Genitaltraktinfektionen/sexuell übertragbare Krankheiten IX

Hier soll eine kleine Datenbank entstehen, die sich vornehmlich mit über den Geschlechtsverkehr übertragbaren Krankheiten und dem Schutz vor ihnen beschäftigt
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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

In welchem Land bzw. welcher Stadt bist Du tätig?

Liebe Grüße

christian

Als Nachsatz gedacht: Da es sich bei der Infektion mit dem Kondyloma-Virus um eine Schmierinfektion handelt, muss sie nicht zwingend durch "Ohne-Service" entstanden sein.

Eddy
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HPV-Impfung ?

Beitrag von Eddy »



Hallo,

es geht hier in diesem Thread in letzter Zeit offensichtlich schwerpunktmäßig um das Thema HPV.

Wer sich für das Thema HPV bzw. HPV-Impfung im Kontext von Sexarbeit interessiert, hier ist ein Link auf eine Abhandlung zu diesem Thema:

http://freepdfhosting.com/76654add31.pdf

Eddy



P.S.: Sollte der Link aus irgendwelchen Gründen nicht funktionieren, hier ist die URL zum Eintippen oder Einkopieren:

http://freepdfhosting.com/76654add31.pdf

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Aoife
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RE: Genitaltraktinfektionen/sexuell übertragbare Krankheiten

Beitrag von Aoife »

Hallo Eddy,

vielen Dank für dein link!

Woher stammt das paper, aus welchen Quellen wurde es finanziert?

Liebe Grüße, Aoife
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RE: Genitaltraktinfektionen/sexuell übertragbare Krankheiten

Beitrag von Eddy »

Hallo Aoife,

es handelt sich um ein rein privat erstelltes Papier ohne institutionelle Bindung und ohne Finanzierung, also völlig unabhängig. Dahinter steht nur der hohe Respekt des Autors vor Sexarbeiterinnen - jedenfalls denen, die er persönlich näher kennenlernte - und Sorge um die Risiken, die sie eingehen.

Mit Rücksicht auf Vorgesetzte und Arbeitgeber des Autors, die dem Thema nicht so positiv zugeneigt sind, kann die Arbeit nur anonym erscheinen.

Ursprünglich war nur vorgesehen, die Arbeit einigen Entscheidungsträgern in Fachkreisen zur Verfügung zu stellen. Nach den neuen Daten, die auf dem Internationalen HPV-Kongress Ende September 2011 in Berlin vorgestellt wurden, ist es allerdings nicht mehr zu vertreten, die Arbeit der Öffentlichkeit vorzuenthalten.

Eddy

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HPV-Impfung für Sexarbeiterinnen? (Link)

Beitrag von Eddy »

Ich hatte diesen Link gestern schon im Oralsex-Thread gepostet, aber an dieser Stelle ist er bei Interesse oder Bedarf einfach schneller wiederzufinden:

http://freepdfhosting.com/76654add31.pdf

Eddy

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Marc of Frankfurt
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Coming-out einer Forscherin/Whistle blower

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Lead Developer Of HPV Vaccines Dr. Diane Harper Comes Clean, Warns Parents & Young Girls It’s All A Giant Deadly Scam

HPV Impfung nur eine Abzockmasche?

http://www.thedailysheeple.com/lead-dev ... cam_012014



Was ist davon zu halten?

Ist das berechtigte Kritik an Big-Pharma oder Propaganda von fundamentalistischen Impfgegnern?

Eddy
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RE: Genitaltraktinfektionen/sexuell übertragbare Kr. IX

Beitrag von Eddy »

Dass die Impfung eine Abzockmasche ist, kann man meines Erachtens auf jeden Fall behaupten (einmal völlig unabhängig von der Frage der Wirksamkeit und Risiken), allein schon aufgrund der Preisgestaltung, die inzwischen selbst in Fachartikeln und vom Nobelpreisträger Prof. Harald zur Hausen kritisiert wird.


Was die schweren Nebenwirkungen und Todesfälle betrifft, gehen die Meinungen weit auseinander. Da scheint in absehbarer Zeit auch keine Klarheit reinzukommen. Immerhin konnte im Zusammenhang mit Narkolepsie-Fällen nach Grippeimpfungen gezeigt werden, dass diese mit bestimmten seltenen genetischen Polymorphismen in Zusammenhang stehen. Ursache dieser schweren Nebenwirkungen im Falle der Grippeimpfungen ist das Impfantigen selbst und nicht der Wirkverstärker (Adjuvantien).

Es ist natürlich denkbar, dass Ähnliches auch für die seltenen schweren Nebenwirkungen gilt, die auf die HPV-Impfung zurückgeführt werden. Die Vision wäre dann, einen Gentest zu entwickeln, der die wenigen Menschen, die die Impfung nicht vertragen werden, herausfiltert ... was die Kosten weiter in die Höhe treiben würde. In Sachen Influenza-Impfung ist sowas jedenfalls schon angedacht ...


Auch wenn die Zusammenhänge zwischen schweren Nebenwirkungen und Impfung noch immer sehr umstritten sind, sehe ich es so, dass diejenigen, die nach der ersten Impfung außergewöhnliche Effekte verspüren, die über die lokalen Reizungen an der Einstichstelle, eine vorübergehende leichte Abgeschlagenheit oder leichtes Fieber hinausgehen und eine mehr spezifische Symptomatik zeigen (vor allem neurologische Symptome), vorsichtshalber (!) auf die weiteren Impfdosen verzichten sollten.

Einzelne Kasuistiken von vermeintlich/strittig schweren Nebenwirkungen nach HPV-Impfung sind nämlich dadurch charakterisiert, dass nach der ersten Impfdosis schon über das normale Maß hinausgehende Auffälligkeiten auftraten, die nicht so schlimm waren, dass man auf die weiteren Impfungen verzichtete, und dann nach der 2. oder 3. Impfung dann zu den schweren Nebenwirkungen eskalierten.

Dies sehe ich zwar als reine Vorsichtsmaßnahme und entspricht nicht der "offiziellen" Meinung, nach der die Assoziation zwischen den behaupteten Impffolgen und der Impfung zufällig seien, aber wenn ich geimpft würde oder meine Kinder, würde ich so vorgehen und schauen, wie die erste Impfdosis vertragen wird.

