Verfassungsklage in Vorbereitung – Appell zur Unterstützung

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Es ist halt noch nicht ganz klar, was für eine Klage genau vor dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz eingelegt werden soll; ich denke gerade das ist Teil des an Herrn Starostik gerichteten Auftrages, dies herauszuarbeiten.

Hier mal die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz. Die nachfolgende Passage ist der abschlägigen Entscheidung zum Mindestlohngesetz entnommen, sie gilt aber allgemein:


Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen werden, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 123, 148 <172>; 134, 242 <285>; stRspr). Daher ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig, wenn in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte erlangt werden kann. Dies ist sogar dann zu verlangen, wenn das Gesetz keinen Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum offen lässt, der es den Fachgerichten erlauben würde, die geltend gemachte Grundrechtsverletzung kraft eigener Entscheidungskompetenz zu vermeiden (vgl. BVerfGE 123, 148 <173>). Obwohl dann die fachgerichtliche Prüfung für die Beschwerdeführenden günstigstenfalls dazu führen kann, dass die ihnen nachteilige gesetzliche Regelung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird, ist sie regelmäßig geboten, um zu vermeiden, dass das Bundesverfassungsgericht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft (vgl. BVerfGE 123, 148 <173> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 -, www.bverfg.de, Rn. 23). Die Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte besteht ausnahmsweise nur dann nicht, wenn die angegriffene Regelung die Beschwerdeführenden zu Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können (vgl. BVerfGE 43, 291 <387>; 60, 360 <372>), oder wenn die Anrufung der Fachgerichte nicht zumutbar ist, etwa weil das offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre (vgl. BVerfGE 55, 154 <157>; 65, 1 <38>; 102, 197 <208>), oder wenn ein Sachverhalt allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das Bundesverfassungsgericht letztlich zu beantworten hat, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären (vgl. BVerfGE 123, 148 <172>). Es ist außerdem unzumutbar, vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm zu verstoßen und sich dem Risiko einer Ahndung auszusetzen, um dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend machen zu können (vgl. BVerfGE 81, 70 <82>; 97, 157 <165>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 -, www.bverfg.de, Rn. 23).

Hier der Quellennachweis

https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 55515.html

Kasharius grüßt und steht gern für Nachfragen zur Verfügung

Klaus Fricke
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RE: Verfassungsklage in Vorbereitung – Appell zur Unterstütz

Beitrag von Klaus Fricke »

Effizient ?

@ kasharius
Soweit ich das, Deinen vorhergehenden Beitrag zu den Voraussetzungen für eine Verfassungsklage gegen das SW-Gefährdungs-Recht zur Kenntnis nehmend, verstehe, sind die Hürden, die eine Verfassungsklage gegen das neue SW-Recht zu nehmen hat, nicht unerheblich.

Das schreckt mich weniger. Wir als "Haus9" sind bereit eine solche Klage auch finanziell zu unterstützen, Wir denken dabei an einen Betrag, der dem entspricht, der Dir aus anderem Zusammenhang bekannt ist. Dieser Betrag, den wir aus der "moderenen Zuhälterei" unserer SW-Vermietung - wie einige Forennutzenden dies meinen - finanzieren, ist, unseren Umsatz und langjähriges Betriebsergebnis betrachtend, nicht unerheblich, wenn nicht selbstausbeuterisch.

Andere Betreibende werden solchen Beiträge nicht leisten. Sie werden sie sich zudem betriebswirtschaftlich, selbst unter Selbstausbeutung, kaum leisten können, da sie solche Ausgaben in ihrer Mietkalkulation wohl nicht berücksichtigt haben und, so habe ich die Diskussion um einen Betrieb in Friesland verstanden, auch nicht berücksichtigen woll(t)en. Damit nehmen sie sich, dass muß gesagt werden, die rechtsstaatlich bedeutsame Möglichkeit demokratischer Verfassungen, Rechtssetzungen auf deren Verfassungsgehalt hin prüfen zu lassen und unterwerfen sich behördlicher Praxis, die als Willkür zu bezeichnen sein könnte, da sie bislang positive Erfahrungen gemacht haben, die eventuell dem Willkürtatbestand der Patronage aus Unwissenheit, jedenfalls nicht dem pflichtgemäßen Ermessen behördlichen Handelns entsprochen haben könnte. Sich konzeptionell in einem die SW, insbesondere in einem die Betreibenden von SW Orten massiv als "Zuhälter_innen" stigmatisierenden Umfeld, so aufzustellen, halte ich für betriebswirtschaftlich, rechtsstaatlich und politisch bedenklich, für, wass die Wertschätzung der eigenen Tätigkeit angeht, wenig klug.

Doch davon abgesehen, können wir als "Haus9" unsere wirtschaftliche Lage seriös betrachtend, kaum mehrere, erst recht nicht viele juristische Auseinandersetzung durch Beiträge in dem Dir bekannten beabsichtigten Umfang unterstützen. Betriebswirtschaftlich wäre das, die Zahlen. die im Thread 'Transparente Betriebsführung' von mir vorgelegt wurden bedenkend, abenteuerlich. Zumal sich, vor dem Hintergrund des Einbruchs der Anzahl von SW in Bremen innerhalb von zwei Jahren um fast 40 %, also einem Einbruch des Umsatzes und damit der Bedeutung des Wirtschaftsfeldes insgesamt, zumindest regional, unsere Einnahmesituation zwischenzeitlich normalisiert hat.

Im Sinne der Verantwortung für den Erhalt des Arbeitsortes "Haus9", der insbesondere RO-SW, treu meinem Moderatorenauftrag als Sprechender für RO-SW, ein rechtssicheres und förderliches Arbeitsumfeld bietet bzw. bieten soll, wäre es, so meine ich, verantwortungslos eine größere Zahl von Verfahren in der Höhe des Dir bekannten beabsichtigten Betrages mitzufinanzieren. Die von den bei uns Mietenden (vorrangig) RO-SW gezahlten Mieten, sollten wir nicht ineffektiv oder leichtfertig für Zwecke verausgaben, die nicht unmittelbar dem Bestand des "Haus9" dienen.

