Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Du willst aus dem Sexbusiness aussteigen und einen "bürgerlichen" Job annehmen - oder noch besser: dich gemeinsam mit anderen Aussteigern selbstständig machen? Möglicherweise wirst du hier entdeckt...
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annainga
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Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Obwohl ich mit dem Job als Sexarbeiterin einigermaßen zufrieden war, hatte ich das Gefühl .... irgendetwas fehlt mir in meinem Leben - die Sinnhaftigkeit, das auf-den-Beruf-stolz-sein und auch äußern zu können, meinen Gutmenschen in mir Raum zu geben .... das und noch einige andere Punkte haben mich zu dem Entschluss gebracht, mein Leben im Sauerland als Sexarbeiterin aufzugeben und in die Metropolregion RheinRuhr zu ziehen, um Soziale Arbeit zu studieren. Meinen ehemaligen Beruf als Sexarbeiterin wollte ich nicht verleugnen, weil der zu mir gehört und habe tatsächlich ausschließlich positive Erfahrungen damit gemacht. Sowohl während des Studiums (wo Sexarbeit auch thematisiert wird und ich als Referentin angefragt wurde) als auch in meinen Bewerbungen, in denen ich meinen Lebenslauf die Zeit als Sexarbeiterin angegeben habe und überrascht wurde, dass in allen Bewerbungsgesprächen positiv angemerkt wurde "das ist ja prima, dann sind Sie sicher belastbar und können sich gut abgrenzen".

Das ist mir doch ein neues Thema wert - meine positiven Erfahrungen mit dem Thema "Outing".

Lieben Gruß, annainga

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friederike
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von friederike »

Liebe annainga,

herzlichsten Glückwunsch zu Deinem Erfolg!

Weiter alles Gute,
Friederike

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Kasharius
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von Kasharius »

Liebe @annainga

ich bin hochfreut aktuelles von Dir zu lesen und dann noch soviel Positives. Dir alles Glück der Welt, danke dafür daß Du mich damals so emphatisch bei meinen ersten Schritten im Forum begleitet hast. Habe ja selbst schon malvor tausend Jahren Sozialarbeit studierst. Aus meiner ganz persönlichen Sicht bringst Du alles mit: Sowohl für eine gute Sexarbeiterin, alsauch für eine gute Sozialarbeiterin - KOMPETENZ, EMPHATIE und Einfühlungsvermögen.

Gaaaanz liebe Grüße und viel Erfolg wünscht


Kasharius grüßt :006 :007

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annainga
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Danke schön für die netten Worte und die Glückwünsche @Kasharius und Friederike. Und spannend, dass du auch Sozialarbeit studiert hast. Ich fand das Studium sehr interessant und könnte mir vorstellen, dass mir das neue Wissen viel helfen könnte, würde ich noch anschaffen. Dennoch war ich schon sehr positiv verblüfft, dass ich nie was Schlechtes über meinen Beruf hörte und so schnell einen Job bekommen habe.

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deernhh
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von deernhh »

@annainga

Erst mal herzlichen Glueckwunsch zum Berufswechsel!
Bei der Berufswahl "Sozialarbeiterin" ist man natuerlich offen, dass man mal SW war und geht locker damit um.
In anderen Berufsbranchen ist es leider nicht der Fall und es gibt eben einen "Leerlauf" im Lebenslauf.
Ich muss das einfach mal so sagen, denn es entsteht der Eindruck, dass man(n) oder frau in einer Bewerbung und/oder beim Vorstellungsgespraech sich einfach mal so outen kann, dass man im Sexwork gearbeitet hat und der/die Arbeitgeber/in nehme es locker auf, wohl in der Hoffnung, dass bei der Internetsuche keine "restlichen" Fotos/Bilder der ehemaligen SW noch vorhanden sind.
Wie gesagt, kommt auf die Berufssparte oder -branche an.
Klar, "entschuldigen" kann man(n) / frau sich immer: Ich war Student*in und brauchte das Geld, habe daher als SW gearbeitet.

