Arbeitspsychologie, Sozialtechniken und Kompetenzen von SW

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
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Marc of Frankfurt
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Sexworker Vulnerabilities - Verletzlichkeiten

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Problembelastungen für Sexworker

Einheimische unterscheiden sich von Migranten





Migranten-Probleme:

- Illegaler oder undokumentierter Aufenthalt- und Arbeitsstatus

- Ausgenutzt werden durch Einheimische und Landsleute

- Sprachprobleme und Zugangshindernisse zur Hilfeinfrastruktur



Einheimischen-Probleme:

- Stigmatisierung und soziale Exklusion

- Fehlende Entkriminalisierung, fehlende arbeitsrechtliche Anerkennung

- Alkohol- und Drogenprobleme





Unterschiede und Problemlagen aus Sicht des EU-Netzwerkes für Hilfsorganisationen Tampep (siehe Diagramm).

Nur 40 % Sexworker werden durch aufsuchende Straßensozialarbeit (Outreach) erreicht.


Diese 'Leidensunterschiede' erschweren gegenseitiges Verständnis und berufsweite Solidarisierung unter den verschiedenen Sexarbeiter-Teilgruppen :009
Dabei sind die scheinbaren Unterschiede nur die zwei Seiten einer Medaille !!! :

Sexarbeiter können 'freiwillig' wählen zwischen Pest und Cholera:
  • auswandern in die Fremde, um quasi leichter im tabuisierten Bereich arbeiten zu können, aber mit allen Schwierigkeiten die eine informelle Migration ins kulturfremde Ausland bedeuten, oder aber
  • ausgegrenzt sein in der Heimat und ein lenbenskraftverzehrendes Doppelleben führen zu müssen wg. Doppelmoral, Scheinheiligkeit, Geheimniskrämerei, Marginalisierung, Kriminalisierung und Tabuisierung.






Wie Sexworker darauf reagieren: Hurenkompetenzen:
viewtopic.php?t=3608 :006
Dateianhänge
Vulnerabilities <br />Quelle: EU Prostitution Mapping 2008 Licia Brussa tampep.eu
Vulnerabilities
Quelle: EU Prostitution Mapping 2008 Licia Brussa tampep.eu
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 23.05.2010, 17:09, insgesamt 4-mal geändert.

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Marc of Frankfurt
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Studie TU Berlin

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Psychologische Aspekte der Prostitution

Susanne Dierich



[Journal für Psychologie, Jg. 17 (2009), Ausgabe 3]


Zusammenfassung

Das Thema Prostitution wurde in zahlreichen Studien in der soziologischen Forschung und in der feministischen Frauenforschung untersucht. In der Psychologie wurde die Prostitution bisher eher randständig behandelt.

In einer Untersuchung an der TU Berlin wurde eine spezielle Ausübungsform der Prostitution näher untersucht. Es handelte sich dabei um Dominas bzw. Sklavias, die ein spezielles Dienstleistungsangebot für sadomasochistisch veranlagte Männern bereit heilten.

Die Untersuchung erfolgte unter dem Gesichtspunkt des Autogenesekonzepts von Jüttemann (1999). Danach strebt der Mensch im wesentlichen nach selbstbestimmten Verhalten.

Anhand acht biografischer Interviews wurde ein Vergleich vorgenommen zwischen Dominas, die in der Prostitutionssituation sehr selbstbestimmt auftreten und Sklavias, die in dieser Situation extremer Fremdbestimmung unterliegen. Die Forschungsfrage bezog sich darauf, wie sich Selbst- und Fremdbestimmung durch die anderen Lebensbereiche der Frauen fortführen.

Es zeigte sich, dass die Dominas Fremdbestimmung in anderen Lebensbereichen mit ihrer beruflichen Selbstbestimmung kompensieren.

Ein weiteres Ergebnis war, dass die Sklavias sich entgegen der offenkundigen extremen Fremdbestimmung in der Prostitutionssituation als sehr selbstbestimmt erleben.



Schlagwörter: Prostitution, Selbstbestimmung, Fremdbestimmung, Sadomasochismus


Vollständige Arbeit lesen:
http://www.journal-fuer-psychologie.de/ ... 09-08.html





Weitere Studien über zufriedene Sexworker:
viewtopic.php?t=1384

Intelligente Stellungnahme zur Putophobie:
viewtopic.php?t=5298 (SW-only)





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Beitrag von Melanie »

Arbeitspsychologie, Sozialtechniken und Kompetenzen von SW aus der Sicht eines Kunden


Hin- und Hergerissen


Sonntag, 15. Mär, 2009 – 10:45:57


Ich will nicht mehr J.s Kunde sein.
Das ist mir klar.
Es führt zu nichts.
Ich fühle mich von ihr, von der Frau die sie ist angezogen.
Es könnte eine richtige Liebe entstehen, wenn sie mir erlauben würde sie ausserhalb des Puffs kennenzulernen.

Ich kann nicht Sex mit einer Dirne haben, wenn es eigentlich die Frau in ihr ist , die ich kennenlernen möchte.
Das ist wie wenn ich die Zuneigung verleugnen, betrügen würde, die immer mehr entsteht.
Es fühlt sich falsch und schwach an, Geld zu zahlen, wenn man etwas anderes möchte als Sex, wenn man beim Sex etwas tieferes fühlt.


Ich war hin- und hergerissen ob ich nochmals hingehen soll.
Ich dachte, ich sollte mich richtig von ihr verabschieden. Schliesslich war ich in den letzten 4 Monaten praktisch jede Woche mindestens einmal bei ihr.
Wenn man die Stunden aufrechnet waren wir fast einen ganzen Tag zusammen, sehr intensiv zusammen.

Dieses Gefühl von näherer Bekanntschaft und Zuneigung, das entstanden ist einfach zu ignorieren fällt mir schwer.

Ich wollte ihr ein kleines Abschiedsgeschenk bringen (das Buch vom kleinen Prinzen), aber ich merke, es geht mir immer noch nur darum, dass sie sich erklärt, dass sie sagt, wie sie zu mir stehen will.

Aber das ist eigentlich müssig.
Sie hätte es eigentlich längst von sich aus tun müssen!
Wie viele Male habe ich ihr gesagt, dass sie mich fasziniert, dass ich Gefühle habe, dass ich dabei bin mich zu verlieben!

Sie ist immer irgendwie ausgewichen.
Statt über sich zu reden, über ihre Gefühle, bekam ich Erklärungen darüber, wie sie lebt und was sie für Pläne hat.
Und immer mal wieder diese als Gegenfrage getarnte Aufforderung alles als Illusion zu nehmen:


"Was denkst Du denn?
Es ist so wie Du es fühlst!
Denkst Du etwa ich spiele das?"


Warum hat sie es nicht gesagt?
Es war längst überfällig zu entscheiden, was man mit diesem Kunden, der so häufig kommt und von seinen Gefühlen spricht machen soll.

Entweder hatte sie nicht den Mut, war nicht stark genug anzunehmen, was ihr eigenes Herz ihr für einen Weg weisen will. Oder sie ist dermassen innerlich Erstarrt, dass sie die Achtung vor den Gefühlen, vor der Liebe eines Menschen verloren hat.


