Ökonomie der Sexarbeit

Hier können SexarbeitInnen ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Was erlebt Ihr alles in Eurem Beruf?
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La Marfa
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RE: Ökonomie der Sexarbeit

Beitrag von La Marfa »

Noch mal zum angenommenen Kundenmarkt Sexarbeit: Kann man es nicht nur dann als Kundenmarkt ansehen, wenn es dem Kunden egal ist, von wem er seine Dienstleistung bezieht, und wie diese genau aussieht?
Verkehrt es sich nicht exakt in das Gegenteil = Anbietermarkt, sobald die SW entscheidet, ob oder ob nicht sie ihre Dienstleistung dem konkreten Kunden angedeihen lassen will und in welcher Ausprägung sie ihre Dienste leistet, zumindest sofern man voraussetzen kann, dass dem Kunden sowohl Person als auch Art der Dienstleistung nicht egal sind?

Ist die knappe Ressource nicht die Dienstleistung, während Geld auch ohne Kundschaft Freier erworben werden kann?

So jedenfalls sollten doch wir SW das im Zusammenhalt sehen.

La Marfa

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Marc of Frankfurt
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Notwendige Preissteigerungen ausgeblieben?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

mach dir bitte keinen Kopf dass ich die herrschende Lehrmeinung hier berichte, die ich einfach übernommen habe, weil ich sie gesamtwirtschaftlich richtig finde. Genauso richtig finde ich deine Argumente, die ich jedoch als betriebswirtschaftlich, fallbezogener oder subjektiver einschätze.
___





Warum Dienstleistungspreise eigentlich stärker steigen müßten:

Preis für Speiseeiskugeln im Café beim Italiener gestiegen um 684% seit 1985
Nicht so bei Sexwork ???


  • Der Balasa-Samuelson-Effekt 1964

    Die Preise im Dienstleistungssektor müssen stärker steigen als im Gütermarkt (Warenproduktion und -handel)

    Weil im Dienstleistungssektor die Produktionssteigerung oftmals nicht so groß sein können wie im Gütermarkt (Rationalisierungsgewinne durch Technologie; Lohnkostenanteil, der höher mit Abgaben belegt ist, weil auf Maschinen, obwohl sie Arbeiter ersetzen, keine Sozialabgaben fällig werden etc.).

    Im Gütermarkt ermöglicht eine hohe Produktivitätssteigerung sowohl sinkende Warenpreise als auch steigende Löhne und Gewinne
    (Beispiel sind die niedrigen Preise für Unterhaltungselektronik, die hohen Löhne der Industrie und großen Gewinne der Supermarktketten).

    Damit nicht alle Arbeiter zu den höheren Löhnen im Gütermarkt wechseln, müssen die Dienstleister ihre Löhne genauso anheben, auch wenn ihre Produktivität nicht so stark steigt. Also müssen sie die Preise für Dienstleistungen stärker erhöhen als die Preise für Güter steigen.

    Es gibt also eine Konkurrenz zwischen Gütermarkt und Dienstleistungsmarkt (intersektorale Unterschiede der Grenzproduktivität).

    Die Sektoren sind gekoppelt über den Arbeitsmarkt (die Faktorkosten Löhne, Mieten... sind gleich).

Handgemachte Speiseeiskugeln beim Italiener gehören eher so wie Sexwork zum Dienstleistungsmarkt.

Effekt nach seinen zwei unabhängigen Entdeckern:
http://de.wikipedia.org/wiki/Balassa-Samuelson-Effekt

Quelle
https://saldenmechanik.wordpress.com/20 ... inflation/





Warum sind Sexwork-Preise nicht auch so stark angestiegen?
  • weil Sexworker in der Stigma-Falle oder Prostitutions-Falle stecken? Konnexinstitut Ehe & Prostitution (Prof. Lena Edlund; August Bebel)?
  • wegen der Kundenmacht (Nachfragemarkt; Preisdumper)?
  • wegen der Ungeschütztheit des Marktes, EU-Ost-Erweiterungen, Wegfall des eisernen Vorhangs?
  • wegen der Niederschwelligkeit von Sexwork, keine Grundungsinvestititon, kein Qualifikationsnachweis *LOL*
  • weil die Preisschwellen bei Sexwork und im Bargeld-Business magischer sind und somit stärker wirken?
    (es gibt keine Preisauszeichnungen á la 1 h für 99,98 Euro)
  • weil es eine "natürliche" Preisschwelle gibt, weil Paysex oft wie ein Grundnahrungsmittel funktioniert?
  • Der Markt der Sexdienstleistungen ist gleichzeitig der Arbeitsmarkt der Sexworker!
  • Arbeitsmärkte konnen typischerweise versagen: "Ehernes Lohngesetz von Ferdinand Lassalle".
  • Sexarbeit ist vielfach prekär. Es herrschen nämlich frühkapitalistische Zustände im Markt für Sexarbeit. Es gibt kein Arbeitsrecht der Prostituiton. Kein Arbeitsschutz... Sexworker haben keine Lobby...
  • Sexworker sind nicht organisiert. Es gibt wenige gutverdienende Profiteure, aber viele geringverdienende Prekarisiserte (long tail)... verschärfte archaische Konkurrenz
  • Moral Hazard, Rationalitätenfalle
  • ...?



Kondratjew-Zyklus (50jährige Innovationszyklen) als Argument zugunsten Käufermärkte in der Informationsgesellschaft
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=8890#8890

Zum Unterschied Inflation, Teuerung, Preissteigerung, Geldentwertung...
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=91612#91612

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fraences
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Einkünfte aus Prostitution erhöhen das BIP

Beitrag von fraences »

23.07.2013 13:19
Ab dem nächsten Jahr werden die Einküfte aus Prostitution, Schmuggel und Drogenkonsum dem Bruttoinlandsprodukt hinzugerechnet.

Einkünfte aus Prostitution erhöhen das BIP

Einkünfte aus Prostitution, Schmuggel und Drogenkonsum zählen ab dem nächsten Jahr zu den Haushaltseinkünften, informiert das Tagesblatt Dziennik / Gazet Prawna.

Dies beschlossen das europäische Parlament und der Europäische Rat in einer Verordnung vom 21. Mai, die im Herbst nächsten Jahres in Kraft treten wird. Somit wird der Katalog illegaler Einkünfte erweitert, die die meisten EU-Länder in ihren Haushalten bereits ausweisen.

Die Höhe von solchen Einnahmen einzuschätzen sei aber schwierig, lesen wir in dem Artikel weiter.

Die polnische Statistikbehörde GUS wird Wege finden müssen, sie zu messen. „Wir werden dabei auf alle möglichen Quellen zurückgreifen“, kündigt Maria Jeznach von der Abteilung für Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. Gemeint seien damit unter anderem die Polizei, Justiz, Gesundheits- und Schulwesen, Sozialhilfe und der Grenzschutz.

Das Hinzurechnen von illegalen Einkünften werde sich, rein technisch gesehen, positiv auf den Staatshaushalt auswirken. Manche Kommentatoren sehen darin aber ein moralisches Problem: „Heißt das, dass die Prostitution zum Wohlstand eines Landes beiträgt?“, fragt Ryszard Bugaj von der Polnischen Akademie der Wissenschaften. „Illegale Aktivitäten sollten das Bruttoinlandsprodukt mindern, statt es zu erhöhen“ , so Professor Elzbieta Maczynska von der Warschauer Hochschule für Wirtschaft in dem Blatt Dziennik / Gazeta Prawna.

www.auslandsdienst.pl/3/25/Artykul/1421 ... tBjNe.dpuf
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

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Marc of Frankfurt
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Psychologie des Koberns

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Besser Kobern - Forschung aus Deutschland:

Vorteilhaftes "Verankern" von hohen Preisforderungen mit NICHT-gerundeten Preisangaben




“€14,875?!”: Precision Boosts the Anchoring Potency of First Offers

David D. Loschelder, Psychologie Uni Saarbrücken
Johannes Stuppi, Uni Trier
Roman Trötschel, Uni Lüneburg


In negotiations, higher first offers from sellers drive up sale prices—reversely, buyers benefit from lower first offers.

Whereas abundant research has replicated this robust anchoring effect of opening offers, little is known about the impact of anchors’ precision or the interplay of extremity and precision.

We propose that
precision moderates the effect of anchor extremity,
in that precise anchors gain in plausibility and thereby magnify the first-mover advantage.

Two experiments tested this assumption.
Study 1 shows that increasing precision strengthens the anchoring potency of first offers—sellers assimilate more to strong and precise anchors, which ultimately results in a particularly pronounced first-mover advantage.
Study 2 replicates this moderating effect for buyers and indicates that an increased plausibility of precise anchors accounts for the findings.

http://spp.sagepub.com/content/early/20 ... 2.abstract



___

Tipps für hochpreisiges Arbeiten auf Deutsch
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 285#101285

Verkaufspsychologie Faustformeln
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 258#116258

Sprachanalyse und Stigmaforschung:
sich preisgeben vs. sich einen Wert zuweisen
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... ben#124734

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Marc of Frankfurt
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So oder so wirtschaften

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wichtige Unterscheidungsmöglichkeit für unsere Geschäftsmodelle: Es gibt 2 Typen von Märkten

1.) C-M-C Märkte
2.) M-C-M Märkte



C steht für commodity also Waren und Dienstleistungen
M steht für money also Geld und Kapital



1.) C-M-C Märkte = Tauschhandel (Selbstversorgungswirtschaft)

Das sind die uralten Bauernmärkte wo der Bauer (Urerzeuger) oder Arbeiter (Dienstleister) hingeht, seine Waren C anbietet und dann Geld M verdient um sich dann an einem anderen Stand die Sachen C zu kaufen, die er benötigt zum Leben auf seinem Hof. Hier geht es primär darum, um einen guten Tausch gemäß der persönlichen Lebensbedürfnisse im hier und jetzt zu machen (Geld ist Hilfsmittel/Tauschmittel). Es werden nur Überschüsse verkauft, die nicht selbst verbraucht werden konnen, um sich zusätzliche Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Märkte ermöglichen erste Arbeitsteilung und Spezialisierung und brachten den Menschen Freiheit (Liberalismus, Stadtluft macht frei). Jeder Marktteilnehmer kann ständig seine Position vom Verkäufer zum Käufer frei wechseln.

