Mich treibt etwas um. Ich versuche aktuell, getrieben von einer mir selbst seltsam anmutenden Form des "Verstehen Wollens" (vielleicht eine Art persönlicher Aufarbeitung), zu erfassen, inwiefern all diese Jahre die zwischen mir und dem Milieu liegen (mittlerweile 22, ich fing mit 16 Jahren an mich zu prostituieren und stieg mit 26 aus dem Milieu aus), besagtes Milieu verändert haben. Was als leichtes Wundern begann, ist mittlerweile zu einer sich langsam handfest manifestierenden Schockierung geworden. So las ich in einigen Blogs, die von durchaus eloquent zu nennenden deutschen Huren geführt werden, wie diese massiv kämpfen müssen um überhaupt die Mieten für ihre Terminwohnungen irgendwie zu verdienen.
Diese Frauen berichten darüber, dass sie fürchten mit Sack und Pack auf der Straße zu landen und erzählen, dass sie dann nicht einmal das Geld für ein Hotel hätten. Sie schreiben von Ausstiegswünschen und darüber, dass es ihnen einfach nicht gelingen will und dann wieder über Seiten Texte in voller Panik, auf der Straße zu landen, mit schwerem Gepäck und mit reisendem Hund. Da ich nicht weiß ob es statthaft ist diese Blogs hier zu verlinken, tue ich es erst einmal nicht, bis ich ggf. das Okay bekomme.
Aber im Grunde geht es mir nicht darum, diese Blogs vorzuführen, sondern ich frage mich, ist das tatsächlich die Realität vieler, ja, der meisten Frauen, wie diese Schreiberinnen behaupten? Ich meine, erst stolperte ich durch schockierende Zahlen, dass die meisten Huren in D nicht mehr deutsch sprechen, das ging bis zu angeblichen 80-90%, was angeblich Schätzungen der Polizei wären. Valide Zahlen scheint es nicht zu geben, aber die Freierforen sind voll von Berichten über Frauen aus dem ehemaligen Ostblock. Es scheinen also zumindest viele Frauen zu sein. Alleine die Berichte und die Sprache in den Freierforen haben mich so wütend werden lassen, dass ich mir gerne einen dieser netten Herren auf Zahnbürstenlänge herbeizitiert und ihm gezeigt hätte, was ich von seiner auf diverse Körperöffnungen bezogenen Fäkalsprache halte. Da hauts einem ja den Vogel raus!
Ich meine, von Geilheit vernebeltes Gequatsche ist das Eine, das gab es damals schon. Und wenn ein Klient mir mit Dirty Talk kam, dann war das okay, wenn er mich ordentlich bezahlte. Aber so was? Da werden Frauen als "Moderlöcher" beschrieben (das ist noch einer der harmloseren Ausdrücke) und vor ihnen gewarnt, weil sie nicht alles ohne machen. Es wird sich ausgetauscht, wie man seinen Penis nach "Benutzung" eines solchen "Moderlochs" wieder desinfizieren kann u. ä. m. Das, was ich bereits meinte zu wissen, fand ich nun bestätigt, die Anonymität des Internets bringt die ganze Widerlichkeit vieler Zeitgenossen ans Licht.
Wenn ich mir vorstelle, ich müsste mich als Hure so "bewerten" lassen, spätestens in diesem Moment würde ich aufhören. Wenn ich denn könnte. Das bringt mich zurück zu den Blogs. Scheinbar ist es nicht mehr so einfach, der ARGE zu verklickern, dass Hure kein Job ist, den man ewig machen möchte und die Hilfen scheinen sich in engen Grenzen zu halten. Langer Rede, kurzer Sinn, ich bin ziemlich baff und auch bestürzt. Ich dachte, dass ich es damals schon verdammt schwer gehabt hätte. Aber das scheint, im Vergleich zu dem was heute abgeht, ein netter Sonntagsspaziergang gewesen zu sein. So kommt es mir im Rückblick fast vor. Wenigstens gab es noch ordentlich Geld.
Was ich mich in dem Zusammenhang frage:
Wie kommen heutige SW damit klar, dass sie in diversen Foren "besprochen" werden und das oftmals in einer Sprache, die absolut unterirdisch ist?