Wichtig wäre es, dass andere Pro-SW-Aktive, Organisationen, Vereine, sich dazu erklären würden, was sie juristisch beabsichtigen. Insbesondere auch wichtig im Sinne eines Zeichens der Solidarität gegenüber den wohl 80 % oder mehr im SW Bereich tätigen Migierten. Wichtig wäre es, was das Umfeld der Kritiker_innen des neuen SW-Rechts (DjB, Aidshilfe, Gesundheitsämter bzw. deren Mitarbeitenden im SW-Bereich, etablierte, aus der deutschen Hurenbewegung hervorgegangene, Pro-SW ausgerichtete Beratungseinrichtungen, deren Personal eher aus dem Bereich der Sozialarbeit stammt und ihren Lebensunterhalt dort sichert) zu tun gedenkt. Es muss ja nicht der Maxime des unmissverständlichen Aussprechens was ist von Lassalles entsprechen, der Bemäntelungen ablehnt, sollte aber eindeutig sein. Die Rede davon, dass das eigentliche Problem der SW unzulässige Mieten seien, wie es Nitribitt e.V. in Bremen öffentlich anläßlich der Premiere des Films "Sexarbeiterin" in Bremen meinte, ist angesichts des SW-Gefährdungsgesetzes das Gegenteil eines unmissverständlichen Pro-SW-Statments. Es ist Bemäntelung dessen Wirkung durch Ablenkung auf einen Nebenschauplatz notweniger Auseinandersetzung.

Obwohl die Uhr tickt, gibt es von den oben als Pro-SW bezeichneten Seiten keine klaren Initiativen. Wenigstens bedauerlich angesichts der neuen Rechtslage.

Wichtig wäre es - auch deswegen - auf der Grundlage der Effizienz Überlegungen zu wissen, welche Auswirkungen ein negativer Bescheid der von Dona Carmen (DC) angestrebten Verfassungsklage gegen das Gesetz für weitere (Verfassungs-) Klagen haben könnte. Sofern die oben als solche bezeichneten Pro-SW-Kräfte allerdings nicht erklären, was sie (juristisch!) unternehmen wollen, also lediglich DC Initiative ergreift (ist das der Fall ?), halte ich eine auf die DC Initiative konzentrierte inhaltliche und finanzielle Unterstützung, insbesondere im Interesse migrierter SW, für die das neue SW-Recht neben den allgemein wirksamen Gefährdungen noch ein Konkurrenzschutzgesetz pro D-SW darstellt, für unumgänglich.

Wie siehst Du, als mit den Eigenheiten der Juristerei Befasster, das mit der Effizienz der DC Initiative. Birgt Sie für ein weiteres juristisches Vorgehen der Pro-SW-Aktiven Gefahren?
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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Lieber @Klaus Fricke

juristisch wird, auch bei einer Verfassungsbeschwerde immer über einen konkreten Fall entschieden. Andererseits trifft das Bundesverfassungsgericht natürlich eine allgemein gültige Aussage dann, wenn es nicht nur das konkrete Vollzugshandeln, sondern die darauf basierende Rechtsnorm selbst für verfassungswidrig erklärt; den dann darf die Rechtsnorm nicht mehr angewendet werden.

In sofern trägt derjeniege, oder diejenige die ein solches Verfahren betreiben schon auch ein hohes Maß an politischer Verantwortung und es muss sehr gut vorbereitet sein.

Konkret kann ich zu der Initiative von DC nichts sagen, da ich keine Einzelheiten kenne. Näheres soll ja dann im Dezember vorgestellt werden.

Kasharius grüßt

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Beitrag von Hamster »

Voraussetzung fuer eine Verfassungsklage
http://www.flegel-g.de/Verfassungsklage ... ungen.html

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fraences
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RE: Verfassungsklage in Vorbereitung – Appell zur Unterstütz

Beitrag von fraences »

Aufruf zur Teilnahme

am 2. Koordinierungstreffen „Verfassungsklage gegen das Prostituiertenschutzgesetz“ – Freitag, 16. Dez. 2016, um 12.00 Uhr Elbestraße 41 Frankfurt/Main

An
Sexarbeiterinnen,
Bordellbetreiber/innen
und interessierte Aktivisten,
In 8 Monaten tritt das „Prostituiertenschutzgesetz“ in Kraft!

Unter Bruch verfassungsmäßig gewährter Rechte erfolgt ein massiver Angriff auf die bestehende Infrastruktur von Prostitution sowie auf das Anbieten sexueller Dienstleistungen schlechthin. Es geht

um eine grundsätzliche Erschwernis des Eintritts in die Prostitution;
um eine Abschreckung vor Prostitution durch Zwangsouting sowie Zwangsmaßnahmen, Anordnungen und Sanktionen;
um eine fundamentale Einschränkung der Mobilität von Sexarbeiter/innen;
um die Gefährdung der Existenz von Prostitutionsstätten.

Dagegen richtet sich unser Widerstand!
Rechtsanwalt Meinhard Starostik, Richter am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, erarbeitet im Auftrag des Frankfurter Koordinierungstreffens „Verfassungsklage gegen das Prostituiertenschutzgesetz“ eine entsprechende Klageschrift.
Doña Carmen e.V. hat nach dem ersten Koordinierungstreffen im September 2016 ein Spendenkonto für die Verfassungsklage eingerichtet und bekannt gemacht. Binnen kurzer Zeit haben wir bereits ein Viertel der notwendigen Kosten der Verfassungsklage gesammelt. Das ist gut, reicht aber noch nicht. Wir danken allen, die bisher gespendet haben! Aber wir müssen weiter sammeln und bitten um Deine / Ihre finanzielle Unterstützung:
Spendenkonto für die Verfassungsklage:

Dona Carmen e.V.
IBAN DE44 5005 0201 1245 8863 61
BIC HELADEF1822

Frankfurter Sparkasse

Der erste Entwurf der Verfassungsklage ist fertig! –
Kommt am 16. Dezember 2016 um 12.00 nach Frankfurt!