Wie gesagt, Reaktionen an der Impfstelle, vorübergehende leichte Abgeschlagenheit/Müdigkeit/Muskelschmerzen/Fieber sind hinnehmbar, wenn sie bald wieder verschwinden, aber bei neurologischen Symptomen (auch vorübergehend), schweren Durchfällen, anhaltenden allgemeinen Symptomen und dergleichen wäre ich mit weiteren Impfdosen rein vorsichtshalber zurückhaltend und würde auch meine Kinder davon abhalten ... ohne Beweis der Kausalität, nur als reine Vorsichtsmaßnahme.

Die eine verabreichte Impfdosis wäre nicht ganz sinnlos - wie man festgestellt hat, bietet schon eine Impfdosis einen gewissen Schutz, der aber wohl nicht so lange anhalten wird wie drei Impfdosen ...


In dem Beitrag wurde die Gardasil-Impfung angesprochen und dass die vielleicht nur 15 Jahre wirkt ...

Das ist wirklich ein Problem. Man weiß zur Zeit nicht, wie lange die Impfungen wirken und ob ggf. irgendwann eine einmalige Auffrischung erforderlich wird, um den Impfschutz aufrecht zu erhalten. Das Problem ist, dass Gardasil von vornherein zu deutlich niedrigen Antikörpertitern führt als Cervarix. Dies lässt die Vermutung aufkommen, dass die Wirksamkeit von Gardasil schneller nachlassen könnte (vor allem gegen HPV-18). Cervarix scheint insoweit besser aufgestellt, bietet aber keinen Schutz gegen Genitalwarzen.

Es gibt aber auch Hinweise, dass Kontakt mit HPV-Viren den Impfeffekt verstärkt (also "boostert") und damit die Wirksamkeit verlängert oder gar mit der Zeit noch ansteigen lässt. Gerade SWs, die sich haben rechtzeitig impfen lassen, könnten daher von der Impfung mehr profitieren als die Allgemeinbevölkerung, da sie - unvermeidbar, trotz Kondom - immer wieder mit HPV in Kontakt geraten werden ... jedenfalls deutet eine Studie aus Peru genau das an.


Trotz der Nachteile von Gardasil (niedrigere Antikörpertiter und daher ggf. kürzer anhaltender Impfschutz bzw. eher notwendige Auffrischungsimpfung) ist gerade der mit diesem Impfstoff verbundene Schutz vor Genitalwarzen durchaus interessant besonders für SW, wenn man z.B. oben den Beitrag von Lisa24 liest, wobei ein guter Schutz gegen Genitalwarzen allerdings nur dann erreicht wird, wenn die Impfung in der Jugend - vor dem ersten Sex - erfolgt. Wenn die Warzen erst da sind, ist es sowieso zu spät.

In Australien, wo ca. 80 % der Mädchen mit Gardasil geimpft wurden, sind Genitalwarzen in der jungen Generation schon fast ausgestorben - selbst bei den Jungs und jungen Männern, obwohl die gar nicht geimpft wurden. Man nennt das Herdenimmunität - sie hatten einfach keine Gelegenheit, sich anzustecken. Betrachtet man die Genitalwarzen, ist die Gardasil-Impfung in Australien eine große Erfolgsstory, und Genitalwarzen sind in der jungen Generation zu einer aussterbenden Krankheit geworden.

Nun sind Genitalwarzen nicht lebensbedrohend und das Ziel ist ja eigentlich der Schutz vor Gebärmutterhalskrebs. Und dafür reicht die Zeit eben noch nicht aus, um statistische Effekte zu sehen, ob der Gebärmutterhalskrebs dank der Impfung zurückgeht, weil er sich nur sehr langsam entwickelt. Der Erfolg bei den Genitalwarzen lässt aber die Hoffnung aufkommen, dass auch gegen HPV-bedingten Krebs entsprechende Erfolge erzielbar sind.

Richtig ist wiederum, dass die HPV-Impfung kontraproduktiv ist, wenn die Frauen dann nicht mehr zur Krebsvorsorge gehen. Sie kann - auch im optimalen Fall, d.h. rechtzeitige Impfung - nur einen Teil der HPV-bedingten Genitalkrebse verhindern. Wer meint, er brauche dank Impfung nicht mehr zur Vorsorge, irrt und gerät unter erhöhtes Risiko.


Nichts destotrotz: die derzeit verfügbaren Impfstoffe sind weit vom Optimum entfernt; bessere sind in Entwicklung.

Die derzeitigen Impfstoffe schützen nicht gegen alle krebserregenden HPV-Typen;
daher müssen auch Geimpfte unbedingt weiter an der Krebsvorsorge gegen Gebärmutterhalskrebs teilnehmen;

Personen, die die Impfung nicht vertragen (wenn auch sehr selten), sind im Vorfeld nicht herauszufiltern;

Impfdosis bei uns viel zu teuer;

der Impfstoff, der höhere Antikörpertiter und damit vermutlich längere Wirksamkeit produziert, schützt nicht vor Genitalwarzen.

...


Da gibt es also noch eine Menge Optimierungspotenzial!


Eddy

Eddy
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RE: Genitaltraktinfektionen/sexuell übertragbare Kr. IX

Beitrag von Eddy »

Des Weiteren wird in dem oben gezeigten Link, der hier zur Diskussion gestellt wurde, behauptet, die Wirkung der Impfung sei überschätzt worden bzw. nicht so ausgeprägt wie versprochen.


Das lässt sich pauschal so nicht beantworten; es kommt darauf an, was wer wann konkret versprochen hat, bzw. wie diese Botschaft aufgenommen (oder missverstanden?) wurde.


Zunächst einmal vorweg:

Da sich der Link konkret auf Gardasil bezieht, muss man streng zwischen der Wirkung der Impfung gegen Genitalwarzen einerseits und Gebärmutterhalskrebs sowie anderen HPV-bedingten Genitalkrebsen andererseits unterscheiden.

Genitalwarzen sind kein Krebs und aus ihnen entsteht normalerweise auch kein Krebs. Sie entstehen schnell (vgl. oben Beitrag von Lisa24), und daher lässt sich – wie am Beispiel Australien, inzwischen aber auch verschiedener Länder in Europa mit hohen Impfquoten deutlich wird – auch schon binnen weniger Jahre plausibel und statistisch korrekt nachweisen, dass der Vierfachimpfstoff hervorragend vor Genitalwarzen schützt – jedenfalls wenn er rechtzeitig verabreicht wurde (Mädchen), und jedenfalls in den ersten Jahren nach seiner Verabreichung.