Ich werde es nicht tun.
Sie hat meine Nummer.
Falls da doch mehr war, falls ihr Herz ihr keine Ruhe lässt, wird sie sich melden.
Und wenn sie sich nicht meldet, dann war es all meine Sorge, Jemand besonderen zu verlieren nicht wert.


http://tagebuch-eines-freiers.blog.de/2 ... n-5758498/


Diese Sw hat in meinen Augen am Anfang richtig reagiert, indem sie von ihrem Leben und ihren Plänen sprach.

Ein sensibler Kunde hätte erkannt, dass ihr Leben, ihre Pläne sicher nicht mit seinem Leben vereinbar ist und es als klare Absage erkannt.

Aber ein absolut emontionaler Kunde braucht sofort klare Grenzen.


Doch auch wenn ´sie gesagt hätte : " Ich mag Dich als Kunden, aber mehr wird nie sein . " - hätte dieser Kunde das nicht akzeptiert.


Siehe seine Gedanken :
Oder sie ist dermassen innerlich Erstarrt, dass sie die Achtung vor den Gefühlen, vor der Liebe eines Menschen verloren hat.

Das übersteigt sicher die Arbeitspsychologie, Sozialtechniken und Kompetenzen einer SW, wenn nicht sofort am Anfang dem Kunden klar gemacht wird, dass er " nur " Kunde ist und bleiben wird.


Liebe Grüsse Melly
„Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen.“
Johann Wolfgang von Goethe

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Posting von Melanie von hier
viewtopic.php?p=71920#71920
hierhin kopiert:




Psychologische Schwerstarbeit


Heute ist Natalie 36 Jahre und hat manche Höhen und Tiefen im Milieu miterlebt.
Früher ging es tatsächlich um Erotik.


Heute sei die Arbeit oft mit „psychologischem Kopfstress“ verbunden, wie sie sagt.
Nicht wenige Freier seien voll mit Problemen oder mit ihrer Existenz am Ende.
Der Job wird zur empathischen Schwerstarbeit.


„Wenn eine Prostituierte eine Stunde lang voll und ganz auf einen Freier und seine oftmals ausgefallenen Wünsche eingegangen ist, hat sie mehr gearbeitet als manch ein anderer nach einem normalen Acht-Stunden-Tag“, findet Natalie.


Einige der Männer, die sie im Bordell trifft, bräuchten den Kick, eine andere Frau zu haben, andere seien schlicht und ergreifend allein.
Und dann gäbe es noch die „notorischen Puffgänger“.



„Eine Prostituierte muss sich in ein Rollenspiel begeben und wie eine Schauspielerin sein“, beschreibt sie die Anforderungen an den Beruf, „mal lieb und zärtlich, mal dominant.“



Die Vorstellung, in der Prostitution das große Geld zu machen, erweist sich jedoch meist als Illusion.

„Die Edelhure, die in einer Nacht 1000 Euro verdient, ist eine absolute Randerscheinung. Das Gros der Frauen kommt gerade über die Runden – ohne Mercedes-S-Klasse oder Eigentumswohnung“, führt Cetin aus.


„Die Geschäftslage ist zurückgegangen“, weiß auch Natalie. Es könne durchaus vorkommen, dass die Mädchen zwei Tage ohne eine einzige Einnahme im Bordell auf Freier warteten.



http://www.focus.de/karriere/perspektiv ... 30135.html




________________





Andorra Effekt

viewtopic.php?p=77761#77761





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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 20.03.2010, 13:28, insgesamt 1-mal geändert.

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Pro SW Forschung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

'Alles nur Schauspiel': Sexworker Strategien bei der Geschlechterwirtschaft

‘It's Just Acting’: Sex Workers’ Strategies for Capitalizing on Sexuality

Author:
Dr. Teela Sanders


Source:
Gender, Work and Organization, Volume 12, Number 4, July 2005 , pp. 319-342(24)

Abstract:
http://www.ingentaconnect.com/content/b ... 4/art00002


Eine der wenigen Wissenschaftlerinnen, die auch die Leistungen und Erfolge der Sexworker herauszuarbeiten versteht.

Von Teela finden sich hier im Forum unter Freierforschung, Handycaped und Exit-Strategy weitere bedeutsame Forschungsarbeiten (teilw. zum download).





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Doppelmoral eine Naturbegabung?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Brisante Studien

Frühes Lügen ist gut für die spätere Karriere



18.05.2010, 15:08

"Du sollst nicht lügen", heißt das 8. Gebot. Doch fast alle Kinder tun es.

Wer sehr jung und überzeugend die Unwahrheit sagt, ist als Erwachsener besonders erfolgreich, zeigt eine Studie kanadischer Forscher mit 1.200 Kindern zwischen zwei und 16.

Je plausibler die kindliche Lüge, desto besser ist auch die Auffassungsgabe in späteren Jahren, so die Studie der Universität Toronto. Frühes Lügen ist ein Zeichen eines sich schnell entwickelnden Gehirns. Wer mit zwei Jahren schon absichtlich die Unwahrheit sagt, hat als Erwachsener mehr Erfolg als andere.


Studienleiter beruhigt Eltern

"Eltern sollten nicht beunruhigt sein, wenn ihre Kinder schwindeln", sagt Studienleiter Kang Lee. Die Forscher fanden auch heraus, dass bei Kindern mit dem Alter die Bereitschaft zu lügen steigt.

Unter den 2jährigen logen nur 20%.
Bei den 3jährigen waren es bereits 50%,
bei 4jährigen 90% und
bei 12jährigen fast 100%.
Mit 16 sinkt die Zahl dann auf 70%.

Kronen Zeitung
www.krone.at/Discover/Brisante_Studie-F ... ory-200529





Ist Lügen auch eine Karrierehilfe in der Sexarbeit?
Oder ist es nur die hohe Kunst der Inszenierung was Sexworker gut beherrschen müssen?

Ist die Prostitution eine einzige Lüge?
Oder besteht die Lüge darin, dass man der Prostitution unterstellt eine einzige Lüge zu sein?

Wenn Kinder schon lügen, wer wird es dann den sog. Menschenhändlern verübeln, Sexworker anzulügen über Verdienstmöglichkeiten und Arbeitsverhältnisse im Ausland?

Warum tun wir eigentlich stets entrüstet, als würden wir uns über nichtgehaltene Wahlversprechen oder Lügen von Politikern aufregen?

Wie komplex ist eigentlich diese Welt wirklich und wie einfach stellen wir sie uns in den eigenen Lügengeschichten immer dar? Fängt die Lüge womöglich schon bei den Lehrern und Büchern in der Schule und Kirche an?

http://de.wikiquote.org/wiki/L%C3%BCge





Glaube führt zu angepaßtem normkonformen Verhalten

Belief in an invisible watcher will increase social-norm conformity


Godlike princess curbs childhood cheating


* 11:06 19 April 2011 by Andy Coghlan

Religions can discourage believers from erring for fear that God is watching.

Now it seems that children also avoid cheating if told they're being watched – not by God, but by Princess Alice, an invisible person conjured up by researchers.