So arbeiten und leben auch heute noch die meisten Sexworker, weil wir ohne Ausbildung oder Geschäftsinvestition einfach loslegen können bei Geldbedarf (gegenwartsbezoge Hedonisten). Unser Körper entspricht dem Farmland des freien Bauerns oder Werkzeug des freien Wanderarbeiters (Arbeiterstrich, Handwerker-Walz). Wir bieten unseren Service an, damit wir die Miete bezahlen können und unsere Kinder ernähren...

Eine Hochform dieser Kultur kleiner freier Unternehmer_innen auf dem Markt (agora oder Forum) entstand erstmals im klassischen Griechenland um 900-600 vor Christus. Das ist auch die Zeit der großen Hetären. Auf diesen Freiheiten basiert die Erfindung der Demokratie unter Gleichberechtigten und Freien Bürgern.





2.) M-C-M Märkte = kapitalistische Investititon und Wirtschaftstätigkeit (Profitoptimierung in der Fremdversorgungswirtschaft)

Irgendwann kamen dann Händler auf den Plan die Märkte für ein neues Geschäftsmodell in ihrem Sinne zu nutzen. Dann entstanden schrittweise unsere modernen Märkte in einer durch den Finanzkapitalismus umfassend dominierten Welt.

Jemand hat eine Geschäftsidee und muß dafür Geld M in die Hand nehmen. Er leiht es sich entweder bei Freunden (gameya) oder muß zur Bank, wenn er zuvor nichts sparen konnte. D.h. er ist gezwungen seine Arbeit und das Projekt teuer vorzufinanzieren gegen Leihgebühr für Geld (Zinseszins = die Sexualität des Geldes und Business-Plan für Sexworker). Nur Clevere, Junge oder Vermögende bekommen Kredit (Pfand oder Hypothek)! Dann kauft er sich Waren, Geschäftsausstattung oder Produktionsanlagen C. Und als letzter dritter Schritt verkauft er die billig eingekauften Waren möglichst teurer, um Profit zu machen, von dem er leben kann oder sogar expandieren um im Markt der Konkurrenten überlebensfähig zu bleiben... oder um später seine Altersrente aus dem mit Profiten angespaarten Kapitalvermögen zu ermöglichen... Das eigentliche Geschäftsziel ist hier nicht das Tauschen unter Selbstversorgern, sondern das Geldverdienen in der Fremdversorgungswirtschaft (Profit = Unternehmerlohn = Geld produzieren). In diesen Märkten entstehen spezialisierte festgelegte Rollen und Berufe (Professionalisierung aber auch Entfremdung sind die Folge. Waren und Geld werden zum Fetisch und Religion).

Das ist das Prinzip der modernen fortentwickelten Marktwirtschaft. Ein Sexworker der auch so handelt will (und jeder moderne Mensch ist heute dazu gezwungen, weil Selbstversorgung kaum noch möglich ist), muß also zusätzlich zu seinen Sexarbeitskenntnissen und elementarer Intelligenz auch noch einiges an BWL und VWL dazu lernen und mit viel Selbstdisziplin kaufmännisch/kauffräulich d.h. wirtschaftlich Handeln, grad so wie ein Investor oder zumindest wie einE Manager_in ihrer Selbst. Das ist eine große Herausforderung, die nicht selbstverständlich ist (weil Sexwork in jungen Jahren so einfach ist) und viele Sexworker nicht dauerhaft erreichen wg. Ausgrenzung, SWBO, Kriminalisierung... und regelmäßig in der Diskussion um Prostitution übersehen wird, weil zu wenig Menschen Sexwork als Unternehmertum verstehen und akzeptieren können, was auf Nachhaltigkeit = Langfristigkeit angelegt sein will.

Selbst im M-C-M Markt ist nicht das Problem, dass der Sexworker (besser, weil kein Unterschied zu C-M-C: seine Dienstleistung) "zur Ware wird", sondern Geld wird zur Ware. Das ist der eigentliche versteckte Tabubruch !!! Das wird von einigen Leuten verwechselt und auf Sexwork projiziert und bei Prostituierten, unseren Kunden und Drittparteien stellvertretend abgestraft [Cora Molloy, HWG Frankfurt].




Unterschiedliche Zeitkonzepte für Sexworker auch wegen des Geldsystems (Münzen / Scheine)
viewtopic.php?p=102351#102351

Psychologie der Zeit für unterschiedliche Gruppen von Sexworkern
viewtopic.php?p=122715#122715

Rechenbeispiel / Case Study (Horten vs. Investitions-Sparen)
(bit.ly/sexworkerccc)

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Sex-und-Geld-Theorie

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Fachbuch

Queer und (Anti-) Kapitalismus
Heinz-Jürgen Voß & Salih Alexander Wolter,
Stuttgart 2013: Schmetterling Verlag,
160 Seiten, broschiert, 12,80 €

Analyse der neoliberalen Transformation auf Gender-Queer-Politik.

- queer-feministischen Ökonomiekritik
- westlichen Marxismus von Antonio Gramscis
- postkolonialen Feminismus Gayatri Chakravorty Spivaks
- Eine-Welt-Konzepte von Immanuel Wallerstein und Samir Amin
- intersektionales Verständnis, wie es Schwarze Frauen und queere Migrant_innen in der Bundesrepublik bereits seit den 1980er Jahren erarbeitet haben

Geschlecht und Sexualität – stets verwoben mit Rassismus – sind wirkmächtig verwoben im Kapitalismus

http://salihalexanderwolter.de/queer-un ... italismus/

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Marc of Frankfurt
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Soziologische Wirtschaftsforschung Sexwork

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Von der Sozialstruktur zum Sozialsystem Sexwork


In der Sexarbeit gibt es verschiedene Liegen wie im Fußball oder Sterne-Klassen, wie bei Restaurants und Hotels, wo auch unterschiedliche Preise abgerufen werden, weil auch unterschiedliche Bedürfnisse befriedigt werden. Von Basal bis Luxusvergnügen... (Stratification of Sexwork; die Gesellschaftsschichtung oder -pyramide als Äquivalent zur Bedürfnispyramide nach Maslow).

Hier im Diagramm eine US-Studie aus Vietnam, die das begriffen hat, vermutlich weil dort im Entwicklungsland die Ungleichheit in der Gesellschaft größer und deutlich sichtbarer ist als bei uns in der sog. ersten Welt und dem was wir Sozialstaat nennen. Daher wurden schon im Studiendesign 3 unterschiedliche Milieus berücksichtigt bei der Untersuchung der lokalen Sexarbeit in HCMC (früher Sài Gòn). Der Arbeit gelingt es so auch das Vorurteil einer polarisierten Sexarbeitswelt von reichen westlichen Sextouristen und armen ausgebeuteten einheimischen Sexworkern zu dekonstruieren (entkräften).


Bild
Literatur-Links hier www.bit.ly/sexworkfacts


Die Charakterisierungen der Klassen im Chart erscheint mir noch verbesserungsbedürftig und ist in der englischen Originalarbeit umfangreicher (beachte: "remittance relationships"). Gut aber ist, dass die kapitalistisch-unternehmerische Situation der Sexworker mit mehr als nur einer Kapitalart beschrieben wird. Das hat Pierre Bordieux (1930-2002) in den Diskurs eingeführt (Marktsoziologie).
http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Bourdieu#Forschung


Sexworker verfügen über Resoucen in verschiedenen Kapitaltöpfen: Kapital-Ressourcen werden bewertet in der Interaktion im sozialen Feld, d.h. auf den Märkten sowohl Partnermarkt als auch Sexbizmarkt zwischen den Geschlechtern und Altersgruppen, zwischen Sexworker und Kunde.

So wird Dominanz, Unterordnung aber auch Gleichheit erzeugt ("Stadtluft macht frei").

Kapital-Ressourcen werden transformiert im Prozess der Sex-Arbeit in Geld-Einkommen.

Ein großer Teil des Einkommens wird sofort wieder verausgabt zur Bestreitung des Lebensunterhaltes.

Das ist eine Überlebensnotwendigkeit in der modernen Fremdversorgungswirtschaft, wo fast alle Lebensvollzüge mit Geld für Dienstleistungen und Güter bezahlt und bei anderen Menschen eingekauft werden müssen. D.h. Selbstversorgung basierend auf eigenem Grundbesitz oder im von Jederman zu nutzendem Allmendewald sind heute aufgrund von Bevölkerungsexplosion und eigentumsrechtlichen Aufteilung der Welt (Patriarchatsentstehung von der neolithischen Wende bis zum Imperialismus der Pax Amerikana, die auch für Vietnam gestaltend war, indem etwa Prostitution infolge des Vietnamkriegs stark zunahm) für die meisten Menschen einer mehr oder weniger besitzlosen Klasse unmöglich geworden. Das ist der allgemeine Arbeitszwang, der heutzutage i.a. in abhängige Beschäftigungsverhältnisse zwingt.

