Große Medienkampagne und
neues Buch aus Wien:
Business mit der "Ware Frau"
Sklaverei ist kein Phänomen der Vergangenheit. Betroffen sind zehntausende afrikanische Frauen, die nach Europa in die Zwangsprostitution verschleppt werden
Joy sitzt auf einem Stuhl, der Kopf mit den langen Plastiklocken hängt nach unten und streift den Boden, sie umarmt ihre Unterschenkel und wippt vor und zurück. Hinter ihr läuft stumm ein Fernseher, Autorennen. Die Minuten ziehen unendlich langsam vorbei in dieser Mischung aus
Stundenhotel und Bordell gegenüber dem Prater in Wien, einem der Zentren des Straßenstrichs der Stadt. Nebenan zieren verstaubte Spitzenvorhänge und Topfblumen die billigen Parterrewohnungen, nur in diesen drei Fenstern brennt rotes Licht. „Kleinhandel mit Getränken und Privatzimmervermittlung" steht auf dem Schild neben der Tür, gemalt mit ungelenken Buchstaben auf weißem Karton. Auf den alten Ledersofas sitzt ein halbes Dutzend junger Mädchen, alle aus Nigeria. Dazwischen thront eine Madame: Eine missmutige ältere Afrikanerin im Trainingsanzug mit einem Tuch um den Kopf, die scharfe Kommandos zischt. Joy hebt den Kopf, seufzt laut und zieht die Jeans hoch. Sie setzt sich neben einen Gast, legt die Hand auf sein Knie und fragt mit bemerkenswerter Abscheu in der Stimme: „Fuck?" Doch der Gast wartet auf ein anderes Mädchen. Als er aufsteht, setzt sich Joy wieder auf ihren Stuhl und umarmt ihre Knie, den Kopf nach unten.
Joy ist eine von
zehntausenden jungen Nigerianerinnen, die nach Europa verkauft wurden, um in der Prostitution ausgebeutet zu werden. Draußen, vor dem Bordell, liegt das Wiener Messegelände, an dem lange Reihen von Mädchen und Frauen stehen, die meisten aus Nigeria, die meisten blutjung: Man nimmt ihnen kaum ab, dass sie über 18 sein sollen. Sie stehen mit Miniröcken in der beißenden Kälte, oder sie tragen einfach Jeans und Turnschuhe. Wenn eine Glück hat, dann zahlt der Freier ein Zimmer im Stundenhotel. Sonst ist der Arbeitsplatz ein Baum, an den gelehnt, das Geschäft abgewickelt wird, oder der Beifahrersitz eines Autos. Wiese und Gehsteig sind übersät mit gebrauchten Kondomen und Taschentüchern. 30 Euro für "Blasen und Verkehr" ist hier der Standard-Tarif, an schlechten Tagen werden die Preise halbiert. Damit müssen die Mädchen und Frauen die Menschenhändler abzahlen: Sie werden meist
unter falschen Versprechungen angeworben - ein Job, ein Studium. Mit gefälschten Papieren werden sie nach Europa gebracht und in die Prostitution gezwungen.
Bis sie ihre „Schulden" abgezahlt haben, sind sie praktisch versklavt. 45.000 bis 60.000 Euro ist der Tarif derzeit, das sind beim Prater in Wien 2000 Kunden. Dazu kommen exorbitante Kosten für Miete und Kleidung von bis zu 3500 Euro pro Monat.
Blessing hat das Martyrium hinter sich, aber sie zittert noch, wenn sie davon erzählt. Sie wurde nach Europa verkauft und
nach acht Monaten als Zwangsprostituierte nach Nigeria zurückgeschoben. Wir treffen sie in Benin-Stadt, einer Stadt im Süden Nigerias mit Straßen aus rotem Staub und niedrigen Häusern. Die meisten der Opfer von Frauenhandel aus Nigeria kommen aus dieser Stadt oder der Umgebung. Sie ist sehr schmal und freut sich so sehr über die mitgebrachten Kleider, dass sie uns mehrmals um den Hals fällt. „Ein Freund der Familie hat meine Eltern angesprochen, ob ich nach Europa will", erzählt sie. „Er hat ein Studium in Italien versprochen."
"Als wären wir Tiere"
Dass die Reise nicht auf legalem Weg ablaufen würde, war klar [Das mit der Sexarbeit nicht?]. Es gibt keine Visa für Frauen aus Nigeria, die in Europa studieren oder arbeiten wollen. Blessing musste bei einem
Voodoo-Priester schwören, dass sie jene, die sie nach Europa bringen, nie verraten würde. Dann begann eine Reise durch die Hölle: die Sahara. Seit die Einreise nach Europa mit dem Flugzeug wegen verschärfter Kontrollen schwierig geworden ist, kommen immer mehr Opfer von Menschenhandel über Land und Meer. Sie müssen sich ihre Reise auf dem Weg selbst verdienen,
werden von einem Zwischenhändler zum nächsten verkauft. Viele brauchen dazu mehrere Monate. Blessing verbrachte fast zwei Jahre auf dem Weg durch die Wüste von Nigeria nach Marokko,
immer auf der Flucht vor den Sicherheitskräften und vor Räubern, der Wüste ausgeliefert.
