Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Hier soll eine kleine Datenbank entstehen, die sich vornehmlich mit über den Geschlechtsverkehr übertragbaren Krankheiten und dem Schutz vor ihnen beschäftigt
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Melanie_NRW
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Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von Melanie_NRW »

„Stealthing“: So gefährlich ist die Sex-Praktik!

In Internetforen und Blogs brüsten sich immer mehr Männer mit ihren „Stealthing“-Erfahrungen, verbreiten ihre Vorstellung von Sex und geben sich gegenseitig Tipps. Was viele schlicht als natürlichen Trieb beschreiben, ist in Wahrheit ein sexuelles Vergehen.

Beim „Stealthing“ wird das Ziel verfolgt, unmittelbar vor oder während des Geschlechtsverkehrs heimlich das Kondom abzuziehen und ungeschützten Sex zu haben, um sich mit dem eigenen Sperma im Partner zu ergießen. Es sei ein männlicher Instinkt, begründen Anhänger die Praktik und tauschen untereinander die besten Tipps und Tricks aus, damit die Frau nichts mitbekommt. Das aber ist nicht nur gefährlich, sondern auch sexueller Missbrauch.
Recht des Mannes?

Ein solches biologisches Recht, auf das diese Männer pochen, gibt es nicht und „Stealthing“ ist auch kein Streich unter Erwachsenen oder lässt sich herunterspielen. Die Juristin Alexandra Brodsky hat im Fachmagazin Colombia Journal of Gender and Law eine Studie zu diesem Thema veröffentlicht. Viele Opfer, darunter auch homosexuelle Männer, fühlen sich missbraucht, schildern Ängste vor ungewollten Schwangerschaften oder Geschlechtskrankheiten. Brodsky schlägt Alarm. Die Community würde wachsen. Zudem findet sie die Bezeichnung „Stealthing“ zu verharmlosend: „Ich denke, der Begriff trivialisiert den Schaden, er verdeckt die Gewalt.“

Die Juristin im National Women's Law Center findet, dass es sich bei der Praktik vielmehr um eine Vergewaltigung handeln würde, da der Sex nur mit, aber nicht ohne Kondom einvernehmlich gewesen sei. Heißt: Aus Safer Sex wurde ein sexueller Übergriff. Wie einige ihrer Kollegen plädiert sie darauf, die Gesetze zu verschärfen. Es gilt jedoch als sehr schwer, den Tätern Vorsatz zu beweisen. Unmöglich ist es aber nicht: Im Januar wurde in der Schweiz ein Mann zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt, weil er beim Sex mit seiner Tinder-Bekanntschaft das Kondom heimlich entfernt hatte.


http://www.gq-magazin.de/leben-als-mann ... tik-170426
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Beitrag von xtabay »

"ich hab grad die fruchbaren Tage" schreckt solche Typen nicht ab???

couchy
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RE: Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von couchy »

@Melanie
Danke fuer Deinen Beitrag!

Zu diesem Thema habe ich etwas Sarkastisches gefunden:

Aus dem BILDblog
Bild.de

"Also Maedels, tut ihm den Gefallen"
[....]
Weil es in dem Text ja um Kondome, oder genauer: um Keine-Kondome geht, hat Bild.de noch eine Packungsbeilage mit dem Titel "Infos Kondom-Anwendung" dazugelegt. Neben Hinweisen zur korrekten Groesse ("nachmessen!") und der richtigen Vorbereitung ("Wer das Verhueterli schon vorher ausgepackt bereitlegt, spart sich unnoetigen Stress.") gibt es da solche Tipps fuer die Bild-Leserinnen:

Mehr Druck
Spuert er mit dem Gummi nix mehr, kann das daran liegen, dass zu wenig Reibung entsteht. Helfen Sie ihm, indem Sie Ihre Beine enger zusammendruecken.

Und solche:

Mundgerecht
Ueber so eine Hilfe beim Ueberziehen freut ER sich besonders. Also Maedels, tut ihm den Gefallen.

Also wirklich, "Maedels" - jetzt stellt euch mal nicht so an und "tut ihm den Gefallen". Das muesste doch mindestens Teil eures Rundum-sorglos-Paketes sein.