Ein Zwang der auch zur selbständigen Sexarbeit motiviert (Ausweichmechanismus), dort aber gesellschaftlich abqualifiziert wird als seien sie alle aus der Prostitution zu rettende Zuhälterei- oder Menschenhandelsopfer. (Feministische Prostitutionsgegner unterstellen einen sich ausschließenden Gegensatz zwischen privater Intimität und Märkten: “separate spheres and hostile worlds” [MacKinnon 1982; Pateman 1988]. Das ist soziologische Schwarzweißmalerei oder bereits die Konstruktion von Klassen, wo Sexworker ausgeschlossen werden, um symbolisches Kapital für Feministinnen oder die sog. anständigen Frauen zu produzieren. Es ist praktizierte Ausgrenzung und Re-Stigmatisierung getarnt im Gewand des wissenschaftlich-feministischen Diskurses.)

Um von der Erforschung und Beschreibung der Sexarbeit als Tätigkeit oder Branche, auch den Sexarbeiter als Mensch und Unternehmer mit Bewusstsein, Status, Bedürfnissen und Lebenszielen zu verstehen, muß dieses Untersuchungskonzept und Geschäftsmodell noch um einen weiteren Schritt ergänzt und zu einem Lebensphasenmodell ausgebaut werden! Dahinter steht die sog. Exit-Problematik der Sexarbeit www.sexworker.at/exit und sie ist der Tatsache geschuldet, dass das Körper-Kapital bezogen auf ein Arbeitsleben oder ganzes Menschenleben eine geringere Halbwertszeit als andere Kapitalarten hat (fehlende Nachhaltigkeit).

Ursachen oder Folgen sind:
- Degressive Einkommenskurve Sexwork
- Suchtfaktor Sex
- Schönheit der Sexarbeit als heiliger Tätigkeit (Venuspriester_innen)
- Ungleiche Konkurrenz mit der Produktivität von Finanzkapital, was wg. Zinseszinsmechanismus exponentiell explosionsartig wie Krebsgeschwür oder Atombombenexplosion wächst
- ...

Einkommen muß wegen der Zukunftsproblematik in der Lebensplanung daher auch anteilig verwendet werden für aktive Zukunftsvorbereitung. Das ist die sogenannte Investment-Tätigkeit innerhalb der Unternehmerischen-Tätigkeit innerhalb der Sexarbeit. Diese ist bisher fast gar nicht untersucht im Bereich der Sexarbeit, weil hier Sex-, Prostitution- und Geldtabus verortet sind (in obiger Studie werden nur Schönheits-OP und Fremdsprachenkurs als Investments genannt.) Letztlich ist der wissenschaftliche Diskurs genauso rückständig und beschränkt, wie die Lebenspraxis mancher Gruppen.

Investitionstätigkeit hängt zusammen mit der Psychologie der Zeit, dass viele Sexworker im Hier und Jetzt leben und das wiederum ist in unserem uralten Gewerbe eng verknüpft mit der historischen Entstehung der Geldsysteme. Sexwork konnte auf einer archaischen Stufe der Tauschwirtschaft basierend auf Warengeld stehengebleiben, während es von den Erfindungen oder Instrumenten der modernen Finanzindustrie basierend auf Informationsgeld und verteiltem Buchungssystem weitgehend ausgeschlossen wurde (Kontoproblem Sexwork).

Bei unternehmerischer Sexarbeit werden folgende Kapital-Konten gefüllt:
  • Lebenserfahrung
  • Kulturelles Kapital (Bildung, z.B. Studentensexworker) http://de.wikipedia.org/wiki/Humankapital
  • Ökonomische Kapitalkonten (Geldkasette, Bankkonto, Anlagekonto, Rentenanwartschaftskonto)
    Wie das mit dem Anlage- und Rentenkonto funktioniert (privat oder gesetzlich) wird hier für Unternehmer_innen als Beispiel ganz praktisch durchgerechnet:
    www.sexworker.at/phpBB2/download.php?id=1297 PDF
  • Soziales Kapital ("Intimbeziehungen" zur Kundschaft / "intimate relations" [Viviana Zelizer, Princeton 2004,05, Mikrosoziologie zu Moral und Markt])
  • Symbolisches Kapital (wird wg. Prostitutionsstigma negativ belastet)

Ein Wechsel (nach oben) zwischen verschiedenen Prostitutions-Klassen oder Niveaus heißt Soziale Mobilität. Darüber ist bisher auch so gut wie nichts erforscht und bekannt. Letztlich entscheidet auch hier das sog. symbolische Kapital. Ein Abrutschen nach unten ist oftmals mit Alter und Lebenskrisen verbunden in Verbindung mit fehlenden Sicherheitsnetzen für Frauen und Sexworker in informellen Wirtschaftsbereichen (Isolation, Ausgrenzung).

Gelingt eine Investmenttätigkeit in der Prostitution nicht wegen Tabu, Stigmatisierung, Marginalisierung bis hin zu Kriminalisierung und SWBO, so spricht man von Armutsprostitution oder Überlebenssexualität ("Hurengut paßt in einen Fingerhut"). Das was Stigmatisierung und Kriminalisierung hier verursachen, ist ebenfalls dem Symbolischen-Kapitalkonto zuzurechnen, etwas was ich bisher als sog. "Falle Prostitution" bezeichnet habe. Andere Begriffe und zugehörige Forschungsfelder sind "Distinktionsgewinne", "Habitus", "Prestige", "Klassengesellschaft", "Machtpyramide", "kapitalistisch-sexistisch-patriarchale Matrix", "Power-Structure-Research", "Syndrom Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit", "Intersektionalität" ...



In Deutschland wurden 3 Klassen der Sexworker in einem Forschungsprojekt von A.S. 2008 untersucht und beschrieben: Mehrfachstigmatisierte Migrantin - Unternehmerin ihrer Selbst - Professionelle Sexarbeiterin.
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=31948#31948





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VWL Grundlagenwissen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Volkswirtschaftliche Zusammenhänge

Heiner Flassbeck


Wie Produktivität, Löhne und Preise zusammenhängen
und warum Europa in der wirtschaftlichen Krise steckt

60 Minuten: www.youtube.com/watch?v=R-3vQzAvRfk




www.flassbeck-economics.de

www.de.wikipedia.org/wiki/Flassbeck

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Zahlenspiele

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Preise für Sexdienstleistungen lassen professionelle Anbieter_innen eher nicht verhandeln.

Falls man/frau doch verhandelt, hier die neusten Psycho-Preis-Zahlen-Tricks




- Seinen Preis realistisch genau zum Marktpreis angeben
z.B. bei Jahresgehalt auf Hunderterstelle genau

- Dann wird nämlich evt. nicht um Tausenderbeträge runtergehandelt werden, sondern höchstens um Hunderterbeträge

www.spiegel.de/karriere/berufsleben/tip ... 29073.html





Verkaufstipps auch hier:
Urinstinkte ansprechen www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=116258#116258
hochpreisig arbeiten www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=101285#101285
Wie seinen Preis bestimmen? www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=110968#110968
Preis Absatz Funktion (PAF) www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=98185#98185
Trick Chaostheorie www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=118992#118992

PDFs:
Verdienst & Berufswahl www.sexworker.at/phpBB2/download.php?id=904
Vorsorge "Safer Money" www.sexworker.at/phpBB2/download.php?id=1297
Immobilienkauf www.sexworker.at/phpBB2/download.php?id=1171

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Kleider machen Leute

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Warum arme Leute sich rational entscheiden, wenn sie Luxusgegenstände erwerben:


"The price we had to pay to signal to gatekeepers that we were worthy of engaging."


http://tressiemc.com/2013/10/29/the-log ... or-people/

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Zukunftsforschung liefert Qualitätskriterium

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Bild


Neues Qualitätskriterium für Sexwork:

Prostitution kann nicht durch Investment in Automatisierungstechnik wegrationalisiert werden !!!



Arbeitslosigkeit durch Rationalisierungsfortschritte betrifft heutzutage und in naher Zuunft sogar viele akademisch hochangesehenen Berufe oder sogar neueste Berufe wie Wirtschaftsforensik-Rechtsanwalt...

Nur auf den ersten Blick lassen sich niedrigbezahlte, geringqualifizierte Berufe zuerst wegrationalisieren z.B. Pfleger_innen.

Aber gerade bei hochbezahlten Berufen wie Computerspezialisten wie der Informatik-Forensiker sind die Rationalisierungsgewinne am größten... Alles Spezialisten-Wissen was irgendwie in Algorithmen automatisiert werden kann, wird wegrationalisiert werden, sogar Sportberichterstatter-Journalisten, weil die Berichte mittels künstlicher Intelligenz aus den Datenbanken der Spielergebnisse und beteiligten Sportler-Biographiedaten erstellt werden...



Kriterien für Zukunftsfähigkeit in diesem Sinne sind:
- Feintuning mit der Hand oder mit dem Finger
- Originalität
- Empathie
- Verhandlungsgeschick
- Überzeugungskraft

Zu den Top-10 der sichersten Berufe
gehört der "Freizeittherapeut"

Das ist doch der Sexworker, oder?




Über eine Studie aus Oxford
www.heise.de/tp/artikel/40/40241/1.html

die selber mit dem Automatisierungs-Instrument der Computersimulation erstellt wurde
www.futuretech.ox.ac.uk/sites/futuretec ... aper_1.pdf




Oder bedrohen uns Sexroboter im Bordell der Zukunft?
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=114555#114555
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=9542


Die uralte Prostitution erscheint mir "unkaputbar" sowohl gegenüber moralisch-repressiven Verbotsgesetzen als auch technischen Fortschrittrends.

(Anm. Freizeittherapeut ist wohl eine Faschübersetzung. Gemeint ist wohl Reha-Therapeut. Aber da ist Lebenswille und auch Lebenslust eine wichtige integrale Komponente. Sollte es zumindest sein.)

