Phasenmodell Prostitution
aus Sicht der Prostitutionsgegner
bzw. in einem kriminalisierten Umfeld ohne Unterstützung
(self-fulfilling prophecy)
so z.B. von Sozialarbeiterin Sabine Constable vom Stadtgesundheitsamt Stuttgart, die in der Beratungsstelle La Strada der rom.-katholischen Caritas für Frauen auf dem Straßenstrich, Drogengebraucherinnen und Migrantinnen arbeitet:
www.caritas-stuttgart.de/64011.html
Ihr Beitrag bei der letzten Maischberger-Sendung:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=112039#112039
Bei Prostituierten gebe es 3 Phasen:- Anfang: es geht ihnen schlecht; sie entwickeln Überlebensstrategien.
[Anmerkung: Damit können nur Einsteiger_innen aus Notlagen d.h. wieder Willen gemeint sein. Selbstverständlich müssen in einem neuen Tätigkeitsfeld neue Handlungsstrategien erlernt werden. Diese jedoch demagogisch als Überlebensstrategien zu bezeichnen zeigt die ideoloische Voreingenommenheit und Prostitutionsgegnerschaft. Hier wird eine reife Frau dokumentiert, die trotz anfänglicher Vorbehalte positiv über ihre Arbeit resümieren kann, weil sie sich sichere Arbeitsverhältnisse und wirtschaftlichen Erfolg erarbeiten konnte.]
- Mitte: sie haben Überlebensstrategien entwickelt, manche treten damit selbstbewußt nach aussen auf.
[Phase erfolgreicher oder professioneller Sexarbeit. Optimale Performance nach erfolgreicher Einarbeitungsphase.]
- Ende: die Überlebensstrategien greifen nicht mehr, es geht ihnen offensichtlich schlecht: Depressionen, Suchtverhalten, Suizidalität usw... oder Karriere als Madam / Zuhälterin (s.u.).
[Der rechtzeitige Zeitpunkt zum Berufswechsel wurde offensichtlich verpasst [Falle], berufsbegleitende Zusatzqualifikationen für einen späteren Wechsel sind für Sexworker bekanntlich nicht vorgesehen und Karriere als Madam ist wegen dem Zuhältereiverdikt tabu. Ex-Sexworker einstellen will bekanntlich kein Arbeitgeber, sobald er davon erfährt. Insbesondere entstehen Probleme bei Vollerwerbs-Sexworkern, wenn diese von der Gesellschaft alleingelassenen oder verstoßenen, alleinselbständigen Sexabeiterin sich nicht selbst um Fortbildung und sozial-berufliche Inklusion aktiv gekümmert haben.
Typische Probleme der Prostitution, die von Anfang an falsch liefen (fehlende Einstiegshilfen oder Sexworker Akademie) oder im Laufe der erfolgreichen Jahre nicht gelöst werden konnten, weil keine Prostitution gefördert werden soll und viele Prostituierte wie im Rausch zu leichtsinnig leben, treten erst später auf. Sie machen sich jedoch bereits viel früher bemerkbar als das normale Renteneintrittsalter.
Das eigentliche Prostitutions-Problem ist also die teilweise vom Markt vorgegebene viel frühere Arbeits- und Berufsunfähigkeit als Prostituierte im Vergleich zu "normalen" Berrufen, die z.B. in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen meist bis zum Rentenalter ihre Person ernähren.