Thirty-nine young children from Belfast, UK, volunteered to take part in a hit-the-target game designed by Jared Piazza at the University of Kent in Canterbury, UK, and colleagues. But the rules of the game were so tough that success necessitated cheating.

While secretly being videoed, each child played the game either with an adult present, with no one present, or with no one except "Princess Alice" present.

Beforehand, they were all asked if they believed Princess Alice really existed.

Of the 11 children who did, only 1 cheated in her "presence".
5 of the 7 disbelievers cheated, but not before they'd manually checked the Princess didn't exist by running their hand over the chair to feel if she was there.

"This is an interesting example of an audience effect and the drive to preserve our reputation," says Chris Frith of University College London, who was not involved in the study. "It's certainly consistent with the idea that belief in an invisible watcher will increase social-norm conformity."

Next, the researchers hope to delve deeper by finding out why children behaved well when being watched by Alice: whether it was from fear she would punish them directly, or that she would tell the experimenter.

Journal reference:
Journal of Experimental Child Psychology, DOI: 10.1016/j.jecp.2011.02.003
http://dx.doi.org/10.1016/j.jecp.2011.02.003
www.kent.ac.uk/psychology/people/piazzaj/

www.newscientist.com/article/dn20391-go ... ating.html





Unmoralisches Verhalten hängt mit strafendem Gottesbild zusammen:

Belief in God doesn't deter a person from cheating on a test, unless that God is seen as a mean, punishing one



"The public debate on whether religion fosters cooperation and trust had been driven by opinion and anecdote" [and not evidence based science.]

"According to the psychological literature, people who believe in God don't appear to act any more morally than people who don't believe in God"

What is the role of religion in encouraging -- or even forcing adherence to -- moral behavior?

"Supernatural punishment hypothesis: Punishing counter-normative behavior -immoral behavior- has been an important part of living in societies. Societies don't get far without regulating moral behavior."

"Believing in a mean god, a punishing one, does contribute to cheating behavior.
Believing in a loving, forgiving god seems to have an opposite effect."


[ Das heißt eine strenge, strafende Religion erzielt den gegenteiligen Effekt des beabsichtigten guten Verhaltens, quasi so wie repressive Gesetzgebung und Abolutionismus. ]

Preliminary studies by Azim F. Shariff at the University of Oregon and Ara Norenzayan at the University of British Columbia, International Journal for the Psychology of Religion.

www.sciencedaily.com/releases/2011/04/110420112334.htm





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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 23.04.2011, 13:02, insgesamt 7-mal geändert.

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Neue medizinische Grundlagen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Habs bisher nicht gelesen, aber dieses wissenschaftlich fundierte Buch erklärt sehr wahrscheinlich indirekt die extremen beruflichen Herausforderungen für Sexworker und ihre typischen aber nichtanerkannten Berufskrankheiten im psycho-somatischen Bereich:
  • Das Gedächtnis des Körpers:
    Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern


    von Prof. Joachim Bauer (*1941), Arzt, Neurobiologe, Psychotherapeut, Uniklinik Freiburg
    www.amazon.de/dp/3492241794
    2004
Die Umwelt wirkt direkt auf unsere Gene und verändert so unseren Körper schon zu Lebzeiten schleichend.

Lebensstil und Mitmenschen beeinflussen so unsere Gesundheit.

Denn Umwelt und Gene gemeinsam sind ein adaptierendes und evolvierendes, dynamisches System.

Umwelteinflüsse wirken auf die sog. Genschalter (Promotoren und Enhancer). Das ist die sog. Epigenetik.


Genschalter (oben in Gelb)
Bild
siehe im Thema Ernährung


Zwischenmenschliche Beziehungen spielen dabei neben Ernährung und Umwelt i.w.S. die entscheidende Rolle, was sich biologisch d.h. gesundheitlich in unserem Körper abspielt.

[Wie organisieren Sexworker sich gesunde soziale Beziehungen? Die gesellschaftliche Außenseiterposition ist da die zentrale Behinderung und Herausforderung.]


Spiegelneurone, die 1995 von Giacomo Rizzolatti an der Uni Parma endeckt wurden, übertragen menschliche Gefühle und sind damit das "Organ" der Empathie.

[Spiegelneurone sind also bei uns Sexworkern das primäre körperliche Arbeitsinstrument (neben und zusätzlich zu den Sexualorganen! ;-). Ob so auch Ablehnung oder Stigmatisierung übertragen wird? Was bedeutet das für unsere Sozial- und Kundenbeziehungen. Was nehmen wir unbewusst mit etwa von negativen Kundenemotionen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen? Wie können wir uns vor negativen Übertragungen schützen?]

...

Depression, Burn-out und andere psyschiche Erkrankungen sind stark mit physiologischen Erkrankungen etwa am Herz oder Tumoren verknüpft (psycho-somatischer Zusammenhang).

[Das Herz also nicht nur als mechanistische Blutpumpe verstanden, sondern auch als das holistische Zentralorgan wie es der klassischen Liebessymbolik entspricht.]

...

Welche Lehren und Konsequenzen kann man aus dem Buch ziehen für die Arbeit und Lebensführung als Sexworker und für die Beratung von Sexworkern?

Möglicherweise ein Schlüsselwerk.





Sein neues Buch zum Thema "Aggressionstrieb gibt es nicht!"
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=102270#102270





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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 28.07.2011, 11:29, insgesamt 3-mal geändert.

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Re: Neue medizinische Grundlagen

Beitrag von Aoife »

Danke für den tip, Marc, ist schon bestellt.

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:dieses wissenschaftlich fundierte Buch erklärt sehr wahrscheinlich indirekt die extremen beruflichen Herausforderungen für Sexworker und ihre typischen aber nichtanerkannten Berufskrankheiten im psycho-somatischen Bereich
Zumindest liefert es vielleicht weitere Aspekte zu dieser Frage. Ich persönlich gehe eher davon aus, dass es sich tatsächlich nicht um Berufskrankheiten handelt, da es sich wohl um die logischen Spätfolgen von Persönlichkeitsstrukturen handelt, die IMHO nicht durch den Beruf verursacht sind, sondern vorbestehend waren und die Berufswahl nur beeinfusst haben, so dass eine ursächliche Verbindung nur scheinbar besteht.

Wären diese scheinbaren "Berufskrankheiten" wirklich nur durch die Berufsausübung bedingt und unabhängig von der vorbestehenden Persönlichkeitsstruktur, so könnten wir sie leicht vermeiden, indem wir eben einen anderen Beruf ausüben. Ich selbst zumindest bin in einem soliden Job jedoch durch die genannten Belastungen erheblich mehr gefährdet, so dass ich mögliche Schäden ehrlicherweise nicht der Prostitution anlasten kann.

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Sexarbeitern und Migranten außerhalb der Gesellschaftsnormen werden systematisch Rechte abgesprochen

- Palermo Protokoll: Die Einwilligung des Opfers ist unterheblich.

- Urteil Berlin: Einwilligung der Sexarbeiterin in Regeln des Zuhälters wird als nicht gültig aberkannt.

- Sittenwidrigkeitsverdikt: Verträge sind nichtig. Kein Schutz durch das Rechtssystem.