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Wahrheit über Kapitalismus u. Wirtschaft

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das sollte jedeR gehört haben:


Diese Frau hat Ökonomie gut verstanden

Bild

Ulrike Herrmanns
Ihr neues Buch "Der Sieg des Kapitals"



Super interessante Radiosendung mit ihr über ihr neues Buch
Audio: http://sr-mediathek.sr-online.de/index. ... 5794&pnr=0 :eusa_clap

Das Buch
Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen. Westend Verlag. Frankfurt am Main. 2013.


Davor
Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht. Westend Verlag. Frankfurt am Main. 2010.

Sie ist ausgebildete Bankkauffrau und hat an der FU Berlin Geschichte und Philosophie studiert. Sie gehört zum Vorstand der taz-Verlagsgenossenschaft
http://de.wikipedia.org/wiki/Ulrike_Herrmann





Meine Sendungs-Mitschrift:

1760 begann die Industrialisierung mit Maschinen in der engl. Textilindustrie, weil wg. hohen Löhnen England weltweit nicht mehr konkurrenzfähig war!
Industrialisierung wg. hohen Löhnen.

Kapitalismus hat sich durchgsestzt, obwohl die Menschen und Kapitalisten den Kapitalismus NICHT verstanden haben wie er funktioniert!

VWL ist anders als BWL!

Löhne sind Kosten in der BWL und Nachfrage in der VWL!
Ohne Kosten funktioniert die Firma gut, aber ohne Nachfrage gehen der Markt und die Gesellschaft kaput!

Kapitalismus = Massenkonsum = Massenkaufkraft!

Löhne müssen entsprechend dem Wirtschaftwachstum ansteigen!

Kein Wachstum und keine Industrialisierung gab es in Mesopotanien und Rom, obwohl zinsbasiertes Geldsystem schon seit 4000 Jahren vorhanden waren.
Es gab kein Wachstum, weil der Reichtum nur bei wenigen unermeßlich Reichen war! Es fehlte Massenkaufkraft.

Löhne müssen so stark steigen, dass der Einsatz von Maschinen sich lohnen!
Bei hohen Löhnen gibt es Massenkaufkraft und Wirtschaftswachstum.

Bei sozialer Ungleichheit kommt es nicht zur Industrialisierung und Produktionssteigerung!
Die Reichen aufgrund von vererbten Adelsprivilegien waren so extrem reich, dass es egal war wie schlecht sie wirtschafteten.

Kapitalismus basiert auf Staat!

Urformen des Kapitalismus waren Hanse und mittelalterliche oberitalienische Städte (Stadtstaaten).

AEG hat sich in Berlin erst gegründet, nachdem der Staat den Kauf der Lampen und Strom garantiert hatte.

Banken und Aktiengesellschaften entstanden zunächst als staatsnahe Betriebe. Bsp. Ostindiengesellschaft!

Die Industrialisierung kam nach Deutschland über zeitweise bis zu 40.000 deutsche Technikspionen in London!
Die erste Welle der Industrialisierung in Deutschland basierte auf Plagiaten so wie heute China!
Industrialisierung 1830-1880 basierte nur auf geklauten Produktideen.
Erst später hat Deutschland selbst in Forschung investiert...

Geld muß sich erst in Kapital umwandeln können durch Investition in Produktion von Waren oder Dienstleistungen!


Vermögensbildung funktioniert nicht über Arbeit sondern über Investment.
Für Sexworker hatte ich das mal so dargestellt:
Bild
Bild groß
| Quelle


Unser Geld in der heutigen Form als geschöpftes Schuldgeld ist 4.000 Jahre alt (Mesopotanien/Babylon)!

Aktienkapital ist erstmal noch keine Investition sondern spekulatives Kapital in einer Vermögensblase!

Investition muß erst in die Produktion von Gütern und Dienstleistung erfolgen (Realwirtschaft)!

Geld war nie knapp, weil Geld stets als Kredit/Schuldvertrag erzeugt werden kann!
Geld entsteht aus dem nichts durch Kredite!

Die Güter, die mit mühsamer Arbeit aus begrenzten Werkstoffen produziert werden sind es, die nicht beliebig vermehrt werden!

Gewerkschaften wurden systematisch von der Politik des Neo-Liberalismus unter Kanzler Schröder (SPD) entmachtet mit Harz 4, Leiharbeit schrankenlos ausgebaut aber ohne Mindestlohn.

USA: New deal 1933, war ein Experiment mit Konjunkturprogramm (Straßenbau), Reichensteuer stieg auf 90%, Erbschaftssteuer auf 70%!

John Meynard Keynes war nicht links wie bei uns dargestellt, er war Spekulant, reich, Oberschichtler nur mit Adeligen befreundet.

Geld als Geld kann Reichtum nur erzeugen, wenn es als Löhne auch ausgezahlt wird und Massenkaufkraft erzeugt.

Reichtum ist in Deutschland extrem konstant. DAX Firmen waren schon im 19 Jahrhundert gegründet. Der Markt ist wie zementiert. Die bestehenden Firmen beherrschen den Markt.
Die Eigentümerklasse: Unternehmer haben in Adel eingeheiratet.
Die Managerklasse: 85% der Manager kommen aus einer 3% kleinen Eliteschicht.

Exponentiellen Zinseszins konnte man schon richtig berechnen in Mesopotanien.
[ Ich nenne das die Sexualität des Geldes
und die Formeln stehen hier
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=98154#98154 ]

Schreiben und Schrift wurde nicht entwickelt, um Gedichte und Poesie festzuhalten, sondern um den Überblick über Tauschverhältnisse und Kredite nicht zu verlieren d.h. dokumentieren zu können. Keilschrift auf Tonröllchen oder Tafeln war die erste Buchhaltung.
Schriftkultur entstand aus Handel und Tausch!

Wachstum entsteht nicht durch Zinsen und Zinseszins, sondern durch Investment was notwendigerweise über Kredit und Verschuldung erfolgt.

Saldenmechanik Prof. Stützel erklärt das zugrundeliegende Nullsummenspiel der VWL richtig. Er war kein keynseaner sondern neoliberal.

Wenn alle sparen schrumpft die Wirtschaft und wird dadurch dann auch vernichtet!!!

Auslandsinvestment ist sehr verlustreich. Unsere Exportorientierung (Exportweltmeister) hat uns viele Milliarden gekostet.

Kapitalismus funktioniert nur bei Wachstum und wird nicht an Finanzkrisen, sondern an der Rohstoff- und Umweltknappheit zugrundegehen!

Kapitalismuskrisen sind Gefahr für Demokratie.

Inflationen in Deutschland 1926 und 1948
Beide male wegen kreditfinanzierten Weltkriegen nach denen keinen Waren mehr vorhanden waren.

Deflation (Preisverfall, alle warten dass die Güter preiswerter werden) ist jedoch im Kapitalismus viel wahrscheinlicher und gefährlicher.

Deswegen hat die Zentralbank das Inflationsziel 2% und nicht 0%.

Inflation haben wir tatsächlich nur bei Vermögenspreisen wie bei Aktien und Immobilien. Dort wird sie jedoch paradoxer weise Wertsteigerung genannt!!!

Kapitalismus war eine Befreiung. Er ist Ursache auch für die Frauen-Emanzipaiton. Heute leben wir alle besser als früher die Adeligen.

1918 kam die Demokratie nach Deutschland, da hatten wir bereits 80 Jahre Wirtschaftswachstum.

Kapitalismus ist immer eine Planwirtschaft!

Freie Marktwirtschaft ist eine Spielwiese und Mythos, was nur auf wenige Kleinbetriebe zutrifft.

Weniger als 1% aller Firmen kontrollieren 65% des Umsatzes der deutschen Gesamtwirtschaft!

Erforderliche Investitionen der Industrie (neues Automodell, neue Produktionsanlage...) sind immer in Milliarden-Höhe und da kann eine Investition nur sicher funktionieren bei kontrolliertem Absatz.

Es wird immer der Staat benötigt. Z.B. bei Krisen indem er eine Arbeitslosenversicherung organisiert.
[ Etwas was Sexworker bekanntlich nicht haben und m.E. primär deshalb so ein prekäres Gewerbe darstellen im Sinne von 'kein Beruf wie jeder Andere'!!! Mit der hier präsentierten Kapitalismus- oder Wirtschaftstheorie, können wir auch Vorurteile gegen Prostitution entkräften oder umdrehen! ]

1873 war eine der ersten Weltwirtschaftskrisen, die dauerte 23 Jahre bis 1896, weil die Politik noch nicht wußte wie damit umzugehen ist und deshalb nur zuschaute.
Sie war katastrophal mit 40% Lohn- und Preisverfall.

Folgen waren Antisemitismus, Kolonialismus und Nationalismus die sich in dieser Zeit entwickelten.

Konzerne sind immer auf Staat angewiesen!
Mythos der Kapitalismus sei das Gegenteil von Staat!
Mythos Leistungsgesellschaft!

- Ertragswert einer Investitution ist real (die Dividende, die Mieteinnahmen...)
- Buchwert oder kalkulatorischer Preis einer Investitution ist fiktiv (der Aktienwert, der Hauswert...)

Der reale Wert wird erst und nur zum Zeitpunkt beim Kauf festgestellt.

Der reale Wert hängt vom derzeitigen Wirtschaftsklima ab. Und wenn es der Wirtschaft schlecht geht, dann fallen die Ertragswerte überall und die Buchwerte bleiben fiktiv.

Golddeckung des Geldes war auch im 19 Jahrhundert nur eine Fiktion!
Denn Buchgeld gab es damals auch schon viel.
Nur banknoten waren mit Gold gedeckt.

