Anmelde-Regime und Hurenpass

Historische Betrachtungsweisen der Prostitution - Ein Spiegel der jeweiligen Zeit und Moral.
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fraences
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Anmelde-Regime und Hurenpass

Beitrag von fraences »

Anmelde-Regime und Hurenpass

Das „Prostituiertenschutzgesetz“ und seine Bezüge
zur Prostitutions-Reglementierung im Nationalsozialismus

von Doña Carmen e.V. Juni 2017

Das am 1. Juli 2017 offiziell in Kraft tretende „Prostituiertenschutzgesetz“ unterwirft die in Deutschland tätigen Sexarbeiter/innen erstmals seit dem Hitlerfaschismus wieder einer staatlichen Erfassung.

http://www.donacarmen.de/anmelde-regime-und-hurenpass/


Dokumentation: „Polizeiliche Behandlung der Prostitution“ – Frick-Heydrich-Erlass vom 9. Sept. 1939

Nachfolgend dokumentieren wir den ansonsten schwer zugänglichen Frick-Heydrich-Erlass vom 9. Sept. 1939. Es handelt sich um eine Abschrift des Originals
(Quelle: Bundesarchiv R 22/1515, fol. 8-9 Rs).
Für die freundliche Zur-Verfügung-Stellung danken wir Prof. Wolfgang Ayaß.

Erlaß des Reichs- und preußischen Innenministers Dr. Wilhelm Frick an die Landesregierungen, den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs, den Reichskommissar für das Saarland, den Reichsstatthalter im Sudetengau, den Reichs-statthalter in Hamburg, das Reichskriminalpolizeiamt, die Regierungspräsidenten und Kriminalpolizei(leit)stellen

http://www.donacarmen.de/dokumentation- ... pt-1939/[B]
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Fakten und Infos über Prostitution

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@freances

danke. Sehr interessante Quelle. Aber ich vermag in diesem Erlaß keine dem ProstSchG vergleichbare Registrierungsverpflichtung zu erkennen. Dann aber gingen die Regelungen des neuen Gesetzes über den ERlaß noch hinaus...!?

Kasharius grüßt

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RE: Anmelde-Regime und Hurenpass

Beitrag von friederike »

Ich denke, der Auftrag an die Polizei, die Prostituierten zu "erfassen", läuft im Ergebnis auf eine Registrierungspflicht hinaus.

Natürlich kann man diesen Erlass (vor allem mit den rassistischen Elementen) nicht neben das ProstSchG stellen. Aber der NS-Erlass verwendet einen deutlich engeren Prostitutionsbegriff, er sagt klar, wo Bordelle zu genehmigen sind (!), die Regulierung ist deutlich weniger intensiv ...

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Lucille
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Beitrag von Lucille »

...die Endlösung dafür umso mehr.

Wenn man bedenkt, damals waren es noch 'nur' analoge Daten ...

( Selbstverständlich gab es von der Bundesregierung weder Entschuldigung noch sonstige Wiedergutmachung für überlebende 'Asoziale'.)

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

...ja aber eineriiets ist das ProstSchG in dem parlamentarisch-demokratischen Verfahren zustande gekommen. Das gilt für den Erlaß sicher nicht. Generell sehe ich die Gleichsetzung zwischen aktueller Gesetzgebung und dem Unrechts-Regime im Nationalsozialismus auch kritisch...

Aber das die sog. Asozialen und KZ-Zwangsprostituierten nicht entschädigt wurden, bleibt ein Skandal. Die Frau Schw... hätte dies in ihrer Anti-SW-Kampagne zum Thema machen können, zumal sie in ihrem Buch ja auch recht ausführlich darauf eingeht und auch den Fall Hodys (ein krasser Fall von politischer Instrumentalisierung der Ex-Geliebten von Auschwitz-Lagerkommandant Höß) darstellt. Auch der Gesetzgeber hätte im Rahmen der Debatte zum ProstschG hier entsprechend aktiv werden können, wäre es ihm ernst mit dem Schutz...

Aber interessant ist dieses hier eingestellte Dokument allemal.

Kasharius grüßt

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Beitrag von friederike »

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Lucille hat geschrieben:...die Endlösung dafür umso mehr.
Die Prostituierten waren aber nicht von der "Endlösung" erfasst, sie konnten aber als "asoziale Elemente" verhaftet und in den Konzentrationslagern interniert werden.

Aber die Regelungen des "Frick-Heydrich-Erlasses" sind insgesamt weniger einschneidend als die unseres ProstSchG. Irgendwo schon eine Pointe.

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Lucille
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Beitrag von Lucille »

Nicht nur die Erfindung des Begriffes "Asoziale" ( = Kriminelle = unwertes Leben = Volksschädling) sondern insbesondere die Zuweisung dieser diskriminierenden Kennzeichnung als Wesensmerkmal Aller Prostituierten und ihre 'folgerichtige' Behandlung ist nunmal eine bis heute wirksam in der Moralgesellschaft verankerte 'Errungenschaft' des NS-Regimes.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Die Verbannung von SW aus dem öffentlichen Raum und deren sichtbare Stigmatisierung war auch schon vor der Zeit des Dritten Reiches gang und gebe: Erinnert sei hier beispielsweise an den sog. "Lusthaus-Erlass" des preussischen Königs Friedrich-Wilhelm den II aus dem Jahre 1790. ZUr Steuerung der gewerblichen Unzucht sollten die "galanten FRauenpersonen" ihre Dienste in öffentlichen Hausern anbieten. Außerdem mussten sie über der linken Schulter eine rote Nissel tragen (das wäre doch mal was für eine Protestaktion...).

S. auch hier

https://www.preussenchronik.de/ereignis ... 04040.html

Kasharius grüßt