbot von Prostitution Menschenhandel nur zu einem Bruchteil vorbeugen – wenn überhaupt.
Wer wirklich Menschenhandel erschweren will, kämpft für offene Grenzen und Dekriminalisierung von Migration. Bevormundende Maßnahmen wie das Prostituiertenschutzgesetz fügen Sexarbeiter_innen mehr Schaden zu als sie ihnen Schutz bieten können. Verbände und Aktivist_innen haben bereits mehrfach davor gewarnt, dass die Registrierung als Sexarbeitende faschistische Ausmaße annehmen kann. Im Nationalsozialismus wurden Sexarbeiter_innen verfolgt, ermordet und mussten Zwangsarbeit verrichten.
„Die Vagina ist kein Arbeitswerkzeug!“ sagen Sexarbeitsgegner_innen. Mir wäre es lieber, mehr Leute benutzten ihre Vagina nur um Geld zu verdienen, anstatt noch mehr rassistische Kinder in die Welt zu setzen. Außerdem hat nicht jede_r Sexarbeiter_in hat eine Vagina oder lässt die eigenen Genitalien zum Einsatz kommen.
Am 2. Juni ist Internationaler Hurentag. Der Kampf um die Rechte von Sexarbeiter_innen sollte ein feministisches und ein linkes Anliegen sein. Denn wer sich mit Arbeiter_innen solidarisiert, darf nicht jene vergessen, deren Arbeitsbedingungen mit am prekärsten sind.

LESERKOMMENTARE bis jetzt
VICTOR LASZLO
3. Jun, 10:38
Und dann gibt es noch die Beziehungen, bei denen im Laufe der Zeit der partnerschaftliche Beischlaf zum völligen Erliegen gekommen ist. Trotzdem besteht die Partnerschaft weiter und dafür kann es gute Gründe geben. Aber der Wunsch nach Körperlichkeit bleibt bestehe. Ein Rauslösen aus diesen Beziehung ist gar nicht gewünscht. Eine alternative Ménage-à-trois schon gar nicht.
Die männlichen Partner werden dabei in Ihrem Wunsch nach körperlicher Zuwendung prinzipiell kriminalisiert. Die allermeisten davon suchen keine drogensüchtige versklavte minderjährige in Hinterzimmern auf. Alleine diese bizarre Verknüpfung in der eine völlig amoralische Männergesellschaft offensichtlich eine Sexualität unterstellt wird, die in den tiefsten Niederungen der menschlichen Seele ruht zeigt, das letztlich spießbürgerliche, moralisierende Bild, welches den Antagonisten zu eigen ist. Es ist immer schmuddelig, amoralisch, mit eine gewissen Priese Jekyll & Hyde. Der Mann in seinem Innersten ein Wüstling, der nur auf die Gelegenheit wartet sein wahres Ich zu zeigen.
Es kann überhaupt keine Frage sein. Wie in vielen Bereichen gibt es massive kriminelle Machenschaften im Bereich der Prostitution. Aber die gibt es in durchaus vergleichbarer Weise sonst auch. Und natürlich gilt es da zu handeln.
Aber es gibt auch genügend selbstbewusste starke Frauen, die sehr genau wissen, was sie warum tun und sich in keinem Fall als Opfer sehen. Das ist eine Stigmatisierung, die am Ende auch noch frauenfeindlich ist, weil Sie den Akteurinnen darüber hinaus ja die eigene Entscheidungsfähigkeit abspricht. Frauenfeindlich deshalb auch, weil niemals die nebenbei existierende männliche Prostitution mit den gleichen Argumenten eingebracht wird. Dort scheint den männlichen Akteuren wohl alles leichter zu fallen.
Die Leistung die Prostituierte in unserer Gesellschaft leisten kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Gesellschaft schuldet Ihnen einiges. Und vor allen Dingen Anerkennung.

https://www.taz.de/Kolumne-Habibitus/!5596535/

**************************************

Und hier ein Artikel von SPIEGEL über Sexkaufverbot

SPIEGEL ONLINE
POLITIK
Debatte über Sexkaufverbot
"Aussteigen? Das sagt sich so leicht"


Sollen wir Sexkauf verbieten? Nein, sagt die Leiterin einer Beratungsstelle in Hamburg. Lieber sollte die Politik Alternativen für Frauen finden, die aus Armut anschaffen gehen.