Zu den typischen Problemen der (vielfach informellen) Prostitution gehören die Steuerhinterziehungsfalle, die Stigmatisierungsfalle wg. Doppelleben, Isolation, Partnerproblemen, SWBO, Zwangsouting, Stalking, Gewalt und Haßtaten gegen vulnerable Sexworker etc. Das ist die allgemeine sog. "Falle Prostitution" der marginalisierten und stigmatisierten Gruppe der Sexworker. Ferner die Infizierungs- oder Gesundheits- und Versicherungsfalle d.h. Krankheit (STD weil kein Safer Sex) oder Unfall in Verbindung mit fehlendem Versicherungsschutz und keine oder unzureichende Altersvorsorge (es gibt keine Sexworker-Künstler-Sozialversicherung). Und zuletzt die Kriminalisierungsfalle bei Probleme mit Werbeverbot, Sperrgebietsverordnungen, Baurecht, Menschenhandelsparagraphen, korrupter Polizei, Razzia... etc. Und zuletzt natürlich auch die Betrugs- und Gewaltfalle d.h. im Milieu getäuscht, manipuliert, abgezockt, betrogen, bedroht, verletzt, vergewaltigt, verschleppt oder versklavt zu werden. Es ist ein Hohn und die völlige Verdrängung der Realität seitens der Prostitutionsgegner, auf diese massive Problemsituation von Sexarbeitern zu formulieren "Überlebensstrategien greifen nicht mehr".]
Prostituierte in Phase 1. und 3. treten nicht nach aussen auf, so verzerrt sich das Bild in der Öffentlichkeit / den Medien!
[Andererseits sehen die Beratungsstellen nur die gescheiterten Fälle und Opfer. Die soziale Institution der Ehe wird auch keine bewerten wollen anhand der Geschichten, die im Frauenhaus erzählt werden. Genauso ist es mit dem sozialen Konnexinstitut der Prostitution.]
Die Phasen sind individuell unterschiedlich lang.
Nur wenige leben lange in Phase zwei. 20-30 Jahre „unbeschadetes“ Leben als Prostituierte kommen vor, wenn auch selten.
[Das zeigt wie jugendfixiert die Branche ist analog etwa zum Leistungssport bzw. wie hoch die Herausforderungen sind sich in diesem nur teilweise entkriminalisierten Feld nachhaltig als Solounternehmer_in zu behaupten.]
hedwig-v-knorre.de hat geschrieben:Die Überlebensstrategien seien nie gesund; es handele sich um innere Abspaltungen u.ä. psychische Mechanismen, wie sie aus der Traumaforschung bekannt sind.
[Es gilt besondere Techniken zu lernen, um als Sexworker die privaten Befindlichkeiten der Klienten nicht persönlich an sich heranzulassen. Das sind die professionellen Abgrenzungskompetenzen die auch in anderen Berufen wie etwa denen des Therapeuten gefordert sind. Ferner muß man es lernen (denn es wird ja nicht gelehrt), die Kontrolle der Situation zu behalten auch für die selten auftretenden Extremsituationen bei besonderen Begegnungen oder Kundenwünschen. Die Prostituionsgegner unterstellen jedoch grundsätzlich sexuellen Mißbrauch auch bei der freiwilligen Sexdienstleistung, weil sie wegen dem Geld- oder Zahlungsverkehr den Sexworker in einer passiv ausgewählten männlich dominierten Position denken (framing) und uns Sexworkern jede Handlunskompetenz, Kundenauswahl-Kompetenz, Lustmomente, Kundenentgegenkommen, Harmonie der Situation und Geschäfts-Partnerlichkeit der Situation auf Augenhöhe zwischen volljährigen Erwachsenen und freien und selbstbestimmten Marktteilnehmern absprechen.]
Frauen in Phase 2 wollen selbstverständlich nicht als „schwache Opfer“ wahrgenommen werden, da sie sich gerade stark und ihrer Lebensweise gewachsen fühlen. Sie entwickeln und pflegen ein Welt-, Menschen- und Selbstbild, mit dem sie in der Prostitution überleben können.
[Auch Sozialarbeiter wollen sich nicht definieren lassen als deviante oder kindlich vernachlässigte Menschen, die nur ihr Helfersyndrom zum Job gemacht haben.]
Vielen in der Kindheit missbrauchte Frauen –Missbrauchsopfer- hat dieser Missbrauch die Richtung für ihre Leben gewiesen: sie gehen in die Prostitution, doch das ändert nichts zum Guten. Diese haben während der Missbrauchszeit längst o.g. Überlebensstrategien entwickelt.
