
Stadt- und Landkreiskarte 1999
Sexwork und die deutschen Orte und Städte:
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5 Millionenstädte
80 Städte haben mehr als 100.000 Einwohner.
110 kreisfreie Städte
188 Städte haben mehr als 50.000 Einwohner.
325 Städte haben mehr als 35.000 Einwohner.
2.064 Städte haben Stadtrecht in Deutschland
3.156 verbandsfreie Gemeinden
11.253 Gemeinden
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35.000 oder 50.000 Einwohner ist die Grenze für Prostitutionserlaubnis je nach Bundesland und der jeweiligen
Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes für den Regierungsbezirk.
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(föderative Verwaltungsgliederung siehe Karte in Posting #1, Seite 1).
D.h.
Prostitution darf nur in 188 bis 325 Städten überhaupt stattfinden.
Alle anderen 10.928 bis 11.065 Gemeinden und 1.739 bis 1.876 kleineren Städte sind Sperrgebiet mit totalem Prostitutionsverbot so wie auch das umliegende Land, die Weiler, Höfe, Burgen und Wiesen...
D.h. nur in 1,6% bis 2,8% aller 11.253 Gemeinden oder nur in 9% bis 15% aller 2.064 Städte in Deutschland ist theoretisch die Prostitution nicht grundsätzlich verboten.
Das genaue Prostitutionsverbot beschreibt dann die Sperrgebietsverordnung der jeweiligen Stadt, wenn die Stadt eine solche beim Regierungspräsidenten genehmigt bekommen hat.
Nur Berlin (3,5 Mio. Einwohner), Rostock (200.000) und Schweinfurt (53.000) sind mir bekannt, dass sie KEINE Sperrgebietsverordnung haben.
Bei den restlichen 188 bis 322 Städten verkleinert die Sperrgebietsverordnung die tolerierte Stadtfläche, wo Sexworker arbeiten (wohnen) und ihre Kunden treffen dürfen.
So ist im Bundesland Hessen das Toleranzgebiet mindestens 10% der Stadtfläche groß wie z.B.
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12% in der Landeshauptstadt Wiesbaden. In Süddeutschland kann das aber viel weniger sein. Z.B.
3% in der Landeshauptstadt München oder nur
2% in Heidenheim a.d. Brenz.
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D.h. von nur 1,6-2,8% aller Gemeinden bzw. 9-15% aller Städte ist nur 2-12% des Stadtgebiets ein erlaubter Arbeitsplatz und legaler Treffpunkt für Sexworker und Prostitutionskunde.
Das macht nur 1,8 Promille bis 1,8% der gesamten Stadtfläche in Deutschland aus.
Neben dieser polizei-, ordnungs- bzw. strafrechtlichen Regel [Art. 297 EGStGB] gilt es noch die verwaltungs- bzw. baurechtlichen Regeln zu beachten:
Baunutzzungsverordnung (BauNVO) des Bundes und BauO bzw. LBO der Länder und die Bebauungspläne der jeweiligen Städte.
Verständlich dass solch extremst eingeschränkte Niederlassungsfreiheit präkarisierende Arbeitsbedingungen in nur wenigen monopolisierten Prostitutionsghettos zur Folge haben kann, wo dann per überhöhter Mietpreise Sexworker legal ausgebeutet werden können (Kapitalismus).
Verständlich auch dass selbst heute 10 Jahre nach Legalisierung der Prostitution dank Einführung des ProstG 2002
www.sexworker.at/prostg immer noch kein bundesweites Register, kein SW on-line Atlas oder Landkarten vorgelegt wurden von Behörden oder Prostitutierten-Sozialberatungsstellen, wo die möglichen Orte für legale Arbeitsplätze leicht verständlich dargesetellt sind. Die vielen und immer wieder neu hinzukommenden alleinselbständigen, teilweise nur clandestin nebenberuflichen Seworker, für die es bekanntlich keine Sexwork-Berufsausbildung gibt, und die zu ca. 60% Migrant_innen haben evt. Defizite bei Sprach-, Rechts- und Ortskenntnissen und viele SW müssen umherreisen (Sexworker sind bekanntlich Wanderarbeiter wie Künstler, Schausteller und Handlunsreisende). Da wäre so eine öffentlich leicht erreichbare Karte sehr hilfreich, wenn nicht sogar Grundvoraussetzung und Überlebensnotwendigkeit, um nicht in Abhängigkeiten oder gar die Hände anderer zu fallen, wogegen sich Öffentlichkeit und Politik vorgeblich stark einsetzen.
Aber so ein Karte wäre wohl zu entlarvend, würde sie doch deutlich zeigen, wie diskriminierend die derzeitige Situation immer noch ist und dass vom Grundrecht Art 12 Abs. 1 GG für Sexworker nicht viel übrig bleibt:
- (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Geht man davon aus, dass von 357.093 km² Fläche von Deutschland 7,74% oder 27.634 km² bebaute Fläche im Siedlunsgebiet (der Städte) ist, so verkleinert sich diese mit den oben genannten 0,18%...1,8% aufgrund von Sperrgebietsverordnungen der Regierungsbezirke für die Kommunen plus Sperrgebietsverordnungen der Kommunen bezüglich ihrer Stadtfläche und Straßen auf 28...553 km² für die geschätzten 200.000...400.000 Sexworker in Deutschland (2...5 Promille der Bevölkerung). Das ergibt
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= 362...14.475 Sexworker/km² oder
= 70... 2.763 m²/Sexworker.
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D.h. in den wenigen und i.A. winzigen Toleranzzonen wohnt oder steht alle 9...60 Meter ein Sexworker bzw. befindet sich ein Sexarbeitsplatz.
Wir werden nicht umhinkommen, uns diese Daten noch genauer anzuschauen um die großen Unsicherheitsintervalle weiter einzugrenzen, und dazu alle Verordnungen und Pläne der 188-325 Städte und 22 Regierungsbezirke selbst zusammenzustellen. Ich denke das ist eine lohnende Gemeinschaftsaufgabe für Sexworker die viel reisen und legal und sicher arbeiten wollen.
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In obiger Abschätzung mußte mangels mir bekannter öffentlicher Daten der sog. MAUP-Fehler hingenommen werden, der seit 1934 bekannt ist (modifiable areal unit problem). Es wird vereinfachend einmal mit Prozenten der Städtezahl und einmal mit Flächenprozenten gerechnet ohne daß die genauen Verteilungen der Grundgesamtheiten getestet werden konnte.
Daher wünsche ich mir, dass Sexworker in Zukunft auch von Wissenschaftlern unterstützt werden, die solchen stadtsoziokulturellen Fragestellungen ihre Forschungsprojekte oder akademischen Abschlußarbeiten widmen. Statt dass nur versucht wird die Menschen in der Prostitution zu
beforschen, müssen zunächst einmal die Verhältnisse verstanden werden können. Dann wird man auch die Menschen, uns Sexworker und unsere 'freien' Wahlentscheidungen unter den jeweiligen strukturellen Verhältnissen besser verstehen können.