Auf die Idee muss man erstmal kommen: In einem Artikel, in dem es eigentlich um verachtenswerte Sex-Praktiken von Maennern geht, Frauen Tipps zu geben, bei denen sie wie Liebesspiel-Dienstleister mit natuerlicher Bringschuld wirken.

http://www.bildblog.de/89269/also-maede ... -gefallen/

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Beitrag von Sinamore »

Das ist schlicht eine Art Vergewaltigung. Mir kommt dazu der Fall Assange in den Sinn. Er wurde in Schweden unter anderem deswegen strafrechtlich verfolgt, weil er beschuldigt wurde, während zwei grundsätzlich einvernehmlichen sexuelle Begegnungen das Kondom ohne Wissen seiner Sexpartnerin weggelassen oder absichtlich zerrissen zu haben.

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RE: Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von Melanie_NRW »

Da brauchst gar nicht bis nach Schweden schauen ;)

http://www.stern.de/panorama/stern-crim ... 81268.html
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RE: Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von Ursa Minor »

Ich kann ehrlich nicht verstehen das man(n) so was tut. Das ist eine Art Vergewaltigung und wurde nun auch so geurteilt in dem Tinder-Fall.

Egal ob auf privater Basis bei ONS oder in der professionellen Sexarbeit ist dies klar ein Vergehen.

Mit gesundem Menschenverstand betrachtet ist es in einer festen Beziehung und beidseitig erwünscht kein Problem alles ungeschützt zu machen. Hingegen bei Sex ausserhalb einer Beziehung ist Schutz eigentlich selbstverständlich. Es besteht ja nicht nur die Gefahr einer ungewollten Schwangerschaft, sondern vor Allem das Risiko einer allfälligen Ansteckung. Auch wenn es nicht was schlimmes ist, ich hätte trotzdem meine Einschränkung dadurch. Daher mache ich mir da auch Gedanken drüber.

Aber der Punkt ist, dass ich auch was weitergeben könnte, und wenn ich in klarer Absicht ungeschützten Sex machen würde ohne effektive Einwilligung der Partnerin, ist dies logischerweise ein Delikt (Körperverletzung) im Falle einer allfälligen Ansteckung klar, aber auch ohne Übertragung die aus diesem Akt resultieren würde, da man die Sexualpartnerin täuscht und einem Risiko aussetzt. Zudem missachtet man den Willen der Person, was in meinen Augen auch eine Gewaltanwendung bedeutet.
Daher ist das Urteil sicher klar zu Befürworten und setzt hoffentlich auch ein klares Zeichen.

Es ist manchmal schon schwer vorstellbar wie man(n) wohl nur mit seinem Ego oder mit seinen Genitalien denkt und das Hirn ausschaltet und so auch jeglichen Respekt vermissen lässt.

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RE: Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von couchy »

@Ursa Minor
Ich teile Deine Meinung, nur:
Das ist nicht verharmlosend ein Delikt,
sondern ein ganz perfides schweres Verbrechen,
das absolut nicht entschuldbar ist,
und diese Vergewaltigung, fuer die Frau traumatisierend,
weil sie das Ergebnis des HIV- bzw. Gesundheitstestes so lange abwarten muss,
haertestens bestraft werden muss !

Solche hirnlose Verbrechern wuerde ich am Liebsten kastrieren und ihnen den Schw.... abhacken, natuerlich nur theoretisch.

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RE: Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von Ursa Minor »

@couchy
sorry wenn es verharmlosend rübergekommen ist. Das war sicher nicht meine Absicht. Habe es wohl zu sachlich und zu wenig emotional geschrieben. Wenn ich mich in diese Situation hinein versetze fällt es sicher gleich aus.

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RE: Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von couchy »

@Ursa Minor
Alles gut.
Habe Dich verstanden.
Bin manchmal etwas hart.
LG couchy

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Ursa Minor
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RE: Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von Ursa Minor »

@couchy

Danke :006
Lieber etwas hart, als sich unterkriegen lassen.

lg ursa

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deernhh
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Re: Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von deernhh »

Diese Sache ist nicht beim Sexwork passiert, dennoch ist es interessant, da ein Bundespolizist (!) deswegen verurteilt wurde.