[Dass Sexwoker häufiger Mißbrauchserfahrungen hätten als die Durchschnittsbevölkerung oder Nichtsexworker ist wissenschaftlich sauber über mehrere Studien (Metastudie) bisher m.E. nie wirklich nachgewiesen worden. Es ist eine reine Propagandabehauptung oder Projektion.]
„Unbedarfte“ dagegen, die wegen Armut o.ä. mit der Prostitution anfangen, müssen diese Strategien erst entwickeln und haben es damit schwerer. Doch für beide Gruppen halten diese kranken, krank machenden Strategien nicht „ewig“.
[Deshalb ist es so wichtig seine seelische Gesundheit im Auge zu haben und z.B. selbstzerstörerische Motive zum Einstig in die Sexarbeit aufzuarbeiten (Coaching, Supervision, Fortbildung). Ferner ist es überlebensnotwendig für nachhaltige, d.h. langfristige Sexarbeit, sein Sexbiz legal organisiert zu bekommen. Outing bei Finanzamt, Versicherungen, Vermieter, Partner, Freunden... Das schaffen sehr viele Sexarbeiter_innen nicht.]
Manche Prostituierte werden später zu Zuhälterinnen (z.B. Hydra). Diese sind oft härter als männliche Zuhälter! Sie sind entscheidend an den Gesetzen von 2002 beteiligt; sie „haben das Gesetz für sich durch gekriegt“: sie wollen Geld verdienen, indem sie die WARE SEX verkaufen, DAS ist ihr Interesse! Sie sind kein Sozialunternehmen! Sie tun so, als seien sie auf der „anderen Seite“ (der Seite der Frauen), sind es aber nicht!
Quelle:
www.hedwig-v-knorre.de/lebensthemen/gewalt/prostitution
[eingeschobene Kommentare von mir]
Da ist wie immer auch was Wares dran, aber es ist durch die einseitige Brille der Prostitutionsgegnerschaft gesehen und verzerrt und auf nicht empirisch beweisbaren Thesen beruhend wie z.B. frühkindlicher Mißbrauchserfahrung. Aus dieser Grundhaltung folgt dann auch, dass Selbsthilfevereine wie Hydra e.V.
www.hydra-berlin.de als Lobby der späteren Madams oder Zuhälter herabgewertet werden und sogar das ganze Reformprojekt Prostitutionsgesetz von 2002
www.sexworker.at/prostg abgelehnt wird. Zum Glück ist diese Postition in Deutschland bisher nicht mehrheitsfähig.
Hinzu kommt, dass man die selben oft tragischen Schicksaale und Lebensverläufe auch anders bewerten kann, allein durch verändertes Framing von Prostituiton als Sexarbeit, das bekannlich in einem nach wie vor teilweise kriminalisierten und hochgradig stigmatisierten Rahmen stattfindet.
- Da es keine Ausbilung und berufsbegleitende Erwachsenenfortbildung gibt, muß der Einstig zwansläufig für einige schwer und hart sein d.h. mit besonderem "Lehrgeld" (trial and error) bezahlt werden (learning by doing heißt für Sexworker nunmal auf der Straße oder in den Armen der Freier). Viele späteren Probleme werden beim Start gesetzt, weil keine rundherum legale Arbeitsweise aufgebaut werden konnte.
- Da der Sexmarkt jugendfixiert und stets Abwechselung wünschend ist (Frischfleisch) und die Kunden-Nachfrage dominiert und es keinen Marktschutz für Anbieter_innen gibt, handelt es sich um einen Markt mit extremer Konkurrenz und frühkapitalister Ausprägung. Es gibt Wanderarbeiter_innen und das Tagelöhner-Prinzip (Kobern). Sexarbeiter_innen ist gesellschaftliche Akzeptanz und soziale Einbindung wie etwa durch die Institutionen Künstlersozialversicherung, Berufsgenossenschaft, Gewerkschaft... vorenthalten.