- Aber: Urteile zu Vergewaltigungen: Ein Sexworker könne nicht vergewaltigt werden, denn er habe als Sexworker grundsätzlich bereits eingewilligt.

...



Solch hegemoniale Deklassierung beginnt bereits in den psychologischen Wissenschaften, wo Opfer, die einen Täter auch schützen wollen, als gehirngewaschen unmündig erklärt werden

- Loverboys

- Zuhälterei/Menschenhandel

- Mißbrauchte Frauen allg.


Erklärungsmodelle:

früher:

- angeborenes Verbrechertum/Hurentum [Lombroso]

- Verführungstheorie

- Gehirnwäsche

heute:

- Stockholm Syndrom

http://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom

www.lauraagustin.com/psy-theories-come- ... m-syndrome

Im Sexworker Forum
www.google.de/search?q=stockholm+syndro ... wtopic.php

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A.-toleranz

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Der Sexworker als Alleinunternehmer seiner Selbst in einem moralisch-politisch widersprüchlichen Setting braucht:

Autonomie und Ambiguitätstoleranz



Wie gehen Sexworker mit der rechtlichen Grauzone, den moralischen Tabus und medialen Anfeindungen um?


Hier ein Aufsatz aus der Transportbranche, leider ohne direkten Sexworkbezug. Den kann sich jeder aber selbst herstellen, wenn man sich die Worte wie 'Logisitikfirma' als 'Sexworker-UnternehmerIn' denkt.

- Autonomie
ist derjenige Zustand der Integration, in dem ein Mensch in voller Übereinstimmung mit seinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen ist.
(Nicht zu verwechseln mit Autarkie, Stärke, Selbstbehauptung oder Egoismus.)

- Ambiguitätstoleranz
(wörtl.: Mehrdeutigkeiten aushalten)
bedeutet Freude am Unbestimmten, daran, Entscheidungen über das „Unentscheidbare“ zu treffen. Sie erfordert die Bereitschaft, etwas aus sich selbst heraus, eigenwillig zu bestimmen, Handlungen in „dynamischem Einklang mit den eigenen Vorstellungen und Wahrnehmungen“ – kurz: innere Autonomie.

„Wirkliche Veränderung kommt nur zustande, wenn ein Mensch sich mit dem Schrecken seiner unermüdlichen Jagd nach irrealer Sicherheit auseinandersetzt“ [Arno Gruen].

  • Die emotionale Seite der Widerspruchsbewältigung

    Über den Zusammenhang zwischen innerer Autonomie und Ambiguitätstoleranz


    - Ein konditionierter Mensch kann leicht handlungsunfähig werden:
    "Ein Mensch, der auf Gehorsam festgelegt ist, wird vor dem prinzipiell nicht perfekt Entscheidbaren, dem eigenen Willen Angst haben. Er sucht nach extrinsischer Motivierung für sein Handeln.
    Wenn nun die äußeren Vorgaben widersprüchlich werden –wenn widerstreitende Entscheidungsprämissen vorliegen–, funktioniert die Festlegung auf externe Vorgaben nicht mehr."
    "Der betroffene Mensch wird im wahrsten Sinne orientierungslos, im Extremfall handlungsunfähig."

    - Problembewältigung kann gewaltsam entarten: z.B. Kontrollfreak, Selbstvergewaltigung (Sucht):
    "Das Verleugnen von Widersprüchen, das Herunterspielen einer Seite des Widerspruchs können so gesehen werden, dass der Mensch in der Entscheidungsposition die Situation in seine Gewalt zu bringen versucht, um dem Problem, das er innerlich mit einer indeterminierten Situation hat, auszuweichen."


    Juliane Riese
    Erscheint in: Müller-Christ, G.; Arndt, L.; Ehnert, I. (Hrsg.): Nachhaltigkeit und Widersprüche. Lit, Münster, 2007
    (19 Seiten)
    www.sfb637.uni-bremen.de/pubdb/reposito ... 7-IIIA.pdf
    (SFB637 = Sonderforschungsbereich Selbststeuerung logistischer Prozesse. Ein Paradigmenwechsel und seine Grenzen.)

Insbesondere Kapitel 3.
Die Humanistische Psychologie und Kommunikationstheorie der Psychoanalytiker Arno Gruen und Paul Watzlawick sind also in der BWL der Logistikbranche angekommen ;-)


Viele Menschen und Sexworker spüren sowas instinktiv.
Anderen hilft es sicherlich sowas mal theoretisch gelesen und durchdacht zu haben.





Private Sexualität vermählt mit betrieblicher Geschäftstätigkeit sind hochgradig widerspruchsgeladen. Daraus resultiert ein enormer Kommunikations- und Autonomiebedarf für Sexworker!

Eine zentrale Lernaufabe für Prostitutionspolitiker und runde Tische.






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Umwelt und Charakter

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Sexworker-Kernkompetenz: Empathie
Sexworker-Körperorgan: Spiegel-Neurone

Studie:
Kinder reicher Eltern sind weniger einfühlsam



Kinder von reichen Eltern haben weniger Einfühlungsvermögen als andere. Das haben Forscher an der University of California in den USA herausgefunden.

Die sozialen Schichten, in denen man aufwächst, beeinflussen die eigene Empathie. Das ist das Ergebnis der US-Studie. Personen aus mittleren und niedrigeren sozialen Schichten seien im Alltag viel stärker auf die Kooperation mit anderen angewiesen. Deshalb entwickelten sie ein besseres Gespür für die Emotionen ihrer Mitmenschen, berichtet die Zeitschrift «Psychologie heute».

In einem Experiment wurden 300 Probanden Fotos gezeigt. Die Teilnehmer sollten aus der Mimik der abgebildeten Person ihre Emotionen sowie deren Intensität ablesen. Bei einem weiteren Versuch nahmen die Probanden an einem fiktiven Vorstellungsgespräch teil. Anschließend sollten sie einschätzen, wie sich ihre Mitbewerber während des Interviews gefühlt haben.

Bei beiden Studien zeigte sich, dass Studenten aus bescheideneren Familien einen höheren Grad an Einfühlungsvermögen zeigten. Dadurch konnten sie die Gefühle ihrer Kommilitonen exakter interpretieren.


www.suedkurier.de/ratgeber/familie_seni ... 64,4880013



Recent research suggests that lower-class individuals favor explanations of personal and political outcomes that are oriented to features of the external environment. ... the association between social class and empathic accuracy was explained by the tendency for lower-class individuals to explain social events in terms of features of the external environment.

Michael W. Kraus, University of California, San Francisco


Kursfassung engl.
http://pss.sagepub.com/content/21/11/1716.abstract





Buch: Warum ich fühle was du fühlst - Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone
auch von Prof. Joachim Bauer
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=64540#64540
www.amazon.de/dp/3455095119

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Re: Umwelt und Charakter

Beitrag von Aoife »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Personen aus mittleren und niedrigeren sozialen Schichten seien im Alltag viel stärker auf die Kooperation mit anderen angewiesen. Deshalb entwickelten sie ein besseres Gespür für die Emotionen ihrer Mitmenschen
Ist diese Begründung zu den Studienergebnissen irgendwie gesichert?