„Wir mussten ständig zu Fuß gehen. Einmal waren es zwei Wochen am Stück. Wir sind die ganze Nacht immer unterwegs gewesen. Wenn wir einen Araber sahen, dann bettelten wir ihn um Essen und Wasser an. „De l'eau, de l'eau" - so sagen sie dort. Manche warfen uns Früchte zu, als wären wir Tiere. Viele starben in diesen Tagen. Man sieht nichts in der Wüste, bis zum Horizont nur Wüste. Man weiß nicht, wo man hergekommen ist, wohin man geht. Ich habe meinen Urin an einen Mann verkauft, weil es kein Wasser gab. Es gingen viele mit uns los, aber es schafften nicht alle bis ans Ziel. Viele weinten, weil die Schwachen zurückgelassen wurden. Wir wussten, sie würden sterben."
Blessing schafft es nach fast zwei Jahren Irrfahrt,
mit einem Boot nach Spanien überzusetzen. Dort holt sie sofort ein Kontaktmann aus dem Rot-Kreuz-Lager ab: Die Ware Frau ist an ihrer Destination angekommen.
Menschenhandel ist laut UNO das am schnellsten wachsende Business der Welt, manche meinen, er hat Drogen- und Waffenhandel im Umfang bereits überholt. Vier Millionen Frauen und Mädchen werden weltweit jährlich zum Zweck der Heirat, Prostitution oder Sklaverei verkauft und gekauft. Einer der größten Handelsplätze des Geschäfts mit der Ware Frau ist Westeuropa, wohin laut Amnesty international jährlich 500.000 Frauen und Mädchen geliefert werden. Die größten Gewinne werden mit dem Handel in die Zwangsprostitution gemacht.
Händlerinnen aus Benin-Stadt
Frauenhandel aus Afrika nach Europa ist ein junges Phänomen: Er begann in den 1980er-Jahren im Gefolge der Wirtschaftskrise in Nigeria. Das Business liegt in der Hand von Frauen, genannt Madames - was gängige Schemata von Opfern und Tätern, bösen Männern und armen Frauen durchbricht. Es waren Händlerinnen aus Benin-Stadt in Nigeria, die zuvor in Italien Handtaschen und Gold gekauft hatten, die die Verdienstmöglichkeiten in der europäischen Sexindustrie als Erste bemerkten. Als die Wirtschaft in Nigeria zusammenbrach, begannen sie, nigerianische Mädchen nach Europa zu importieren.
Bis heute sind die Menschenhändlerinnen Frauen. Die meisten davon waren selbst vorher Opfer: Nach dem Abzahlen der "Schulden" kontrollieren sie erst für eine andere Madame deren Mädchen, bis sie genug Geld haben, um selbst welche zu kaufen.
In einer Art Bausparen für Menschenhändlerinnen, Osusu genannt, zahlen mehrere Madames regelmäßig in einen gemeinsamen Topf ein. Wenn 10.000 Euro zusammengekommen sind, kann sich eine ein neues Mädchen bestellen. „Jene, die selbst Opfer waren, sind noch bösartiger. Sie haben selbst keine Gnade erfahren, und sie kennen keine Gnade", sagt Schwester Eugenia Bonetti, die in Italien Betroffene betreut.
Die Männer arbeiten in der zweiten Reihe: als Rekrutierer, Dokumentenfälscher, Schlepper, Schläger. Die Mafia der Menschenhändlerinnen ist keine große, schlagkräftige Organisation. Es ist ein
Cluster-Netzwerk, das sich immer weiter fortpflanzt - flexibel und wenig auffällig. „ Europa hat uns einen ganz klaren Platz zugewiesen: Ihr macht die Drecksarbeit auf der Straße, oder ihr geht wieder. Wir ergreifen diese eine Chance, die wir haben. Die Händler ebenso wie die Mädchen", erklärt uns defensiv ein
Trolley - so heißen die Schlepper, die den Madames die Ware bringen. "
Es spricht doch für sich, dass Asylwerberinnen in Österreich praktisch nur in der Prostitution arbeiten können." ExpertInnen schätzen, dass heute bis zu 100.000 Nigerianerinnen in Europa als Zwangsprostituierte arbeiten. Sie suchen ein besseres Leben für sich und ihre Familie oder wurden einfach von ihren Angehörigen verkauft.
Die meisten wissen nicht, dass sie die Prostitution erwartet. Und jenen, die es wissen, wird erzählt, dass sie in wenigen Monaten die "Schulden" von mehreren 10.000 Euro abzahlen könnten. „Wenn die Mädchen ankommen und bemerken, dass sie an eine Madame verkauft wurden und ihr ausgeliefert sind, ist das ein sehr schwieriger Moment. Wenn ihnen dann klar wird, dass sie in kurzen Röcken halbnackt auf der Straße nachts stundenlang in der Kälte stehen müssen, dann verzweifeln sie. Alle erzählen mit Tränen in den Augen davon", erzählt
Simona Meriano vom Beratungsverein Tampep, der Prostituierte in Turin betreut.
Vodoo-Zauber als Druckmittel
Blessing erzählt: "Am ersten Abend ging ich auf die Straße, mit den Leggings und der Bluse, die sie mir gegeben hatte. Es kamen Autos auf mich zu, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. An diesem Tag hatte ich keine Kunden. Die Madame wurde böse und schrie. Es folgten Schläge. Ich fand keinen Ausweg, konnte keine klaren Gedanken fassen. "Die anderen arbeiten und du nicht - was machst du die ganze Zeit?", schrie sie. "Schläfst du auf der Straße? Wie willst du das Geld abzahlen?" Ich sagte ihr, ich könne das nicht machen, niemand habe es mir gesagt, ich könne es einfach nicht! Aber ich musste.