Ob der Schutz 15 Jahre oder lebenslang anhält, ist noch offen. Wenn der Schutz nachlässt, müsste durch eine einzelne Impfdosis noch mal geboostert werden – was ja nichts Ungewöhnliches und bei vielen Impfungen erforderlich ist. Auch das wäre dann als solches kein Kritikpunkt an der Impfung, sondern eigentlich „normal“ - wäre also eigentlich kein Problem, wenn nicht die hohen Kosten wären und die Diskussion um schwere Nebenwirkungen in seltenen Einzelfällen.

Und selbst wenn die Boosterimpfung vergessen würde, hätte man jedenfalls in Australien weiterhin einen bleibenden Schutzeffekt: Durch die hohen Impfraten der Erstimmunisierung sind die Genitalwarzen (und damit HPV-6 und HPV-11) in der Impfgeneration und den nachwachsenden Generationen so selten geworden, dass selbst bei nachlassender Wirkung des Impfstoffs einige oder viele Jahre nach der Impfung die Ansteckungsrisiken allein schon deshalb gering bleiben, weil die Verbreitung von HPV-6 und HPV-11 in den als Sexpartner infrage kommenden Altersgruppen der Bevölkerung stark abgenommen hat (Stichwort „Herdenimmunität“).


So ist das bei Genitalwarzen – aber beim Krebs ist das ganz anders. HPV-bedingte Krebse, ob am Gebärmutterhals, im Rachen oder anal, benötigen viele Jahre, meist mehr als ein Jahrzehnt, zwischen Infektion und entdeckbarem Krebs. Bei einer Impfung, die jetzt vor 7 Jahren eingeführt wurde, ist es also noch viel zu früh, um statistisch gesichert sagen zu können, wie viel Prozent der eigentlich zu erwartenden Krebsfälle durch die Impfung vermieden werden konnten. Man braucht also längere Beobachtungszeiten. 15 bis 20 Jahre wird ein realistischer Zeitraum sein, bis man verlässliche und gut abgesicherte Daten hat und einigermaßen einen Prozentsatz nennen können wird, wie viel „richtiger Krebs“ (und nicht nur irgendwelche Vorläuferstadien, die mehr oder weniger häufig wieder von selbst ausheilen) wirklich bei rechtzeitiger Impfung (Mädchen) vermieden werden kann – und wie viel Prozent auch noch bei verspäteter Impfung (nach Aufnahme sexueller Aktivität bzw. Impfung im jungen Erwachsenenalter) vermieden wird.

Warum dauert das so lange, bis man verlässliche Daten zur Krebsprävention haben wird?

HPV-Infektionen und auch die ersten Dysplasien finden sich meist schon kurze Zeit nach Aufnahme sexueller Aktivität, jedenfalls bei Ungeimpften. Das ist ein normales Durchgangsstadium der sexuellen Entwicklung, und die meisten Infektionen und Dysplasien heilen wieder von selbst, unter Wirkung der körpereigenen Abwehr, ab. Erst ab etwa 30 Jahre verschlechtern sich die Chancen, eine HPV-Infektion oder Dysplasie zu überwinden. Das Risiko persistierender Infektionen wird größer, das Risiko, dass daraus eine Dysplasie wird, dass die Dysplasie nicht mehr spontan abheilt, und dass sie schließlich weiter fortschreitet – bis hin zum Krebs. Ob das mit einer altersbedingten Abwehrschwäche, einer nachlassenden Immunität nach den ersten Kontakten mit HPV viele Jahre zuvor, oder einer Selektion von besonders empfänglichen Personen aufgrund genetischer Faktoren oder Verhaltensweisen (Rauchen) zusammen hängt, sei hier mal dahingestellt. Genetische Polymorphismen spielen auf jeden Fall eine gewisse (große?) Rolle.

Demgemäß sind Gebärmutterhalskrebserkrankungen bei Frauen zwischen 20 und 24 Jahren zwar möglich, aber sehr selten. Zwischen 25 und 30 Jahren kommt es dann zu einem ersten Anstieg auf ein noch immer recht niedriges Niveau, das dann bis ca. 35 Jahre gehalten wird; danach geht es dann „richtig los“. Soweit jedenfalls die Daten aktueller Krebsregister in Deutschland.

Die Schutzwirkung der Impfung vor Gebärmutterhalskrebs wird man also erst richtig abschätzen können, wenn die Generation der Mädchen, die rechtzeitig (!) geimpft worden ist, die Altersgruppe jenseits der 30 erreicht hat … Es ist also einiges an Geduld vonnöten.

Diese langen Beobachtungszeiten, die erforderlich sind, bis man den Schutzeffekt sauber beziffern kann, liegen aber in der Natur der Sache, das kann man auch den Herstellern nicht anlasten. Das haben Impfungen, die präventiv gegen Krebs schützen sollen, so an sich, weil sich Krebs eben (glücklicherweise) meist langsam entwickelt (Krebse, die sich schneller entwickeln, wie Bauchspeicheldrüse oder Lunge, haben viel schlechtere Überlebenschancen).

Weitere Krebsimpfungen haben in Tierversuchen kürzlich Erfolge gezeigt. In China gelang es, Nagetiere durch einen mRNA-basierten Impfstoff komplett vor der Neuentstehung von Prostatakarzinomen zu schützen (hat nichts mit Viren zu tun).

Weiterhin wurde festgestellt, dass das menschliche Genom alte Retroviren (also so etwas Ähnliches wie HIV) enthält, was da vor langer Zeit mal ins Genom eingebaut wurde und völlig schadlos vor sich hin schlummert, ohne irgend eine Bedeutung zu haben – eine Art überflüssiger Genmüll, der nichts nutzt und nicht schadet, also eigentlich keine Rolle spielt. Es ist wirklich so: unser Genom gleicht einer großen Mülltonne oder einem Büro mit endlos vielen Akten, von denen die meisten nicht mehr gebraucht werden, und die zum Teil dorthin gekommen sind, obwohl sie auch früher nicht gebraucht wurden (also wie eine Akten-Müllhalde), aber sie sind nun mal da und können auch nicht mehr verschwinden. Sie kosten (wie alte Akten) Platz im Genom, sind aber ansonsten irrelevant.

Bei einem Teil der Krebse verschiedener Lokalisationen (leider nicht bei allen) werden aber diese alten Gene, die von Retroviren stammen, wieder aktiv. Dann sind sie oder ihre Genprodukte für Impfstoffe angreifbar. Und im Tierversuch gelang es dem Paul-Ehrlich-Institut, mit einem Impfstoff gegen diese alten Retroviren bzw. deren Genprodukte tatsächlich das Krebsrisiko präventiv zu senken.