Und, sind diese Frauen, deutsche Frauen, die behaupten, dass sie das nicht freiwillig machen, sondern aus reiner Not und Mangel an Alternativen, und die z. T. selbst propagieren (dabei u. a. Alice Schwarzer verlinkend - die ich persönlich wirklich ätzend finde), dass Prostitution als solches abgeschafft gehöre, sind das Einzelfälle/Nestbeschmutzer/nur zu dusselig um lukrativ zu arbeiten? Oder machen sich eher die etwas vor, die heute noch meinen, dass SW ein dolles Ding wäre, zumindest eine gute Möglichkeit für schnelles Geld.
Letzteres dachte ich bis vor 1-2 Wochen auch noch. Bis ich mich immer mehr in die Materie des heutigen Milieus und seiner Preispolitik hinein recherchierte. Und ich muss sagen, langsam komme ich immer mehr davon weg selbst einen Laden eröffnen zu wollen. Nicht nur, weil man als SW scheinbar bei 30-50€ anfangen muss, was fast schon lächerlich ist im Angesicht dessen, was dafür erwartet wird. Mich schlägt auch mein Gewissen, das mir sagt, dass ich so ein Elend nicht noch würde befeuern wollen. Mein Kleingewerbe läuft an sich gut und das ohne dass ich wen dafür ausbeuten muss, auch nicht mich selbst.
Vielleicht ist meine eigentliche Frage, was heutige SW noch bei der Sexarbeit hält, unter Bedingungen, die sich - zumindest bei meiner Recherche - als immer schwieriger bis hin zu katastrophal darstellen?
Ich würde mich über Antworten freuen. Gerne auch via PN, falls das hier als zu persönlich empfunden wird.
Liebe Grüße!
Michaela
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Re: Hurenblogs, Freierforen und das heutige Milieu
Wenn dem so wäre, dass man als SexarbeiterIn um 30.- anfangen müsste, würde ich mich nicht engagieren und es gäbe das Sexworker Forum nicht....
Vielleicht sind die Recherchen an den falschen Stellen durchgeführt worden? Es gibt einen ganz großen Teil der SexarbeiterInnen welche im nicht öffentlichen Bereich arbeiten. Da findet man zumeist die Jenigen, welche in keiner "Studie" oder zumindest in den Wenigsten aufgelistet sind... Die Gesetzgebung hat diese Bereiche unbewusst oder vielleicht sogar gewollt gefördert. Einfach indem Auflagen gefordert wurden, welche nicht mehr dem heutigen Verständnis entsprechen - oder auch, weil etliche Bereiche schlichtweg "nicht erlaubt sind", oder auch weil sich andere Möglichkeiten (der Sexarbeit) ergeben haben.
Beispiel: Wien Felberstraße - 40 Jahre lang hochpreisiger Straßenstrich. Dann immer mehr Verbotszonen in dem Bereich - der Strich wird enger, lauter, schriller und die Preise purzeln und dann auch das Niveau. Am Ende ein Verbot des Straßenstrichs in Wiener Wohngebiet - Endresultat = In den 70er und 80er Jahren mehr als 1000 SexarbeiterInnen welche auf der Straße zum Teil sehr erfolgreich gekobert (Kunden angeworben) haben (an vielen Orten direkt vor den Lokalen (also kein Autostrich)) - Heute an 2 exponierten Plätzen am Stadtrand, ohne jegliche Infrastruktur bei unseren nächtlichen Rundfahrten maximal 50 - 60 SexarbeiterInnen am Straßenstrich zu finden.
Die Lokale welche früher ein Renner waren sind in vielen Fällen jetzt keine mehr. Wer Heute am Straßenstrich arbeitet wird wahrscheinlich niederpreisig "anschlagen" - weil man als SexarbeiterIn an diesen Plätzen eben nicht mehr im Vorteil ist. Die Zeiten wo ein Roland Girtler in seinem bekannten Buch über den Strich von den "schönen Frauen Wiens" gesprochen hat, sind vorbei.