Wir werden weiter Druck machen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.
Deswegen laden wir ein zum zweiten Koordinierungstreffen Verfassungsklage ProstSchG:
WANN? Freitag, 16. Dezember 2016, 12:00 Uhr
WO? Doña Carmen e.V., Elbestraße 41, 60329 Frankfurt
Themen des Treffens:
Bericht zum Stand der Dinge (NN, Doña Carmen e.V.)
Vorstellung des Entwurfs der Verfassungsklage zum Prostituiertenschutzgesetz (RA Starostik, Berlin)
anschließend Fragen, Diskussion und Austausch
Vorschlag zur Bildung eines ‚Beirats Verfassungsklage‘
nächste Schritte Mobilisierung / Finanzierung

Aus organisatorischen Gründen ist eine Voranmeldung bei Doña Carmen e.V. erforderlich!
Um frühzeitige Anmeldung und zahlreiches Erscheinen wird gebeten.
Kontakt:
Doña Carmen e.V.,
Telefon 069 / 7675 2880 (AB)
Email: donacarmen@t-online.de

Packen wir es an: Lasst uns gemeinsam an einem Strang ziehen!

Das Team
Doña Carmen e.V.
Frankfurt, 24. Nov. 2016





--
DONA CARMEN E.V.
Elbestr. 41
60329 Frankfurt/Main
Tel: 069-76752880
Fax: 069-76750882

www.donacarmen.de
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Klaus Fricke
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RE: Verfassungsklage in Vorbereitung – Appell zur Unterstütz

Beitrag von Klaus Fricke »

Bündisse - Indizien

@kasharius schrieb
»In sofern trägt derjeniege, oder diejenige die ein solches [Verfassungsgerichts-] Verfahren betreiben schon auch ein hohes Maß an politischer Verantwortung und es muss sehr gut vorbereitet sein.« ( http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 089#153089 )

Juristische Karte
Soweit es mir bekannt ist, gibt es von anderer Pro-SW Seite keine konkreten Überlegungen, das verabschiedete SW-Gefährdungsrecht verfassungsrechtlich prüfen zu lassen. Die juristische Karte sollte jedoch, dass ist meine Auffassung, ebenso gespielt werden, wie die der Einflussnahme über vorhandene Vernetzungen bei der Gestaltung der Ausführungsverordnungen zum neuen Recht auf kommunaler bzw. auf Länderebene und die der Einmischung in Berichterstattung über und Diskussion zur SW. Sofern verfassungsrechtlich Bedenken geltend gemacht werden können, wäre dies ein klarer Erfolg. Sofern dies nicht gelingt, könnte das Verfahren Anlässe bieten, Pro-SW Positionen in der öffentlichen Diskussion zu halten bzw. in diese einzubringen und so auch Einfluss auf die Gestaltung der Ausführungsbestimmungen zu nehmen.

Klarheit
Sofern es zu einem Urteil kommt, dass sämtliche vorgebrachten rechtlichen Bedenken für gegenstandslos erklärt, würde Verwaltungspraxis sich rechtssicher in die von uns befürchtete ungezügelte repressive Richtung gegen die SW entwickeln können. Jedoch, wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um. Mit solch einer Entscheidung, mit diesem Risiko, mit der Entschlossenheit der Gegener_innen von SW müssen wir leben, sei es, dass sie uns bei Verhandlungen um Ausführungsbestimmungen oder vor dem BVerG über den Tisch ziehen. Es wäre, wenn wir über den Tisch gezogen würden, Klarheit gewonnen über den eigentlichen Charakter des Gesetzes. Er, so meine ich, ließe sich unzweideutig als Bestandteil der postdemokratischen Wende einordnen, die die Zentren der vorherrschenden Marktordnung mit ihrem Vorrang des Verwertungsprinzips durchzieht (Indizien siehe unten). Die Position der Pro-SW-Aktiven im Koordinatensystem politischer Einflussnahme wäre hilfreich eindeutig.

Bündnisse
Diese Klarheit würde die Pro-SW-Aktiven, so sie sie in ihrer weiteren Arbeit betonen, so sie sie im Verfassungsgerichtsverfahren deutlich machen, mit politisch aktiven Kräften verbinden, die sich den Prinzipien der Aufklärung verbunden fühlen. Gut auch im Angesicht der Atempause, die die Wahl in Österreich diesen Kräften gegenüber denen der »Rhetorische Enthemmung und drohende Barbarei« in deren »… ressentimentgesteuerten Gesten der Erniedrigung … der infantile Reflex [echot], einer zusehends komplexen Welt durch unterkomplexe Polemiken beizukommen. Wenn das Schule macht, ist ein zivilisatorischer Minimalkonsens gefährdet. Drohende Barbarei beginnt seit jeher mit verbaler Verächtlichmachung, auf die Taten folgen.« (1) gegeben hat,

Indiz BTHG
Als Indiz für die Annahme der sich Allgemeingültigkeit verschaffenden Vorherrschaft des Verwertungsprinzips, könnte der Umgang mit den Beteiligungsrechten Behinderter (BTHG), deren Realisierung in einem Land mit 5,5 Billionen Geldvermögen unter Kostenvorbehalt gestellt wurde, verstanden werden ( http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 211#153211 ). Die faktische Entsolidarisierung der SPD, die auch am BTHG deutlich wird, ermöglicht es im Jargon der Tarnworte und des Neusprechs ( http://www.nachdenkseiten.de/?p=13629 ) die Sozialdemokratisierung der CDU / CSU zu behaupten.

Indiz Verschiebung der politischen Mitte
Damit wird die politische Mitte nach Rechtsaussen verschoben, so dass politische Strömungen, die in der Tradition faschistischer Auffassungen stehen, als die neue Rechte bzw. als Populisten verharmlost, zur wählbaren Alternative werden, während linke Positionen der Solidarität, des gleichen Zugangs Aller zu den lebensnotwendigen Ressourcen für eine vollständige und wirksame Teilhabe am gesellschaftlichen Alltag, als (linksradikaler) Populismus diffamiert werden. Der Original-Populismus, die verharmlosten politischen Strömungen in der Tradition faschistischer Auffassungen, erhalten demgegenüber, den Neusprech der Erzählung von der Alternativlosigkeit aufnehmend, als repressive gewendete Form des alternativlosen Verwertungsprinzips demokratische Legitimation.