Heimlich das Kondom abgezogen
37-JAEHRIGER WEGEN "STEALTHING" VERURTEILT


In Berlin ist ein Mann zu einer achtmonatigen Bewaehrungsstrafe verurteilt worden, weil er beim Beischlaf das Praeservativ abzog. Eine Vergewaltigung sah das Gericht aber nicht gegeben. Das Urteil ist umstritten.
Dienstag, 18.12.2018, 18:29 Uhr

Den ganzen Artikel bitte lesen auf:
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/s ... 44425.html

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deernhh
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Re: Stealthing - Ein gefährliche Praktik

Beitrag von deernhh »

Ist alles schon von Anfang Dezember 2019, ist aber dennoch interessant.
Interessant auch, wie der Täter (ein Jurastudent!) abgeurteilt wurde, nämlich in meinen Augen viel zu mild und straffrei. :021

«Stealthing», das heimliche Abziehen des Kondoms, ist moralisch «unterste Schublade», aber derzeit nicht strafbar
Das Obergericht hat in zweiter Instanz den Freispruch für einen 21-jährigen Jura-Studenten bestätigt, der während des Geschlechtsverkehrs heimlich sein Kondom abgestreift haben soll. Es bestehe eine Gesetzeslücke.

Tom Felber
28.11.2019, 16.49 Uhr

Es geschah bei einem Tinder-Date im September 2017: Sie war damals 18, er 19 Jahre alt. Nach der Verabredung über die bekannte Dating-App verbrachte das Paar einen einzigen gemeinsamen Abend zusammen. Danach lud sie ihn in ihre Wohnung ein. Eine Rückenmassage führte zu einvernehmlichem Sex. Dabei soll der junge Mann heimlich sein Kondom entfernt haben. Die Versionen der Beteiligten darüber, was genau passiert ist, unterscheiden sich jedoch.

Obwohl das Bezirksgericht Bülach der Frau glaubte und sich vollumfänglich auf ihre Aussagen abstützte, sprach es den Beschuldigten im Februar 2019 vom Vorwurf der Schändung frei. Es bestehe eine Gesetzeslücke. Weil der Beschuldigte die Einleitung des Verfahrens selber verursacht hatte, wurden ihm aber trotz Freispruchs sämtliche Untersuchungs- und Gerichtskosten auferlegt.

Juristisches Neuland
Während die junge Studentin auf eine Berufung verzichtete, wollte der Staatsanwalt die Sache geklärt haben. Doch auch das Obergericht hat am Donnerstag den Freispruch in zweiter Instanz mit der gleichen Begründung bestätigt: Gemäss Artikel 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB) darf eine Strafe oder Massnahme nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt. Dies sei beim relativ neuen gesellschaftlichen Phänomen des «Stealthings» einfach nicht der Fall.

Der Begriff «Stealthing» ist vom englischen Wort für Heimlichkeit abgeleitet. Es handelt sich um eine Form des Missbrauchs während des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs, bei dem ein Sexualpartner sein Kondom heimlich entfernt, wodurch kein Safer Sex mehr stattfindet. In der Schweiz gab es vor diesem Fall erst ein Strafurteil aus dem Kanton Waadt zum Thema: Im November 2017 verurteilte das Waadtländer Kantonsgericht einen Mann, der während des Geschlechtsverkehrs ohne Wissen seiner Partnerin das Kondom entfernt hatte, in zweiter Instanz wegen Schändung zu einer bedingten Freiheitsstrafe. Der Fall wurde aber nicht ans Bundesgericht weitergezogen.

Absicht oder Missverständnis?
Bei der Befragung im aktuellen Fall vor Obergericht spricht der inzwischen 21-jährige Beschuldigte sinngemäss von einem Missverständnis und wiederholt, was er bereits vor Vorinstanz aussagte: Im Laufe des Geschlechtsverkehrs sei sein Penis erschlafft. Die junge Frau habe ihn daraufhin oral stimuliert, wobei das Kondom abgestreift worden sei. Sie habe dann nach einiger Zeit «fuck me» gesagt, was er als Aufforderung aufgefasst habe, ungeschützt wieder in sie einzudringen. «Ich dachte in jenem Moment, ihr sei bewusst, dass ich kein Kondom mehr an hatte.» Als die Frau protestiert habe, habe er aber sofort gestoppt. Er habe das Kondom nicht selber abgestreift. Er wisse, dass er einen grossen Fehler gemacht habe, vor allem auch wie er sich später verhalten habe, die Ängste der Frau nicht ernst genommen und sie nicht zum Arzt begleitet habe. Er bereue das.

Inzwischen hat der Beschuldigte gemäss eigenen Angaben ein angestrebtes Jura-Studium begonnen, arbeitet aber gleichzeitig zu 80 Prozent in einem Restaurant. Durch das Verfahren und die Anwaltskosten habe er rund 20 000 Franken Schulden bei seinen Eltern. Es sei ihm wichtig, dass er die Kosten selber trage und zurückzahlen könne.