- Da es nach wie vor das aus dem Sexualitätstabu und daraus resultierendem Prostitutionstabu das daraus resultierende Zuhältereitabu gibt, kann es auch keine gute Ausbildung in Sexwork-Meisterbetrieben geben, wo ältere Sexworker eine angesehene Karriere als Sexworker-Meister machen könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass schlechte Verhältnisse durch selbsternannte Madams oder Zuhälter entstehen, erscheint daher geradezu vorgezeichnet durch die gesellschaftlich vorgegebenen Rahmenbedingungen.
- Ganz wesentlicher Grund warum viele Sexworker relativ schnell scheitern ist, weil sie im informellen oder gar kriminellen Sektor als Geschäftsfrau überfordert sind (Zwang zur Alleinselbstänigkeit, Zwang zu Isolation und Doppelleben). Sobald die sexuelle Magie nachläßt, mit der Sexarbeit ein Selbstläufer ist und sich "verkauft wie geschnitten Brot", treten Probleme auf. Gerade aber diese Unternehmer_innen-Kompetenzen wie nachhaltiges Marketing, Kundenpflege, Steuern und Versicherungen, Altersvorsorge, regelmäßigge Geschäftsinnovation und Rationalisierung, Selbstmanagement etc. benötigen Ausbildung, ständige Fortbildung d.h. ein professionelles berufliches Umfeld wo diese Dinge vorgezeichnet sind und nicht von jeder Sexarbeiterin gefunden, erkämpft bzw. selbst neu erfunden werden müssen.
Wenn eine helfend eingestellte Person keinen gesellschaftlichen Rahmen für Sozialarbeit hätte, sich also alle benötigten Hilfsgelder und Mittel erst selbst auf der Straße erbetteln müßte für ihre gutgemeinten Einsätze und ebenso das tun müßte für ihr eigenes Gehalt und ihre Rente, dann würden viele Sozialarbeiter_innen höchstwahrscheinlich genauso in einem 3-Phasen-Modell scheitern bzw. verheizt werden wie es Prostitutionsgegner bei Sexworkern wahrnehmen.
Die grundsätzliche Kontroverse bei der Ursachenzuschreibung, ob es Sex gegen Geld ist oder ob es die Stigmatisierung und Kriminalisierung ist, kann nicht formal theoretisch entschieden werden, sondern nur sozialwissenschaftlich empirisch untersucht werden (Falsifikation). Da aber jede Forschung in einem politischen Feld stattfindet (Finanzierung, Auswahl der Forscher und Ziele), welches seinerseits wiederum ideoloisch geformt wird, ist der wissenschaftliche Fortschritt in unserem Sektor Sexwork bisher recht bescheiden. Das wird sich erst ändern, wenn Ex-Sexworker selbst Forschung betreiben wie z.B. Dr. Belle de Jour in England oder solche Netzwerke wie
www.plri.org und Reseach 4 Sexwork
www.nswp.org/research-sex-work .
Leider entstehen durch Falschinformation und Propaganda die Teufelskreise der prostitutionsfeindlichen Argumentationsketten: Sexarbeit wird verachtet und in Folge aus der Gesellschaft rausgedrängt. Wenn dann die Branche und Betroffenen strauchelt wird gesagt, seht her wußten wir doch dass Prostitution schlecht ist. Was aber ist das für eine naive und scheinheilige Doppelmoral.
Das perverseste an der ganzen Angelegenheit ist, dass eine
Prostitutionsgegnerin Leiterin oder Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation für Prostituierte sein kann. Aber möglicherweise ist genau das der ganze Sinn von römisch-katholischer Hilfe für Prostituierte.
Hier eine weitere längere Auseinandersetzung und Entgegnung mit den fragwürdigen Positionen von Sabine Constabel (altfranzösich für
Gesetzeshüter)
"Wann Prostitution zur Falle wird":
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=70961#70961
Und zum Schluß möchte ich es nicht versäumen diesem vereinfachten und demagogisch verkürzten 3-Phasen-Modell ein
differenzierteres Phasenmodell von Sexwork-Karriere und Huren Karriere Management (HKM) entgegen zu halten:

vergrößern
.