Besuchen + Besuchbarsein = unvereinbar?

Hier können SexarbeitInnen ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Was erlebt Ihr alles in Eurem Beruf?
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Zwerg
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Re: Besuchen + Besuchbarsein = unvereinbar?

Beitrag von Zwerg »

Thorja hat geschrieben:
28.12.2019, 02:27
Wenn dann eine Kontrolle gewesen wäre und er hätte behauptet, "kenn ich privat", um sich nicht selbst der Sexdienstleistung "schuldig" zu machen, dann hätte er über mich aber keine privaten Daten erzählen können - somit wäre für die Polizisten klar gewesen, dass ICH die Dienstleisterin gewesen sei? Und ich hätte dann eine Verwaltungsstrafe bekommen?
So könnte es sein - und ist es auch schon gewesen.

Hier eine kurze Geschichte (Realstory - die Geschädigte ist verifiziert und ich kenne sie persönlich seit mehreren Jahren.

SW wohnt im Stuwerviertel (für unsere nicht ortskundigen MitleserInnen: Das Stuwerviertel ist unmittelbar neben dem Wiener Prater und war eines der ältesten Straßenstrichgebiete Wiens. - Hier ist es jetzt für SW äußerst unbehaglichI)

Die betroffene SW wohnt wie gesagt dort - und ist als Escort tätig. Sie bekommt einen Job rein und fährt mit Fahrer zum Kunden (in einen anderen Stadtteil Wiens). Der Fahrer bringt sie zurück zu dem Haus in dem sie ihre Wohnung hat. Sie steigt aus dem Fahrzeug und mehrere Polizisten umringen sie und bitten auch den Fahrer auszusteigen. Die Polizei behauptet, dass sie im Stuwerviertel angebahnt habe. Sie sagt "nein, mein Bekannter hat mich nur nach Hause gefahren" (sie ist offiziell keine SW, da Escort). Die Uniformierten trennen die Beiden und befragen den Fahrer "wie heißt denn die Kleine?" - der weiß natürlich nur ihren Kampfnamen bei der Agentur. Im Endeffekt hat sie eine saftige Strafe wegen der "Anbahnung im Stuwerviertel" erhalten - sie hat dann in Folge ihre Wohnung dort aufgegeben, da ihr bewusst war, dass die Geschichte eine Fortsetzung haben könnte.

Es ist manchmal nicht besonders erfreulich, was man da so mitbekommt.

christian

Sabine Bauer
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Re: Besuchen + Besuchbarsein = unvereinbar?

Beitrag von Sabine Bauer »

Ist ja echt erschreckend,

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Thorja
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Re: Besuchen + Besuchbarsein = unvereinbar?

Beitrag von Thorja »

Ja... das macht ja auch das ganze "casual dating" und ungezwungenes promiskes Leben, ganz unabhängig von Sexarbeit, schwierig. Ein ganz krudes, böses, erzkonservatives Weltbild mit Sittenwächtern in Polizeiuniform tut sich da fast automatisch als Nebenwirkung auf: "Aha, ihr kennt euch in unseren Augen nicht gut genug, um miteinander ins Stundenhotel zu gehen. Das wird bestraft. Nur wenn ihr euch ganz lieb habt und das beweisen könnt, indem ihr die Lieblingslieder eures Stundenhotelpartners auswendig könnt, dann erlauben wir euch das. Sex ohne Liebhaben und Auswendigkönnen ist böse."
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Snowflake
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Re: Besuchen + Besuchbarsein = unvereinbar?

Beitrag von Snowflake »

[/quote]

Das Prozedere ist immer das Gleiche - Wenn 2 Personen unterschiedlichen Geschlechtes angetroffen werden, so werden die Beiden getrennt. Von dem vermeintlichen Kunden (dass es umgekehrt sein könnte, hat sich noch nicht durchgesprochen) werden die Daten abgefragt und ihm sofort gesagt "dass man es von ihr eh schon wisse - und er nur sagen braucht, wie viel sie verlangt hat" - Wenn keine Gesprächsbereitschaft vorhanden ist, so kommt die Drohung mit dem eingeschriebenen Brief nach Hause. Wenn behauptet wird "kenne ich privat" dann fragen die Leute in Uniform die Daten der vermeintlichen SW bei ihm ab.... - wie heißt sie, wo wohnt sie usw...

[/quote]

Nun das ist aber auch eigenartig....ich glaub dir das schon, also bis jetzt wurde ich noch nie kontrolliert, wäre mir aber egal, da eh angemeldet - aaaber: Es gibt ja auch reine Sexdate-Plattformen, die nichts mit Bezahlsex zu tun haben, sondern man sich einfach zum Vögeln trifft. Ich bezweifle, dass die Teilnehmer dann auch die jeweiligen Daten kennen. Ich wusste von einem Kerl, mit dem ich mich früher mal auf die Art getroffen hatte, nur den Vornamen. Keiner weiß, ob es der richtige war :003 Was macht die Polizei dann in dem Fall? Wäre ja interessant ;) Solang nicht grad Geld am Nachtkastl liegt, wo liegt die Beweiskraft? Spannend....

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Zwerg
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Re: Besuchen + Besuchbarsein = unvereinbar?

Beitrag von Zwerg »

@snowflake
Du hast vollkommen recht! Es ist unglaublich - und doch Realität, der wir bisweilen begegnen. Ich will damit nicht sagen, dass alle PolizistInnen derart agieren. Ich habe sehr wohl auch gute Erfahrungen gemacht. Speziell dann, wenn wir als Vertrauenspersonen jemand bei einer Anzeige begleiten. Jedoch gibt es auch die andere Seite - und auch das Gesetz, welches dieses erst ermöglicht.

Wir sind bei dem Thema "vermeintliche Geheimprostitution" übrigens im Verwaltungsrecht. Da ist die Polizei Strafbehörde 1. Instanz - es gibt also weder Staatsanwalt, Untersuchungsrichter noch sonst eine Kontrollbehörde. Und im Falle einer Beschwerde gegen die Bestrafung sitzt man wieder vor einem Polizeijuristen.

Ich weiß nicht, ob Du diesen Strafzettel kennst https://www.sexworker.at/Strafverfuegung_neutral.jpg - die angekreuzten Vorwürfe sind derart gestalten, dass wenn es danach geht, jede/r FußgängerIn sich bereits einmal strafbar gemacht hat (nach dem Prostitutionsgesetz!).

Oder sieh Dir in diesem Thread (1. Beitrag) das Video an viewtopic.php?f=16&t=14146 - Keine der beamtshandelten Frauen hat dort Kundenkontakt. Also absolut keine "Beweiskraft" (die übrigens in AT nicht einmal im Strafrecht notwendig ist. Hier reicht es, wenn es heißt "das Gericht kommt zur Ansicht" um eine Verurteilung zu ermöglichen).

Meiner Meinung nach, sind die amtshandelnden Polizisten nicht einmal so das Problem - es ist die Gesetzgebung die derartige Macht erteilt.

Liebe Grüße

christian