Das Geschäft hat sich verlagert - ein ganz großer Teil findet im Netz statt - und das zumeist nicht (!) niederpreisig. Es gibt auch andere Entwicklungen, sogar andere Dienstleistungen wie früher.... Aber da kann eben eine Frau Alice nicht hin (will sie wahrscheinlich auch nicht, da sonst ihre These sich als falsch erweisen würde).
Auch in D gibt es SexarbeiterInnenkongresse - dort sollte Deine Recherche ansetzen - oder in Wien, bei einem Independent-treffen.
Ich bin kein Freund der Großbordelle, Saunaclubs oder auch Laufhäusern, aber sogar dort wird man fündig werden - Nicht alles ist toll - war es auch nie - jedoch das man da als "Nichtinformierte" Thesen aufstellt - ich meine jetzt Frau Alice und Co - ist unangebracht. Frau Dr. Amesberger, eine Frau die ich sehr schätze, formulierte es einmal so "Jeder hat beim Thema Sexarbeit eine Meinung - und die Wenigsten eine Ahnung...." Wird so wahrscheinlich sein....
Früher hätte ein Forum wie sexworker.at wahrscheinlich als undenkbar gegolten (wahrscheinlich leider) - Freierforen ebenso (in vielen Fällen besser (auch ich habe eine spezielle Meinung darüber) - Damals gab es aber auch nahezu kein Internet - Zeiten ändern sich und mit Denen das Arbeitsumfeld. Gerade SexarbeiterInnen haben (hoffentlich) die Fähigkeit zu reagieren, sind flexibel - wenn man sie von Seiten der staatlichen VertreterInnen auch lässt. Einschränkungen welche nicht begründbar sind, engen SexarbeiterInnen in ihren Möglichkeiten ein.
Wieder ein Beispiel: In Wien mehr als 3 300 registrierte SexarbeiterInnen - und nur an die 380 konzessionierte Lokale (nur dort und am Straßenstrich kann man eigentlich legal arbeiten (siehe Wiener Prostitutionsgesetz)) - Da die meisten Lokale eher kleiner sind (2 - 3 Zimmer) geht sich das nicht aus... was ist die Folge: SexarbeiterInnen finden schwerer einen Platz der für sie passender ist und somit suchen sie Alternativen - nicht mehr sichtbar.... (und das hat nichts mit Schwarzarbeit zu tun). Es verschiebt sich in Richtung Graubereich - in dem man schwer recherchieren kann und noch schwerer beurteilen.
Ich für meinen Teil kenne sehr viele selbstbestimmte und in vielen Fällen auch selbstständige SexarbeiterInnen (welche also ohne BetreiberInnen völlig eigenständig ihr Ding machen - oft nicht gewollt, aber staatlich gezwungen, da die "offiziell genehmigten Angebote" nicht reichen). Nur: niederpreisig arbeiten die mit Sicherheit nicht. Du hast geschrieben, dass Du vor 22 Jahren aufgehört hast - damals gab es so gut wie keine Escortagenturen, Begriffe wie Tantra, Sexualbegleiterin und noch Vieles mehr waren damals unbekannt. Tippe nur bei Google die 2 Wörter "Escort Deutschland" oder auf eine Stadt begrenzt ein (auch das ist nicht alles OK), aber es ist eine der Erklärungen, warum das Geschäft sich verlagert hat.
Die Entscheidung ein Bordell zu öffnen oder eben nicht, musst Du treffen. Wen man mich fragen würde, so würde ich ehrlich sagen, dass Deine Erfahrungen von früher Heute nicht mehr so richtig up2date sind. Da hat sich viel getan. Ob gut oder schlecht kann ich nicht beurteilen. Es ist einfach anders wie 1996 (damals müssten in Wien SexarbeiterInnen noch Fingerabdrücke bei der Registrierung abgeben...).
