„Eine Bedrohung unserer Gesellschaft“
LEINF.-ECHTERDINGEN: Kriminalexperte informiert über die Gefahren
des Rotlichtmilieus
15.02.2008
Alle Versuche, die Prostitution abzuschaffen, sind gescheitert. Doch gegen die
damit verbundene Kriminalität müsse man viel mehr tun, forderte
Manfred
Paulus, pensionierter Kriminalhauptkommissar, bei einem packenden Vortrag in
der Zehntscheuer Echterdingen. Paulus klagte, wie naiv Politiker aus seiner
Sicht dem Rotlichtmilieu begegnen.
Von Peter Dietrich
Nadelstreifenanzug statt Boxermilieu: Das Zuhälterwesen verändere sich, viele
verstünden sich als Unternehmer. „Der Trend geht zu Edelbordells mit
Badelandschaften, man dringt in den Wellnessbereich ein“, erläuterte Paulus.
Bei einer Untersuchung eines solchen Unternehmens habe sich der
Geschäftsführer absolut „clean“ gezeigt, ohne kriminelle Vorgeschichte.
Trotzdem herrschte ein strenges Reglement, mit Videoüberwachung und einem
16-Stunden-Tag für die Frauen. „Oberflächlich ganz harmlos, doch im
Hintergrund stand eindeutig die organisierte Kriminalität.“Das
Prostitutionsgesetz, nach dem die Förderung der Prostitution nicht mehr
strafbar ist, habe die Position der Bordellbetreiber gestärkt und die der Polizei
geschwächt. Mit dem abgeschafften Geschlechtskrankheitengesetz habe die
Polizei eine weitere Kontaktmöglichkeit verloren,
mit der geplanten
Freierbestrafung stehe der nächste Flop bevor. Wie solle ein Freier
Zwangsprostitution erkennen, wie die Polizei ihm das beweisen? „Das Milieu
reagiert, wir erweisen den Frauen einen Bärendienst damit“, ist Paulus
überzeugt. Leider ziehe die Politik zu wenige Fachleute heran. Zusätzlich suche
das Milieu Einfluss - so viel, dass es für Paulus inzwischen um eine
Unterwanderung und eine „Bedrohung unserer Gesellschaft“ geht. Herkömmliche
polizeiliche Methoden griffen im Rotlichtmilieu nicht. Bei einer Durchsuchung sei
alles weggeräumt, bei der Razzia lägen die Ausweise bereit, beim abgehörten
Telefonat würde die Polizei freundlich begrüßt. Um die Strukturen des Milieus zu
durchdringen, müsse die Polizei die Möglichkeit zu langfristigen, auch teuren
Untersuchungen haben. Nach einer leisen Übernahme seinen viele deutsche
Rotlichtmilieus in der Hand großer ausländischer Organisationen - Russen,
Ukrainer, Litauer, Libanesen, Türken und vor allem Albaner. Bei 400 000
Prostituierten in Deutschland und täglich drei Freiern à 100 Euro gehe es um
120 Millionen Euro Tagesumsatz, eine große Wirtschaftsmacht.
„Sexsklaverei“
Noch immer nehme der Frauenhandel zu - wobei der amerikanische Begriff der
„Sexsklaverei“ die Situation viel besser treffe. „Alles freiwillig? Ich kann vor
solchen Vorstellungen nur warnen.“ Bis zu 15 Prozent der Frauen erlitten
Gewalt. 30 Prozent würden getäuscht, vor allem in ländlichen Gebieten des
Ostens seien die Frauen ahnungslos. Andere würden Opfer bitterer Armut, einer
Notlage oder eigener Naivität. „Dieses Milieu beutet alle aus. Die Ausländerin ist
in der Hierarchie ganz unten angesiedelt.“ Hier könnten Gesetze helfen:
„Warum brauchen wir Ausländerinnen in der Prostitution?“ Doch anstatt
Grenzen dicht zu machen, müsse es für die Frauen Alternativen geben, etwa in
der Pflege. „Wirken Sie, dass das Ganze überschaubar bleibt“, riet Paulus. Wenn
ein Bordell nicht im dunkelsten Industriegebiet liege, sei die Kontrolle leichter.