Mindestlohn muß eingeführt werden und sollte bei 10 Euro liegen.
[ Rechenbeispiel 150 Euro/Tag * 120 Arbeitstage/Jahr = 18,50 Euro/Stunde www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=133848#133848 ]


Und hier noch ein ähnlicher Vortrag (audio only)
[youtube][/youtube]





Das erklärt so einiges in der Sexwork-Geschichte
www.bit.ly/sexworkgeschichte

Die Sache mit den Großbordellen als planwirtschaftliches Kapitalismus-Problem

Legalisierung der Prostitution erschließt eine zuvor stigmatisierte-kriminalisierte Branche für legale Großkapitalinvestitionen! Die Prostitution wird damit dem Kapitalismus geöffnet und kann industrialisiert werden. Diese Investoren und Investitionen funktionieren planwirtschaftlich nur abgestimmt gemeinsam mit den Regierungen, allein schon aufgrund ihrer schieren Größe in Millionenhöhe.

Das ProstG als "Zuhältergesetz" zu verunglimpfen ist somit falsch und gekennzeichnet durch ein gehöriges Defizit in der Analyse der realexistierenden wirtschaftlichen Verhältnisse (wobei der Zuhälter traditionell verstanden wird als übergriffig-gewalttätiger Lebens- und Geschäftspartner der jeweiligen Sexworker und somit eine ganz andere Rolle als der Immobilienbesitzer oder Finanzinvestor).

Bsp. deutsch-schweizer 7-Millionen-Bordell-Investititon im Dreiländereck Österreich-Italien-Slovenien (Hohenthurn):
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=137119#137119
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 02.12.2013, 19:36, insgesamt 8-mal geändert.

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Sexworker Sozialkapital aufbauen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Zitat des Tages


"Legalisation does provide social capital, empowerment, and a sense of professionalism."

- Prof. Weitzer, Washington University


in seinem neusten Buch 2012 und bei Sexwork-Forschung über Legalisierte Bordelle in Mexiko
(Framework Legalisierung wie in DE 2002 oder NL 2000)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=136271#136271


Der Zusammenhang von Sex & Geld heißt Prostitution.

Der Zusammenhang von Sexwork & soziales Kapital heißt Legalisierung oder Entkriminalisierung !!!

(Framework Decrim wie in NSW 1995 oder NZ 2003)

Der soziologische Begriff Soziales Kapital stammt von Pierre Bourdieu 1983
http://de.wikipedia.org/wiki/Soziales_Kapital
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 22.12.2013, 03:57, insgesamt 1-mal geändert.

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Grenzen optimaler Entscheidungen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Grenzen der Demokratie ökonomisch abgeleitet:

Unmöglichkeitstheorem oder Arrow Paradoxon



Sozialwahllehre oder Social Choice:
"Es gibt unter rational handelnden Individuen und Entscheidungsregeln Situationen von Gruppenentscheidungen,
die grundsätzlich nicht optimal entschieden werden können".

Da muß dann der Würfel, das Orakel oder die Chefin entscheiden ;-)



Kenneth Arrow, Doktorarbeit 1951 „Social Choice and Individual Values“
Nobelpreis 1972


www.de.wikipedia.org/wiki/Arrow-Theorem

www.wiwo.de/politik/konjunktur/geistesb ... 0-all.html


Vgl. auch
Unvollständigkeitssatz vom Österreicher Kurt Gödel in der Logik 1931.

Condorcet-Paradox (verletztes Axiom der Transitivität der Präferenzordnung) von 1785.

Märchen von Hans Im Glück ("trading down") oder die Erfolgstory von Kanadier, der mit einer Büroklammer nach 14 Tauschgeschäften ein Eigenheim tauschte 2010
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=78618#78618

Vgl. auch systemisches Konsensieren
www.konsensieren.de




Ob damit auch die Abwesenheit von Logik bei Prostitutionsdebatten und Prostitutionsreglementierung erklärt werden kann? *LOL*

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Finanzwissen Sexwork

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Verdienste und Kosten in der US Porno-Sexarbeit




Taxes are rarely taken out and very few girls think to put away 30% of their earnings. Years can pass, along with hefty tax penalties for those blissfully unaware, before companies receive letters of intent to garnish wages. Tax liens have cost many performers a job, because once a company receives those letters they often stop hiring that performer.

That porn star is not only out of work, but buried under a mountain of debt.

It’s a vicious, messy cycle that many fall into. Spiegler gives girls this advice: “I tell a new girl you got two choices in porn:
You can either work hard and put a lot of money away and make the rest of your life easier.

Or you can do what most of the girls do and end up 40 years old, working at Denny’s wondering what the fuck happened.”



http://www.thedailybeast.com/articles/2 ... think.html




Auf Deutsch

Steuern viewtopic.php?p=29178#29178

Geldanlage download.php?id=1297 PDF

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Erotisches Kapital in verhurter Gesellschaft

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ein wahrhaft feministisches Manifest:
Prostitution als Frauenbefreiung


von Prof. Dr. Gerhard Amendt



Bild

über Catherine Hakim
Britische Soziologin
und ihr Buch "Erotic Capital"

Erotisches Kapital der Frauen
Ein Produktionsfaktor und Königsweg zu Reichtum, Freiheit und Aufstieg für alle Frauen ohne Ausnahme – no women left behind.



Gesetz von Angebot und Nachfrage.

Anhand vieler Untersuchungen über männliches wie weibliches Sexualverhalten in allen Erdteilen weist sie nach, dass Frauen sexuell weit seltener und weniger phantasievoll als Männer „Sex“ begehren (biologistisch als naturwissenschaftliche Tatsache). Weil Frauen immer seltener als Männer begehren, die bis ins hohe Alter stetig Sex forderten, kann jede Frau daraus Kapital schlagen. Es ist demnach die geringe Häufigkeit im Begehren der Frauen, die sich als unerschöpfliche Goldmine entpuppt.

In einem makroökonomischen Projekt führt das zur gewollten bewußten Verhurung der Gesellschaft. Erotikkapitalsierung entspricht hohen Gerechtigkeitserwartungen.

Der Ertrag aus ihrem erotischen Kapital ihres Körpers, ist zwar wie alles im Leben jeder Frau zuerst einmal an die Möglichkeiten ihrer Klassenherkunft gebunden. Ihrem Klassenschicksal könne sie aber entfliehen, wenn sie besonders schön und besonders erotisch sei. Dann kann sie den Zutritt zu ihrem Körper mitunter in den Aufstieg in eine höhere Klassen verwandeln.

Vgl. die Tatsache, dass Männer gesellschaftlich nach Unten und Frauen nach Oben heiraten. Aber das herkömmliche Heiratsmuster ist in emotionale Dynamiken der gegenseitigen Anerkennung und wechselseitigen Erwartungen eingebettet. Das macht das Oben und Unten zu einem einverständlich Geschlechterarrangement, das emotional, erotisch und sexuell trotzdem als befriedigend und reizvoll von beiden erlebt wird.

Das „wahrhaft feministische Manifest“ stellt sich somit als Versuch dar, im Namen von Frauenemanzipation und Gleichberechtigung die kollektive „Verhurung“ der Geschlechterarrangements voranzutreiben.

Sie wurde zur Persona-non-grata in opferfeministischen Kreisen. Simone de Beauvoir, Epigonen im Dekonstruktivismus, wonach Weiblichkeit „gemacht“ sei und Unterschiede im sexuellen Begehren eine „patriarchalische Beschädigung“ aller Frauen sein könnte, weist sie zurück.

Hakim definiert auch Menschen-Handel im wörtlichen Sinne neu, zwischen allen Männern und Frauen, der konsensuell durchgeführt zu einem System der Frauenförderung sich entwickeln soll. An deren Ende stünde dann „Gleichstellung“ nach allen denkbaren Parametern!

Auf diese Weise würde das Leistungsprinzip sexualisiert. Erotik und Liebe würden unmöglich. „Sexualsierung der Beziehungen“, die bis zum heutigen Tag „den Männern“ unterstellt wird, wird hier als Emanzipationspolitik für alle Frauen von einer Feministin ausgegeben.

Wenn Frauen es als geschickte Verwertung ihres erotischen Kapitals tun, dann sei das Emanzipation.
Wenn Männer es tun, dann sei es Gewalt, Patriarchat, Dominanz oder Ähnliches.

So gesehen ist Frauenförderung durch Quoten etwas ganz Ähnliches. An die Stelle von Qualifikationen sollen biologische Elemente zum Aufstieg qualifizieren. Die Quote zählt zum Stall der Hakimschen Befreiungstheorie.

http://agensev.de/texte/ein-wahrhaft-fe ... befreiung/



http://de.wikipedia.org/wiki/Catherine_Hakim

http://www.catherineHakim.org

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Programm für bessere Sexworkforschung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Catherine Hakim hat geschrieben:Weil Frauen immer seltener als Männer begehren, die bis ins hohe Alter stetig Sex forderten, kann jede Frau daraus Kapital schlagen.
Dies entspricht vermutlich @La Marfas Wahrnehmung von der individuellen Marktüberlegenheit der Sexarbeiterinnen, was der These des Kunden-Markt-Macht (Käufermarkt) zuwiderläuft. Das heißt:


Bei der Prostitution als komplex-integriertem Kulturphänomen treffen sich stets mehrere teilweise entgegengesetzte Tendenzen aus den Sphären Biolgie, Ökonomie und Kultur:
  • Zahlenverhältnis von Nachfragern zu Anbietern im Sexmarkt,
    was sich nach der Osterweiterung stark verschoben hat, weil es mehr Sexworker-Migranten gibt. Was sich auch verschiebt in Zeiten von Wirtschaftskrisen (Käufermarkt - Nachfragermarkt siehe z.B. www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=123529#123529 ).
  • Sexnachfrageverhältnis zwischen den Geschlechtern.
    Sexuelles Kaptital von Frauen und Jungs. [Catherine Hakim e.a., sexpositive Feministen]
  • Verhältnisse der Geschlechter
    in ihrer unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Stellung in einer patriarchalen, kapitalistischen Gesellschaft. Kapitalistisch-Sexistisch-Patriarchale-Matrix. [Simone de Beauvoir e.a., "Opferfeministen"]
  • Prostitutionsrecht (Rechtssystem)
    Kulturell-rechtlich-politische Einflüsse von Kriminalisierung (Abolitionismus F 1949), Kundenkriminalisierung (Neo-Abolitionismus, Schweden 1999), Legalisierung (Regularismus NL 2000 DE 2002) und Entkriminalisierung (Decriminalisation; NSW 1995, NZ 2003).
  • Umsetzungsqualität (Implementierung)
    Wie stark auf lokaler Ebene die Politik tatsächlich umgesetzt wird.
    (Zu diesen beiden letzten Aspekten siehe die Europäische Studie für die UN vom Sexworker Forum www.bit.ly/sexworkregimentation und www.sexworker.at/sexworkeurope.pdf Feb. 2013)
  • Die Ausdifferenzierung der Sexarbeit
    in abgetrennte Teilmärkte (Armutsprostitution...Luxusprostitution... z.B. www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=123971#123971 )
  • ...
Es ist nun die nicht gerade einfache Herausforderung an die Gesellschaftswissenschaften und moderne Prostitutonsforschung diese Einflußfaktoren analytisch und empirisch trennen zu können ...