Ich betone, dass ich nicht alles bejahe was Heute so läuft - aber das konnte man früher sicherlich auch nicht. In manchen Städten hat es sich schneller gedreht in anderen wieder weniger (jeder Besuch in Frankfurt zum Beispiel erstaunt mich aufs Neue.... auch der Eierberg in Bochum hat mich ein wenig irritiert.... Hamburg.... (ich bin in diesen Orten anlässlich von Fachtagungen zum Thema)- aber sogar dort sind neue Zeiten bereits erkennbar.
christian
EDIT - Nachsatz: Sogar der Ausdruck Milieu ist Heute (zumindest bei den Kennenden) nicht wirklich zutreffend.... EDITENDE
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Re: Hurenblogs, Freierforen und das heutige Milieu
Bei der Frage hilft (wie in vielen anderen Fällen auch) unsere Forensuche weiter (ergibt bei dem Begriff 33 Seiten Treffer)
Als Beispiel dieser Thread viewtopic.php?f=41&t=3833
oder Dieser:
viewtopic.php?f=18&t=1963
Hier die Diskussion über ein mögliches Freierforenverbot in GB
viewtopic.php?f=41&t=5294
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Re: Hurenblogs, Freierforen und das heutige Milieu
Hallo Christian - erst einmal vielen Dank für Dein informatives Statement und die Links zu den Diskussionen. Du magst durchaus recht haben, dass ich nicht mehr up to date bin. Was kobern ist, das weiß ich allerdings noch, von den Kontakthöfen und den Klappen auf und an denen ich stand. Aber viel mehr scheint sich von der alten Sprache auch kaum noch erhalten zu haben. Nun ja, war jetzt auch nicht unbedingt der kulturell erhaltenswerteste Slang.
Es ist ein seltsames Gefühl. Irgendwie so was wie: "So nah und doch so fern." Ich empfinde das Ganze nach wie vor als Teil von mir, aber er scheint immer weiter von mir weg zu rücken und ich versuche heraus zu finden, ob das nicht womöglich sogar gut so ist. Natürlich lag die Überlegung nahe, bei meiner Geschichte, wenn man schnelles Geld machen will, einen Laden zu eröffnen. Aber es stimmt schon, meine Erfahrungen stammen aus einer Zeit, als man noch Fingerabdrücke abgab, das musste ich damals auch, als ich mich offiziell in meinem ersten Bordell anmeldete (da war ich dann endlich 18, in einigen Städten durfte man sogar erst ab 21 anschaffen, oder mit Sondergenehmigung). Meine Bordellzeit war relativ kurz und ich wechselte nach ca. 3 Jahren Laufhäusern und Kontakthöfen in den Bereich der Privatclubs, meist mit Bar aber auch Hausbesuchsservice. Ich arbeitete nirgendwo wirklich lange, war immer auf der Suche nach etwas, das ich nie fand.
Als ich ausstieg war ich mittellos und ausgebrannt. Ich hätte eigentlich nie gedacht, dass ich nochmal so gut dastehen würde, wie ich das heute tue. Vielleicht sollte ich in Zukunft lieber die Finger davon lassen, denn es scheint sich doch sehr vieles geändert zu haben und Glück hat mir das Anschaffen damals schon nicht gebracht. Vielleicht war es die Hoffnung, mit einem Laden dann doch noch "irgendwas zum Guten wenden zu können", was, so will mir scheinen, eine zu romantische Ansicht zu sein scheint. Klar war damals auch nicht alles toll, sonst hätte ich mich nicht so zugedröhnt, damit ich das alles überhaupt verpacke. Aber was ich heute sehe, das erscheint mir noch krasser. Wobei, womöglich hat sich auch nur mein Blickwinkel geändert und der bequeme, ruhige und halbwegs sichere Sessel, in dem ich sitze, hat mich vieles von dem Krassen vergessen lassen.
Und klar gibt es selbstbestimmte Frauen. Eine meiner liebsten Freundinnen,über viele Jahre, kam aus Wien. Wir machten zwei Läden zusammen und ihre Mutter, eine wirklich liebenswerte, aber völlig durchgeknallte Frau mit herrlichem Wiener Schmäh, kutschierte uns immer durch die Gegend, weil wir beide keinen Führerschein hatten. Männer spielten zu jenen Zeiten für uns nur als Handwerker und Kunden eine Rolle, das waren meine besten Zeiten innerhalb dieser 10 Jahre Rotlicht. Aber alle, wirklich alle, sogar diese Frau, träumten vom Ausstieg, irgendwann. Und wenn ich mich zurück erinnere, an die vielen Bars, in denen ich Frauen erlebte, die mit über 50 noch davon träumten, dann sollte ich vermutlich dankbar sein, dass ich dieses alles so habe abschließen können.