Die heute 20-jährige Privatklägerin nimmt nicht an der Berufungsverhandlung teil. Vor Bezirksgericht Bülach hatte sie erzählt, dem Beschuldigten von Anfang mehrfach und deutlich klargemacht zu haben, dass sie nur mit Kondom mit ihm schlafe. Er habe sich zunächst geziert, eines anzuziehen. Da habe sie ihm eines gegeben. Sie habe ihm später das Kondom sicher nicht abgestreift. Erst als sich der Sex anders angefühlt habe, habe sie das Fehlen des Kondoms bemerkt. Sie erstattete Strafanzeige und machte eine dreimonatige HIV-Prophylaxe. In dieser Zeit habe sie in Angst und Unsicherheit gelebt.

Inzwischen eine Vorstrafe erwirkt
Der Leitende Winterthurer Staatsanwalt Rolf Jäger erklärt dem Beschuldigten im Gerichtssaal unverblümt, ein Jura-Studium sei das Falsche für ihn. Denn inzwischen habe der Student gezeigt, dass er sich auch in anderen Bereichen nicht ans Recht halte. Erst im Juli 2019 war er mit einem Strafbefehl wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand, mehrfacher Übertretung von Verkehrsregeln und Drogenkonsums zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 30 Franken und einer Busse von 700 Franken verurteilt worden. Jäger stellt seinen Antrag einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten wegen Schändung als Zusatzstrafe zu diesem Urteil.

Der Staatsanwalt betont, dass der Sachverhalt bereits für das Bezirksgericht ohne Zweifel erstellt war. Die junge Frau habe bestimmt, konstant und glaubwürdig ausgesagt. Das Gericht habe ihrer Version geglaubt. Er begründet ausführlich, weshalb dieser Sachverhalt eben doch unter den Straftatbestand der Schändung nach Art. 191 StGB falle, der wie folgt lautet: «Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.»

Jäger vergleicht den Fall mit Bundesgerichtsurteilen zu Schändungen, in denen sich Masseure an Frauen vergriffen, die wehrlos auf einem Massagetisch lagen. Die Geschädigte habe im Vorfeld explizit gesagt, dass sie mit Geschlechtsverkehr ohne Kondom nicht einverstanden war und der Gesetzgeber habe den Tatbestand der Schändung bewusst offen formuliert.

Verteidiger Stephan Schlegel erneuert seinen Antrag auf Freispruch. Sein Mandant habe Grund zur Annahme gehabt, dass die junge Frau vom fehlenden Kondom gewusst habe. Man könne nicht sagen, dass ihre Version ohne Zweifel richtig und seine Version ohne Zweifel falsch sei. Schon deshalb müsse ein Freispruch in dubio pro reo erfolgen. Aber auch wenn man den Aussagen der Frau glaube, liege eben der Straftatbestand der Schändung gar nicht vor. Es gehe eigentlich gar nicht um ein Sexualdelikt, sondern um die Angst der jungen Frau, sich möglicherweise mit HIV angesteckt zu haben. Wie vor Vorinstanz vergleicht der Anwalt den Fall mit der Situation einer Frau die beim einvernehmlichen Sex behauptet, die Pille zu nehmen, obwohl sie es nicht tut. Das sei ja auch keine Schändung.

«Strafwürdig», aber nicht strafbar
Der Vorsitzende Oberrichter Rolf Naef verkündet schliesslich erneut einen Freispruch. Von den zweitinstanzlichen Gerichtskosten von 3000 Franken muss der Beschuldigte aber nur noch einen Fünftel selber tragen. Wie die Vorinstanz hat auch das Obergericht keinen Zweifel daran, dass die Version der Frau richtig und der massgebliche Sachverhalt rechtsgenügend erstellt ist. Das Verhalten des Beschuldigten falle aber nicht unter den Straftatbestand der Schändung, auch wenn es «höchst strafwürdig» und in moralischer Hinsicht verwerflich sei, wobei sogar der Begriff «unterste Schublade» fällt. Es fehle eine präzise Strafnorm im Gesetz dazu.

Nun sei der Gesetzgeber gefordert, Rechtssicherheit herzustellen. Die Begründung der Waadtländer Richter sei dünn, und im Gegensatz zu den Bundesgerichtsurteilen in den Massage-Fällen, sei die junge Studentin in diesem Fall grundsätzlich ja mit einvernehmlichem Sex einverstanden gewesen. Es gehe nur um das Wie. Ihr Interesse, sich vor einer Geschlechtskrankheit zu schützen, beziehe sich nicht auf die vom Straftatbestand der Schändung geschützte sexuelle Integrität, sondern auf ihre Gesundheit.