.

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Ausbeutung durch falsche Regulierung möglich:

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Neuer guter Fachaufsatz zu den weiter oben verlinkten Veröffentlichungen zu Arbeitsweisen und Ausbeutungsformen in Englischen Stripp-Clubs


Sex work: the ultimate precarious labour?

Sanders, Teela and Kate Hardy (Reader in Sociology, Lecturer in Work and Employment Relations, Uni Leeds)

2013

Precariousness has been mobilised particularly by feminists as a concept for understanding the general condition of women's labour. 'feminisation of work'.

The high overheads clubs demand of women mean that 70% report leaving a shift without making any money.

UK striptease industry research: Formally regulated but informal cash-in-hand economy. Exploitation due to little recourse avail to sex workers. House fee, commission, fines, no income guarantee, no money per shift for 70% of interviewees. Regulation process had very little impact on working conditions. Successful licensing rules as banning of fines.

2 Seiten:
http://sevlicensing.files.wordpress.com ... -paper.pdf

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Kriminalisierung als Markt

Beitrag von Marc of Frankfurt »

  • "Verbrechen als Markt"

    - Buchtitel von RA Dr. Valentin Landmann, Zürich
Wenn Prostitution mit Menschenhandel in einem Satz genannt werden, ist damit immer eine mehr oder weniger auch unbewußt akzeptierte Unterstellung von Organisierter Kriminalität (O.K.) bei der Sexarbeit verbunden.


Dabei gibt es organisierte Kriminalität, "White Collar Crime" oder Wirtschaftskriminalität vermutlich recht gleichverteilt(?) in allen Bereichen des Lebens und in allen gesellschaftlichen Ebenen.


Bei Banken (Wirtschaft):
Heute aktuell: 1,7 Milliarden Stafzahlungen gegen 6 Banken DB, RBS, Societe Generale, Citigroup, JPMorgan.
Sie hatten den LIBOR Leitzins in London manipuliert.
Urteil verhängt durch EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia.
Barclays und UBS als Kronzeugen bleiben strafbefreit.
http://orf.at/stories/2209017/2209018/

oder beim Staat (Exekutive):
Liste Staatsterror
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=93535#93535





Wenn man empirisch Sexarbeit vom Stigma der Kriminalität befreien will, wird man z.B. die Beziehungskriminalität und Kriminalität in Familien vergleichen müssen mit der Kriminalität in der Prostitution. Und man wird vermtl. feststellen, dass viele Straftaten nicht in Prostitutionsbetrieben als Unternehmen, sondern zwischen Sexworker und männlichem Partner und damit in deren "familiären" und "privaten" Bereichen stattfindet.
www.bit.ly/bkazahlen

Ferner ist ein arbeitsrechtlicher Bereich der Prostitution noch gar nicht richtig etabliert. Ein Problem für diese Unterscheidung ist allerdings das Konzept "Familienbetrieb" (vgl. Kleinunternehmer im Steuerrecht). Aber die Vererbung der Sexarbeitstätigkeit von Eltern auf Kinder ist bei Prostitution dermaßen stigmatisiert, dass darüber so gut wie nichts bekannt ist, zumindest nicht in den industrialisierten Hochlohnländern.

Hier ein Urteil, wie eine Vergewaltigung als "Privatsache" d.h. Beziehungstat bei einem Polizisten "strafmildernd" gewertet wurde und er somit seinen Beruf weiter ausüben darf, wenn auch degradiert.
www.sueddeutsche.de/bayern/oberfranken- ... -1.1830032

Ein Wirtschafter oder Bordell-Security-Mitarbeiter (aka Rocker), der so straffällig worden ist, könnte wohl jede zukünftige Konzessionierungsbewilligung mit Zuverlässigkeitsprüfung gleich grundsätzlich vergessen. Er muß dann wohl mit einem Arbeitsverbot in der Prostitutionsbranche rechnen, wenn die Gesetze so verabschiedet werden wie sie derzeit in der Vorbereitung sind.

Formen von nichtakzeptiertem Verhalten insbesondere bei Sexualität werden bei zum System dazugehörenden Funktionsträgern vmlt. eher "strafmildernd" z.B. als "privat" gewertet, aber bei nach herrschender Meinung nicht dazugehörenden Prostitution "strafverschäfend" als Menschenhandel und Zuhälterei sogar einem expliziten Sonderstrafrecht unterworfen. Das hat Aspekte einer Klassenjustiz oder rassistischen Apartheit (sog. "Feindstrafrecht").

Nicht nur Verbrechen, sondern auch deren Kriminalisierung sind m.E. als Märkte aufzufassen bzw. zu erklären. Bei Kriminalisierung/Stigmatisierung/Tabuisierung geht es um Ausgrenzung (GMF), d.h. Vertreibung von den Märkten (Marktzugangskontrolle, Verteilungskämpfe um gesellschaftliche Ressourcen wie z.B. Einkommenstellen/Arbeitsplätze oder Niederlassungsmöglichkeiten/Wohnorte). Letztlich ein hochkomplexer soziologischer Prozess, der noch viel zu wenig erforscht zu sein scheint.

Ganz raffiniert im Verteilungskampf um Einkommensplätze und Niederlassungsmöglichkeiten sind die Kirchen und ihr Führungspersonal, die unter Berufung auf eine übernatürliche/außerweltliche/unüberprüfbare Macht andere Menschen dazu bringen sie zu ernähren. *LOL*





Siehe auch

2. Frankfurter Prostitutionstage
Strategie-Papier Menschenhandelskonstrukt & PROstitutions-Bewegung von Rosina Henning / Dona Carmen e.V.
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=137316#137316

O.K. bei Drogenkriminalität
Organisierte Kriminalität: Zur sozialen Konstruktion einer Gefahr
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=38455#38455

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Historisch-ökonomische Theorie der Prostitution

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Fortsetzung zur ökonomischen Sexwork-Theorie aus Posting #1, Seite 1:


Bild


Was heißt hier Prostitution?
Ansatz zu einer gesellschaftsgeschichtlichen Deutung der Institutionen Ehe und Prostitution


Margarete Tjaden-Steinhauer

(2007)

Vorbemerkung: Der Umsatz im Wirtschaftsbereich „Sexuelle Dienstleistungen“ in der BRD ist offenbar nicht zu unterschätzen, und diese Branche bietet anscheinend einigen 100.000 Frauen Arbeit. Aber: „Während in anderen Branchen die Arbeitnehmerschaft um ihre Rechte kämpft, wird in der Prostitution über Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen noch nicht einmal gesprochen.

Das will ver.di nun ändern.“ (Mitrovic 2006a) Seit dem Inkrafttreten des so genannten Prostitutionsgesetzes Anfang 2002, welches mit grundlegenden grundgesetzlichen, zivil-, arbeits- und sozialrechtlichen Diskriminierungen der gewerblichen Sexarbeit Schluss machte, bemüht sich die Gewerkschaft ver.di (Fachbereich 13 Besondere Dienstleistungen) durch Studien, Konferenzen und gewerkschaftliche Organisationsarbeit um eine Aufhellung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in diesem Bereich. (Vgl. Mitrovic 2004; Mitrovic 2006b)

Noch mehr als die Praxis hinkt die Theorie der Arbeiterbewegung dieser Herausforderung hinterher. Seit Friedrich Engels (1962, 62-69, zuerst 1884/1892) und August Bebel (1979, 142ff, zuerst 1879) die „monogame Ehe“ und die „Prostitution“ als zwei korrespondierende Institutionen in Klassengesellschaften dargestellt haben, hat sich die historisch-materialistische Theorie kaum mehr ernsthaft um das Thema Sexarbeit bemüht. Es ist an der Zeit, diesem Versäumnis ein wenig abzuhelfen.

1.

Ich beginne mit einigen allgemeinen historischen Anmerkungen zu den (gesamt)gesellschaftlichen Zusammenhängen, in denen Ehe und Prostitution – wie wir sie kennen – aufgekommen sind. Dazu müssen wir uns in Gedanken einige tausend Jahre zurückversetzen, in den Zeitraum, als in Südwestasien Landnutzung und Tierhaltung und anschließend im Süden Mesopotamiens die ersten Stadtstaaten sich ausbildeten.

Wenn wir Klarheit über die Prostitution gewinnen wollen, sollten wir die Ehe in die Betrachtung miteinbeziehen. Denn die eine Institution würde ohne die andere nicht existieren (können). Beide wurzeln nicht nur – historisch wie aktuell gesehen – in denselben gesellschaftlichen Verhältnissen.

