Wo Prostituierte schlafen
Die Berner Fotografin Yoshiko Kusano hat Zimmer von Prostituierten abgelichtet und dabei fast so viel Biederes entdeckt wie in Nachbars Schlafzimmer.
Sie haben Zimmer von Prostituierten in der Schweiz, in Österreich, Deutschland und Japan fotografiert. Gibt es etwas, das überall zu finden ist?
Ja. Kleenexboxen und Feuchttüchlein. Die Zimmer von Prostituierten unterscheiden sich aber nicht wirklich von den meisten Schweizer Schlafzimmern. Die Ästhetik und das Verständnis dafür, was man als erotisch und gemütlich empfindet, sind relativ ähnlich. Teilweise sieht es in Bordellen ziemlich bieder aus.
Wie denn?
Da hängen etwa Bilder von Sonnenuntergängen oder Palmen, und das Licht ist gedämpft. Der Otto Normalverbraucher würde es auch so machen, wenn er bei sich daheim für Stimmung sorgen will. Es ist also gar kein so grosser Unterschied, ob man im Zimmer einer Prostituierten steht oder im Schlafzimmer des Nachbarn.
Spiegeln die Zimmer den Geschmack der Frauen wieder oder geht es eher darum, die Fantasien der Männer zu bedienen?
Es ist eine Mischung aus beidem. Sicher überlegen sich die Frauen, was den Männern gefallen könnte, und hängen zum Beispiel erotische Bilder auf. Aber ich habe auch immer wieder Plüschbärchen oder Herzchen gesehen. Manche Frauen wohnen ja auch dort. Ich finde, das Interieur erzählt viel über die Frauen; woher sie kommen, in welcher Gesellschaftsschicht sie leben und so weiter.
An welchen Details erkennt man das?
Weniger an Details, eher am Stilempfinden. Ich hatte den Eindruck, dass besonders Asiatinnen viel Wert auf dekorative Details legen.
Eines der Zimmer in Ihrem Buch sieht aus wie in einer Physiotherapie oder in einer Notfallabteilung im Spital. Auf der Liege hat es ein hellgrünes Tuch, nebenan sind farblich abgestimmte Frotteetüchlein drapiert.
Das war in Japan. Dort ist Prostitution offiziell verboten. Es gibt aber sogenannte Soap Lands, wo Männer sich waschen lassen können. In den Zimmern gibt es jeweils ein Bad und ein Bett. Es ist eine Dienstleistung, die geduldet wird. Offiziell gehen die Männer dort baden; was sie dann tatsächlich dort treiben, ist deren Sache. Hier würde man vielleicht von einem Massagestudio reden.
Waren die Frauen sofort bereit, Ihnen ihre Zimmer zu zeigen, oder war es manchen zu intim?
Die meisten Frauen hatten kein Problem damit, mir ihr Zimmer zu zeigen. Ich hatte aber jeweils jemanden dabei, der die Frauen kannte.
Was fasziniert Sie an Zimmern von Prostituierten?
Ich hatte mal den Auftrag, eine Puffmutter zu portraitieren. Ich fand sie als Person sehr spannend, aber vor allem fand ich es interessant, wie es in den Räumen dort aussah. Ein Bordell ist ja eine Welt, die uns Frauen und vielen Männern verborgen bleibt.
Wie gross sind die Zimmer?
Die meisten sind klein, sehr klein. Oftmals wurden Einzimmerwohnungen in Dreizimmerwohnungen umfunktioniert.
Findet man in Bordellen auch das Billy-Regal?
Ja sicher.
Sind Sie in den Bordellen häufiger Jesus begegnet oder dem Leopardenmuster?
Auf jeden Fall dem Leoparden. Der ist ein beliebtes Stilmittel. Jesus hab ich nur einmal auf einem Bild angetroffen. Gott ist ja nicht für alle derselbe. Aber ich habe auch den einen oder anderen Schrein gesehen.
Was ist mit Geräten? Auf einem Ihrer Bilder ist ein lebensgrosses X mit so etwas Ähnlichem wie Handschellen zu sehen.
Solche Geräte sind relativ verbreitet, und zwar nicht nur in Dominastudios. Man sieht die sehr häufig.
Wie riecht es in den Zimmern?
Oft nicht sehr angenehm. An manchen Orten sind mehrere Zimmer auf engstem Raum beieinander. Es wird entsprechend viel mit Raumsprays gearbeitet. Neutral riecht es eigentlich nie.
Sie haben Ihr Buch teilweise über Crowdfunding finanziert und für bestimmte Beträge entsprechende Gegenleistungen geboten wie ein japanisches Abendessen oder einen Sushikurs. Den Foto-Assistenzjob im Bordell für 2500 Franken wollte niemand haben. Warum?
Keine Ahnung. Vielleicht war der Betrag zu hoch? Vielleicht aber auch die Hemmschwelle.
http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/buec ... y/11557778