Mir erscheint diese einfache behaviouristische Erklärung höchst fragwürdig, insbesondere anhand der gut gesicherten Auswirkungen der pränatalen Testosteronwirkung am Gehirn:
http://www.guardian.co.uk/education/200 ... reducation

Insbesondere wenn man bedenkt, dass ein Säugling völlig von seiner Umwelt abhängig ist, gleich welcher Sozialschicht die Eltern angehören, somit die geringere Notwendigkeit sozialer Interaktion für Reiche erst in späteren, weniger die Gehirnentwicklung bestimmenden Lebensabschnitten zutrifft.

Umgekehrt könnte jedoch hohe Empathie eine Unfähigkeit andere erfolgreich auszubeuten und somit Reichtümer anzuhäufen begründen, vor allem wenn man bedenkt, dass die Ausprägungen empathischen und strukturierten Denkens bei Individuen gegenläufig sind.

Hieraus ließe sich auch das Phänomen der verbreiteten Altersarmut bei Prostituierten ableiten, denn wer sich frühzeitig (oder überhaupt) um Vorsorge bemüht denkt strukturiert und wird aller Wahrscheinlichkeit nach wenig empathisch sein.

Da die Funktionalität des Testosteronrezeptors zumindest teilweise genetisch codiert ist, würde das auch erklären, warum solche Menschen bereits reiche Eltern hatten.

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

The Happy Hooker

How to find job satisfaction in the oldest profession



Story Heather
Metro Magazine
April 2011


www.scribd.com/doc/55947898/The-Happy-H ... April-2011

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Marc of Frankfurt
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Isolation - Scham - Schuldgefühl - Stigma

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Warum bricht ein Sexworker die Kommunikationsverbindung zur Herkunftsfamilie und Heimat von sich aus ab?

Selbstgewählte Isolations
eine Aspekt der sog. "Falle Prostitution"


  • Aus Zwang von außen
    Kommunikation mit Leuten aus der Vergangenheit sollen abgebrochen werden, damit die Person sich dem neuen zuwenden kann, damit sie frei vom alten bzw. kontrollierbar, abhängig und zugehörig zum neuen wird.
    Dieser Zwang wird in allen totalitären Systemen angewendet: Entzugskliniken, Sekten, Geheimdienste, Mafia, Befreiungsbewegung.
    Geheimhaltung und Kontaktabbruch kann verstanden werden als Preis des anders sein.
  • Aufgrund eigener Erkenntnis und bewußter Entscheidung
    Jemand der sich anders fühlt oder besser fühlt, wird den Kontakt zu den Milieus aus denen er sich hervorgearbeitet hat abbrechen, um als vergangen bewertete Phasen seines Lebens hinter sich lassen zu können.
    Das kann als Hochmut und Feindschaft gedeutet werden und entspricht der Täterposition im Dramadreieck von Karpman.
    Das bibliche Gebot "Du sollst deine Eltern ehren" versucht dem entgegenzuwirken.
  • Aufgrund fehlender Energie
    Jemand der sich grundsätzlich miß- oder unverstanden fühlt in seinem Tun oder Sein, dem fehlt ab einem bestimmten Zeitpunkt die Kraft einen Kommunikationskanal aufrecht zu halten, wo er mehr Energie hineingibt als er zurückerhält.
    Die Stigmatisierung und teilweise Kriminalisierung von Prostitution ist hier eine zentrale Ursache.
    Sexworker sind in einer Situation sich ständig rechtfertigen zu müssen, Vorurteilen entgegnen zu müssen, sich aufwendig schützen zu müssen (Doppelleben), weil ein großes Unverständnis und teilweise feindliche Ablehnung vorherrschen und ihnen entgegenschlagen.
  • Aufgrund von Entfremdung
    Wenn man sich auseinander gelebt und nichts mehr zu sagen hat.
  • Scham
    Scham ist die Angst vor Ablehnung, vor dem nicht dazugehören, dem ausgestoßen werden. Das Eröten entspricht der Situation, wo einem bewußt wird sowohl in seinem Anderssein oder Tun erkannt worden zu sein als auch darin, dass dieses Anderssein höchstwahrscheinlich nicht akzeptiert werden wird. Der geisteigerte Puls ist die Symptomatik einer Existenz-Angst-Krise dh. Kämpfen oder Fliehen zu müssen oder "im Boden versinken zu wollen", sich tot stellen.
    Schamgefühle sind also ein Selbststeuerungs- und Selbsterkenntniswerkzeug, um den Normen der 'normalen' Mehrheit entsprechend handeln zu können. Wer das nicht kann, wird sich eine neue Peergroup suchen. Überbordende Gefühle können aber den Betroffenen auch paralysieren und handlungsunfähig machen. Wer keine Kraft zu Kampf oder Flucht hat, dem bleibt nur sich tot zu stellen oder suizidal zu werden wenn sich die destruktive Engergie gegen einen selbst wendet.
  • Schuldgefühle
    Wenn die Normen der Gruppe gut bekannt und verinnerlicht sind (Erziehung/Sozialisation/Indoktrination/Konditionierung), wird einem sofort der eigene Regelverstoß und damit die Schuld bewußt so daß Schuldgefühle entstehen.
    Wenn z.B. die Kath. Kirche seit Jahrtausenden predigt, dass Sexualität nur der Fortpflanzung und "der Kommunikation der von Spermien und Eizelle" zu dienen hat und nur dann gottgewollt und erlaubt ist und andernfalls Sünde, der wird sich schuldig fühlen, wenn er nur der Lust gefolgt ist, Kondome benutzt hat, autoerotisch gehandelt hat, fremd gegangen ist, homosexuelle Sexualität gelebt hat, Sexdienstleistung konsumiert hat oder mit Sexarbeit Geld verdient hat ("sich prostituieren" / "prostituted women").
Da Prostitution von der herrschenden Meinung in der Gesellschaft als nicht dazugehörig definiert wird, ist Ausgrenzung und somit Kontaktabbruch eine wahrscheiniche Folge von der viele Sexworker in unterschiedlich starker Ausprägung betroffen sind bzw. darunter leiden. Sexworker werden quasi in ein Doppelleben gedrängt, aus Selbstschutznotwendigkeit. Das kostet viel verschenkte Lebensenergie und kann schleichend zum SWBO führen. Weil die Gesellschaft glaubt sich selbst (die Jugend und die guten Sitten) nur so schützen zu können, wird Gewalt gegen Sexwork angewendet (Sexworker werden quasi 'geopfert' bzw. als Kollateralschaden in Kauf genommen). Diese institutionalisierte Gewalt erzeugt eine "strukturelle Zwangsprostitution" und die sog. "Falle Prostitution".