Indiz "Wählende haben immer recht"
Das »Der Wähler hat immer recht« von Herrn Hofer (FPÖ, siehe Tagesschau vom 04.12.2016, 20 Uhr) lässt mich frösteln. Haben die Wählenden Recht, wenn sie die Prinzipien der Aufklärung abwählen? Oder haben sie nur die Mehrheit, um das politische System, siehe Polen und Ungarn, gleichzuschalten?

Indiz EU Terror-Richtlinie
Das die Postdemokratie sich wappnet und die Zähne zeigt, um dem vorherrschenden Verwertungsprinzip Regierung sein zu können, zeigt sich neben dem SW-Gefährdungsrecht und den oben angedeuteten Entwicklungen, auch an der mit dem Tarnwort "Terror -Richtlinie" bezeichneten EU Vereinbarungen zur inneren Sicherheit, die vor wenigen Tagen hinter verschlossenen Türen durchgepresst wurde. Ich empfehle dringend die Lektüre von: Markus Reuter, Einigung bei EU-Terror-Richtlinie: Massive Auswirkungen auf Grundrechte ( https://netzpolitik.org/2016/einigung-b ... undrechte/ ) und Euroactiv: NGOs: Anti-Terror-Richtlinie der EU „extrem problematisch“ ( http://www.euractiv.de/section/eu-innen ... lematisch/ ) und der Überlegungen von Sascha Lobo, SPON, Überwachungstechnik in Extremistenhand: Nazis am Abzug ( http://www.spiegel.de/netzwelt/web/norb ... 94061.html )

Gemeinsam
Sowohl die juristische Karte, die Dona Carmen in die Hand genommen hat, als auch die der Bemühung um "milde" Ausführungsbestimmungen, die z.B. Nitribitt e.V. auszuspielen scheint, oder die der Einflussnahme auf den Diskurs gegen die SW, wie sie hier auf sexworker.at gezogen wird, sind risikoreich. Sie bieten zugleich Chancen. Die Pro-SW-Aktiven sollten sich, egal welchen Weg des Widerstandes und der Abhilfe von Gefährdungen sie bevorzugen, gegenseitig unterstützen. Ich würde mich freuen, wenn wir uns in Frankfurt sehen würden.

- - - - - - - - - -

(1)
Hendrik Werner,
Rhetorische Enthemmung und drohende Barbarei
Weser-Kurier, 01.12.2016, S. 2,
http://www.weser-kurier.de/bremen/breme ... 06532.html
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Lucille
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Beitrag von Lucille »

Sehr aufschlussreich sind die egomanischen Chancen-'Beurteilungen' einer Verfassungsklage durch DonaCarmen dieses hier bereits mehr als unangenehm aufgefallenen und mehrfach gesperrten Autors und 'Beratung'-Verkäufers Howard Chance
http://prostitution2017.de/schutzgesetz ... eburtstag/

Sein primäres, betriebswirtschaftliches Eigeninteresse spricht auch da Bände( ich erinnere an seine hier wiederholten abfälligen Äußerungen bezüglich Sexworker an sich)
Oh, mein Gott ...

Inwieweit ein solcher 'Maulwurf'( ich übe mich in höflichster Wortwahl) an konkreten, von DonaCarmen zu finanzierenden Rechtsberatungsgesprächsterminen teilnehmen sollte?

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RE: Verfassungsklage in Vorbereitung – Appell zur Unterstütz

Beitrag von Hamster »

DANKE, DANKE, LUCILLE !!!
Der Troll Howard Chance :013

UM GOTTES WILLEN!
Howard Chance hat sich selbst als Publizist zum Koordinierungstreffen von Dona Carmen am 16.12.2016 angemeldet und wird, wenn man ihn "zulasse", auch natuerlich vom Termin berichten, da er die Verfassungsbeschwerde unterstuetze, wie er es auf seiner Homepage schrieb.
Haeh ??? Dabei schreibt er, wie Lucille richtig schrieb, abfaellig ueber SW.

http://prostitution2017.de/schutzgesetz ... -16-12-16/

BITTE, BITTE, Dona Carmen, lasst Howard Chance nicht auf eure Veranstaltung !!! Danke !!!

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Beitrag von Lucille »

Da droht Veranstaltungs-Sprengung:

Etwas sehr spöttische, genaugenommen abschätzige Meinung zu DonaCarmens Verfassungsklage-Vorhaben und Spendenaufruf
http://prostitution2017.de/schutzgesetz ... frankfurt/

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Lucille
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Beitrag von Lucille »

Der mehrfach hier gesperrte 'Howard Chance' geruht mal wieder hier mitzulesen und gleich einen zynisch-abfälligen Artikel darüber zu publizieren
http://prostitution2017.de/schutzgesetz ... ein-zitat/

* Junge, Junge, sollte ich mich nun geehrt fühlen? Etwa gebauchpinselt? Och nö, lass mal gut sein - auf diese zweifelhafte Ehre lege ich keinen Wert! *

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Beitrag von Zwerg »

@lucille

Ich kann gut verstehen, dass die zweifelhafte Ehre Dich nicht wirklich berührt.

Wenn ich den von Dir verlinkten Beitrag lese, so muss ich an die Fabel vom Fuchs denken.

Die mit den hoch hängenden Trauben, welche schon alleine deshalb sauer sein müssen...

Zur Sache:

Eine verifizierte SexarbeiterIn aus Deutschland äußert Kritik, sogar Bedenken. Für mich persönlich wäre dies ein Grund meine Position zu überdenken.

Wenn man vorgibt die Sache der SexarbeiterInnen mit vertreten zu wollen, so sollte man dies ernst nehmen.