Auch falls (überhaupt) solche Impfstoffe irgendwann beim Menschen einsatzbereit sind, wird man wieder vor demselben Problem stehen: es wird Jahre und Jahrzehnte dauern, bis sich die krebsreduzierende oder krebsschützende Wirkung nachweisen lässt. Dann gibt es nur zwei Wege:

entweder man impft eine Versuchsgruppe und wartet 10, 20, 30 Jahre lang, was passiert und ob und in welchem Umfang die Versuchsgruppe weniger Krebs entwickelt, und erst wenn man diese Daten nach vielen Jahren hat, bietet man den Impfstoff der Allgemeinbevölkerung an (von der in diesen Jahrzehnten schon viele an Krebs erkrankt oder verstorben sind, die man vielleicht hätte vor Krebs bewahren können, wenn man sie auch schon frühzeitig mit diesem Impfstoff geimpft hätte),

oder man bietet den Impfstoff von vornherein allen oder der jeweiligen Zielgruppe (z.B. Männer bei Impfung gegen Prostatakrebs) an, sobald feststeht, dass der Impfstoff vom Menschen vertragen wird und keine relevanten oder schweren Risiken hat, und muss dann aber offen zugeben: es ist keine Garantie; es ist eine Chance; die Daten, die wir haben, sprechen für einen Krebsschutz in vermutlich diesem oder jenem Umfang, aber man weiß es nicht genau und man muss abwarten … aber man bietet die Impfung eben jenen an, die sich diese Chance nicht entgehen lassen wollen.


Und im Prinzip ist das nichts anderes als beim HPV-Impfstoff, wo die Situation aber dadurch etwas günstiger ist, da man wenigstens nachweisen kann, dass er, rechtzeitig verabreicht, gegen persistierende Infektionen mit den impfpräventiblen HPV-Typen (und via Kreuzprotektion auch in moderatem Umfang gegen einige andere krebserregende HPV-Typen) wirkt, und auch, ebenfalls rechtzeitige Impfung vorausgesetzt, das Risiko für HPV-bedingte Dysplasien reduziert, auch wenn deren Relevanz für eine spätere Krebsentstehung bei Mädchen und jungen Frauen sicherlich eine viel geringere ist als im Alter jenseits der 30 Jahre.

Die anderen prophylaktischen Krebsimpfungen, die in der Entwicklung sind, werden es da noch viel schwerer haben, denn dort fehlen weitgehend Marker, die wenigstens eine Effizienz vermuten oder als Surrogatparameter messen lassen (wie im Falle der HPV-Impfung die persistierende HPV-16/18-Infektion oder die Dysplasie).


Wenn man jetzt also behauptet, es seien falsche Versprechungen zum HPV-Impfstoff gemacht worden, dann komme ich wieder auf die Eingangsfrage zurück, wer wann was versprochen hat?

Eine Aussage „die Impfung schützt gegen Gebärmutterhalskrebs“ würde ich als eine falsche Versprechung interpretieren, aus zwei Gründen:

Auch wenn das rein wortwörtlich aus dem Satz so nicht herauszulesen ist, hinterlässt es doch den Eindruck, als würde sie jeden Gebärmutterhalskrebs verhindern (und also dann auch die Krebsvorsorge überflüssig machen), denn von den normalen, alltäglichen Routineimpfungen ist man doch gewohnt, dass sie einen vollständigen oder jedenfalls sehr hohen Schutz bieten. Der Grad des Schutzes ist bei der HPV-Impfung aber niedriger als bei anderen Impfungen, selbst wenn sie rechtzeitig im Mädchenalter verabreicht wurde, allein schon deshalb, weil sie nicht alle krebserregenden HPV-Typen erfasst. Wird die Impfung ein paar Jahre später verabreicht, sinkt die Wirksamkeit weiter.

Zweitens ist aus den oben genannten Gründen der langen Beobachtungszeit aus streng wissenschaftlicher Sicht noch nicht bewiesen, dass sie gegen Gebärmutterhalskrebs schützt. Dies ist „lediglich“ höchst plausibel, weil sie – in gewissem Umfang und mit den oben genannten Einschränkungen – vor bestimmten persistierenden HPV-Infektionen und bestimmten Dysplasien schützt. Und es ist noch nicht quantifizierbar, wie groß der Schutzeffekt vor Gebärmutterhalskrebs tatsächlich aussehen wird. Da gibt es bisher nur Modellrechnungen, die von bestimmten Annahmen ausgehen, aber im Endeffekt nichts anderes als Hochrechnungen sind.

Wenn man keine falschen Versprechungen machen will, müsste man sagen,
--- dass der HPV-Impfstoff bei rechtzeitiger Verabreichung wahrscheinlich vor einem großen Teil der Gebärmutterhalskrebse schützt, aber auf keinen Fall einen vollständigen Schutz bietet;

--- dass die vermutete Schutzwirkung aufgrund noch nicht ausreichender Beobachtungszeiten lediglich daraus abgeleitet wird, dass er das Risiko für persistierende HPV-Infektionen und in den meisten Fällen reversible Dysplasien senkt,

--- und dass selbst dieser maximal mögliche Schutzeffekt (der, auf alle Gebärmutterhalskrebse bezogen, nur als Teilschutz bezeichnet werden kann)
auch nur dann erzielt werden kann, wenn die Impfung vor Aufnahme sexueller Aktivität oder erstem Kontakt mit einem impfpräventiblen HPV-Typ erfolgt ist;

--- bei späterer Impfung nimmt die Effizienz weiter ab;

--- und möglicherweise nach ein paar Jahren eine Boosterimpfung erfolgen muss, um den Impfschutz im bisherigen Umfang aufrecht zu erhalten (möglicherweise eher beim tetravalenten als beim bivalenten Impfstoff), weil noch nicht absehbar ist, ob ein im Alter zwischen ca. 10 und 17 Jahren generierter Impfschutz noch ausreicht, wenn jenseits des 30. Lebensjahres das Risiko für Gebärmutterhalskrebs steigt.


Wer stattdessen ohne Wenn und Aber, ohne Einschränkungen und Erklärungen, behauptet, die Impfung schütze vor Gebärmutterhalskrebs, und indirekt den Eindruck erweckt hat oder erwecken wollte, das geschehe immer, bei jedem und zu jeder Zeit (wie man es ja von vielen Impfstoffen gewohnt ist), der muss sich wirklich Vorwürfe gefallen lassen. Wir haben es hier mit einem Impfstoff zu tun, der vor einem Krebs schützen soll, der sich – glücklicherweise – sehr langsam entwickelt, und da sind die oben genannten Einschränkungen, was Aussagen zur Wirksamkeit betrifft, systembedingt unvermeidbar.