Hier klagt eine betroffene Mutter über diesen Kontaktverlust zur eigenen Tochter
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=8029

Hier beschreiben die Filme "Der Zauber von Malèna" und "Melissa: Mom and Me" die Situation der Sexarbeiter
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=8015#8015
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=98234#98234

Strategien gegen Schulgefühle:
- King Kong Strategie (Virginie Despentes)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=39370#39370

- Selbstbild shameless slut (Veronica Monet)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=40713#40713

- Coming-out Gruppen für Sexworker (Stammtische, Sexworker Akademy, Sexworker Day)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4709

- Akzeptanzkampagne / Gedenktag 17.Dezember
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=803

- Whore Culture / Hurenbewegung
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=29638#29638

- Coaching / Supervision / Therapie
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=7686

- Vereinigung / Vernetzung / Gewerkschaftsbildung / Union
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4508
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 30.05.2011, 12:51, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Isolation - Scham - Schuldgefühl - Stigma

Beitrag von Aoife »

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Marc of Frankfurt hat geschrieben: Das kann als Hochmut und Feindschaft gedeutet werden und entspricht der Täterposition im Dramadreieck von Karpman.
Eher dem Ausstieg aus dem Dreieck, der von den darin verbleibenden regelmäßig als Täterposition fehlgedeutet wird. Das hängt eng mit der sozialen Funktion von Schuldgefühlen (s.u.) zusammen.
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Das bibliche Gebot "Du sollst deine Eltern ehren" versucht dem entgegenzuwirken.
Auch wenn ich kein Christ bin, für diejenigen, die daran glauben möchte ich darauf hinweisen, dass die Bibel nur "ehren" verlangt, weder Kritiklosigkeit noch Vergöttlichung und auch keine unter allen Umständen fortgesetzte Kommunikation fordert.

Allerdings werden solche Feinheiten von interessierter Seite typischerweise unterschlagen, wie ja auch beim Gebot der Nächstenliebe kaum jemals das "wie dich selbst" erwähnt wird.

Psychologisch gesehen ist es durchaus möglich (und manchmal auch die gesündeste Möglichkeit) sich unguten elterlichen Einflüssen zu entziehen, eine grundsätzliche Entwertung der Eltern führt jedoch zur eigenen Entwurzelung und soll deshalb vermieden werden. "They fuck you up, your mum and dad" - stimmt schon, aber zumindest für die körperliche Bedeutungsebene muß ich sie dafür ehren, sonst entwerte ich mich selbst.
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Schuldgefühle
Wenn die Normen der Gruppe gut bekannt und verinnerlicht sind (Erziehung/Sozialisation/Indoktrination/Konditionierung), wird einem sofort der eigene Regelverstoß und damit die Schuld bewußt so daß Schuldgefühle entstehen.
Schuldgefühle binden, stellen somit (in westlich geprägten Gesellschaften) den sozialen Kitt dar. Deshalb werden Aussteiger aus dem Karpmandreieck von den darin Verbliebenen unwillkürlich als Täter definiert, ein letzter verzweifelter Versuch, sie durch Schuldgefühle gebunden im Dreieck zu halten. Um Schuldgefühle zu verursachen braucht es übrigens keineswegs einen Verstoß beispielsweise gegen die katholische Sexualmoral, schon die Behauptung "Jesus ist gestorben, damit du lebst" erzeugt unspezifische, und somit noch viel wirksamere Schuldgefühle, so sie denn geglaubt wird. Von daher bezweifele ich, dass Schuldgefühle zum dauerhaften Kommunikationsabbruch führen können. Schon möglich, dass jemand vorübergehend auf diese Weise versucht, seinen Schuldgefühlen zu entfliehen, letztlich werden sie aber ganz im Gegenteil die Bindung verstärken.

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von fraences »

Wir alle haben hin und wieder Schuldgefühle. Mal etwas leichter und manchmal bleiben wir auch eine Zeit darin stecken.Genau sowie Depressionen, ich habe mal gelesen,das ist nicht tragisch,sofern sie nur ein paar Tage sind oder wenn es hart kommt eine Woche anhalten. Solange man sich nicht hinein steigert und aus eigenem Antrieb aus dem Tief wieder raus kommt, ist dies nicht pathologisch zu sehen. Vielleicht sind solche Gefühlserlebnisse für uns lebenswichtig, denn nur auf "Wolke sieben" zu schweben, oder am Boden zerstört zu liegen, wäre eine monotone abgestumpfte Erlebniswelt. Freud und Leid liegen nah beieinander. . Zurück zu den Schuldgefühlen, sollte man da nicht differenzieren ,und zwar die Schuldgefühle, die in der Auseinandersetzung mit der Umwelt entstehen,seien es Moralvorstellungen,starre Verhaltensregeln (man bekommt sein ganzen Leben gesagt Das tut man nicht, das ist unanständig, das ist nicht christlich usw.) Schaue ich aber genaue hin, dann ist es nichts Schlimmes oder Gefaehrliches, sondern einfach unpassend für das eigenes Leben Die moralisierende Gesellschaft, unseren doch teilweise lieben inkompetenten Politikern,über motivierte, hilfsbereite Sozialarbeitern,(vielleicht gerade von der Uni, wollen das lang jaehrige Erlernte direkt in die Praxis umsetzen und wir sind die „Unwissenden“ und können es nicht besser, man hat es nicht studiert.“ Probieren geht über studieren.“ ,Sie haben für alles und nichts ,vorgefertigte Schubladenantworten parat; eine wunderbare theoretische Erklaerung mit sofortige Lösungen A,B,C; variablen einsetzbar für alle Einheitsproblemchen: "So bekommen wir alles wieder hin." :003 " Alles wird gut." :060 ; oder manch ein mitfühlenden Gast, der eine Quentchen zu viel Übereifer an den Tag legt :“Ach; Mädchen Du bist doch viel zu schade für diesen Job.“; die guten alten Bekannten und Freunden,da wird erst mal hin und her überlegt . Soll ich. Soll ich nicht. Akzeptieren sie meine Entscheidung für diesen beruflichen Betaetigungsfeld?.Wird ihr Verhalten und Gefühle für mich anders werden?Werde ich wegen ein Aspekt ,damit rechnen müssen das mein ganzes Leben überschattet wird? Da sie sich recht sicher waehnen, es beurteilen zu können, was für uns richtig oder falsch ist."Ach; Mädchen Du bist doch viel zu schade für diesen Job. Mach doch ein vernünftige Arbeit, bei der Du nicht das Opfer bist und von Sex besessenen Männer ausgenutzt wirst.::018 Mir scheint, das hinter diesen gutgemeinten Ratschlaegen und Hilfsangeboten oftmals viel Eigennutz steckt. Gegenüber Einflürsterungen solcher Art sollte man seinen "gesunden" Menschenverstand einschalten und nach den Kriterien und Notwendigkeiten ,die das eigene Leben betreffen, entscheiden. Selbstbewusstsein sollte ich durch eigenes Erleben erhalten und Anwenden. Mein erster Chef (25 J. jung!) in der "solide Arbeitswelt" ,einen mittelständischen Betrieb , er hatte sich bereits in eine Führungsposition hoch gearbeitet,sagte am ersten Tag zu mir (ich war 17 Jahre alt ,Schule gerade beendet ohne Ausbildung ,kein Plan von was auf mich zukommt, mit schlotternden Knien vor lauter Nervosität und Unsicherheit stand ich vor ihm und er sagte ;"Es ist nicht tragisch, wenn du etwas nicht weiß oder nicht kannst. Du darf hier so viele Fehler machen wie Du willst. :018 Aber mach nie den gleichen Fehler zwei mal.Das kann ich mir nicht erlauben. Ein erfolgreicher Mann hat gesagt: "Nicht aus dein Erfolgen, sondern aus deinen Fehlern lernst Sein zweiter Satz:“Du musst nicht alles wissen, nur wo es steht.“ 2.Es gibt die selbstverursachten Schuldgefühle, denen ich trotz besseren Wissens , manchmal zu wider handele. Dieser habe ich im Laufe der Zeit entweder verinnerlicht ,weil sie Sinn machen und dem gemeinsamen Wohl dienlich sind . .Als Beispiel: In der Schwangerschaft kann man mit dem Rauchen nicht sofort aufhören,trinkt noch zu viel Alkohol, schluckt unnötige Tabletten,, man achtet nicht auf gesundheitsbewusstes Essen und bewegt sich nicht genug. Es geschieht im vollen Bewusstsein, hier entscheide ich nicht mehr nur über mein Leben Jetzt gibt es zwei Richtungen: Das Kind wird zu früh geboren es entstehen Komplikationen oder gravierenden Gesundheitsschäden ,.Dann haben diese Schuldgefühle ihre ("berechtigte")Ursache begründet in meine Unfähigkeit.Mit unter gehe ich mit dem mir an vertrauerten Leben Ich bin mit dem mir an vertrauerten Leben ,nicht sorgsam genug umgangen . Ich habe kläglich versagt, der verursachte Schaden ist nicht mehr rückgaengig zu machen, Wie geht man mit Schuldgefühlen um? Kann ich mir selber helfen oder verdränge ich es nur, rede ich es mir selbst" schön" habe ich ständig eine Ausrede parat oder schäme ich mich für mein eigenes Verhalten? Wann holt man sich professionelle Hilfe und haben sie auch den richtigen Vorschlag einer Therapiemethoden die ich persönlich auch annehmen kann?Wie hoch ist die Quote der Richtigkeit deren Diagnostik?Liebe Grüße,Fraences P.S: Dieses Thema berührt mich aus eigene Erlebnisse, bin schon viele unterschiedliche Wege und Irrwege gegangen. :017 Heute kann ich sagen,die Strecken sind kürzer geworden. Können wir uns immer von Schuldgefühlen bzw. von Fehlen freisprechen oder müssen wir eine Perfektionismus anstreben,der keine Luft zum Atmen lässt.
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Spiritualität als Lebensweg