Dann kamen die ersten Kunden. Ich war nicht mehr Blessing. Die, die ich einmal war, war tot. Weiße Männer schliefen mit mir, gaben mir Geld, und ich gab es ab. Manchmal kamen gar keine, manchmal fünf hintereinander. Wenn sie nicht zahlen wollten, dachte ich: „Gott, wie soll ich das überleben?" Manchmal nahmen sie mich in einen Club mit, manchmal schliefen sie mit mir im Auto. Ich bin bei jedem Mal innerlich gestorben."
Die Mädchen und Frauen sind in einem dichten Netz an Zwängen gefangen, die eine Flucht fast unmöglich machen. Es ist nicht nur rohe körperliche Gewalt, die sie dazu zwingt weiterzuarbeiten.
Die MenschenhändlerInnen behalten ihre Papiere ein, was den Gang zur Polizei unmöglich macht - dort würden sie, wenn sie die Täter nicht anzeigen, nicht als Opfer behandelt, sondern als illegale Einwanderinnen abgeschoben. Eine Anzeige wiederum ist riskant: Es gibt zwar
Opferschutzprogramme, aber sie bieten nur befristeten Aufenthalt, keine Garantie auf Schutz,
nicht einmal eine Arbeitserlaubnis. Vor allem aber können sie die Familien nicht schützen. Die Menschenhändlerinnen haben ein dichtes Netzwerk: Zahlt eine Betroffene nicht ab,
gerät die Familie unter Druck - bis hin zum Mord. Das wirksamste Mittel, die Opfer zum Schweigen zu bringen, ist aber der Schwur, den alle Betroffenen vor ihrer Abreise aus Nigeria ablegen müssen: Ein Ritual vor einem Voodoo-Priester - oder Juju, wie die weitverbreitete Religion in Nigeria heißt.
Davon kann Joana Adesuwa Reiterer erzählen. Die junge Schauspielerin aus Benin-Stadt folgte vor fünf Jahren ihrem damaligen Mann nach Österreich, einem Nigerianer mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Er hatte ihr gesagt, dass er eine Restaurantkette in Österreich besitze. "Aber nach und nach habe ich bemerkt, dass mein Exmann Menschenhändler war", erzählt Joana. "Er brachte junge Nigerianerinnen mit gefälschten Papieren nach Europa und verkaufte sie in die Prostitution." Für
Joana Reiterer war die Rolle der Zuhälterin vorgesehen, sie kennt das Business von innen. Joana konnte fliehen und kämpfte sich durch: Sie absolvierte mehrere Ausbildungen, heiratete und arbeitet heute in Wien erfolgreich als Schauspielerin. Vor allem gründete sie aber den
Verein Exit, mit dem sie in Wien die Opfer von Frauenhandel aus Nigeria betreut und wertvolle Aufklärungsarbeit leistet. Sie erzählt, wie ihr Mann ihr die Zwangsmaßnahmen für die Prostituierten erklärte: "Mein Exmann versprach die Telefonnummer eines Mannes, der die Mädchen körperlich bedrohen würde, wenn sie nicht zahlen und nicht gehorchen. Man könne ihnen auch sagen, dass sie illegal hier sind und keine Papiere haben, und dass man sie der Polizei ausliefern wird, die sie ins Gefängnis bringt und abschiebt. Oder man kann sie mit einem
Juju-Zauber in Zaum halten: Das sei das Wirkungsvollste. ,Nimm dieses Puder und sag ihnen, dass abgeschnittene Fingernägel, Haare und Schamhaare von allen Mädchen darin sind. Sie mussten das vor der Reise beim Juju-Priester in Nigeria abgeben und schwören, dass sie jede Arbeit machen und das Geld zahlen. Nimm das Puder auf die Hand und drohe damit, es in die Luft zu blasen und einen Fluch auszusprechen. Sie werden sich dann aus Angst gegenseitig kontrollieren: Schließlich wären alle betroffen."
Drohungen werden Realität
In Benin-Stadt machen wir einen der Juju-Priester ausfindig, der in Frauenhandel involviert ist. Dr. Baba ist fast zwei Meter groß, trägt eine gelbe Hose und sonst nichts. Sein riesengroßer nackter Bauch hüpft, wenn er lacht, und das tut er gerne und ausgiebig. Baba ist ein ranghoher Juju-Priester, ein „Elefant". Juju ist ein Geheimnis, mit Außenstehenden spricht man nicht über die Rituale. Doch Dr. Baba verfällt so sehr ins Prahlen über seine Kräfte, dass er erzählt, welches Ritual die Opfer von Frauenhandel durchlaufen müssen: „Die Mädchen, die zum Arbeiten nach Europa gebracht werden, kommen vor der Abreise und leisten in einem Ritual im Schrein einen Schwur. Ich nehme dafür Fingernägel, Haare, Schamhaare, Achselhaare und Regelblut. Darauf schwören sie, dass sie zahlen werden und wie viel. Wenn eine nicht zahlt, dann wird sie krank, verrückt oder drogensüchtig", erklärt der Juju-Mann, richtet sich zu voller Größe auf und rollt die blutunterlaufenen Augen. Er sieht einschüchternd aus in solchen Momenten. Bei den Ritualen sind psychogene Drogen und Alkohol im Spiel - das verstärkt wohl den Eindruck bei den Opfern. Er besuche seine "Töchter" regelmäßig in Europa, sagt Dr. Baba - als Geist. So kann er sie kontrollieren.