Als weitere Anmerkung: Die Sperre auf sexworker.at war eine gemeinsame Entscheidung aller Admin(a)s - und von uns 3en kommen 2 aus Deutschland und sind ExpertInnen zum Thema. ExpertInnen als aktive SexarbeiterInnen und durch ihre langjährige Tätigkeit als AktivistInnen für die Rechte von SexarbeiterInnen. Wenn wir uns aus einem Anlass wie eine Sperre zur Entscheidungsfindung kurzschließen, so geschieht dies sehr wohl überlegt und im Hinblick auf unsere Verantwortung. Auch dies sollte ein Grund sein, nachzudenken.

Aber vielleicht erwarten wir zu viel?

Liebe Grüße nach Frankfurt!

christian

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RE: Verfassungsklage in Vorbereitung – Appell zur Unterstütz

Beitrag von Melanie_NRW »

Sein öffentliches Verhalten bestätigt ja nur die Richtigkeit unserer Entscheidung. Jemand der spalten will und Sexarbeiter durch Artikel wie diesen unter Druck setzen und Mundtot machen möchte, hat in unseren Reihen nichts zu suchen. Aber er gefällt sich ja ganz gut in seiner Opfer-Rolle.
Lucille, vielleicht solltest du ihm zum Trost einen Keks schenken :)
Ein Freund meinte, ich hätte Wahnvorstellungen. Da wäre ich fast von meinem Einhorn gefallen!

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Beitrag von Zwerg »

Ich denke dass das Ansinnen von Howard Chance durchaus legitim ist. Er möchte Geld aus sexueller Dienstleistung Anderer lukrieren. Durch die Vermarktung seines Buches und durch Beratungsgespräche. Das wäre an sich nicht verwerflich.

Wenn jedoch die Selbstvermarktung so weit geht, dass man vorgibt mehr zu wissen, als Andere - die sich seit vielen Jahren mit den Thema beschäftigen - und dies nicht begründen kann, so ergibt das ein zu hinterfragendes Bild. Ebenso ist eine Instrumentalisierung von Organisationen, welche ein Teil der Bewegung sind und über lange Zeit belegt haben, welche Sorgfalt sie mit dem Thema an den Tag gelegt haben, nicht wirklich erfreulich.

Ich erinnere: Die Auseinandersetzung hier auf sexworker.at begann mit einer Mail, in welcher mir mitgeteilt wurde, dass man einen Link auf unsere Internetadresse von der eigenen Webseite setzen würde. Diesem Ansinnen habe ich höflich widersprochen. Mit dem Zusatz, dass wir generell vermeiden wollen, dass der Eindruck entstehen könnte, dass es eine Zusammenarbeit gäbe. Gab es ja auch nicht und stand auch nie zur Debatte. Die darauf folgenden Reaktionen waren derart gestalten, dass eine Sperre unvermeidbar war. Wir lassen uns von Niemanden unterstellen, dass wir "kleine bunte Pillen nehmen würden". Ebenso sind Fakeaccounts auf sexworker.at verboten. Noch dazu, wenn diese Accounts deshalb angelegt wurden, um seine eigene Meinung zu bestätigen. Derartige Manipulationsversuche sind auf das Schärfste abzulehnen.

Und wenn sich dann noch verifizierte SexarbeiterInnen melden und ihr Unwohlsein über den Account von Hrn. Chance auf sexworker.at zum Ausdruck bringen - und dies unter Anderem damit begründen, dass sie ihn von anderen Foren kennen, so beginnen wir zu recherchieren. Und wenn dann zu guter Letzt tatsächlich zuordenbare Einträge auftauchen, aus welchen eine abwertende bzw. herablassende Haltung gegenüber SexarbeiterInnen zu ersehen ist (Stichwort "Liebesbeziehung mit SexarbeiterIn und deren Ehrlichkeit"), so ist die Diskussion über die Frage, ob Herr Chance hier erwünscht ist, erledigt.

Wer SexarbeiterInnen herablassend behandelt und dann auch noch vorgibt sie beraten zu wollen, möge das tun. Wir unterstützen dies jedoch in keiner, wie auch immer gearteten, Form. Ich persönlich gehe einen Schritt weiter und empfehle jeder SexarbeiterIn im Falle von Unsicherheiten die Beratungsstelle ihres/seines Vertrauens aufzusuchen. Die beraten kompetent, anonym und auch kostenlos (!). Und ich rate gleichzeitig davon ab, Informationen bzgl. der eigenen Situation (rechtlicher, persönlicher und steuerlicher Natur) an Jemand weiter zu geben, dessen Reputation sich lediglich aus Eigenbeschreibung ergibt.

Ein weiterer Punkt welcher für mich zur Vorsicht mahnen lässt. Gleichzeitig Beratungen gegen Bezahlung für BetreiberInnen und SexarbeiterInnen anzubieten ist für mich - und ich kenne das Problem nunmehr auch schon ein paar Jahre - nicht immer einfach... Denn oft kollidieren hier Interessen und der Tipp den man dem Einen gibt, kann für den Anderen Nachteile nach sich ziehen. Eine Standesvertretung oder auch eine Beratungsstelle ist hier sicher voreingenommener (und das ist auch gut so). Auch wir von sexworker.at sind da eindeutig positioniert.

Noch ein Zusatz: Das Gesetz ist noch nicht in Kraft (und wir wünschen, dass es dies auch nie wird)- wir haben alle somit keine Ahnung wie das umgesetzt werden soll und in Folge wird, denn der Teufel liegt oft im Detail. Die verschiedenen Auslegungsszenarien haben wir hier in Wien seit 2011 (neues Wiener Prostitutionsgesetz) vor Augen. Wir kennen Begriffe wie Konzessionierung von Bordellbetrieben und auch Zwangsregistrierung von SexarbeiterInnen mit den verbundenen Risiken Folgen aus schmerzlicher Erfahrung. Und gerade aus diesem Umfeld heraus ist es absolut unverständlich, wenn da Jemand als Experte auftritt - Beratungen gegen Honorar anbietet und vorgibt "man wisse Lösungen" wenn man gleichzeitig weiß, dass der Experte nicht einmal noch das Problem kennt. Der in den Raum gestellte Hinweis "man kenne Insider und wisse aus Gesprächen mit wichtigen Kontakten" ist meines Erachtens zu wenig, um hierauf eine seriöse Beratung gegen Entgelt durchzuführen oder Bücher zu veröffentlichen.


christian knappik

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Kurz gesagt: Entweder man hält sich an die Forenregeln, oder man tut es eben nicht. Mehr möchte ich zu diesem Sachverhalt nicht sagen.