Es geht bei präventiven Impfungen gegen Krebs im Prinzip immer nur um „Chancen auf Risikoreduktion“, bis die erste Generation der Geimpften nach vielen Jahren ein Alter erreicht hat, wo man die Risikoreduktion statistisch sauber messen kann und dann Aussagen treffen kann, wie groß die Chancen sind und ob sich die Impfung (im Sinne des Ausmaßes auf Risikoreduktion, aber auch Kosten-Nutzen-Analyse und Impfrisiken-Nutzen-Analyse) gelohnt hat. Das ist und wird bei allen Impfungen so sein, die Krebsrisiken prophylaktisch senken sollen (ich spreche hier nicht von therapeutischen Impfungen bei vorhandenem Krebs, da sieht man die Effekte natürlich viel schneller).


Eddy

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RE: Genitaltraktinfektionen/sexuell übertragbare Kr IX

Beitrag von Eddy »

Fortsetzung folgt unten
Zuletzt geändert von Eddy am 14.01.2014, 23:17, insgesamt 1-mal geändert.

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RE: Genitaltraktinfektionen/sexuell übertragbare Kr IX

Beitrag von Eddy »

Die Frage nach der Effizienz, dem Schutzeffekt der Impfung, steht übrigens hier auch noch offen.

Zunächst einmal ist es völlig richtig, wie in dem hier diskutierten Link dargelegt, dass die meisten HPV-Infektionen und auch Dysplasien wieder von selbst ausheilen, vor allem bei jungen Frauen unter 30 Jahren. Es gibt aber eine Teilgruppe, bei denen das nicht der Fall ist, und diese Teilgruppe wird ab 30 Jahren größer.

Neben Verhaltensweisen (Rauchen, evtl. leichter Einfluss von Ernährung und gesunder/ungesunder Lebensweise) spielen dabei eine Fülle von genetischen Faktoren (genetische Varianten, sogenannte Polymorphismen, Allele) eine Rolle. Man kennt inzwischen viele, aber wohl noch längst nicht alle Polymorphismen/Allele, die in Bezug auf HPV eine Rolle spielen

--- ob man sich nach einer Kontamination („Berührung“) mit HPV überhaupt eine Infektion einfängt

--- ob diese Infektion schnell wieder ausheilt oder persistierend wird

--- ob aus einer persistierenden Infektion eine Dysplasie wird

--- ob die Dysplasie schnell oder langsam spontan ausheilt oder bleibt

--- ob die Dysplasie „bleibt wie sie ist“ oder sich in Richtung auf einen Krebs weiterentwickelt

--- ob schließlich ein HPV-bedingter Krebs (Gebärmutterhals, sonstige Genitalschleimhäute, anal, Rachenraum) entsteht

--- und diese Allele sind dann auch noch mindestens zum Teil HPV-Typ-spezifisch


Regionale Unterschiede in der Verbreitung HPV-bedingter Krankheiten und im Typ- und Verteilungsspektrum der krebserregenden HPV-Typen dürften auch mit regionalen Unterschieden in der Verteilung der genetischen Polymorphismen zusammenhängen. In der HPV-Epidemiologie einschl. der damit verbundenen Krebserkrankungen gibt es große geographische Unterschiede, die in manchen Aspekten (z.B. Verbreitung der Subtypen von HPV-16, die unterschiedlich stark krebserregend sind) sogar die Ausbreitung der modernen Menschen aus Afrika irgendwann vor 50000 bis 80000 Jahren und die danach erfolgten Wanderungen nachzeichnen.

Zumindest theoretisch wäre es damit möglich, einen Gentest zu entwickeln, mit dem man im Vorfeld abklären könnte, wem die Impfung viel nutzt und wem sie wenig oder gar nicht nutzt, weil er/sie sowieso keine genetische Anfälligkeit für einen HPV-bedingten Krebs hat. Man könnte dann zielgenauer impfen, indem man die Risikogruppen mit der höchsten genetischen Risikokonstellation herausfiltert.

Angesichts der großen Anzahl der beteiligten Polymorphismen (immer wieder werden neue entdeckt) wäre ein solcher Test aber mit großem Aufwand und wohl auch hohen Kosten verbunden (die gegen die Kosten der Impfung selbst bei den aktuellen, als überhöht geltenden Preisen und –strittigen – seltenen schweren Nebenwirkungen abgewogen werden müssten, deren Anfälligkeit wiederum durch andere Gentests abzuklären wäre). Die Pharmaindustrie wird sicherlich keinen Test entwickeln, der dazu führt, dass man die Menschen, die tatsächlich vom Impfstoff profitieren, gezielt impfen kann, während man die anderen ungeimpft lässt und damit viel weniger Impfstoff verkauft … und eine Herdenimmunität lässt sich durch die gezielte Impfung nur von Risikopersonen auch nicht erreichen.


Soviel vorweg. Jetzt zur Effizienz der Impfung. Dort sollte man mehrere Aspekte sauber voneinander trennen:


1. Effizienz gegen Genitalwarzen beim Vierfachimpfstoff

Da sich Genitalwarzen schnell und nicht erst nach vielen Jahren entwickeln, ist die Effizienz des Impfstoffs gegen Genitalwarzen schnell sichtbar und statistisch erfassbar. Und bei rechtzeitiger Impfung im frühen Jugendalter zeigt sich wirklich eine hohe Effektivität, die allerdings rasch abnimmt, wenn die Impfung erst nach Aufnahme sexueller Aktivität erfolgt. Die Durchseuchung mit genitalwarzen-auslösenden HPV-Typen erfolgt also früh im Sexualleben. Unklar ist auch noch, wie lange der Impfschutz gegen Genitalwarzen vorhält, zumal gerade der Vierfach-Impfstoff zu niedrigeren Antikörpertitern führt. Man wird also abwarten müssen, ob sich herausstellt, dass die Impfung irgendwann doch noch mal aufgefrischt werden muss.