Für die Opfer werden die Drohungen zu Realität: Oft sterben Angehörige, wenn sie die Prostitution verweigern, erzählt uns ein Psychologe von Naptip, der nigerianischen staatlichen Stelle gegen Menschenhandel. Meist aber trifft es die Frauen selbst: Sie glauben an den Schwur und verfallen in Wahnvorstellungen. Die Juju-Priester sind ein wichtiger Teil der Frauenhandelsmafia. Verfolgt werden sie trotzdem nicht: „Als Beamter weiß ich, dass ich sie verfolgen sollte", sagt der Psychologe. „Aber als Afrikaner glaube ich an den Zauber."
Rassisten, die sich bedienen
Die Wurzel des Frauenhandels ist der Absatzmarkt in Europa.
Jeder dritte Mann, schätzt die deutsche Hurengewerkschaft Hydra, nimmt regelmäßig die Dienste von Prostituierten in Anspruch. Allein
in Wien besuchen 15.000 Freier täglich Prostituierte, schätzt der Cedaw-Report über Frauenrechte. Seit immer weniger Westeuropäerinnen in der Prostitution arbeiten, wird die Nachfrage durch Frauen aus ärmeren Ländern gedeckt - wenn nötig, mit Zwang. Einer der Freier ist Gregor. Wir machen ein Gespräch in der Nähe des Praters aus und treffen einen Durchschnittsmann: Gregor trägt ein Sportsakko über Jeans, seine kurzen Haare lichten sich zu einer Glatze, seine Schuhe glänzen teuer. Er hat einen anspruchsvollen Job, ein schickes Auto und eine Lebensgefährtin zu Hause, die nichts von seinem Hobby weiß: Schon seit seiner Schulzeit in einem der Nobelgymnasien Wiens bedient er sich auf dem Strich. Er kennt die Geschichten der Nigerianerinnen auf dem Straßenstrich. Er nimmt sie trotzdem.
Wissen die Freier, was sie tun - und was tun sie, wenn sie merken, dass sie es mit Zwangsprostituierten zu tun haben? „Soll ich ehrlich sein? In diesem Moment ist dir das egal", sagt Gregor offen. Afrikanische Prostituierte, erklärt er, füllen eine Marktlücke: „Sie sind immer billiger als die anderen. Das geht wohl auf die Zeit des Sklavenhandels zurück." Afrikanerinnen erfüllen außerdem Sehnsucht nach Exotik; und erschreckend
oft sind es gerade Rassisten, die sich ihrer bedienen. Ob die Prostituierten ihre Arbeit freiwillig machen, ist den meisten Freiern egal: Auf eine Frage in einem Freierforum im Internet antworten uns 19 Freier. Alle gehen davon aus, dass es in Wien Zwangsprostitution gibt. Doch
nur einer der 19 sagt, er würde bei einem konkreten Verdacht etwas unternehmen [5 %].
Der Frauenhandel aus Afrika nach Europa wird von Afrikanern und Afrikanerinnen betrieben - doch die Verantwortung liegt in Europa. Hier ist nicht nur der Markt: Auch das Rechtssystem spielt den Frauenhändlern in die Hände.
Die wirtschaftliche Lage in Nigeria - an der Europa nicht unschuldig ist - zwingt fast in jeder Familie einen Angehörigen dazu, auszuwandern. Seit es unmöglich ist, ein Visum für Arbeitszwecke zu bekommen, läuft der einzige Weg nach Europa über illegale Bahnen, die Menschenhändler können sich den Familien der Opfer als Helfer präsentieren.
Dank der Korruption an den europäischen Botschaften sind gefälschte Visa mittlerweile fast der einzige Weg, nach Europa zu kommen. Österreich wurde so zu einer Drehscheibe für den Frauenhandel aus Nigeria:
Der österreichische Konsul in Lagos wurde 2006 verurteilt, weil ihm nachgewiesen wurde, dass er fast 700 Visa irregulär vergeben hatte. Geld sei nicht im Spiel gewesen. Menschenhändler in Nigeria erzählen uns allerdings von einer wahren Parallelbotschaft, in der zu fixen Tarifen österreichische Visa gekauft werden konnten.
Kleine Schritte von 30 Euro
Ist eine Frau nun nach Österreich geschleppt worden, wird sie von den Menschenhändlern mit einer falschen Geschichte zum Asylamt geschickt: Denn
Asylwerberinnen dürfen hier zwar keine normalen Jobs machen - aber ganz legal als Prostituierte arbeiten. Für die Dauer des Asylverfahrens können die Frauen also ausgebeutet werden, ohne Verfolgung durch die Behörden zu fürchten. Nach drei bis vier Jahren werden sie dann abgeschoben.
Die Menschenhändler importieren die Ware. Der [patriachale?] Staat schiebt sie wieder ab, wenn sie ausgelaugt ist.
Opfer von Menschenhandel steht zwar Opferschutz zu - allerdings nur dann, wenn ihre Aussagen zu einem Verfahren gegen Menschenhändler beitragen. Dieses Risiko ist für die meisten Betroffenen zu hoch. „
Kein Opferschutzprogramm der Welt kann die Familien zu Hause schützen", erklärt uns ein Beamter. Das bindet der Polizei die Hände: "Beweise können nur vom Opfer geliefert werden. Aber die
Kooperationsbereitschaft der Opfer ist gleich null", sagt Gerhard Joszt von der Bundespolizei.