Ich verstehe auch, dass Du sehr stolz bist, den Ausstieg geschafft zu haben, hier erlaeuterst, wie "leicht" es doch war und Du sofort eine Anstellung fandest, und es hier sofort mitteilen musstest.
Nicht falsch verstehen: Ich freue mich wirklich fuer Dich.

Auch kann ich Deinen Ausstieg verstehen, denn Sexwork ist harter Job mit vielen finanziellen Aufs und Abs, sehr unsicher.

Warum hart?
Darum:
* Sich selber jeden Tag aufs Neue pflegen, rasieren, schminken, Dauer-Diaet (eigentlich immer, um nicht dicker zu werden), Sonnenbank, Naegel lackieren, Haare toenen/faerben, Sport (Bauch) usw., usw.

* Konkurrenz, und die ist auch nicht zu verachten, u.a. was bietet die Konkurrenz an Service (und der wird immer laenger/tabuloser) an, wie sieht deren Websites/Profilen mit Texten/Bildern und Arbeitszeiten aus

* Manchmal "anstrengende" Kunden, dass man, wenn man sich vom Kunden verabschiedet hat, sich erst mal hinsetzen und eine rauchen muss oder sich einen "Snickers" trotz Diaet einwerfen muss

* Aerger mit manchen Betreiber*innen / Vermieter*innen z.B. in Sachen Fotos/Bilder, Mobiliar in manchen "Schrottbuden" usw., usw.

* Gesetzgebung: Hurenzwangsausweis, Zwangs"gesundheits"untersuchungen, Sperrgebiete, Baurecht usw., usw.

* Stigmatisierung ueberall, Verjagung der SW's (siehe z.B. den Beitrag von gestern von unserer malin im Thread "Schweiz" (Oma bespritzt SW mit Wasserschlauch), aber auch Treaderoeffnung von unserem Zwerg Christian, wo eine SW als Spaziergaengerin von Polizisten bestraft wurde, nur weil sie privat ausser Dienst ihrer Wege schritt, an der Strasse stand), Schwierigkeiten bei einer Krankenversicherung, Bank (Kontoeroeffnung), Privatvermieter*in (private Wohnung) usw, wenn man(n) /frau ehrlich sagt, dass man(n) / frau im Sexwork das Geld verdient, Diskussionen mit Schule/Jugendamt als Alleinerziehende usw., usw.

* Klischeees von vorne bis hinten, in den Koepfen der Bevoelkerung und auch sehr gerne verbreitet von Medien/Fernsehen/Internet aller Art/Colleur

* Die Rettungsindustrie, die sich durch Propagandas vom Staat finanzieren lassen und immer wieder um Geldspenden auch von der "normalen" Bevoelkerung bitten und zwei oder drei "gerettete" SW's gaaaanz gross via Medien an die grosse Glocke haengen z.B. Huschke Miaaaaauuuuu (Mimimimiiii, normalerweise wuerde man in den Medien nicht ueber ein "Trauma" sprechen koennen, wenn man angeblich ach so "traumatisiert" waere)) usw., usw.

* Die Abolitionist*innen (da fehlen mir die Worte), die nicht begreifen, dass Sexwork auch mit Lust und Spass freiwillig passieren kann.

Annainga, ich wuensche Dir alles Gute fuer Deine Zukunft.