Kasharius grüßt den lieben @Zwerg und alle anderen hier postenden

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Beitrag von Kasharius »

Und nun doch noch was:

Ich finde man sollte sich jetzt mit weiteren (klugen) Anmerkungen zur Verfassungsklage (das gilt vor allem für den lieben @Kasharius!!!) zurückhalten und die Ergebnisse der Zusammenkunft bei Dona Carmen abwarten. Ich wurde auch eingeladen - wo für ich mich bedanke - kann aber aus terminlichen und privaten Gründen der Einladung nicht folge leisten. Ich freue mich auf die Mitteilung der Ergebnisse und wünsche konstruktiv-kreative Beratungen. Meine Solidarität mit den Grundanliegen versichere ich erneut.

Kasharius grüßt

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Beitrag von Klaus Fricke »


Herrn Chance habe ich diesen Brief vorab zugesandt, um ihm die Möglichkeit zu geben,
diesen auf den ihm zur Verfügung stehenden Veröffentlichungswegen zu beantworten.

Da ich vermeiden möchte, dass die Zusammenkunft bei Dona Carmen am 16.12.2016,
zu der ich eigens weit (Sougia / Kreta) Anreise, atmosphärisch gestört wird, mein im Querverweis verlinkter
und der hier folgende Beitrag, die ich beide mit dem Aufruf (vielen Dank lieber @kasharius) verbinde:



Solidarisch agieren


Sehr geehrter Herr Chance,

soeben nehme ich zur Kenntnis, dass sie dankenswerter Weise auf die Initiative von Dona Carmen hinweisen, die juristische Karte gegen das neue SW-Gefährdungsrecht auszuspielen. Erfreut bin ich, dass Sie sachgerecht und begründet die Begriffe der Verfassungsklage und Verfassungsbeschwerde ( https://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsklage) gegeneinander abgrenzen. Danke für diesen Hinweis und Ihre Recherche zu diesen Begriffen.

Sie äußern sich inhaltliche und formale Aspekte der Akquise von Spenden ansprechend, auf Ihrer Internetseite kritisch (http://prostitution2017.de/schutzgesetz ... eburtstag/ und http://prostitution2017.de/schutzgesetz ... frankfurt/) zu dieser beabsichtigten Verfassungsbeschwerde. Sie beabsichtigen, auch aufgrund ihrer Kritik, sich, so verstehe ich Sie, solidarisch in die Diskussion um das Verfahren, in seine Realisierung sowie inhaltliche und formale Gestaltung einzubringen. Korrigieren Sie mich bitte, sofern dieser Eindruck trügt. Und: Haben Sie die Diskussion zur beabsichtigten Verfassungsbeschwerde auf sexworker.at verfolgt (siehe insbesondere die Beiträge ab hier http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 087#153087)?

Inhaltlich äußern Sie u.a. Bedenken, ob die Annahme zulässig ist, dass die Regelungen des neuen SW-Rechts gegen das Recht auf freie Berufswahl verstossen. Sie machen geltend, dass gesetzliche Vorgaben zur Berufsausübung zum Alltag des individuellen Zugangs und der allgemeinen Zulassung eines Berufsstandes gehören. Das neue SW-Recht definiert, vielleicht abgesehen von der Vorgabe „safe-sex“ zu praktizieren, für Sexarbeitende keine notwendigen berufsspezifischen Qualifikationen, die im Sinne von Voraussetzungen für den individuellen Zugang zum Beruf, Gegenstand einer „Diplomierung“ oder sonstigen Zertifizierung zu sein hätten. Es sieht jedoch im Einzelfall vor, diese Berufswahl durch Verweigerung der Anmeldebescheinigung zu unterbinden. Ob dieser Eingriff in das Recht auf freie Berufswahl zulässig ist, sollte verfassungsrechtlich geprüft werden. Dass es gute Gründe gibt, dass dies zusammen (kumulierend) mit anderen Regelungen, die das vorhandene und das neue SW Recht vorsehen, verfassungsrechtlich bedenklich ist, führt z.B. der Deutsche Juristinnenbund aus:

»Die geplante Anmeldepflicht für alle Prostituierten wird den Schutz dieser Personengruppe vor Ausbeutung, unzumutbaren Arbeitsbedingungen und Gewalt, sowie den Schutz der Opfer von Menschenhandel und damit in Verbindung stehenden Straftaten nicht erhöhen. Sie hält im Ergebnis verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht stand, ihre Notwendigkeit zum derzeitigen Zeitpunkt sollte grundlegend überdacht werden.« (1, S. 2)

»Die Anmeldepflicht in der Ausgestaltung durch § 3 i.V.m. § 2 Abs. 2, §§ 4, 5 und 9 ProstSchG-RefE ist diskriminierend, lässt es an hinreichender Bestimmtheit mangeln, greift in das Persönlichkeitsrecht ein und fördert Willkür, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Dass sie auch nur eines der angestrebten Ziele erreichen kann, ist unwahrscheinlich. Einen Eingriff in die subjektive Berufswahlfreiheit kann sie daher nicht rechtfertigen.« (1, S. 11 f)

Formal machen Sie geltend, dass Dona Carmen nicht erläutert, wie ein bestimmungsgerechter Gebrauch der eingehenden Spendengelder sichergestellt wird. Ein berechtigter Hinweis. Sicher sollte und so denke ich wird Dona Carmen dazu Vorstellungen haben und diese bei dem Treffen am 16.12.2016 konkretisieren.