Die meisten Opfer von Frauenhandel, die mit der Polizei in Berührung kommen, werden daher einfach abgeschoben, oft noch in der Arbeitskleidung. Dazu kommt, dass die
Polizei oft nicht darauf eingestellt ist, Opfer von Menschenhandel zu erkennen - oder erkennen zu wollen. Als Joana Reiterer, die Schauspielerin, ihren damaligen Mann in Wien wegen Menschenhandels anzeigen wollte,
wurde die Anzeige gar nicht erst aufgenommen: Sie solle sich erst scheiden lassen, riet ihr der diensthabende Beamte.
Eine Tour durch alle Institutionen, mit denen Betroffene von Frauenhandel zu tun haben, zeigt: Einfache Lösungen gibt es nicht. Denn die afrikanischen Prostituierten am Straßenrand sind nicht nur Opfer eines Verbrechens:
Es sind die großen Verwerfungen unserer globalen Gesellschaft, die dazu führen, dass sie hier ausgebeutet werden - Unterdrückung von Frauen, globale wirtschaftliche Ungleichgewichte und Rassismus.
Im Bordell und Stundenhotel beim Prater ist es mittlerweile fünf Uhr früh, Joy erwacht aus ihrer krummen Haltung. Die Madame klatscht in die Hände, die Mädchen auf den Ledercouchs gähnen und stehen auf. Sie schnappen ihre Taschen und Jacken, verlassen mit eingehängten Armen das Bordell. Draußen wird es schon hell, die Mädchen laufen auf die Straße, winken den Autos zu: Es ist die letzte Möglichkeit für diesen Tag, noch ein bisschen Geld zu verdienen. Ein Auto mit drei betrunkenen Insassen bleibt stehen, lange wird verhandelt. Die drei nehmen zwei Mädchen für fünfzig Euro. Joy und eine andere steigen sofort ein. Joys Asylantrag wurde abgelehnt, sie ist mittlerweile illegal in Österreich und
arbeitet mit der Kontrollkarte einer Kollegin. Sie zahlt seit zwei Jahren ab. Bald wird die Polizei wohl einen Tipp bekommen, und Joy wird abgeschoben werden. Einstweilen hat sie noch Hoffnung und arbeitet weiter daran, sich freizukaufen, Kunde für Kunde, in kleinen Schritten von 30 Euro.
(Von Mary Kreutzer und Corinna Milborn, DER STANDARD, ALBUM, 29./30.3.2008)
Die Präsentation des neuen
Buches
"Ware Frau"
von M. Kreutzer und C. Milborn
findet am Donnerstag, 3. April, 19 Uhr in der Hauptbücherei Wien,
Urban-Loritz-Platz 2a, 1070 Wien statt.
Original mit Kommentaren:
http://diestandard.at/?url=/?id=1206543564864
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Europas schwarze Sex-Sklavinnen
02.04.2008 | 18:05 | IRENE ZÖCH (Die Presse)
Vom Geschäft mit Afrikanerinnen, die aus ihrer Heimat gelockt und unter anderem auch in Wien auf den Strich geschickt werden.
WIEN. Blessing wollte studieren. Als der damals 17-Jährigen aus einem Dorf in Südnigeria ein Freund der Familie einen Studienplatz in Italien versprach, nahm sie das verlockende Angebot an. Bald aber zeigte sich, dass die Versprechungen falsch waren: Das Mädchen landete auf dem Straßenstrich eines noblen Touristenortes an der Adria. Blessing müsse Geld verdienen, um die Kosten ihrer Reise, 35.000 Euro, abzuzahlen, hatten ihr die Schlepper erklärt. Danach könne sie machen, was sie wolle. Doch der Zeitpunkt sollte nie kommen.
Blessings Geschichte ist nur eine von vielen. Jedes Jahr werden zehntausende Afrikanerinnen nach Europa geschleppt, um auf dem Strich und in Bordellen weißen Freiern angeboten zu werden. Die meisten Mädchen stammen aus Nigeria. In Europa werden ihnen rasch die Pässe abgenommen. Sie werden bedroht und geschlagen, damit sie nicht auf die Idee kommen zu fliehen. Auch in Wien floriert das Geschäft mit nigerianischen Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden.
Das Schicksal jener, die in Europa zur Wegwerfware werden, haben Corinna Milborn und Mary Kreutzer in einem Buch („Ware Frau“) zusammengefasst. Für ihre eineinhalbjährige Recherche reisten sie nach Nigeria, zeichneten die Reisewege der Schlepperbanden nach und besuchten ehemalige Opfer, die ihren Weg zurück in die Gesellschaft suchen.
Das Geschäft ist lukrativ. Laut UN-Schätzungen hat diese Form organisierter Kriminalität weltweit den Drogen- und Waffenhandel überholt. Der Profit soll 30 Milliarden Dollar pro Jahr betragen. Vorteil des Sex-Business: Frauen können immer wieder gebraucht und missbraucht werden. 67.000 Dollar erwirtschaftet laut der Internationalen Arbeits-Organisation ILO eine Prostituierte pro Jahr.
Frauen als Zuhälter
Was auffällt: Während etwa Frauenhändler-Ringe aus Osteuropa fest in der Hand von Männern sind, ist der afrikanische Frauenhandel von Frauen dominiert. Meist sind es zwar Männer, die in Nigeria die Frauen in die Falle locken – doch dann übernehmen Frauen. Sie betreiben als Zuhälterinnen, als „Madames“, ihre kleinen Unternehmen, überwachen jeden Schritt ihrer Damen und schicken sie auf den Strich.