© Mathias Marx Ein Interview von Milena Hassenkamp


Rotlichtviertel in Amsterdam: "Prostitution ist auch ein Arbeitsmarktthema"

Sonntag, 14.07.2019 12:59 Uhr

Soll Deutschland sich Schweden zum Vorbild nehmen? Das Land verbot vor 20 Jahren käuflichen Sex. Die Idee: Das Verhalten der Freier sollte kriminalisiert werden, nicht die Prostituierten. Nun denken die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier und die Europaabgeordnete Maria Noichl offen darüber nach, ob solch ein Verbot auch hierzulande gut wäre. Das Prostituiertenschutzgesetz, seit Juli 2017 in Kraft, hat aus ihrer Sicht nicht die gewünschte Wirkung erzielt (mehr dazu lesen Sie hier).

Julia Buntenbach-Henke sieht ein Verbot kritisch. Sie leitet seit Januar 2017 die Fachberatungsstelle Prostitution der Diakonie in Hamburg und hat mitbekommen, wie das neue Gesetz wirkt. 550 Frauen haben sich hier im vergangenen Jahr beraten lassen.

SPIEGEL ONLINE: Frau Buntenbach-Henke, was halten Sie von einem Sexkaufverbot?

Buntenbach-Henke: Alles, was Menschen in der Sexarbeit weiter kriminalisiert, ist schwierig. Erfahrungen aus Schweden zeigen, dass Sexarbeit nach einem Verbot im Verdeckten stattfindet. Außerdem können sich die Frauen dann nicht mehr untereinander in Wohnungsgemeinschaften zusammentun, um sich zu unterstützen.

SPIEGEL ONLINE: Befürworter des Verbots sagen, sie wollen nicht, dass in der Gesellschaft das Bild vorherrscht, ein Mann könne sich eine Frau kaufen.

Buntenbach-Henke: Die Frau ist nicht käuflich. Die Frau bietet eine Dienstleistung an. Das ist ein Unterschied.

SPIEGEL ONLINE: Ist Prostitution immer selbst bestimmte Sexarbeit? Wie geht das mit Zwangs- oder Armutsprostitution zusammen?

Buntenbach-Henke: Es ist auch dann eine selbst bestimmte Entscheidung, wenn man sagt: Ich habe nicht besonders viele Alternativen und prostituiere mich, um Geld zu verdienen. Von Zwangsprostitution muss man das trennen. Ich finde es schade, dass das immer über einen Kamm geschoren wird. Gerade von den Frauen, die jetzt das Sexkaufverbot fordern.

SPIEGEL ONLINE: Und die Frauen, die sich aus Armut heraus prostituieren? Wäre ihnen nicht besser geholfen, wenn man, wie von Maria Noichl gefordert, Ausstiegsprogramme fördern würde?

Buntenbach-Henke: "Wir fördern Ausstiegsprogramme", das sagt sich so leicht. Unsere Beratungsstelle hilft seit mehr als 40 Jahren Frauen beim Ausstieg, wenn sie das wollen. Aber für viele ist das ein äußerst schwieriger und langwieriger Prozess. Sie haben zum Beispiel keinen Anspruch auf Sozialleistungen, sie haben vielleicht keine Wohnung oder kaum Deutschkenntnisse. Und es muss für diese Frauen eben auch Alternativen zur Sexarbeit geben, eine Zwischenfinanzierung, bis sie andere Arbeit finden, sie müssen Zeit haben, sich zu bilden. Es ist auch ein Arbeitsmarktthema.

SPIEGEL ONLINE: Mit dem Prostituiertenschutzgesetz wurde versucht, die Situation der Sexarbeiterinnen zu verbessern. Hat das geklappt?