LG deernhh

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annainga
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

So "natürlich" finde ich es nicht, im Lebenslauf und Bewerbungsschreiben, diesen Beruf zu thematisieren. Es war eine schwere Entscheidung, die ich nach langen Überlegungen mit einigen Gesprächen mit meiner Bewerbungstrainerin durchgegangen bin. Denn dadurch sind mir einige Wege versperrt, die für mich zwar nicht interessant sind, aber die mir auch in der Zukunft damit verschlossen sind. Allerdings habe ich meinen ehemaligen Beruf immer soweit es mir möglich war, offen gelegt, allein weil ich das Thema sehr interessant finde, gern darüber rede und schreibe und mich nicht verleugnen will. Dabei ist mir sehr klar, dass das mein Weg ist, der für einige viel schwerer bzw. undenkbar ist, z.B. weil kleine Kinder eine Rolle spielen oder jemand diese Auseinandersetzungen meiden will, die fast zwangsläufig aufgeworfen werden.

Und ich finde es besonders wichtig, auch mal positive Reaktionen zu schreiben, meist liest man doch, wie stigmatisiert man ist - und da wollte ich mal ein Gegenbeispiel bringen.

Und da sind wir schon beim Punkt und der Doppelmoral. Ehemaliger Beruf. Wäre interessant zu erfahren, wie meine Bewerbungen angenommen worden wären, hätte ich geschrieben, ich wollte meinen ehemaligen Beruf als Minijob weiter ausüben, um das niedrige Gehalt als Sozialarbeiterin auszugleichen. Und an dieser Stelle muss ich zugeben, so mutig wäre ich nicht. Für mich war ganz klar, da muss ein Schlussstrich sein.

Und was auf mich überhaupt nicht zutrifft - ich bin kein bißchen stolz "den Ausstieg" geschafft zu haben. Im Gegenteil, ich bin stolz, dass ich (in meinen Augen und einiger Kunden) eine gute Sexarbeiterin war. Ich bezeichne es auch nicht als "Ausstieg", denn mein Studium habe ich eher als Weiterbildung gesehen und somit einen Umstieg. Und da der Beruf als Sozialarbeiterin zwar ganz andere Schwierigkeiten hat als als Sexarbeiterin, schließe ich es nicht aus, auch wieder in meinem alten Beruf zu arbeiten. Auf jeden Fall bin ich diesem Thema nach wie vor sehr verbunden und bin froh, dass ich nach den Jahren des Lernens wieder Zeit für Beiträge wie diesen hier habe.

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Jupiter
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von Jupiter »

@annainga, zu dieser ausführliche Einlassung von dir, möchte ich mich auch mal äußern:
Ich sehe hier eine sehr positive Grundhaltung, welche durch Zuversicht geprägt ist. Du kannst stolz auf dich sein. Ich wünsche dir alles Gute.
Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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annainga
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Danke, Jupiter, ich bin auch stolz, aber wie gesagt, nicht darauf keine Sexarbeiterin zu sein, sondern dass ich im fortgeschrittenem Alter noch vieles Neues gewagt habe. Zu meinem Studium kamen ja viele andere Dinge dazu, die ich verändern musste u.a. ein Umzug. Wobei ich die Änderung keine Sexarbeit mehr zu machen, sehr schade finde. Je länger ich in meinem neuen Beruf arbeite, um so mehr fehlt mir mein alter Job. Sehr gern würde ich halbtags als Sozialarbeiterin arbeiten und den Rest als Sexarbeiterin. Wobei das leider nicht funktioniert in unserer Gesellschaft und ich es in diesem fall nicht wage, Vorreiterin zu sein.
Ich finde die Belastungen in meinem neuen Job sehr schwer, ich setze darauf, dass ich es lernen werde, mich von den Klient*innen gut abzugrenzen. Dass mir das so schwer fällt, hätte ich nicht gedacht, denn ich bin davon ausgegangen, dass ich das beherrsche, weil ich es in der Sexarbeit gut konnte. Aber es ist irgendwie ganz anders und ich habe noch keine Fähigkeiten oder Techniken, um damit umzugehen.
Da fallen mir wieder die Worte von Nicole ein (die auch hier im Forum schreibt), die mal in der Diskussion zu "Abgrenzung" meinte, es wäre nicht möglich, weil man ja immer dieselbe Person ist, egal ob privat oder Arbeit.
Am schönsten wäre tatsächlich ein Beruf, der so ist, dass man sich nicht abgrenzen muss. Den habe ich leider noch nicht für mich entdeckt.