Um die Opfer über Jahre hinweg gefügig zu halten, werden auch ihre Familien bedroht. Dafür sorgen schon die Kontaktmänner der Madames. Zudem bauen die Menschenhändler auf den Glauben an afrikanische Traditionen, an Voodoo: „Die Mädchen müssen in Nigeria vor ihrer Abreise bei einem Voodoo-Priester Schamhaare, Fingernägel oder Regelblut abgeben. Der führt dann ein Ritual durch, das sie an die Madames bindet“, erklärt Joana Reiterer im Gespräch mit der „Presse“. Die quirlige 27-Jährige leitet „Exit“ in Wien – die einzige Organisation, die sich um afrikanische Opfer von Menschenhandel kümmert.
Druck durch Vodoo
An den Schwur, ihre Peiniger nicht zu verraten, hielten die Mädchen meist eisern fest. „Wer ihn bricht, dem könnte Böses zustoßen. Der könnte sterben“, sagt Reiterer. Sie weiß, wovon sie spricht: Reiterer, die in Benin studierte hatte, ging selbst einem Schlepper auf den Leim und folgte ihm nach Wien. Dort wurde ihr bewusst, dass er aus ihr eine Zuhälterin machen wollte.
Reiterer konnte aber fliehen und sich dem Druck der Schlepper widersetzen. Seither setzt sie sich für Nigerianerinnen in Wien ein, die nicht so stark wie sie sind.
Die meisten der zur Prostitution Gezwungenen landen in Europa irgendwann in Schubhaft. Dann werden sie in ihre Heimat geschickt, wo sie nur allzu oft wieder in die Fänge der Schlepper geraten. Ihre Tortur beginnt erneut. Wieder müssen die Frauen die Wüste durchqueren, Tausende Euro für die lebensgefährliche Überfahrt nach Spanien oder Italien bezahlen, um in Europa von den Zuhälterinnen in Empfang genommen und versklavt zu werden. Der Menschenhandel umspannt ganze Kontinente und funktioniert scheinbar reibungslos.
Versuch eines Neubeginns
Eine Erfahrung, die auch Blessing gemacht hat. Die heute 26-Jährige wurde schon einmal von Italien wieder nach Nigeria abgeschoben und hat es dort aber bisher geschafft, die lockenden Schlepper zu meiden. Ihr Traum ist es, ein Catering-Unternehmen zu gründen. Und noch einmal ganz von vorne anzufangen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2008)
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Radio ORF.at OE1 Do, 03.04.2008
"Ware Frau"
Afrikanerinnen zu Prostitution gezwungen
Audio
Länge: 3:31 min
Ö1 Mittagsjournal - Markus Müller
Sie sind leicht zu finden: Afrikanerinnen am Straßenstrich der europäischen Städte. Wie kommen diese Frauen nach Europa, unter welchen Bedingungen müssen sie arbeiten: Diese Frage haben sich die
Journalistinnen Mary Kreutzer und Corinna Milborn gestellt und sind dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen: in Afrika ist das Herkunftsland Nummer Eins für Zwangsprostitution Nigeria und dort ist es sogar nur ein Bundesstaat aus dem die Frauen kommen, Benin-City im Süden, sagt Mary Kreutzer.
Madames sind die Drahtzieherinnen
Grund dafür sind Migrationsnetzwerke, die in den 1970ern zwischen Benin-City und Turin entstanden sind, inzwischen hat sich das auf ganz Europa ausgedehnt. Ein Großteil des Handels wird von Frauen abgewickelt, so genannten Madames, die selbst ursprünglich als Zwangsprostituierte nach Europa gekommen und dann zu Zuhälterinnen geworden sind.
Zahlen oder sterben
Die meisten Frauen werden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Europa gelockt. Aber auch die, die wissen, dass sie als Prostituierte arbeiten müssen wüssten nicht, unter welchen Bedingungen [Problem der Arbeitsbedingungen vs. Menschenhandel]. Wenn die Frauen nicht zurückzahlen oder sich verweigern, dann werden sie entweder selbst umgebracht oder Gewalt an der Familie in Nigeria verübt [Weil der Rechtsweg versperrt ist].
Regierung startet Kampagnen
Die nigerianische Regierung hat bereits mehrere Aufklärungskampagnen gestartet. die wenigstens in den Städten bereits Wirkung zeigt. Die Menschenhändler weichen daher auf die ländlichen Regionen aus. Dort spielt Juju, die nigerianische Version des Vodoo eine große Rolle. Die Frauen müssen einem Juju-Priester schwören, die Schulden zurückzuzahlen und nicht gegen die Menschenhändler auszusagen [In entwickelten Finanzkulturen muß man einen Kreditvertrag unterschreiben].
Bis zu 100.000 Euro
Die Reise nach Europa kostet 60.000 bis 100.000 Euro, die die Frauen am Strich abarbeiten müssen [Dieser Hohe Tarif wird sicher anhand den Verdienstmöglichkeiten kalkuliert so wie die Bordellzimmertagesmieten]. In den durchschnittlich zwei Jahren, in denen die Frauen um Asyl angesucht haben, haben die Frauen Zeit, das Geld mit dem Prostitutionserlös zurückzahlen [Ob das der Durchschnitt der zugungsten ihrer Familien nach EU auswanderungswilligen Frauen schafft?].