Am Freitag, 22. Februar, um 19.30 Uhr lädt die „Aktionsgruppe gegen
Prostitution in Leinfelden-Echterdingen“ in die Zehntscheuer ein. Der Vortrag
von Peter Töpfer, ehemaliger Bordellbesitzer in Hamburg, heißt „Die Wahrheit
über Prostitution“.
www.aktionsgruppe-gegen-prostitution-in-le.de
Original:
ez-online.de/lokal/esslingen/kreisesslingen/Artikel1482146.cfm
Stuttgarter-Wochenblatt:
Angebot und Nachfrage
Nawrocki, Cornelia
Jeder fünfte Mann in Deutschland nimmt die Dienste einer Prostituierten in Anspruch, weiß Manfred Paulus. "Ich fange jetzt hier nicht an zu zählen", sagte der pensionierte Kriminalhauptkommissar am Ende seines Vortrages und meinte es nicht unbedingt bloß als Scherz. Genau hier liegt das Problem. Denn auch im ältesten Gewerbe der Welt gilt das Prinzip von Angebot und Nachfrage.
Da Letzteres trotz der Zunahme von Aids und Geschlechtskrankheiten noch immer hoch ist, wird das Problem nicht einfach so verschwinden. Auch nicht dann, wenn der Moderator des Abends den Zuhörern empfiehlt, mit dem Partner offen über Sex zu reden. Wer eine erfüllte Sexualität in der Ehe habe, gehe nicht ins Bordell, argumentierte er. Ob es wirklich so einfach ist? Treiben nicht auch die Neugierde und der Reiz am Fremden und Verbotenen so manchen an?
Mindestens die Hälfte der jungen Frauen, die als Prostituierte arbeiten, komme aus Osteuropa, weiß Paulus, der im Auftrag der EU die Ursachen und Bedingungen des Frauenhandels in Weißrussland erforschte und darüber hinaus als Berater in Fragen der Prävention in Moldawien und der Ukraine tätig ist. "Der Strom an jungen Frauen reißt einfach nicht ab. Das Reservoir ist nahezu unerschöpflich".
Die häufig geäußerte Meinung, dass die Frauen doch wissen müssten, worauf sie sich einlassen und auch, dass sie es doch hier besser haben als zu Hause, verweist Paulus in das Reich der Märchen. Die meisten treibe die pure Armut in den Westen. "Da hilft nur Prävention und Aufklärung vorort."
Die Prostitution abzuschaffen sei unmöglich und darüber hinaus auch nicht die Aufgabe der Polizei, so Manfred Paulus. Die habe genug damit zu tun, die Kriminalität im Dunstkreis der Prostitution in Schach zu halten. Der erfahrene Ermittler verweist auch auf einen anderen nicht unerheblichen Aspekt. "Mit der Prostitution lässt sich ohne auch nur einen Cent zu investieren, enorm viel Geld verdienen."
Vor allem deshalb, ist er überzeugt, werde es immer wieder Menschen geben, die Frauen zum Anschaffen zwingen. Und Frauen, die so naiv sind, zu glauben, dass sie am Gewinn angemessen teilhaben können. Ob da Beten, wie es der Moderator den Zuhörern vorschlug, wirklich hilft?
Original:
http://www.stuttgarter-wochenblatt.de/s ... hp/1640871
Ex-KHK Manfred Paulus hat dieses Buch geschrieben:
"Frauenhandel und Zwangsprostitution. Tatort: Europa"
http://www.amazon.de/Frauenhandel-Zwang ... 3801104877
Und einige kennen ihn aus dieser TV-Sendung:
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1371
Die wir auch in unserem Filmeforum für Mitglieder dokumentiert haben.
Lokalnachrichten Stuttgart:
Streit um Ansiedelung eines Prostitutionsbetriebes mit Arbeitsplätzen für Sexarbeiterinnen
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=32241#32241
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