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Zwerg
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von Zwerg »

OFF.TOPIC - und für die Meisten nicht verständlich - ignoriert es bitte....
► Text zeigen
OFF-TOPIC aus!

Herzliche Grüße

christian

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deernhh
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von deernhh »

Gar nicht unverstaendlich.

Eine Tasche als einheitliches Ganzes, in die man alles oder unterschiedliche Dinge reinpacken kann, in 2 oder 3 Faechern zum Abgrenzen und schnelleren Wiederfinden. Die Tasche als ganze Einheit im uebertragenen Sinne muesste fuer die "Berufsproblematik", die annainga oben beschrieb, also ein "normaler" Job und Sexwork als Teilzeiten, ohne Abgrenzung, erst "erfunden" und moeglich sein.

Liebe Gruesse von deernhh

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annainga
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Beruf als Tasche zu betrachten ... - witzig.
Für die andere Tasche gilt, die habe ich zurückgelassen, 50 cm tief. Aber es gibt eine neue Tasche. Gibt es dazu nicht einen schrecklich albernen Thread mit einer Zwergentasche?
Die neue Tasche wollte ich gern in der Puffküche vorstellen, aber ich weiß tatsächlich nicht mehr, wie es funktioniert, ein Bild einzustellen. Kann ich einen Link dazu haben, der mir das erklärt?

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deernhh
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von deernhh »

@annainga
Vielleicht solche Zwergentaschen?
Download (1).jpg
Download (1).jpg (8 KiB) 5110 mal betrachtet
Unten auf "Dateianhaenge", dann auf "Dateien hinzufuegen" klicken, dann erscheinen Moeglichkeiten, z.B. Galerie, drauf klicken (vorausgesetzt, Du hast Dir vorher schon ein Bild auf Deine Galerie runtergeladen), Dir das Bild in der Galerie aussuchen, drauf klicken, warten, dann auf "Im Beitrag anzeigen" klicken. Fertig.
Antwort abschicken.
Hinterher loesche ich das geladene Bild auf meinem Handy.
War die Antwort hilfreich?
Ja? oder Nein?

Liebe Gruesse von deernhh

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von Zwerg »

@deernhh
Perfekt beschrieben - vom Handy aus vollkommen korrekt. Am Computer statt auf "Galerie" auf "eigene Dateien" klicken und dort sein Foto auswählen.

@annainga
► Text zeigen
Wenn das mit dem Upload des Bildes nicht klappen sollte. Dies kann passieren, wenn das Bild zu groß sein sollte, so sende es an mich per Mail - ich füge es dann an gewünschter Stelle ein.

Liebe Grüße

christian

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floggy
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Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von floggy »

Wobei ich die Änderung keine Sexarbeit mehr zu machen, sehr schade finde. Je länger ich in meinem neuen Beruf arbeite, um so mehr fehlt mir mein alter Job. Sehr gern würde ich halbtags als Sozialarbeiterin arbeiten und den Rest als Sexarbeiterin. Wobei das leider nicht funktioniert in unserer Gesellschaft und ich es in diesem fall nicht wage, Vorreiterin zu sein.