Buntenbach-Henke: Der Gedanke ist gut: Das Gesetz sollte die Sexarbeiterinnen vor Gewalt schützen und ihre Selbstbestimmung fördern. Die Maßnahmen, die mit dem Gesetz ergriffen wurden, dienen nur leider nicht dazu, dieses Ziel zu erreichen.

SPIEGEL ONLINE: Warum?

Buntenbach-Henke: Wir haben schon 2017 befürchtet, dass das Gesetz Personen, die tatsächlich Schutz und Unterstützung brauchen, nicht erreicht. Das bewahrheitet sich leider ein Stück weit. Es gibt Frauen, die sich nicht bei den Behörden anmelden können, weil ihnen eine Meldeadresse fehlt. Viele von ihnen kommen aus Afrika oder Osteuropa, haben keine Krankenversicherung. Die wissen von dem Gesetz, können seine Anforderungen aber nicht erfüllen.

SPIEGEL ONLINE: Was würde diesen Frauen aus Ihrer Sicht besser helfen?

Buntenbach-Henke: Wäre Prostitution als Beruf nicht so stigmatisiert, bräuchte es unsere Beratungsstelle nicht. Ich finde, dass es eine differenziertere Diskussion über Sexarbeit geben sollte. Die Debatte spielt sich immer an den Extremen ab: Menschenhandel auf der einen Seite und selbstbestimmte Sexarbeit auf der anderen. Aber was ist denn das Dazwischen? Da sollte man hingucken. Zu den Frauen, die auf dem Arbeitsmarkt für sich sonst keine Chancen sehen.

https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 76368.html

Fragender
unverzichtbar
unverzichtbar
Beiträge: 180
Registriert: 12.07.2011, 10:18
Wohnort: Am Rand des Ruhrgebiets
Ich bin: Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Fragender »

Schweden, Norwegen, Island, Kanada, Frankreich, Nordirland und demnächst wohl auch Spanien. Warum sollte das dann hier nicht genau so funktionieren können? Was genau sollte die Politik hier denn so stark von der Politik dort unterscheiden?

Benutzeravatar
Zwerg
Senior Admin
Senior Admin
Beiträge: 18072
Registriert: 15.06.2006, 19:26
Wohnort: 1050 Wien
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Zwerg »

Fragender hat geschrieben:
17.07.2019, 14:10
Schweden, Norwegen, Island, Kanada, Frankreich, Nordirland und demnächst wohl auch Spanien. Warum sollte das dann hier nicht genau so funktionieren können? Was genau sollte die Politik hier denn so stark von der Politik dort unterscheiden?
Darf ich fragen worum es Dir geht? So richtig schlau werde ich aus dem Ganzen nicht mehr..... geht es nur um die Kritik an Jenen, welche etwas dagegen unternehmen wollen? Oder hast Du auch konstruktive Vorschläge?

christian

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot

Beitrag von Kasharius »

@Fragender

das hatte ich Deutlich zu machen versucht: Der hier noch bestehende Wertepluralismus (siehe die jüngst von @deernhh dankenswerterweise aufbereitete Presselange - gaaanz lieben dank für deinen tollen Einsatz @deernhh!) und die hiesige Verfassungslage an die gemäß Art 20 GG Gesetzgeber und Regierung gebunden sind. Ein generelles Sexkaufverbot verstößt gegen Art 12 und Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 GG . Wie ich schon sagte: Man darf Sexarbeit/Prostitution regeln, auch reglementieren, aber nicht faktisch erdrosseln schon fgar nicht verhindern. Warum habe ich schon mehrfach dargelegt, andere auch. Auf Empfindungen einer (tatsächlichen oder gefühlsmäßigen )Mehrheit kommt es dabei nicht an.

@Zwerg

danke, dass ich ob meines gewagten Vergleiches mit den Widerständlern des 20. Juli nicht vermahnt wurde.

Kasharius grüßt