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Probleme und Erkenntnisse von spirituellen Menschen mit Arbeitswelt und Existenzsicherung


Spirituelle Arbeit ist -nicht unähnlich zur Sexarbeit- keine 'Arbeit wie jede andere'. Unter ökonomschem Verwertungsdruck ist spirituelle Bewusstseinsarbeit ziemlich unterbewertet. Insbesondere dann, wenn kein naturwissenschaftlicher Effekt meßbar ist bei der Berührung, Heilmethode, Meditation, Energiearbeit, Kommunikation oder Begegnung.

Ein erweiteter Arbeitsbegriff enthält jedoch neben unbezahlter Reproduktionsarbeit/Familienarbeit auch Identitätsarbeit z.B. im Zusammenhang mit Geschlecht/Gender, emotionale Arbeit, Trauerarbeit, Schattenarbeit und die Muße (nicht zu verwechseln mit Konsum)...


Existenzsicherungsmodelle:
- Mit ein wenig Sexwork oder schlechtbezahlten, schlechtangesehenem Nebenjobs seine Existenz und spirituellen Fähigkeiten finanzieren so wie es viele Künstler oder Arbeiterpriester machen (müssen)
- Sich vom Partner finanzieren lassen (Ehe, Zuhälter)
- Von der Arbeitsagentur als für den Arbeitsmarkt unbrauchbar verwaltet, vermittelt und unterstützt werden (instabile, traumatisierte, kranke, arbeitsunfähige Menschen)
- Zeitweise finanziert werden von einer Förderstiftung, um in der Zukunft wirken zu können (Umschulung, Existenzgründer, Visionäre)
- Leben in einer "Schenk-Ökonomie" (jeder nimmt was er braucht, jeder gibt was er kann), so wie in einer Kommune oder im Hilfe- und Informationssystem hier im Sexworker Forum.



Konkurrenzdenken ist eine der genialsten Finten des gegenwärtigen kapitalistischen Systems. Grundlage ist die Angst vor der Existenz des Anderen, der mich in meinen grundlegenden Bedürfnissen nach Nahrung, Unterkunft usw. bedrohen könnte (Mangelgesellschaft, Ausländerfeindlichkeit, materielles Nullsummenspiel, peak everything).

Dabei sind die Anderen mögliche Helfer in einem Tausch-Netzwerk (Überflußgesellschaft, es ist genug für alle da, Kooperationsparadigma, unbegrenztes Qualitätswachstum für Ideen und soziale Entwicklungen). Der Mensch befriedigt die Bedürfnisse des Anderen gerne und freiwillig. Die Erfüllung von Aufgaben und Zielen ist der eigentliche Lohn unabhängig vom Geld (BGE; möglicherweise ist die Aufrechnung mit Geld für 'heiliges' Tun eine Sünde im Sinne von nichtsexueller Prostitution). Es gilt sich mit der natürlich sprudelnden Quelle zu verbinden, seine Talente entdecken und Mission zu finden (Beruf kommt von Berufung).

Ein weiterer systemstabilisierender Aspekt der ausbeuterisch-ausgrenzenden Wettbewerbsgesellschaft ist die Scham. Die Scham einer scheinbaren Schwäche bezüglich eines gesellschaftlich erwarteten/normierten Leistungsvermögens (Schönheit, Können, Erfolg, Status). Die Scham des Scheiterns, das dahinterstehende Tabu des Vergänglichen und Todes. Wenn die paralysierende Scham nicht mehr zu Schweigen, Passivität und Vereinzelung führt, kann man genauer untersuchen, worum es eigentlich auf der Welt oder in der Krisenzeit geht. Um transformatorische Bewusstseinsarbeit, um Selbsterkenntnis, Kurskorrektur, um das Geheimnis des alles verbindenden Lebens.

Zur Selbstbefreiung ist Schattenarbeit notwendig. Sich den Ängsten und inneren Dämonen stellen. Ein heiliger Krieger werden, ein Krieger des Herzen, Selbstverantwortung übernehmen können nach Aussöhnung und Vergebung (Ho'oponopono Methode aus Hawai). Mut, Beharrlichkeit, Hilfe und Glück sind erforderlich für Heilung, Wachstum und Harmonie.




Spirituelle Arbeit in der Dynamik des Zeitenwandels
Julia Vitalis, Schamanin
in der Berliner Zeitschrift SEIN
www.sein.de/archiv/2011/juni-2011/spiri ... ndels.html

zugehörige Umfrage zur spirituellen Arbeit
www.geistigehelfer.de/umfrage.html





Engl. TED-Video: Brené Brown erklärt das Drama der allumfassenden Warmherzigkeit (wholeheartedness)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=90626#90626

Gemeinwohl Ökonomie:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=105839#105839
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 22.10.2011, 14:24, insgesamt 2-mal geändert.