Mein Arbeitsgeber hat's geschluckt. Ich hab's nicht riskiert, am SGB IV vorbei, den Nebenjob nicht anzugeben. Geschrieben hatte ich an unsere Juristin, geöffnet hat's die Personalabteilung. Wurde auch sicherlich im Konzern-Computer verewigt. Jetzt glaube ich, dass Männer das eher machen dürfen, und Frauen halt wieder nicht. Gemacht habe ich es, weil Marleen geschrieben hatte: Wieviele Frauen glaubt ihr verlieren jährlich ihren Job weil sie Sexarbeit als Nebenjob machen. Wir brauchen eine Vorreiterin. Einen Skandal. Ein Drama pur. Und eine glückliche richterliche Entscheidung. Ich muß aber auch sagen, dass sich unser Konzern an die Antidiskriminierungsvorschriften hält. Insofern wieder Umstände, die es eher ermöglichen, es zu wagen. Ich nehme das Thema sehr ernst, weil es den Lebensentwurf von Sex Workers nachhaltig beeinflussen kann, und nichts schicksalhaftes hat, sondern 100% von Menschen gemacht ist. Und weil es auch an den Grundfesten der beabsichtigten Abschreckung rüttelt. Sexarbeit ist ein Tabu geblieben. Du kannst es brechen. Aber dann bist Du angreifbar. Die eine Gesellschaft gibt es nicht. Aber es gibt sehr engstirnige Menschen. Und wenn man Pech hat, trifft man auf sie. Das ist das unkalkulierbare Risiko. Umgekehrt, es nicht zu wagen, verwehrt einem die Möglichkeit, positive Erfahrungen zu machen, und die Gesellschaft zu verändern, und anderen Mut.

Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin . . . und mit der Sozialarbeiterin zur Entskandalisierung der Sexarbeit. Wenn Sexarbeit kein Skandal mehr ist, dann hoffe ich, dass man sie auch von der Kriminalisierung, Stigmatisierung und Diskriminierung befreien kann. Sexarbeit gibt es ja heute schon weltweit. Nur halt oft unbezahlt, oder von niedriglohnmäßig bis sklavenmäßig. Also mit der Entskandalisierung einhergehend sehe ich dann auch eine Aufwertung der Sexarbeit.

Mein Beitrag zum 17. Dezember. Liebe Grüße an Alle. Das war dann also das Jahr 2018.
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annainga
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Danke @Deernhh, und danke @Christian - ich werds die Tage mal ausprobieren.
Und mit den Taschen liegst du sehr richtig - ich muss den alten Thread mal raussuchen aus den Tiefen des Forums.
@floggy - das finde ich ja mal sehr cool! Super cool! Vorbildlich. Und bringt mich zum Nachdenken, ob ich mich das vielleicht dann doch trauen könnte. Auf der anderen Seite spricht viel dagegen, allein schon das Anstrengende so eine Entscheidung zu verteidigen. Ich weiß nicht, ob ich darauf Lust habe. Momentan bin ich sehr damit beschäftigt in meinem neuen Beruf "anzukommen".
In meinem Beruf vorher war ich Dienstleisterin, die überwiegend höflich und freundlich von ihren Kunden behandelt wurde. In meinem Beruf als Sozialarbeiterin wurde ich von Klienten (ok, die sind krank) innerhalb einer Woche schon mehr beschimpft als in meinem alten Beruf in einem Jahrzehnt. Ist schon krass.
@floggy - das Jahr 2018 ist doch noch lang!

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Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von floggy »

Momentan bin ich sehr damit beschäftigt in meinem neuen Beruf "anzukommen".

Hallo Annainga, das sehe ich auch so. Man wird ja als Mensch noch träumen dürfen.
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von Kasharius »

Liebe @annainga

ich finde es auch generell bezeichnend aber falsch hier immer vom "Ausstieg" zu fabolieren - wie aus einer Drogen- oder Alkoholsucht. Das verleiht der gesamten Sexarbeit wieder so ein Negativimage ..Du hast einen sehr mutigen Berufswechsel vollzogen und dafür gebührt Dir großer Respekt und ja: Darauf kannst Du sehr stolz sein. Alles gute im Job und auch hier mein Angebiot an Dich: Bei Fragen, fragen! Gerne auch per PN

Kasharius grüßt zum Fest

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von Ursa Minor »

@annainga

auch von mir einen Glückwunsch und Respekt, weil du etwas Neues gewagt hast. Der Unterschied zwischen Sexwork und Sozialarbeiter ist von den Anforderungen her nicht gross. Nur die Tatsache das du auf einer anderen Seite stehst und nicht mehr total selbst abgrenzen kannst, macht es anders.
Du bist in einem gegebenen System zuständig für deine Kunden. Was ich rausgehört habe, sind deine empatischen Fähigkeiten vorhanden.
Wie immer in einer neuen Roĺle ist es nicht ohne, den Einstieg zu finden. Ich erlebe dies in meinem beruflichen Alltag auch.