2. Effizienz gegen Gebärmutterhalskrebs

Das wurde weiter oben schon besprochen: bei rechtzeitiger Impfung plausibel und wahrscheinlich, wegen langer Entwicklungsdauer eines solchen Krebses bisher aber nicht streng wissenschaftlich beweisbar. Gewiss ist aber, dass nicht jeder Gebärmutterhalskrebs vermieden werden kann, weil es auch Krebse gibt, die durch HPV-Typen verursacht werden, gegen die der Impfstoff nur schwächer oder gar nicht wirkt.

Man kann zur Zeit sagen: bei rechtzeitiger Impfung besteht eine gute Chance auf eine erhebliche Risikoreduktion; mit späterer Impfung verringert sich das Ausmaß dieser Risikoreduktion. Einen sicheren Schutz vor Gebärmutterhalskrebs (so, dass man nicht mehr zur Vorsorge gehen müsste) bieten die zur Zeit verfügbaren Impfstoffe aber selbst bei rechtzeitiger Impfung (Mädchen) mit Sicherheit nicht.

Sollte die Impfung dazu führen, dass geimpfte Frauen nicht mehr an der Krebsvorsorge teilnehmen, weil sie dies für überflüssig halten, kann für diese Frauen das Risiko für HPV-bedingte Genitalkrebse sogar steigen. Die Impfung ist in diesen Fällen dann kontraproduktiv.



3. Effizienz gegen Eingriffe am Gebärmutterhals (z.B. Konisationen)

Man schätzt, dass in Deutschland jährlich ca. 100.000 Konisationen stattfinden aufgrund von HPV-bedingten Dysplasien am Gebärmutterhals . Das ist ein invasiver Eingriff, den Frauen sicherlich gern umgehen würden, und der auch Einfluss auf die Fruchtbarkeit haben kann bei Frauen, die noch schwanger werden wollen.

Ob alle diese Konisationen wirklich notwendig sind (sie geschehen ja meist aus Gründen der Krebsprophylaxe), ist strittig. Moderne Diagnosemethoden über den PAP-Test hinaus (wie HPV-Typisierung und weitergehende Untersuchungen der Abstriche auf Risikomarker, die für eine Progression in Richtung auf einen Krebs sprechen können) können helfen, die Zahl der Konisationen zu reduzieren und jene Frauen mit Dysplasien zu selektieren, die das höchste Krebsrisiko haben und damit am meisten von einer Konisation profitieren. Es gibt wohl auch schon einen rückläufigen Trend bei den Konisationen – vor einigen Jahren war noch von 140.000 p.a. die Rede.

Dass die HPV-Impfung, insbesondere, wenn sie rechtzeitig erfolgt, das Risiko für Dysplasien, auch hochgradigen Dysplasien, mindert, ist inzwischen bewiesen. Da Dysplasien, insbesondere persistierende, fortschreitende und/oder hochgradige, einen Anlass zur Konisaton geben (vor allem, wenn auch der HPV-Test noch ungünstige Tendenzen und Risikomarker zeigt), ist davon auszugehen, dass Frauen, die rechtzeitig geimpft wurden, ein deutlich geringeres Risiko haben, dass bei ihnen später eine Konisation erforderlich wird. Kein Null-Risiko, aber eben ein geringeres Risiko.

Bei verspäteter Impfung wird die Chance, einer Konisation entkommen zu können, relativ gesehen geringer ausfallen als bei frühzeitiger Impfung; ein gewisser Schutz ist der Studienlage nach aber auch dann immer noch zu erwarten.



4. Effizienz gegen HPV-bedingten Krebs im Rachenraum

Hier gilt dasselbe wie für den Gebärmutterhalskrebs: wegen der langen Entwicklungszeiten solcher Krebse ist es bisher nicht beweisbar, in welchem Umfang die Impfung das Risiko HPV-bedingter Krebse im Mund-Rachen-Raum vermindert. Immerhin konnte gezeigt werden, dass die Impfung das Risiko, dass nach einigen Jahren HPV-16 oder -18 im Rachen vorgefunden wird, um mindestens 93 % verringert, und dies, obwohl in dieser Studie die Impfung erst im Alter von 18 bis 25 Jahren, also eigentlich „verspätet/zu spät“ erfolgt war.

Da HPV-16 quasi obligatorische Voraussetzung für einen HPV-bedingten Krebs im Mund-Rachen-Raum (vor allem Mandeln, Zungengrund) ist und andere HPV-Typen hierbei fast keine Rolle spielen, ist es aufgrund der Kausalkette zwischen Infektion und Krebs letztendlich plausibel (und wahrscheinlich), aber eben zur Zeit noch nicht beweisbar, dass die Impfung gegen HPV-bedingten Krebs im Mund-Rachen-Raum in einem noch nicht quantifizierbaren, vermutlich (plausiblerweise) aber recht hohen Ausmaß schützt.



5. Effizienz gegen HPV-bedingten Analkrebs

(Analkrebs wird ähnlich wie Gebärmutterhalskrebs fast ausschließlich durch HPV ausgelöst). Hier gilt dasselbe, was für Gebärmutterhalskrebs gilt: dass die Impfung das Risiko für Vorläuferveränderungen (wie anale intraepitheliale Dysplasien) nachweislich reduziert (aber nicht auf Null!), konnte in Studien, die vor allem an jungen und mittelalten schwulen Männern gemacht wurden, bereits gezeigt werden. In wieweit dann tatsächlich das Auftreten von Analkrebs reduziert wird, können erst längere Beobachtungszeiten zeigen.



6. Einfluss der HPV-Impfung auf die Lebenserwartung.

Legt man die Todesursachenstatistiken, die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen und das durchschnittliche Sterbealter an HPV-bedingten Krebserkrankungen in Deutschland zugrunde, so lässt sich errechnen, wie viele Lebensjahre Frauen in Deutschland insgesamt jährlich durch HPV-bedingte Krebstodesfälle verlieren. Rechnet man das dann pro Kopf um, sind dies etwa drei Wochen. Das können auch 2 oder 4 Wochen sein, aber in dieser Größenordnung spielt sich das ab. Gäbe es keinerlei krebserregendes HPV, würden Frauen in Deutschland im Durchschnitt drei Wochen länger leben.

Natürlich ist dies ein Durchschnittswert. Tatsächlich wird die Lebenserwartung der allermeisten Frauen überhaupt nicht durch HPV beeinträchtigt. Die wenigen, die dann aber an HPV-bedingtem Krebs sterben, darunter ca. 1500 Frauen an Gebärmutterhalskrebs und dann auch noch einige an Vulva-, Vaginal- und Analkrebs sowie an HPV-assoziiertem Mund-Rachen-Krebs, verlieren aber in der Regel etliche Lebensjahre, da diese Krebserkrankungen im Vergleich zu vielen typischen Alterskrebsen auch schon in relativ frühem Alter auftreten können.

