True Romance
Allegorien der Liebe von der Renaissance bis heute
Eine Ausstellung
www.VillaStuck.de
München
21. Februar bis 12. Mai 2008

Mel Ramos, David's Duo
1973, Öl auf Leinwand, Courtesy Thomas Levy Galerie, Hamburg, VG Bild-Kunst, Bonn 2008
Themen der Ausstellung
Mythologische Gestalten als Sinnbilder für Liebe:
Venus und Amor
Venus
In der Renaissance wird die
Liebe, ganz im Sinne der wiederentdeckten Antike,
als Lehrmeisterin für die sittliche Vervollkommnung des Menschen aufgefasst. In der bildenden Kunst wird die Liebe oftmals von erotischen und sinnlichen Frauen verkörpert. Bildnisse der Venus, etwa von Tizian oder Giorgione, verleihen dem abstrakten Ideal Züge individueller femininer Anmut.
Eine – ironisch moderierte – Hommage an die Weiblichkeit unternehmen die zeitgenössischen Künstler Jean-Jacques Lebel und Peter Weibel. Letzterer verbindet in seinem Video Venus im Pelz historische Venus-Ikonen mit aktueller Fotografie und zeigt somit, dass die Liebe und ihre Personifikationen durch die Zeiten hindurch Bestand haben. Auch andere KünstlerInnen des 20. Jahrhunderts wie Erwin Blumenfeld, Harry Callahan, Petrus Wandrey und Elodie Pong veranschaulichen, dass die mythologischen Sinnbilder der Liebe, angeführt vom Bild der Venus, noch lange nicht ausgedient haben. In feministischen Rollenspielen eignen sich Ulrike Rosenbach und Valie Export die Venus-Figur an und sprengen mit ihren Arbeiten männlich dominierte Konventionen. Max Klinger oder Mel Ramos, dessen Gemälde David’s Duo auf der Vorlage von Jacques-Louis David basiert, fassen die Liebesgeschichte des antiken Traumpaars Amor und Psyche neu auf. Michelangelo Pistolettos klassische Venus, die vor einem Lumpenhaufen wie vor den Trümmern der Geschichte steht, revidiert scheinbar die historischen Idealisierungen und trägt dennoch zum Unsterblichkeitsmythos der Liebes- und Schönheitsgöttin bei.
Amor
Franz von Stucks schelmischer
Amor Imperator suggeriert, als mythologische Personifikation der Liebe, über alles zu regieren. Lois Renner, der Caravaggios bekannte Ikone Amor ist Sieger ins Zentrum seiner Fotografie gestellt hat, schlägt eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, indem er die triumphierende Figur des Liebesgottes wie auf einer Bühne spielerisch in Szene setzt.
Amor, der seit hellenistischer Zeit als geflügelter Knabe mit Pfeil und Köcher dargestellt wird, verfügt über die Macht, mit goldenen oder in Blei getauchten Pfeilen beim getroffenen Opfer Verliebtheitsgefühle oder aber auch, in selteneren Fällen, Hass zu entfachen. Der
von Venus und Mars gezeugte Göttersohn, in der klassischen griechischen Kunst unter dem Namen
Eros bekannt, entscheidet als Auslöser jäh einsetzender
Liebesgewalt über Glück und Leid der Sterblichen. Dabei verfehlt Amors Pfeil manchmal auch sein Ziel, denn die Liebe ist bisweilen blind, wie Darstellungen des Liebesgottes mit Augenbinde symbolisieren. In Dora Maars surreal-rätselhafter Verwandlung Amors in weibliche Gestalt und in zeitgenössischen Adaptionen, wie jenen von Marina Abramovic und Ulay, wird der Mythos neu aufgefasst und revidiert. Von der Ambivalenz der Liebe und der Liebesbeziehungen, dem Changieren der Gefühle zwischen Zuneigung und Hass, von ekstatischer Freude, Verletzung, Trauer und Wut berichten die Arbeiten von Runa Islam, Anna Jermolaewa, Isaac Julien und Tracey Moffat. Die Polarität des großen Gefühls, die sich auch schon bei Petrarca findet, ändert nichts daran, dass
die Liebe am Ende alles besiegt: Die Virgil zugeschriebene Zuversicht
Amor vincit omnia (Liebe besiegt alles) hat ihre Gültigkeit über die Jahrhunderte bewahrt.
Love is Real
Das von Albrecht Dürer 1498 dargestellte Liebespaar wird von der Gestalt des Todes, die hinter einem Baum hervorlugt, beobachtet.