Ihre kritischen Anmerkungen so zur Kenntnis nehmend und bewertend, sehr geehrter Herr Chance, freue ich mich auf das Treffen am 16.12.2016 und sichere Ihnen zu, diese Bedenken in die dortige Diskussion einzubringen, sofern Sie nicht selber dort sein werden. Auch wenn ich Ihre Auffassung, dass das neue SW-Recht, dass insbesondere die Fortsetzung der Berufstätigkeit migrierter SW durch die mögliche Verweigerung der Berufszulassung gefährdet, für sachfremd und unbegründet halte. Ihre Argumentation greift zu kurz.

Ebenso wie bei der Recherche zu statistischen Angaben (2) für ihren Ratgeber "Prostitutionsschutzgesetz" sollten Sie einräumen, dass es notwendig gewesen wäre, sich intensiver mit von Ihnen behandelten Themen zu beschäftigen, bevor Sie in einem Ratgeber, insbesondere in einem in einfacher, szenebezogener Sprache verfassten oder im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zu Schlussfolgerungen gelangen und Empfehlungen nahelegen. Da Sie Wert auf die differenzierte Verwendung von Begriffen (Verfassungsklage / Verfassungsbeschwerde) legen, werden Sie mir zustimmen, dass auch die Diskussion um eine Verfassungsbeschwerde differenziert, sachbezogen und begründet geführt werden sollte und insbesondere die Autorenschaft von Ratgebern für das Feld der Sexarbeit differenziert, sachbezogen und begründet, vor allem aber - das Stigma, das auf der SW lastet beachtend - solidarisch agieren sollten.


- - - - - - - - -

(1)
Deutscher Juristinnenbund e.V., Stellungnahme 15-10 / zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (ProstSchG-RefE), http://www.djb.de/st-pm/st/st15-10/

(2)
Stichworte „sachfremd und unbegründet“
In ihrem Ratgeber »Das neue Prostitutionsschutzgesetz - Todesstoß für das Rotlicht-Gewerbe?« beziehen sie sich auf »einige Schätzwerte des Statistischen Bundesamtes« zur Sexabeit (S. 18). Ein Quellenhinweis ihrerseits fehlt. Bei der Überprüfung Ihrer Angaben konnte ich einen Hinweis in der faz finden. Am 11.08.2014 veröffentlichte die faz den Artikel »Illegale Aktivitäten: Sex, Drogen und Waffen für das BIP« von Philip Plickert ( http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/w ... ageIndex_2 ). Der Autor bezieht sich auf ein internes Papier des statistischen Bundesamtes mit Schätzungen, die nicht statistisch, sondern mittels Auswertung von »wissenschaftlichen« (ebenda) Veröffentlichungen zur Prostitution ermittelt wurden. Es gibt, so erklären seriöse Publikationen einhellig, keine zuverlässigen Daten zum Umfang der Sexarbeit in Deutschland. Beispielhaft sei hier folgende Aussage der Bundeszentrale für politische Bildung genannt: »Fest steht, dass wir über Prostitution zu wenig wissen. Es gilt, in die Forschung zu Rahmenbedingungen, Alltag und Akteuren zu investieren, um eine sachliche Auseinandersetzung zu befördern« (bdp, APuZ Nr. 9 /2013, Prostitution, S.2). Das Statistische Bundesamt (StBdA) veröffentlichte 2014 eine Dokument unter dem Titel »Zur Erfassung illegaler Aktivitäten im Bruttoinlandsprodukt«, das im Zusammenhang mit dem "internen Papier" stehen mag, auf dass sich der faz Autor Plickert beruft. Dort wird erläutert, dass das StBdA seine Zahlen aus einer Modellrechnung gewinnt. »Das Modell basiert auf häufig in der Literatur zu findenden Angaben zu den täglichen Nutzern von gewerblichen sexuellen Dienstleistungen, der Anzahl der weiblichen und männlichen Prostituierten, den unterschiedlichen Preisen und den unterschiedlichen Vorleistungsquoten (Sachaufwendungen). Dabei werden im Modell vier Prostitutionstypen (Bordell, Straßenprostitution, Hostessendienste, sonstige Prostitution) unterschieden, die sich in Bezug auf die Zahl der täglichen Kontakte, die üblichen Preise und die notwendigen Vorleistungen (Miete, Kondome etc.) unterscheiden.« ( https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten ... cationFile ). Ein Umgang mit Quellen, der diese nicht differenziert auf ihre Sachangemessenheit und Begründung / Fundierung prüft, führt zu sachfremden und unbegründeten Schlüssen. Ich bin überrascht, dass Sie diese Quelle an zentraler Stelle in ihrem Ratgeber zitieren, ohne deren Fundierung und sachliche Angemessenheit zu prüfen und deren Relevanz dementsprechend einzuordnen. Sie sollten, insbesondere als Ratgeber, der als solcher auch berufliche Vorteile lukrieren möchte, nicht einerseits sprachliche Genauigkeit pflegen und andererseits fragwürdige Quellen zitieren, ohne diese sachgerecht einzuordnen und deren Herkunft kenntlich zu machen. Sorry ... da haben ich mit meiner Kritik recht.


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Klaus Fricke,
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RE: Verfassungsklage in Vorbereitung – Appell zur Unterstütz

Beitrag von fraences »

Weihnachts-Spende für Verfassungsbeschwerde!
Publiziert am Dezember 20, 2016
- ‚Nein‘ zum Prostituiertenschutzgesetz! -

In sechs Monaten, am 1. Juli 2017, tritt das so genannte „Prostituiertenschutzgesetz“ in Kraft.

Wer dieses Gesetz gelesen hat, weiß, dass es die betroffenen Sexarbeiter/innen – entgegen den üblichen offiziellen Verlautbarungen – nicht schützt, sondern sie entmündigt, entrechtet und zu Menschen zweiter Klasse degradiert.

Mit dem neuen Gesetz wird das Prostitutionsgewerbe einer sowohl strafrechtlichen als auch gewerberechtlichen Reglementierung unterworfen. Eine derart diskriminierende Sonderbehandlung wird keinem anderen Wirtschaftszweig hierzulande zuteil. Sie steht im Widerspruch zum Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Grundgesetzes.