Sie teilen auch dieselbe gesellschaftliche Funktion: sie sind patriarchal-verfügungsgewaltliche Einrichtungen, und sie dienen in erster Linie der sexuellen Bevormundung der Frau – jede auf ihre besondere Weise. Die die Ehe wie die Prostitution begründenden und sie bis heute konstituierenden gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse sind im gesellschaftlichen Bewusstsein der Gegenwart so gut wie nicht präsent.

Sie entstehen historisch im Zusammenhang mit anderen Einrichtungen im Rahmen spezifischer sozialer Aktionsbereiche, die für die Reproduktion einer Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind:
- Im Bereich der Familie mit der Institution des Patriarchats als Domäne der väterlichen Gewalt über die Kinder,
- im Bereich der Politik mit der Institution des Staats als Domäne der herrschaftlichen Kommandogewalt über die Staatsbürger und
- im Bereich der Subsistenz mit der Institution des Wirtschaftsbetriebs als Domäne der eigentümerischen Gewalt über die Subsistenzmittel.

Die frühgeschichtlichen Vorgänge der Konstituierung dieser 3 Institutionen, in denen je spezifische Bündelungen von Verfügungsgewalten zusammentreffen, sind noch längst nicht geklärt. Allerdings ist aus archäologischen Befunden über die Entwicklung von festen Wohnsiedlungen, agrarischen Subsistenzstrategien, familialen Lebensformen und politischen Verfahrensweisen im neolithischen Südwestasien zu erschließen, dass sie im Zusammenhang stehen mit der dauerhaften Okkupation eines Lebensraumes, der Inbeschlagnahme von Böden und Gewässern und der Indienstnahme von pflanzlichen und tierlichen Lebewesen (auch der eigenen Spezies) für Zwecke einer landwirtschaftlichen Subsistenzstrategie.

So sind z.B. in den Städten Mesopotamiens zur Zeit der so genannten frühen Hochkultur im 3. Jt. v.u.Z., bisherigen Befunden aus archäologischen und schriftlichen Quellen zufolge, das Patriarchat, der Staat und der Wirtschaftsbetrieb sowie die Ehe und die Prostitution institutionell voll ausgebildet. Mit diesen Institutionen waren gesellschaftliche Machtpositionen entstanden, die mit Machtmitteln und Herrschaftsgewalten ausgestattet waren und deren Inhaber Männer waren.

Unter den Gesellschaftsmitgliedern hatten sich vielfältige soziale Ungleichheiten in familialer, politischer und subsistenzieller Hinsicht ausgebildet. Es waren kurzum Ungleichheitsgesellschaften entstanden. (Vgl. Lamberg-Karlovsky 1976; Lambrecht u.a. 1998, 132-153, 190-233)

Ungeachtet einiger Erklärungsversuche harrt noch vieles, was die Konstituierung der genannten verfügungsgewaltlichen gesellschaftlichen Institutionen betrifft, der Aufklärung: Wie es dazu kam, dass Väter sich der Kinder bemächtigten und zu Patriarchen aufstiegen, dass erwachsene Männer eine politische Führerschaft beanspruchten und sich zu Staatmännern erhoben und dass sie sich zu Eigentümern erklärten und anfingen, Ökonomie, d.h. eine rationell-technisch orientierte Güterwirtschaft, zu treiben – und dass dabei die Frauen ihrer hergebrachten subsistenziellen Autonomie verlustig gingen und auseinander dividiert wurden, die einen zu Ehefrauen und die anderen zu Prostituierten gemacht wurden. (Vgl. z.B. Lerner 1986; Engels 1962)

Dies alles ist nur durch Untersuchungen je gegebener konkreter historisch-geographischer Konstellationen zu klären. Gleichwohl lassen sich über die einmal errichteten Institutionen, jedenfalls die des westlich-europäischen, auf die frühen südwestasiatischen Hochkulturen zurückweisenden Entwicklungsstrangs der Gesellschaftsgeschichte, auf der Basis der vorhandenen Befunde auch einige allgemeine Aussagen treffen.

2.

Wenn ich nun versuche, einige gesellschaftstheoretische Erörterungen über die Institutionen Ehe und Prostitution anzustellen, dann kann es nur darum gehen, einige generelle Aussagen zu formulieren, die als theoretische Verallgemeinerungen aus an anderer Stelle (s. Das Argument 263) referierten historischen Befunden plausibel sind. Im Folgenden werde ich zunächst die beiden Institutionen gesondert betrachten, danach werde ich den Zusammenhang beider und ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Stellung der Frau in Augenschein nehmen.

Die frühen Formen der Ehe in Mesopotamien und in Rom deuten darauf hin, dass diese Institution aus der väterlichen Gewalt oder Patria Potestas hervorgeht. Diese selbst ist, wie die Geschichte Roms zeigt, Ausdruck einer gesellschaftlichen Vormachtstellung von erwachsenen Männern als Vätern innerhalb wie außerhalb der Familie. Wie eingangs festgehalten, bündeln sie Verfügungsgewalten in ihren Händen, kraft deren sie Herrschaftsgewalt in der eigenen Familie und in darüber hinausgehenden gesellschaftlichen Angelegenheiten entfalten und als Kollektiv auch allgemeinverbindliche Rechtssetzungen vornehmen können.

Die Ehe nun ist von nicht geringer Bedeutung für die väterliche Verfügungsgewalt, ist sie doch eine Einrichtung, vermittels deren diese Gewalt über Personen und Sachen auf den mannbaren Sohn vererbt werden kann. Aufgrund dieser Genese eine verfügungsgewaltliche Institution, ist sie dies bis in die bürgerliche Epoche geblieben.

Nicht von ungefähr kann daher Sabine Berghahn, bezogen auf die Rechtssetzung der BRD zu den „ehelichen“ und so genannten eheähnlichen Lebensgemeinschaften, feststellen: „In beiden Rechtsformen werden Männer und Frauen durch Unterhalts- und Einstandspflichten zwangsweise vergemeinschaftet, was die Gefahr von persönlicher Abhängigkeit und mittelbarer Diskriminierung von Frauen mit sich bringt.“ (Berghahn 2004, 128)

Dem zwangsvergemeinschafteten Paar sind, in den Frühzeiten der Ehe deutlicher wahrgenommen als heute, je nach Geschlecht besondere Aufgaben gestellt: der Ehemann muss seine Ehefrau „begatten“, um sich als eigenständiger Kindsvater zu erweisen und die Patria Potestas zu erlangen, und die Ehefrau muss ihrem Ehemann Zugang zu ihrem Gebärvermögen lassen, um ihm Kinder zu bescheren und sie großzuziehen. Die Erfüllung dieser Aufgaben ist die raison d'être der Institution bis heute.

Den Ehemännern war dabei die eheherrliche Gewalt, ein Ableger der Patria Potestas, behilflich. Während diese Gewaltform, die meist auch rechtlich verbürgt war, in Deutschland vor kurzem abgeschafft wurde, besteht die Patria Potestas fort, wenngleich ihre Erscheinungsformen und juristischen Spiegelungen Veränderungen erfahren haben: zu erinnern ist an die gleichberechtigte Teilhabe der Mutter an der väterlichen Gewalt, die Umbenennung dieser in elterliche Sorge und die verfassungsgerichtliche Anerkennung „Minderjährige[r] als Rechtssubjekte“. (Münder u.a. 1991, 40)

Was heißt eheliche Zwangsgemeinschaft für die Frau heute? Es heißt, dass die Frau durch die Ehe genötigt wird, sich in eine Position persönlicher und ökonomischer dienstbarkeitlicher Abhängigkeit zu begeben: einerseits mit ihrem Gebärvermögen dem Ehemann direkt, der Staatsgewalt indirekt zu Diensten zu sein und andererseits, hinsichtlich des Lebensunterhalts, ihre eigene Person und die Kinder, die sie zur Welt bringt, in die Abhängigkeit von diesen beiden Instanzen zu geben. Hinzu kommt weiterhin die offizielle Nötigung, zur Komplizin in der Ausübung patriarchaler Verfügungsgewalt zu werden. Wahrlich keine schönen Sachen. Nur schade, dass die Frauen dies alles meist gar nicht wahrhaben wollen, weil sie Angst vor der eigenen Courage haben und ihre Köpfe mit verschleiernden Illusionen vollgetrichtert sind.





Auch was die Institution Prostitution angeht, kann die antike römische Gesellschaft Auskunft über deren frühe Form geben. In Rom wurden Frauen, die im Sexhandwerk tätig waren, u. a. als prostituta bezeichnet. Das Wort ist, grammatikalisch gesehen, die weibliche Form des Partizips Perfekt des Verbums prostituere, wobei zu beachten ist, dass dieses Partizip im Lateinischen nur bei der Passivform eines Verbs gebraucht wird.

Ins Deutsche übersetzt heißt prostituta: eine, die preisgegeben worden ist. Preisgegeben worden sein kann jemand nur durch jemand anderen, der Verfügungsgewalt über sie/ihn hat.

[ siehe meine ergänzende Sprachinterpretation www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=16129#16129 preisgeben = einen Wert zuweisen ]

Ein solches Verhältnis bestand in Rom zwischen Sklavenhalter/in und Sklavin, und aus zahlreichen Quellen wissen wir, dass großenteils Sklavinnen im Sexhandwerk tätig waren. Sklavinnen, die zur so genannten Familia gehörten, konnten demnach von ihren Halter/inne/n zum Zweck der eigenen wirtschaftlichen Bereicherung aus der Sphäre der privaten Dienstleistung in die einer gewissermaßen öffentlichen überstellt werden. Dieser etymologischen Verwurzelung des Wortes Prostitution sollten wir Rechnung tragen und uns darüber klar sein, dass damit ein verfügungsgewaltliches Verhältnis bezeichnet ist, dem die Sexhandwerkerin unterworfen ist.