Ausweg fast nicht möglich
Nur sehr wenigen Frauen gelingt es, aus der Prostitution auszubrechen [Sie haben ja ein Kreditversprechen geleistet]. Ein Grund dafür sind die Gesetze in den meisten Ländern Europas.
Wenden sich die Frauen an die Polizei werden sie abgeschoben:
Italien gilt hier als Vorbild, denn nur dort müssen die Frauen nicht gegen die Peiniger aussagen und können trotzdem im Land bleiben.
Botschafter kennt Problem nicht
Auch die Botschaften in Nigeria könnten eine wichtige Aufgabe im Kampf gegen Menschenhandel spielen. Vor zwei Jahren wurde der Konsul der österreichischen Botschaft in Lagos verurteilt, weil er fast 700 Visa illegal vergeben hatte. Bei ihren Recherchen haben die beiden Autorinnen seinen Nachfolger und auch den österreichischen Botschafter in Nigeria getroffen: beide wussten nichts zum Thema Frauenhandel. Von Seiten der
nigerianischen Regierungsbehörde gegen Menschenhandel, Naptip, wurde erklärt, dass die Kooperation mit Österreich im Argen liege, sagt Kreutzer.
"Legaler Job" Prostitution
Prostitution ist einer der ganz wenigen Jobs, in denen Asylwerberinnen legal arbeiten können. Das müsse sich ändern, sagen die Autorinnen. Die europäischen Staaten müssten stärker gegen Menschenhandel vorgehen und die Frauen vor den Menschenhändlern schützen. Denn die Nachfrage nach billigem Sex sei in Europa einfach zu groß.
"Ware Frau"
Das Buch "Ware Frau - auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa" der Autorinnen Mary Kreutzer und Corinna Bilborn wird heute abend präsentiert und ist dann im Buchhandel erhältlich. (Ecowin-verlag, 19,95 euro)
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SternTV mit Günter Jauch:
Aus Nigeria auf den Straßenstrich
Die zwei blonden Journalistinnen, Buchautorinnen und die afrikanische Aktivistin und Ex-SW-Sklavin, wie sie auch bei RTL auftraten.
Deckten Menschenhandel auf: Corinna Milborn, Joana Adesuwa Reiterer und Mary Kreutzer
© Niko Formanek
Mit großen Versprechungen werden sie aus Nigeria nach Europa gelockt, mit Hilfe der Voodoo-Religion gefügig gemacht und schließlich jahrelang zur Prostitution gezwungen:
Allein im deutschsprachigen Raum sollen 40.000 Nigerianerinnen Opfer von Menschenhändlern sein. [Eine Zahl wie zur
WM-Hype]
"Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa" - so lautet der Untertitel des Buchs, das die Journalistinnen Mary Kreutzer und Corinna Milborn verfasst haben. Die beiden Autorinnen haben das perfide System einer Menschenhandels-Mafia aufgedeckt, der
in ganz Europa etwa 100.000 Frauen zum Opfer gefallen sein sollen. Sie sind die "Ware Frau".
In Italien, den Niederlanden, Spanien, der Schweiz, Österreich, England und Deutschland arbeiten sie auf dem Straßenstrich.
Pro Kunde bekommen sie 10 bis 20 Euro - und sie brauchen viele Kunden, um sich von ihren vermeintlichen "Schulden" freizukaufen: Bis zu 60.000 habe ihre Reise nach Europa gekostet, sagt man ihnen. Spurt eine von ihnen nicht, wird sie oder ihre Familie gnadenlos verfolgt. Die Frauen haben keine Wahl.
Buchtipp
Mary Kreutzer und Corinna Milborn: Ware Frau. Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa. - Salzburg: Ecowin Verlag, 240 Seiten. ISBN: 978-3-902404-57-2
Mit Voodoo gefügig gemacht
Sie kommen aus
Nigeria, dem mit 140 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Staat Afrikas. Große Armut, hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Bildung und die Unterdrückung von Frauen gehören dort zum Alltag. Kein Wunder also, dass nicht wenige empfänglich sind für die Verlockungen des reichen Europas: Dabei sind es fast immer Verwandte und Freunde der Familie, die sie zur Reise drängen, ihnen Jobs als Kindermädchen oder Haushaltshilfe in Aussicht stellen. Dann könnten sie dort viel Geld verdienen und etwas davon nach Hause schicken, hoffen sie - manchmal wohl wissend, dass sie die Frauen in die Zwangsprostitution treiben.
Für den Transport nach Europa sorgen dann "Schlepper". Doch bevor sie die Reise antreten, müssen die Mädchen und jungen Frauen an einem Juju-Ritual (so heißt die nigerianische Voodoo-Variante) teilnehmen, das sie an die Menschenhändler binden soll: Dabei schwören sie, all seinen Anweisungen zu folgen und erst wieder zurückzukehren, wenn sie genug Geld verdient haben. Der Juju-Priester behält eine Haarsträhne, einen Fingernagel oder etwas Blut, um den Bann zu besiegeln. Brechen die Frauen ihren Schwur, drohen ihnen angeblich drakonische Strafen: Wahnsinn, Krankheit oder der Tod von Familienmitgliedern. Da die Juju-Religion in Nigeria in der Kultur verwurzelt ist und noch immer viele Anhänger hat, ist der Bann für die Frauen Gesetz.