Wie gesagt, danke für Dein Statement. Ich lese mir dann mal die Themen durch, die Du mir verlinkt hast.
Lieben Gruß!
Michaela
Es ist ein seltsames Gefühl. Irgendwie so was wie: "So nah und doch so fern." Ich empfinde das Ganze nach wie vor als Teil von mir, aber er scheint immer weiter von mir weg zu rücken und ich versuche heraus zu finden, ob das nicht womöglich sogar gut so ist. Natürlich lag die Überlegung nahe, bei meiner Geschichte, wenn man schnelles Geld machen will, einen Laden zu eröffnen. Aber es stimmt schon, meine Erfahrungen stammen aus einer Zeit, als man noch Fingerabdrücke abgab, das musste ich damals auch, als ich mich offiziell in meinem ersten Bordell anmeldete (da war ich dann endlich 18, in einigen Städten durfte man sogar erst ab 21 anschaffen, oder mit Sondergenehmigung). Meine Bordellzeit war relativ kurz und ich wechselte nach ca. 3 Jahren Laufhäusern und Kontakthöfen in den Bereich der Privatclubs, meist mit Bar aber auch Hausbesuchsservice. Ich arbeitete nirgendwo wirklich lange, war immer auf der Suche nach etwas, das ich nie fand.
Als ich ausstieg war ich mittellos und ausgebrannt. Ich hätte eigentlich nie gedacht, dass ich nochmal so gut dastehen würde, wie ich das heute tue. Vielleicht sollte ich in Zukunft lieber die Finger davon lassen, denn es scheint sich doch sehr vieles geändert zu haben und Glück hat mir das Anschaffen damals schon nicht gebracht. Vielleicht war es die Hoffnung, mit einem Laden dann doch noch "irgendwas zum Guten wenden zu können", was, so will mir scheinen, eine zu romantische Ansicht zu sein scheint. Klar war damals auch nicht alles toll, sonst hätte ich mich nicht so zugedröhnt, damit ich das alles überhaupt verpacke. Aber was ich heute sehe, das erscheint mir noch krasser. Wobei, womöglich hat sich auch nur mein Blickwinkel geändert und der bequeme, ruhige und halbwegs sichere Sessel, in dem ich sitze, hat mich vieles von dem Krassen vergessen lassen.
Und klar gibt es selbstbestimmte Frauen. Eine meiner liebsten Freundinnen,über viele Jahre, kam aus Wien. Wir machten zwei Läden zusammen und ihre Mutter, eine wirklich liebenswerte, aber völlig durchgeknallte Frau mit herrlichem Wiener Schmäh, kutschierte uns immer durch die Gegend, weil wir beide keinen Führerschein hatten. Männer spielten zu jenen Zeiten für uns nur als Handwerker und Kunden eine Rolle, das waren meine besten Zeiten innerhalb dieser 10 Jahre Rotlicht. Aber alle, wirklich alle, sogar diese Frau, träumten vom Ausstieg, irgendwann. Und wenn ich mich zurück erinnere, an die vielen Bars, in denen ich Frauen erlebte, die mit über 50 noch davon träumten, dann sollte ich vermutlich dankbar sein, dass ich dieses alles so habe abschließen können.
Wie gesagt, danke für Dein Statement. Ich lese mir dann mal die Themen durch, die Du mir verlinkt hast.
Lieben Gruß!
Michaela
Die Gedanken sind frei. (Und das ist gut so.)
-
- Senior Admin
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Re: Hurenblogs, Freierforen und das heutige Milieu
Gerne geschehen....
Das Wort "kobern bzw. der Koberer oder auch nachkobern" ist den heutigen SexarbeiterInnen oft kein Begriff mehr. Da ich aber schon etwas älter (als die meisten hier im Forum) und noch dazu Wiener bin, kenne ich auch diese Ausdrücke.