Liebe, so deutet Dürer damit an,
ist vergänglich wie das Dasein selbst. Der Idealisierung des großen Gefühls, die in der italienischen Renaissance ihre Blüte hat, steht die Nüchternheit zwischenmenschlicher Beziehungen im 20. Jahrhundert gegenüber. Dabei wird die Realität im Spannungsbogen zwischen Endlichkeit und Dauer weiterhin am Ideal ewigen Glücks gemessen. Die Liebe des 20. Jahrhunderts zeigt sich im Alltag durch körperliche Nähe, expressive Gesten, Berührungen, gemeinsam erlebte Aktivitäten und – als ein ultimativer Beleg romantischer Zugehörigkeit – durch den Gang zum Traualtar. Liebe wird zur selbstverständlichen Basis des Zusammenlebens der Geschlechter, das sich gegen Ende des letzten Jahrhunderts längst nicht mehr auf Mann-Frau-Konstellationen beschränkt, wie etwa David Armstrong, Nan Goldin, Mark Morrisroe oder Ena Swansea zeigen. Neben allegorischen oder personifizierten Darstellungen des Liebesideals entstehen Bilder, die von Körperlichkeit, Sexualität und konkret erfahrener Liebe erzählen. Das Video Double Blind (No Sex Last Night) von Sophie Calle und Gregory Shephard beispielsweise zeigt gemeinsam erlebte Situationen eines Paares auf einer Reise, die zum Prüfstein der Liebe und deren Alltagstauglichkeit werden. Hans-Peter Feldmann geht noch einen Schritt weiter: In seiner Sammlung von anonymen Fotografien dokumentiert er die Realität des großen Gefühls fernab jeglicher Stilisierung – Bilder wie sie das Leben schreibt.
Ideal und Scheitern der Liebe
Anknüpfend an die Tradition von Dante und Petrarca, verleiht der englische Maler, Dichter und Mitbegründer der Präraffaeliten Dante Gabriel Rossetti dem idealisierenden Frauenlob der Troubadoure im 19.Jahrhundert neue Gestalt – nunmehr als Feier der eigenen ehelichen Liebeserfahrung. Parallelen dazu finden sich in der symbolhaltigen, mythisch aufgeladenen Malerei Franz von Stucks in Deutschland, während in Werken von Künstlern des Wiener Jugendstils wie Gustav Klimt das Ideal perfekter Harmonie zwischen Liebenden zur Darstellung kommt. Mit ihren engen Umarmungen und innigen Küssen thematisieren auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler wie Richard Artschwager, Barnaby Furnas und Nan Goldin die
Utopie vollständiger Verschmelzung zweier Menschen in Zuneigung.
Die Idealvorstellung der Liebe ist zwangsläufig gebunden an ihr Scheitern und birgt die Dimensionen der Enttäuschung und der Desillusionierung. Besonders intensiv wird das Liebesleid in Edvard Munchs von Seelenqual unterströmter Bildsprache gegenwärtig. Die Verschattung der Liebe durch ihre dunklen Kehrseiten gewinnt als Gegenstück zum tradierten Liebeslob vor dem Hintergrund neuer Rollenverständnisse im 20. Jahrhundert noch an Raum. Douglas Gordon entleert in seiner Videoinstallation Monument for X den liebenden Impetus des Kusses, indem er ihn als Endlosschleife andauern lässt.
Love for Sale
Die rasante Entwicklung der Konsumgesellschaft schlägt sich ab den 1950er Jahren auch in der Kunst in Europa und den USA nieder. Adaptiert die Pop Art in den 1960er Jahren Inhalte aus den Massenmedien und der Warenwelt, so
missbraucht die Werbe- und Unterhaltungsindustrie das Thema Liebe mehr und mehr für ihre Zwecke. Die Werbung nutzt die kollektive Sehnsucht nach dem großen Gefühl zur Produktplatzierung. Lifestyle-Magazine und Kinofilme bringen massenkompatible Bilder der Liebe in Umlauf, die sich als Projektionsfläche für Wünsche eignen, wie die Videocollage 1000 Küsse von Klaus vom Bruch und Ulrike Rosenbach vor Augen führt. Tradierte Liebessymbole wie Herzen werden zur Verkaufsförderung benutzt, die – so in Susanne Sanders Valentine’s Night – auf den Plattformen der Konsumwelt attraktiv in Szene gesetzt werden. Geradezu inflationär behandelt Damien Hirst das Liebesthema in seiner umfangreichen Gruppe von verschiedenfarbigen Schmetterlingsbildern: Der britische Künstler hat die sprichwörtlichen Schmetterlinge im Bauch als schaurig-schönes
Memento mori konserviert. Die Aushöhlung individueller Emotionstiefe reflektieren auch Katharina Fritschs kühl glitzerndes Herz mit Geld und Richard Princes fotografische Fundstücke Couples aus der Sphäre der Modekataloge, in der Models mit gefrorenem Lächeln die populären Klischees liebevoller Intimität darstellen.
Begleitprogram:
LOVE FOR SALE
Dienstag,11. März 2008
Eva Illouz über die „Wa(h)re Liebe“.
(Vortrag in englischer Sprache)
Im Anschluss: Gespräch mit
Armin Nassehi
Einführung & Moderation: Belinda Grace Gardner
In den Konsumgesellschaften der westlichen Industrienationen ist die Liebe längst zur Ware geworden. Medien und Werbung haben das „große Gefühl“ verkaufsfördernd usurpiert. Gleichzeitig wächst die Kluft zwischen dem Versprechen unendlich romantischer Möglichkeiten und der Erlangung „wahrer Liebe“. In ihrem Vortrag analysiert Eva Illouz die Entwicklung der Warenwelt zum „
emotionalen Kapitalismus“. Im anschließenden Gespräch entwirft sie mit Armin Nassehi Perspektiven für die Zukunft der Liebe, moderiert von Belinda Grace Gardner.
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