Das Handwerk an sich ist eine ganz andere Sache. Dessen Betrachtung werde ich mich nun zuwenden und zunächst das kommerzielle Tauschgeschäft zwischen der Sexhandwerkerin und dem Kunden sowie den Arbeitsvorgang, den diese Dienstleistung umfasst, ins Auge fassen. Dabei gilt als Prämisse, dass diese Dienstleistung weder ein auf Gegenseitigkeit beruhender Austausch von sexuellen Belustigungen ist noch ein Ausleben von Promiskuität seitens der Dienstleisterin. Derlei Reden führen in die Irre.

Der reale Tauschvorgang sieht so aus: Der Kunde möchte ein sexuelles Lusterlebnis kaufen, das er als Ergebnis einer Arbeitsleistung entgegennimmt, deren Preis er zahlt. Die Sexhandwerkerin möchte ein Produkt ihrer Arbeitsleistung verkaufen, um durch diese Veräußerung die (finanziellen) Mittel zu gewinnen, die sie für ihren Lebensunterhalt benötigt. Als selbstständig tätige Gewerbetreibende kann sie diesen Verkauf eigenständig vornehmen. Bei abhängiger Beschäftigung kommen Weisungsgebundenheit und Arbeitslohn ins Spiel. Anders als die Ehefrau ist die Sexhandwerkerin in beiden Fällen subsistenziell unabhängig.

Was den realen Arbeitsvorgang der Dienstleistung betrifft, so setzt der Kunde seinen Körper einer zweckmäßigen Behandlung durch die Dienstleisterin aus, während diese ihre Arbeitskraft und Arbeitsmittel zweckmäßig zum Einsatz bringt und am Körper des Kunden das sexuelle Erlebnis hervorruft. Dabei werden meist, aber nicht zwangsläufig sexuelle bzw. erotische Potentiale des eigenen Körpers genutzt und eingesetzt sowie andere, dingliche Arbeitsmittel verwendet.

Dieser Arbeitsvorgang und das mit ihm verbundene kommerzielle Tauschgeschäft sind per se keine Prostitution. Sie dienen dieser Institution jedoch als Substrat. Das sexuelle Dienstleistungshandwerk, in welcher unternehmerischen Form auch immer, wird erst dadurch zu einem prostituierten, dass es polizeilicher und/oder staatlicher Reglementierung, öffentlicher Diffamierung und Stigmatisierung oder gar rechtlicher Schutzlosstellung und Kriminalisierung – wie in der bürgerlichen Ära in Deutschland – unterworfen wird.

Genauso verhält es sich mit der Sexhandwerkerin als solcher. Der Terminus Prostituierte („Preisgegebene“) ist im vollen Wortsinn als Passivform zu nehmen: Die sexuelle Dienstleisterin wird dadurch zu einer Prostituierten gemacht, dass ein Gewaltakt gesellschaftlicher Stigmatisierung und Brandmarkung an ihr vollzogen wird.

Durch öffentliche politische Ächtung wird die Kategorie der prostituierten Erwerbsperson allererst geschaffen. Die gesellschaftliche Diskriminierung des sexuellen Dienstleistungshandwerks mittels der Institution Prostitution sowie die gesellschaftliche Aussonderung der Dienstleisterinnen mittels öffentlicher Ächtung und Reglementierung sind verantwortlich für die Verelendung, Ausbeutung und strafrechtlich verfolgte wie nicht verfolgte Gewalttätigkeit, die sich in diesem gewerblichen Sektor ausgebreitet haben.

Hingewiesen sei hier auf die altbekannte Zuhälterei, die so genannte Beschaffungsprostitution Drogenabhängiger, die verbreitete Kinderprostitution, den Prostitutionstourismus, den weltweiten Frauenhandel internationaler Schleuserbanden. Selbstverständlich sind diese Phänomene nicht durch staatliche Gewalt allein verursacht. Zu deren Herausbildung tragen auch die verschiedenen Formen der global verbreiteten patriarchalen Familie sowie die globalisierten ökonomischen Ausbeutungsmuster des gegenwärtigen Kapitalismus ihren Teil bei.





Wenn dem so ist, welchen Sinn haben dann all die historischen wie gegenwärtigen Szenarien gesellschaftlichen Prostitutionsreglements? Eine Antwort lässt sich finden, wenn die Prostitution nicht isoliert betrachtet, sondern mit der Ehe zusammen gesehen wird. Diese Sichtweise ist zwar nicht neu, fasst hier aber etwas anderes als üblicherweise ins Auge, nämlich die Gegensätzlichkeit der ökonomischen Positionen der diesen beiden Institutionen unterworfenen Frauen.

Während die Ehe eine Position der Dienstbarkeit in persönlicher ökonomischer Abhängigkeit anbietet, ist die Position der Erwerbstätigen im sexuellen Dienstleistungshandwerk durch persönliche ökonomische Unabhängigkeit gekennzeichnet.

So gesehen, ist dann wohl doch etwas Richtiges an der „These von der Stabilisierung der [Institution] Ehe“ durch die der Prostitution – eine These, die von Silke Laskowski abgewiesen wird. (Laskowski 1997, 100)

Die gesellschaftliche Diskriminierung der gewerblichen sexuellen Dienstleistungstätigkeit gegenüber den anderen Gewerben wurde eingeführt, die Ideologie von der „ehrlosen Dirne“ (und wie die zahllosen Verleumdungen alle lauten mögen) wurde erfunden sowie die Institution Prostitution wurde errichtet, um – mit Blick auf die Frauen – die Institution der Ehe in einem vorteilhafteren Licht erscheinen zu lassen und – mit Blick auf die Männer – der Herausforderung zu begegnen, welche die ökonomische Selbständigkeit der Frau für die gesellschaftliche Vormachtstellung der Männer bedeutet.

Die im sexuellen Dienstleistungshandwerk tätigen Frauen wurden reglementiert und zu Sündenböcken erklärt [und heutzutage zu Opfern, Anm. MoF], um diese Vormachtstellung der Männer gegenüber den Frauen politisch „festzuklopfen“ und ideologisch „abzufedern“. Für die Frauen dagegen bedeutet die Einrichtung der Prostitution und die ideologische Aufspaltung eine Festigung ihrer gesellschaftlichen Dienstbarkeitsstellung.

Während die Ehe die unmittelbare Hervorbringung der patriarchalen Gewalt(haber) ist, ist die Prostitution eine solche der politischen (staatlichen oder kirchlichen) Gewalt(haber). Beides sind in Willkür gründende verfügungsgewaltliche gesellschaftliche Einrichtungen, die zusammengenommen eine Nutzung der sexuellen Potentiale der Körper der Frauen, insbesondere des Gebärvermögens, als eine Ressource des Prozesses der Zivilisation bezwecken.

Diese Institutionen bilden zusammengenommen auch den Nährboden für alle Arten sexueller (und auch anderer Arten körperlicher) Gewalt gegen Frauen und Kinder, die wir heute beklagen: angefangen bei offensichtlich gewalttätigen individuellen wie kollektiven Übergriffen, wie etwa der Vergewaltigung oder der Klitorisbeschneidung, und endend bei scheinbar nicht dazu gehörigen wissenschaftlichen und medizinischen Großtaten, wie etwa der Präimplantationsdiagnostik oder der Leihmutterschaft – ganz zu schweigen von der strafrechtlichen Verfolgung des Aborts durch den Staat.

Dass Frauen einverständlich an solchen Gewaltszenarien aktiv und/oder passiv mitwirken, zeigt, wie weit das gegen Frauen gerichtete patriarchal-staatliche (einschließlich kirchliche) verfügungsgewaltliche Regime diesen selbst schon unter die Haut gegangen ist und ihr Selbstbewusstsein in Fesseln gelegt hat.





Literatur

Bebel, August, 1979: Die Frau und der Sozialismus, Frankfurt-M.

Berghahn, Sabine, 2004: Ist die Institution der Ehe eine Gleichstellungsbarriere im Geschlechterverhältnis in Deutschland? In: Maria Oppen, Dagmar Simon, (Hrsg.): Verharrender Wandel, Berlin, S. 99-138

Engels, Friedrich, 1962: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, Im Anschluß an Lewis H. Morgans Forschungen, MEW 21, Berlin (DDR)

Lamberg-Karlovski, C. C., 1976: The Economic World of Sumer. In: Denis Schmandt-Besserat: The Legacy of Sumer, Malibu (Bibliotheca Mesopotamica, vol. 4)

Lambrecht, Lars u.a., 1998: Gesellschaft von Olduvai bis Uruk. Soziologische Exkursionen, Kassel (Studien zu Subsistenz, Familie, Politik 1)

Laskowski, Silke Ruth, 1997: Die Ausübung der Prostitution, Frankfurt-M. etc.

Lerner, Gerda, 1986: Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt-M., New York

Mitrovic, Emilija, 2004: Arbeitsplatz Prostitution, Bericht über die Ergebnisse der Feldstudie „Der gesellschaftliche Wandel im Umgang mit der Prostitution seit Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung am 1. 1. 2002 (PDF)“, Hrsg. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Fachbereich 13, Berlin

Mitrovic, Emilija, 2006a: Sexarbeit in Würde. In: ver.di, die besonderen, Ausgabe 1/2006

Mitrovic, Emilija, 2006b: Prostitution und Frauenhandel, Die Rechte von Sexarbeiterinnen stärken! Ausbeutung und Gewalt in Europa bekämpfen! Hamburg

Münder, Johannes u.a., 1991: Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum Kinder- und Jugendhilfegesetz, Münster

Tjaden-Steinhauer, Margarete, 2005: Gesellschaftliche Gewalt gegen Frauen: Ehe und Prostitution. In: Das Argument 263, 47. Jg., Heft 5/6 2005, S. 184-198



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