Wie erwähnt: Ein Bundesgerichtsurteil zur Thematik fehlt derzeit. Staatsanwalt Rolf Jäger erklärt nach dem Freispruch, es sei nicht seine, sondern die Entscheidung der Oberstaatsanwaltschaft, ob der Fall ans Bundesgericht weitergezogen wird. Er werde dies aber nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung höchstwahrscheinlich anregen. Denn es handle sich um eine Rechtsfrage, die geklärt werden müsse.

Urteil SB190282 vom 28. 11. 2019, noch nicht rechtskräftig.

https://www.nzz.ch/zuerich/stealthing-d ... ld.1525042

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Stealthing: Aids-Hilfe geht von hoher Dunkelziffer aus

Aus SRF 4 News aktuell vom 28.11.2019.
abspielen. Laufzeit 03:50 Minuten.

Was tun bei Stealthing?
-
Aids-Hilfe rät zu Prophylaxe innert 24 Stunden
Wenn Sex entgegen der Absprache ungeschützt endet, ist ein PEP-Medikament die erste Option. Das sagt ein Aids-Experte.

Ein Mann entfernt beim Geschlechtsverkehr heimlich das Kondom und hat so ungeschützten Sex ohne das Einverständnis der Sexualpartnerin oder des Sexualpartners. Diese Handlung sei strafwürdig, falle aber in eine Gesetzeslücke, urteilte das Zürcher Obergericht heute und sprach einen Mann vom Vorwurf der Schändung frei.

Hohe Dunkelziffer vermutet
Anrufe zu solchen Stealthing-Fällen gingen alle paar Monate ein, sagt Nathan Schocher von der Aids-Hilfe Schweiz (AHS). Oft könnten sich die Anrufenden nicht mehr genau erinnern, ob ein Kondom im Spiel war. Oder sie befürchteten, dass das Kondom während dem Sex abgestreift wurde. «Es ist immer auch viel Scham mit im Spiel. Die Dunkelziffer ist vermutlich viel höher», so Schocher.

Passend zum Thema
Hinweis auf einen verwandten Artikel:
Zürcher Stealthing-Fall

Mann streift heimlich das Kondom ab: Gericht spricht ihn frei

28.11.2019
Mit Audio
Risikofaktor One-Night-Stand
Besonders häufig seien solche Anrufe im Zusammenhang mit One-Night-Stands, berichtet Schocher: Also in Fällen, wo sich die beteiligten Personen noch nicht so gut kennen und es schwierig ist, die notwendigen Schutzstrategien durchzusetzen.

PEP-Medikament rechtzeitig nehmen
Bei offensichtlichen oder wahrscheinlichen Stealthing-Fällen rät die Aids-Hilfe zur unverzüglichen Postexpositionsprophylaxe (PEP). Das ist ein antiretrovirales Medikament, das die Aufnahme von HI-Viren im Körper stoppen kann. Das Medikament muss aber möglichst innert 24 Stunden und spätestens innert 48 Stunden nach dem Vorfall eingenommen werden, damit es wirkt.

«Die Zeit spielt also eine entscheidende Rolle. Wenn zusätzlich Gewalt geschildert wird oder zu vermuten ist, verweisen wir zudem an die Polizei oder Beratungsstellen», so Schocher.

Möglichst viele Menschen sollen von der PEP wissen.
Autor:Nathan Schocher
Aids-Hilfe Schweiz, Leiter Programm Menschen mit HIV, Leiter Wissensmanagement
Der Aids-Hilfe ist es ein grosses Anliegen, dass möglichst viele Menschen von der Postexpositionsprophylaxe wissen, wie Schocher betont. Dazu gibt es Broschüren, die Webseite und Kampagnen. Und er fügt hinzu: «Ganz grundsätzlich möchten wir die Menschen dazu befähigen, Sex in Situationen zu haben, wo sie sich sicher fühlen und den erwünschten Schutz durchsetzen können.»

srf/brut;gfem

https://www.srf.ch/news/schweiz/was-tun ... 24-stunden

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Hier weitere Links zu diesem Thema:

https://www.bzbasel.ch/basel/baselbiet/ ... -136090764

https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/ ... ld.1172679

https://www.berneroberlaender.ch/12-app ... y/25201885