Es ist dieser Kontext, in dem auch die Grundrechte von Sexarbeiter/innen mit Füßen getreten werden. Zur Disposition gestellt werden

Art. 12 Grundgesetz („Freiheit der Berufswahl“)
Art. 13 Grundgesetz („Unverletzlichkeit der Wohnung“)
Art. 2 Grundgesetz („Allgemeines Persönlichkeitsrecht“) und
Art. 3 Grundgesetz („Gleichheit vor dem Gesetz“).


Zahlreiche Verbände und Vereinigungen haben während der parlamentarischen Beratung ihre grundlegenden Bedenken gegen dieses Gesetz öffentlich zum Ausdruck gebracht. Darunter die Deutsche Aidshilfe, der Deutsche Juristinnen-Bund, Amnesty International, die Deutsche STI Gesellschaft, die Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, die Fachberatungsstellen für Sexarbeiter/innen sowie die Organisationen der Betroffenen selbst.

Mit der Arroganz der Macht hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD jedoch wider alle Vernunft das umstrittene Gesetz beschlossen. Berechtigte Kritik wurde ignoriert und sämtlicher Rat in den Wind geschlagen.

Das lassen wir uns nicht bieten! Doña Carmen e.V. wird dafür Sorge tragen, dass gegen dieses Gesetz eine Verfassungsbeschwerde eingelegt wird. Zusammen mit den Betroffenen wollen wir eine entsprechende Klage auf den Weg bringen. Für diese Verfassungsbeschwerde und die notwendigen Aktivitäten einer breiten gesellschaftlichen Unterstützung dieses Vorhabens sammeln wir Spenden.

Wir bitten Sie / Dich um die finanzielle Unterstützung unserer Kampagne für eine Verfassungsbeschwerde! Jede einzelne Spende zählt!

Der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik, Richter am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, ist mit der Ausarbeitung der Klageschrift beauftragt. Ein ehrenamtlich tätiger Beirat begleitet diesen Prozess und achtet auf die sachgemäße Verwendung der gesammelten Gelder. Ihm gehören neben Sexarbeitern und Betreiber/innen von Prostitutions-Etablissements u.a. an: Prof. Dr. Ellen Bareiss von der Universität Mannheim, Prof. Dr. Margarete Tjaden-Steinhauer, emeritierte Professorin der Universität Kassel, padeluun, einer der Vorsitzenden des Datenschutzvereins Digitalcourage, sowie Percy McLean, Rechtsanwalt und seinerzeit Leitender Richter am Verwaltungsgericht Berlin.

Sorgen auch Sie dafür, dass hierzulande nicht – wie zuletzt 1939 – Sexarbeiter/innen wieder registriert und zentral überwacht werden!

Helfen Sie mit, dass soziale Ausgrenzung, Entmündigung und Denunziation nicht wieder – wie in den 50er Jahren – maßgeblich werden für den Umgang mit Sexualität und Prostitution!

Allen Menschen, die bisher schon für die geplante Verfassungsbeschwerde gespendet haben, gilt unser herzlicher Dank. Weiterhin gilt unser Appell:

Lassen Sie die betroffenen Sexarbeiter/innen nicht im Regen stehen! Unterstützen Sie unsere Verfassungsbeschwerde:

Spendenkonto für Verfassungsklage
gegen das ‚Prostituiertenschutzgesetz‘:

Doña Carmen e.V.
IBAN DE44 5005 0201 1245 8863 61
BIC HELADEF1822
Frankfurter Sparkasse

Ihr Team von Doña Carmen e.V.
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Beitrag von Kasharius »

Offenkundig ist wohl eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen Bestimmungen des Gesetzes geplant!?

Wozu genau der Beirat dient, ich wurde von Dona Carmen auch angefragt, ist mir nicht ganz klar. Den das die Spenden für die Honorierung des Kollegen Starostik dienen ist doch klar. Was also sollen die anderen den genau "überwachen". Konnte aus terminlichen Gründen nicht in Frankfurt dabei sein, sonst wüsste ich jetzt sicher mehr...mein Pech!

Aber grundsätzlich ist das alles sehr Unterstützenswert!!!

Kasharius grüßt solidarisch

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RE: Verfassungsklage in Vorbereitung – Appell zur Unterstütz

Beitrag von friederike »

Soweit ich Einblick habe, scheinen die Arbeiten sehr kompetent aufgesetzt zu sein. Dass ein solch hochkarätiger Beirat gewonnen werden konnte, finde ich absolut großartig.

Der Beirat wird sicher in der Lage sein, den beauftragten Anwalt Starostik beratend zu unterstützen. Ganz so einfach und routinemäßig wird diese Beschwerde nämlich nicht abzufassen sein.

Die Einbeziehung solcher prominenter Fachleute wird öffentlich verdeutlichen, dass es sich hier nicht um eine mehr oder weniger zwielichtige Randgruppe der Gesellschaft handelt, die ihre Partikularinteressen vertritt. Nach innen zeigt die Tatsache, dass sich solche Leute für unsere Sache engagieren, dass diese Beschwerde nicht abwegig und von vornherein aussichtslos ist.

Dies wird auch beim Bundesverfassungsgericht Eindruck machen, dürfen wir wenigstens hoffen.

Ich finde, es sollte ein Aufruf gemacht werden, die Ausgabe eines Besuchs (Kunden) oder die Einnahme eines Dates (Sexworkers) zu spenden, Betreiber sollten sich deutlich großzügig zeigen. Letztere könnten sich an den Anwaltskosten orientieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf sie zukommen, wenn die Behörden ihren Willkürspielraum nach ProstSchG ausschöpfen.

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Beitrag von Kasharius »

Ich finde die Idee von @Friederike hervorragend.

Und was den Beirat betrifft: WEnn ersich dann auch öffentlich, spätestens zum fertigen Entwurf äußert, gibt das dem Ganzen in der Tat noch einen gehörigen SChub....

Kasharius grüßt