4.4.2012
Günter Zint: Fotobuch über Domenica
Hamburg (dpa) - «Was kann man über Domenica noch schreiben, was noch nicht geschrieben ist? Domenica ist fast zu Tode fotografiert, gefilmt und beschrieben worden.» Kaum jemand weiß das besser als Fotograf Günter Zint, der mit diesen Worten sein jetzt erschienenes Fotobuch über die einstige Hure und Streetworkerin beginnt.
Drei Jahrzehnte lang begleitete er das Leben der legendären Frau, die zuletzt schwer krank in einer Sozialwohnung auf dem Hamburger Kiez lebte und vor drei Jahren in Hamburg starb. Zint, Fotograf im «Star-Club» und Begründer der «St. Pauli Nachrichten», hat Domenica selbst oft im Bild festgehalten: «Ihr Gesicht faszinierte mich.»
Und nicht nur das Gesicht der Frau, die Zint zuerst als Nachbarin auf St. Pauli kennengelernt hatte. Unter dem Titel «Ein Leben, das nicht reichte» hatte das St. Pauli Museum auf dem Kiez ihr bereits im vergangenen Jahr eine Ausstellung gewidmet. Den privaten Menschen hinter dem Medienstar zeigte die Schau, die mit Klischees über die Ex-Prostituierte aufräumen wollte. Einige Fotos, Briefe, Berichte hat Zint nun in seinem 80-seitigen Buch zusammengetragen. «Ich war nicht schön, ich war schlimmer» - unter diesem Titel zeichnet er Domenicas Biografie noch einmal nach.
«Ich glaube, der Anfang meines Elends war eigentlich meine Eitelkeit. Ich mochte gerne Fotos von mir», wird Domenica darin zitiert. Die Bilder, die aus ihrem eigenen Nachlass sowie von Zint stammen, zeigen sie in ganz frühen Jahren: von der Schulaufführung bis zum Bewerbungsfoto der jungen Frau, die eine kaufmännische Lehre begonnen hatte. Man sieht sie mit Hanne Kleine - einst Inhaber der Kiezkaschemme «Ritze» - für den Domenica Anfang der 70er Jahre nach Hamburg gezogen war, für den sie anschaffen ging und bei dem sie stets hoffte, seine «erste Frau» zu werden.
«Der hat mich eiskalt als Geldmaschine gesehen», sagte die Frau, die 1980 schließlich ihr eigenes Studio in der Herbertstraße pachtete. «Das war dann endlich selbstständiges, selbst verdientes Geld.» Aufnahmen aus der Herbertstraße gibt es, aber auch aus ihrem privaten Schlafzimmer in der Hein-Hoyer-Straße. «Hier hatte kein Freier Zutritt, Platz nehmen durfte nur, wer dazu aufgefordert wurde», heißt es daneben. Ihren Freiern habe sie gerne mal zugehört, wenn sie nett erzählen konnten, und nicht auf die Uhr geschaut: «Es ist doch so: Im Endeffekt kommen die Männer nicht nur auf die Brüste wieder. Brüste haben keine Seele.»
In Domenicas Nachlass fanden sich Kisten voller Dokumente und Briefe von Freiern, Häftlingen, verzweifelten Müttern und Ehefrauen, Huren, Prominenten, berichtet Zint. Die dunkelhaarige Frau mit der strengen Frisur und dem großen Herz hatte sich nach ihrer Zeit auf dem Strich als Streetworkerin für Prostituierte engagiert. «Huch, waren die alle stolz und haben sich gegenseitig auf die Schultern geklopft: Wir haben eine Hure anständig gemacht. Das war das Allerschärfste», wird sie zitiert. «Da kamen die feinsten Leute zu mir, an Vernissagen oder so, und es hieß: Ist es nicht großartig, dass wir Domenica jetzt solide gemacht haben...»
(Günter Zint (Hg.): Domenica. Das Fotobuch - Ich war nicht schön, ich war schlimmer, Dölling und Galitz Verlag, München/Hamburg, 80 S., Euro 19,90, ISBN 3-86218-016-6)
http://www.wn.de/Welt/Kultur/Kultur-Gue ... r-Domenica
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.