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RE: Arbeitspsychologie, Sozialtechniken und Kompetenzen von

Beitrag von Aoife »

Danke, Marc, für diesen super Beitrag! :008
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Stigma Management

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Fachwissen über Stigma-Management

Den Artikel lesen und das Wort Homosexualität durch das Wort Sexarbeiter_in in Gedanken ersetzen oder ergänzen.


Forschung zu Coming-out:

Trotz der Risiken eines Coming-outs sind sich Psychologen einig darüber, dass es zum Wohlbefinden und zur psychischen Gesundheit beiträgt.



Nur etwa 50% der Homosexuellen outen sich am Arbeitsplatz.

Fast 80% (von denen(?), also insg. 40%) wurden demnach schon einmal auf der Arbeit diskriminiert. Das Risiko für die bürgerliche Karriere ist also hoch. Das zeigte letztmals eine Studie an der Universität zu Köln im Jahre 2007 mit mehr als 2000 Befragten.


- Schwule/Männer erleben nach einem Coming-out weniger Wohlbefinden.
- Lesben/Frauen bekommen am meisten Unterstützung von ihrem Umfeld. Frauen outen sich auch am häufigsten.


Besondere negative Problemzonen sind:
- multikulturelle Gruppen mit z.B. muslimischen Bürgern
- Schulen/Ausbildungseinrichtungen (Lehrer werden gemobbed von Amts wegen, Schüler von ihren Mitschülern)
- traditionalistische Familien
- Sport (männlicher Kampfsport, Fußball (andersherum gibt es Vorurteile beim Frauenfußball seien alle lesbisch, so wie alle Tänzer schwul.))
- Religionsgemeinschaften
- ...


Bereits in der Vergangenheit hatten Studien gezeigt, dass ein Coming-out das Wohlbefinden fördert und zur psychischen Gesundheit beiträgt:
Es stellt demnach einen wichtigen Bestandteil bei der Entwicklung der sexuellen Identität von Homosexuellen dar; sie können dadurch ein deutlich besseres und authentisches Selbstwertgefühl entwickeln.

Die sexuelle Orientierung oder einen Partner zu verheimlichen, bringt hingegen enormen psychischen Stress und viel Leid mit sich.

Oft spielen Homosexuelle aufgrund des Leidensdrucks infolge des ewigen Versteckspiels sogar mit Selbstmordgedanken.

Dennoch nehmen viele diesen Stress auf sich und verheimlichen ihre Sexualität lieber - um sich vor Erniedrigung und Diskriminierung durch ihr Umfeld zu schützen, aber auch aus Angst um den Job.


Die Umgebung ist der wesentliche Faktor, ob sich jemand outet:
87% outen sich bei Freunden
55% am Arbeitsplatz
50% in der Schule
31% in religiösen Gruppen

In sogenannten sozial "kontrollierten Umfeldern", in denen sie also den schönen Schein bewahren und sich korrekt verhalten müssen, geben sie seltener ihre sexuelle Orientierung preis, als in sozialen Umfeldern, in denen sie von anderen uneingeschränkt akzeptiert werden und ganz sie selbst sein können.

"Die Menschen beurteilen ihr Umfeld und bestimmen, ob es dort sicher ist oder nicht."


Es hat keinen positiven Effekt auf die mentale Gesundheit, sich "selektiv" zu outen - das heißt, sich in manchen Umfeldern oder Situationen zu outen, sich in anderen aber weiterhin zu verstecken.

Ständig zwischen Offenheit und Verstecken hin- und her zu wechseln sei, so die Autoren der Studie, nicht hilfreich - brächte aber auch keinen Nachteil.



Nicole Legate, Psychologieprofessor Richard Ryan und ihre Kollegen von der University of Rochester in England haben jetzt in einer aktuellen Studie mehr als 150 Homosexuelle nach ihren Erfahrungen mit dem Coming-out befragt.
Is Coming out Always a “Good Thing”? Exploring the Relations of Autonomy Support, Outness, and Wellness for Lesbian, Gay, and Bisexual Individuals
Social Psychology and Personality Science:
http://spp.sagepub.com/content/early/20 ... 9.abstract


http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/a-768963.html

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Marc of Frankfurt
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Der Mensch ist abhängig vom Menschen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Spezieller Hormon-Rezeptor im Gehirn dafür verantwortlich, warum manche Menschen so sozial, offenherzig und kommunikativ sind
(negativ formuliert: so promiskuitiv, abhängig von emotionalem Sozialkontakt und Anerkennung):

Beta2 Nicotinic Receptor getestet an Mäusen im Tierversuch



"This research can be summed up by saying that it's the real-life equivalent of Chatty Cathy marrying the Marlboro Man," commented Gerald Weissmann, Editor-in-Chief of the FASEB Journal. "Who could have guessed that there may be a biological explanation for 'social butterflies.'

The explanation was found in an area of the brain that for decades has been considered a locus for nicotine addiction."

Scientists say that the nicotine receptors in the brain play an important role in social interactions and the ability to choose between competing motivations (Eigeninitiative vs. Gruppenkomfort?).

French researchers Sylvie Granon, from the Université Paris Sud XI explain how the nicotinic receptors in the prefrontal cortex are essential for social interaction in mice and that this area of the brain is necessary for adapted and balanced social interactions to occur.

- Those genetically modified to lack the nicotinic receptor gene, seemed to favor social contact rather than the investigation of a novel environment [themselves] (significant social deficits [wie Süchtige]).

- When the beta2 nicotinic receptor in the brain was re-expressed, a normal balance between social contact and novelty seeking was restored.

www.scienceagogo.com/news/2011060400500 ... _sys.shtml





Der Beta2 Nicotinic Receptor, extrem kontaktfreudiges Sozialverhalten und Suchtverhalten wie Attention deficit hyperactivity disorder (ADHD / AHDS) werden als miteinander zusammenhängend konstruiert.

Hier fließen möglicherweise moralische Bewertungen mit ein, über gegensätzlich mögliche umweltabhängige menschliche Verhaltensstrategien:
  • Der egoistische Macher- / Machttyp
    (Selbstversorger, Machtmonopolist, Einzelgänger, Handwerker/Produzent... gilt als männlich)
    Überlebensnotwendigkeit in Mangelsituationen (Wüste)
    Pflicht: Existenzsicherung
    Bsp. Hominide Gorilla
    Funktion des Menschen in Auseinandersetzung mit Umwelt und Natur.
  • der auf Wohlfühlen bedachte Sozialtyp
    (Gruppenmensch, Schmarozer, Netzwerker, Unterhaltungskünstler, Sexworker... gilt als weiblich)
    Lebensprinzip bei Überfluß (Regenwald)
    Kür: Lebensqualität und Kulturentstehung
    Bsp. Hominide Bonobo (Gattung Schimpanse noch menschenähnlicher als Gorilla)
    Funktion des Menschen in Auseinandersetzung mit Mitwelt und Nachwuchs.


___
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (AHDS)
Attention deficit hyperactivity disorder (ADHDS)
http://de.wikipedia.org/wiki/Aufmerksam ... %C3%B6rung