Ich denke du bringst in der Tiefe viel mit, auch dies positiv zu gestalten.
Manchmal braucht es die Ellenbogen um sich durchzusetzen, und dann wieder viel Ruhe und Empathie.
Dein positives Verhältnis zu deiner vorherigen Arbeit, wie auch die minder stigmatisierte Sichtweise deines aktuellen Arbeitgebers sind
ein ermutigendes Zeichen, um Diskriminierung
gegen den Beruf SW zu relativieren.
Ich wünsche dir viel Power und Glück auf deinem weiteren Weg.

LG
ursaminor

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Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von floggy »

Zitat: Der Unterschied zwischen Sexwork und Sozialarbeiter ist von den Anforderungen her nicht gross.

Ja wirklich? Oje, oje, oje. Nur gut, dass ich den Unterschied kenne, und niemals mit meiner Verhaltenstherapeutin ins Bett wollte.

Zitat: Wiedereinstiegsgedankenkreisel von Huschke Mau berühren mich ehrlich gesagt mehr, weil der Unterschied halt doch größer ist als angenommen. Da hör' ich ehrlich gesagt auf, Männern zuzuhören, und verlasse mich ganz auf meine weibliche Intuition, das weibliche aus dem Weib herauszuhören. Denn die Wahrheit muß weiblich sein.

Nicht böse sein.

Und eigentlich ging's doch um dieses Thema:

Zitat: Das ist mir doch ein neues Thema wert - meine positiven Erfahrungen mit dem Thema "Outing".

Ich komme darauf gerne zurück, weil das auch mein Thema ist. Gerade jetzt, wo durch das ProstSchG 2017 so viel Unsicherheit entsteht, finde ich es reichlich abenteuerlich, finanziell auf vagem Standbein zu stehen, und darum habe ich mir gedacht, gerade jetzt müßte die Arbeitswelt sich öffnen, und Frauen, die Sexarbeit als Nebenjob machen, nicht vor den Kopf und ins Abseits zu stoßen. Das ist ein zwischenmenschlicher Konflikt, der am Arbeitsplatz ausgefochten wird, in unmittelbarer Nähe zu anderen Menschen, die dann Farbe bekennen müssen. Wie bei der Integration von Gastarbeitern, könnte die Arbeitswelt hier Vorreiter sein. Ich will die Dramatik mal überdeutlich machen: Hey, das ist doch geil, neulich traf ich meine ehemalige Sexdienstleisterin in der Kantine . . . mir ist gleich der Kloß im Hals steckengeblieben.
Wo Schatten ist, muß auch Licht sein.

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

ja, @floggy, du hast Recht - ich bin auch der Meinung, Sexarbeit gesellschaftsfähig zu machen, ist ein gute Aufgabe. Ich bin stolz, dass ich es in meinen Lebensläufen und Bewerbungen so benannt habe und dass du einen Schritt weiter gegangen bist und es als Nebenjob angegeben hast, motiviert mich sehr. Für mich wäre halbtags Sozialarbeiterin und nebenbei Sexarbeiterin ein wunderbares Modell, um einerseits sozialversicherungspflichtig abgesichert zu sein und finanziell etwas besser dazustehen. Ich danke dir für diese Anregung, und überlege wie ich das umsetzen könnte.
Allerdings habe ich die erste Hälfte deines Beitrages nicht verstanden, erklär doch bitte mal genauer, was du damit meintest.