Als Mittelwert aus den vielen Frauen, die durch HPV keinen einzigen Tag verlieren, und den wenigen, die etliche Jahre verlieren, ergeben sich dann diese ca. 3 Wochen. Würde man alle krebserregenden HPV-Formen ausrotten oder hätte man eine Impfung, die – zu jeder Zeit/in jedem Lebensalter verabreicht – sicher und 100%ig vor HPV-bedingtem Krebs schützt, würden Frauen durchschnittlich 3 Wochen (Spanne: 2 bis 4 Wochen) länger leben.

Nun sind diese 3 Wochen allerdings nur ein Richtwert, der beeinflussbar ist.

Raucherinnen haben höhere Risiken für HPV und HPV-bedingten Krebs. Also werden sie statistisch gesehen etwas mehr an Lebenserwartung verlieren als 3 Wochen, Nichtraucherinnen etwas weniger.

Auch die Teilnahme an den frauenärztlichen Vorsorgeuntersuchungen (und deren Genauigkeit) nimmt Einfluss. Die „verlorenen 3 Wochen“ bilden das derzeitige Teilnahmeverhalten und die Qualität der Untersuchungen ab. Frauen, die überdurchschnittlich häufig an den Untersuchungen teilnehmen, oder Untersuchungen vornehmen lassen, die über den nicht ganz so genauen PAP-Test hinausgehen (z.B. HPV-Typisierung, HPV-Risikomarker), werden wiederum im Durchschnitt weniger als 3 Wochen Lebenserwartung verlieren. Frauen, die nie oder unterdurchschnittlich zur Vorsorge gehen, werden im Durchschnitt mehr als 3 Wochen verlieren.

Und letztendlich hängt sehr viel vom eigenen Genotyp ab, aber das weiß ja keiner, ob er ein Hoch- oder Niedrig-Risiko-Genotyp ist, und man kann das Risiko des „falschen“ Genotyps auch nicht selbst beeinflussen.


Das also sind die Rahmenbedingungen – 3 Wochen Verlust an durchschnittlicher Lebenserwartung durch HPV, modifiziert durch Rauchverhalten und Teilnahme an Vorsorge sowie deren Qualität.


Was bringt dann die HPV-Impfung an statistischem Gewinn an Lebenserwartung?

In die Berechnungen oben ging bereits ein, dass nur ein Teil der Rachen-, Vulva- und Vaginalkrebse HPV-bedingt sind. Das muss also nicht mehr herausgerechnet werden. Klar ist aber, dass selbst die rechtzeitige Impfung auch unter optimistischsten Annahmen nicht alle Fälle von Gebärmutterhalskrebs verhindern kann, das geht allein schon aufgrund des Typspektrums der zur Zeit verfügbaren Impfstoffe nicht (“breiter“ wirksame Impfstoffe sind aber in Entwicklung).

Folglich kann der statistische Gewinn an Lebenserwartung, der durch eine rechtzeitige Impfung (also im frühen Jugendalter) erreicht wird, ggf. ergänzt durch eine spätere Auffrischungsimpfung, sofern sich diese irgendwann mal als notwendig erweist, nicht mehr als 3 Wochen betragen, sondern er wird weniger als drei Wochen betragen. Wie viel weniger, lässt sich zur Zeit nicht sagen, aber drei Wochen und mehr sind beim gegenwärtigen Kenntnisstand jedenfalls nicht drin.

Bei Nichtraucherinnen und/oder Frauen, die überdurchschnittlich häufig an der Vorsorge teilnehmen, wäre der statistische Gewinn an Lebenserwartung durch die Impfung sogar noch etwas geringer.

Bei Raucherinnen oder Frauen, die nie/unterdurchschnittlich an der Versorge teilnehmen, wäre er dann aber wiederum relativ größer.


Diese kritische Einschätzung des Nutzens, was die Lebenserwartung (nicht die Genitalwarzen und nicht die Häufigkeit von Konisationen) in der weiblichen Allgemeinbevölkerung (wir reden hier noch nicht von FSW!) betrifft, gab mir auch Anlass zu der oben geäußerten, von der „offiziellen Linie“ abweichenden Empfehlung, auf die zweite bzw. dritte Impfdosis zu verzichten, wenn es nach der vorausgehenden Impfdosis zu ungewöhnlichen, das Maß des Typischen deutlich übersteigenden, insbesondere lange anhaltenden oder neurologischen Symptomen kam. Die Impfung ist es nicht wert, im konkreten Einzelfall den Impfzyklus unbedingt vollenden zu wollen, wenn sich nach der ersten oder zweiten Impfdosis Probleme andeuten, die in die Richtung der sehr seltenen, aber kritischen und schweren Impfkomplikationen deuten – unabhängig davon, wie sicher ein kausaler Zusammenhang zur Zeit wissenschaftlich erwiesen ist.


Was den Gewinn an Lebenserwartung betrifft, gibt es aber einen noch bisher kaum beachteten Aspekt:

Es gibt Hinwiese, dass krebserregende HPV-Typen, vor allem auch der vom Impfstoff angesprochene Typ HPV-16, an einem Teil der Krebse anderer Lokalisationen beteiligt sind, über Darm und Lunge bis Brust usw. Die Rolle von HPV bei diesen Krebsen ist noch völlig unklar und es lässt sich hierzu noch nichts Verbindliches sagen. Sollte es sich allerdings irgendwann bestätigen, dass HPV einen Teil dieser Krebse wegweisend mit verursacht, dann könnte die HPV-Impfung natürlich doch noch größere Gewinne an Lebenserwartung erbringen, als oben abgeschätzt. Es wird aber noch Jahrzehnte dauern, bis das wirklich klar wird.



7. Sind diese Kalkulationen auf FSW übertragbar?

Statistisch gesehen weniger als drei Wochen Gewinn an Lebenserwartung durch HPV-Impfung, und dies bei den immer wieder berichteten, wenn auch strittigen und von der Wissenschaft teilweise bisher nicht anerkannten, aber doch im Raum stehenden, wenn auch extrem seltenen schwersten Nebenwirkungen? Lohnt sich das?