Internet
Der Verein EXIT verfolgt das Ziel, Afrikanerinnen vor der Zwangsprostitution in Europa zu bewahren und sie bei der Integration zu unterstützen. Weitere Infos auf
www.ngo-exit.com (teilweise auf englisch)
Durch die Wüste nach Europa
Wenn sie "Glück" haben, steigen die noch immer hoffnungsfrohen Nigerianerinnen nun in ein Flugzeug nach Europa. Oft jedoch wählen ihre Schlepper den Landweg, der durch die Wüste bis Marokko und von dort aus nach Spanien führt. Corinna Milborn und Mary Kreutzer haben mit Betroffenen gesprochen, die so bis zu zwei Jahre lang unterwegs waren und währenddessen immer wieder vergewaltigt und misshandelt wurden. Auch Todesfälle sollen auf dieser Route an der Tagesordnung sein.
Angst vor Voodoo-Flüchen: Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich die Zwangsprostituierten gegenseitig kontrollieren Für diejenigen, die die Odyssee nach Europa überstehen, beginnt das nächste Grauen: Statt wie versprochen in angesehenen Jobs müssen sie auf dem Straßenstrich "anschaffen" gehen. Um sie kümmert sich nun eine jeweilige "
Madame", also eine Zuhälterin, die oftmals selbst als Zwangsprostituierte hatte arbeiten müssen. Die Frauen erfahren, dass ihre
Reise bis zu 60.000 Euro gekostet habe, die sie nun abarbeiten müssten. Ihre ohnehin gefälschten Papiere werden ihnen abgenommen, stattdessen werden sie dazu gezwungen, Asylanträge zu stellen. So können die Nigerianerinnen in der Regel legal mehrere Jahre vor Ort bleiben.
Jede "Madame" verfügt über einen ganzen Stab an Helfern: In Nigeria sorgen Rekrutierer für den Nachschub an Frauen, Mittelsmänner besorgen die Dokumente und eigene Helfer bedrohen, wenn nötig, die Familien der Mädchen. Ein Netzwerk aus Schleppern sorgt für den Transport nach Europa, und auf dem Straßenstrich werden die Zwangsprostituierten von sogenannten "
Black Boys" kontrolliert und abkassiert.
Dokumentation
"Sisters of no mercy": Eine Filmdokumentation über den afrikanischen Frauenhandel von Lukas Roegler. Mehr Infos hier:
www.sisters-of-no-mercy.com
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4291 [nachgetragen]
Mädchen haben Angst vor Voodoo-Fluch
Neben der ganz realen Bedrohung, der die Mädchen ausgesetzt sind, tut der Juju-Bann sein Übriges, um die vollkommene Hörigkeit der Mädchen zu erreichen. Wie das genau funktioniert, erklärt die Nigerianerin Joana Adesuwa Reiterer: "Nimm dieses Pulver und sag ihnen, dass abgeschnittene Fingernägel, Haare und Schamhaare von allen Mädchen darin sind. Sie mussten das vor ihrer Reise beim Juju-Priester in Nigeria abgeben und schwören, dass sie jede Arbeit machen und das Geld zahlen. Nimm das Puder in die Hand und drohe damit, es in die Luft zu blasen und einen Fluch auszusprechen. Sie werden sich dann aus Angst gegenseitig kontrollieren - schließlich wären alle betroffen."
Reiterer selbst war mit dem
Mafia-System in Berührung gekommen. Ihr nigerianischer Ex-Ehemann hatte sie überredet, mit ihm nach Wien zu gehen, wo sie "
nach und nach bemerkte, dass er Menschenhändler war." Joana habe er zu einer "Madame" machen wollen, doch die junge Frau weigerte sich und ergriff die Flucht. Als ihr bewusst wurde, wie viele Mädchen aus Nigeria in die Fänge der Menschenhändler geraten, beschloss sie, aktiv etwas gegen das gewaltige Unrecht zu unternehmen: Sie gründete den Verein Exit mit dem Ziel, Nigerianerinnen vor der Straßenstrich-Mafia zu warnen. Die Journalistinnen Mary Kreutzer und Corinna Milborn unterstützte sie bei ihren Recherchen und stellte Kontakte zu betroffenen Frauen her.
In ihrem Buch "Ware Frau" schildern die Autorinnen die Schicksale Dutzender Frauen, aus denen sich eine ebenso klare wie erschreckende Faktenlage ergibt. Sie geben Gespräche mit Tätern wieder und gehen auf Spurensuche in Nigeria und auf den Straßenstrichen europäischer Metropolen.
Original mit Kommentiermöglichkeit:
http://www.stern.de/tv/sterntv/:Voodoo- ... 15935.html
Das Buch:
http://www.ecowin.at/index.php?id=185
Videoclip/Trailer zum Buch
von Lukas Roegler:
http://www.youtube.com/watch?v=et5XoPs8q0k [mit ausgeschalteter Kommentarfunktion!]
Hilfsverein EXIT:
http://ngo-exit.com [Nachtrag Juli 2010: nur noch Weiterleitung aber keine eigene Vereinswebseite mehr!]
Mehr:
http://www.networld.at/index.html?/arti ... 2020.shtml
Voodoo:
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http://en.wikipedia.org/wiki/Haitian_Vo ... onceptions
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www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=40631#40631
Buchrezension: 'Sex at the margins':
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=34398#34398
Fragwürdiges Sendekonzept ORF Club2 2011:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=106718#106718
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