Dies sind sicherlich berechtigte Fragen. Lohnt sich eine solche Impfung für eine Jugendliche, die weiß, dass sie nie als FSW arbeiten wird, die schon weiß (?), dass sie ein sehr konservatives Sexualverhalten haben wird, vielleicht sogar stark religiös geprägt („kein Sex vor der Ehe“), die nie rauchen wird und sehr vorsorgebewusst zu jeder Vorsorgeuntersuchung gehen wird und private Zusatzuntersuchungen zur Verbesserung der Vorhersagegenauigkeit von PAP-Befunden notfalls selbst bezahlt?

Das sind ernsthafte Fragen.



Auf der anderen Seite FSW. Die HPV-Risiken von FSW liegen grob zusammengefasst nach vorliegenden Studien etwa beim 5- bis 10-Fachen der weiblichen Allgemeinbevölkerung gleichen Alters.

--- Dies gilt etwa für genitale Nachweise von Hochrisiko-HPV wie HPV-16 oder -18 z.B. am Gebärmutterhals.

--- Aber auch für Genitalwarzen (eine Studie aus Ungarn hat kürzlich gezeigt, dass 26,5 % der FSW, aber nur 3,8 % der zur Kontrolle untersuchten und befragten Frauen der Allgemeinbevölkerung schon mal mit Genitalwarzen zu tun hatten – und dies, obwohl in dieser Studie fast alle FSW immer Kondome nutzten und nur wenige selten mal auf Kondome verzichteten).

--- Dies gilt auch für den Nachweis von Risiko-HPV im Rachenraum, wo die wenigen verfügbaren Studien (u.a. auch aus Ungarn) ebenfalls eine Risikoerhöhung in der Größenordnung um Faktor 5 bis 10 nahelegen, auch wenn die Quoten bei FSW bisher immer im einstelligen Prozentbereich blieben.

--- Und es ist auch bekannt, dass FSW häufiger an genitalen Dysplasien (und zwar auch an höhergradigen Dysplasien) leiden als gleich alte Frauen der Allgemeinbevölkerung.

--- Hinzu kommt, dass viele FSW rauchen (zusätzliches Risiko) und auch konsequente Kondomnutzung, wie bereits dargestellt, das HPV-Übertragungsrisiko nur moderat, aber nicht grundsätzlich mindert.


Die Risikoerhöhung für Risiko-HPV-Infektionen liegt damit bei FSW – im Vergleich zur weiblichen Allgemeinbevölkerung – mit einem Faktor von etwa 5 bis 10 fast in der Größenordnung der Risikoerhöhung für Gonorrhoe und Syphilis und deutlich höher als für Chlamydien und Trichomonaden (Achtung, hier ist nicht vom absoluten Risiko die Rede, sondern vom relativen Ausmaß des Risikos bei FSW im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, also von dem Faktor, um den das Risiko bei FSW höher ausfällt).


Damit ist die Ausgangssituation für FSW eine ganz andere als für die weibliche Allgemeinbevölkerung. Statistisch gesehen werden daher FSW auch mehr Lebenserwartung durch HPV verlieren als die drei Wochen, die für die weibliche Durchschnittsbevölkerung kalkuliert werden, natürlich ebenfalls modifiziert durch die Risikofaktoren Rauchen und Teilnahme/Nichtteilnahme an Vorsorge. Da der Faktor 5 bis 10 eine große Spannweite hat, ist es schwierig genauer zu kalkulieren, wie viel mehr an Lebenserwartung FSW im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung wegen HPV durchschnittlich einbüßen – im ungünstigsten Fall also das 5- bis 10-Fache der drei Wochen.


Das ist also eine ganz andere Ausgangssituation auch für die Impfentscheidung. Selbst wenn die HPV-Impfung das Risiko, an einer HPV-bedingten Krebserkrankung zu versterben, lediglich halbieren würde, wäre das für FSW schon ein nicht uninteressanter „Erfolg“.

Allerdings kann die optimal mögliche (bekanntlich ja weit suboptimale) Schutzwirkung der Impfung nur dann erwartet werden, wenn die Impfung schon im frühen Jugendalter erfolgte, jedenfalls vor Aufnahme sexueller Aktivität oder erstem Kontakt mit den relevanten HPV-Typen.

Wer sich als FSW also hatte rechtzeitig impfen lassen, ist vergleichsweise gut aufgestellt – muss aber unbedingt weiter an der Krebsvorsorge teilnehmen und sich unter Umständen eine weitere Impfdosis verabreichen lassen, falls es in einigen Jahren deutlich wird, dass das notwendig ist, um den Impfschutz langfristig zu erhalten (wobei oben aber schon auf der Basis einer Studie aus Peru angedeutet wurde, dass FSW da im Vergleich zu Frauen der Allgemeinbevölkerung sogar im Vorteil sein könnten, weil die wiederholten, unvermeidlichen Kontakte mit HPV selbst einen Boostereffekt entfalten).

Vor allem junge Berufsanfängerinnen, die noch nicht viel sexuelle Erfahrungen haben, dürften auch noch relativ stark von der Impfung profitieren können (gemessen an dem Nutzen der Impfung für die weibliche Allgemeinbevölkerung), am besten noch mit erster Impfdosis vor Aufnahme der Sexarbeit.

Wer schon als FSW etabliert ist, wird nur noch in relativ geringerem Umfang profitieren können. Wie stark, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und kann nicht allgemein beantwortet werden. Es kommt dann auf eine Vielzahl von Faktoren an, die den potenziellen Nutzen und das Ausmaß dieses Nutzens beeinflussen. Es geht zu weit, diese hoch komplexe Thematik hier darzustellen. Daher verweise ich auf folgenden Link, der hier schon an anderer Stelle im Forum gesetzt wurde:


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Eddy

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Beitrag von Sven233 »

Mittel gegen Genitaltraktinfektionen - EDIT BY ZWERG - Link zu einem Internetshop entfernt

Ich ersuche um Verständnis - Links von unserer Webseite könnten als Empfehlung gesehen werden. Und wir können keinen Shop bzw. auch kein Produkt empfehlen, von dem wir nichts wissen. Ich ersuche um Verständnis

Auch müssen wir den Umstand, dass das 2. Posting des Users hier auf sexworker.at zum 2. Mal eine Linksetzung verbunden mit einem 1 Zeiler enthält, in unsere Entscheidung einbeziehen. Ich unterstelle Niemanden etwas, aber ich betone, dass sexworker.at nicht dazu dient Produkte, Webseiten oder was auch immer im Eigeninteresse zu promoten. Dafür ist uns das Forum bzw. auch unsere eigene (kostenlose) Arbeit zu wichtig.

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