Es gab vor Jahren hier in Wien eine Podiumsdiskussion bei der Prof. Girtler http://www.univprofdrgirtler.at/Seiten/ ... Strich.php welcher das oben genannte Buch "der Strich" in den 70ern geschrieben hat und seither als Experte gilt, geladen war. Einige UserInnen von sexworker.at waren im Publikum dabei. Unter Anderem auch unsere Fraences (EigentümerIn und Admina von sexworker.at und aktive SexarbeiterIn) und meine Zwerghaftigkeit. Etliche PolitikerInnen waren anwesend - ebenso 2 Damen von Gesundheitsamt, welche bei uns saßen und sich positiv und zustimmend über unsere Tätigkeit äußerten.
Während der Diskussion meinte Herr Prof. Girtler "wissen Sie überhaupt was kobern bedeutet, wenn nicht, haben sie keine Ahnung vom Strich" - Um die Sache abzukürzen: Auf Grund der Proteste des Publikums (nicht nur von uns) verließ Prof. Girtler den Saal und unsere Fraences übernahm seinen Platz und hielt eine flammende Rede über selbstbestimmte Sexarbeit fernab vom Milieu. Eindrucksvoller habe ich den Wechsel zwischen damals und jetzt noch nie erlebt....
Heute muss man eher wissen, wie man einen Handyvertrag abschließt, oder eine Webseite macht und noch etliche Dinge mehr, aber die Sprache der Strizzis ist nicht mehr von Bedeutung. Gerade das nachkobern ist Heute eher verpönt. Dinge wie GFS sind (meines Erachtens leider, da eine Abgrenzung zwischen Kunden und SW im Vergleich zu früher verloren gegangen ist) eingekehrt. Andere Dinge haben sich wieder verbessert. Ich versuche das eher wertfrei zu betrachten - gelingt mir auch nicht immer. Ich sehe nur für mich keine Berechtigung etwas zu kritisieren etwas zu be- oder verurteilen, was ich nicht verstehe. Die einzige Aussage welche sich beim Vergleich Einst und Jetzt anbietet ist, dass es anders ist. Ist aber in vielen Bereichen so. Man denke nur an SMS mit abenteuerlichen Abkürzungen statt eines Anrufes.
Servus aus Wien
christian
Übrigens: Hier gibt es eine Sammlung von alten Hurenritualen und Weisheiten....
viewtopic.php?f=122&t=7801
Das Wort "kobern bzw. der Koberer oder auch nachkobern" ist den heutigen SexarbeiterInnen oft kein Begriff mehr. Da ich aber schon etwas älter (als die meisten hier im Forum) und noch dazu Wiener bin, kenne ich auch diese Ausdrücke.
Es gab vor Jahren hier in Wien eine Podiumsdiskussion bei der Prof. Girtler http://www.univprofdrgirtler.at/Seiten/ ... Strich.php welcher das oben genannte Buch "der Strich" in den 70ern geschrieben hat und seither als Experte gilt, geladen war. Einige UserInnen von sexworker.at waren im Publikum dabei. Unter Anderem auch unsere Fraences (EigentümerIn und Admina von sexworker.at und aktive SexarbeiterIn) und meine Zwerghaftigkeit. Etliche PolitikerInnen waren anwesend - ebenso 2 Damen von Gesundheitsamt, welche bei uns saßen und sich positiv und zustimmend über unsere Tätigkeit äußerten.
Während der Diskussion meinte Herr Prof. Girtler "wissen Sie überhaupt was kobern bedeutet, wenn nicht, haben sie keine Ahnung vom Strich" - Um die Sache abzukürzen: Auf Grund der Proteste des Publikums (nicht nur von uns) verließ Prof. Girtler den Saal und unsere Fraences übernahm seinen Platz und hielt eine flammende Rede über selbstbestimmte Sexarbeit fernab vom Milieu. Eindrucksvoller habe ich den Wechsel zwischen damals und jetzt noch nie erlebt....
Heute muss man eher wissen, wie man einen Handyvertrag abschließt, oder eine Webseite macht und noch etliche Dinge mehr, aber die Sprache der Strizzis ist nicht mehr von Bedeutung. Gerade das nachkobern ist Heute eher verpönt. Dinge wie GFS sind (meines Erachtens leider, da eine Abgrenzung zwischen Kunden und SW im Vergleich zu früher verloren gegangen ist) eingekehrt. Andere Dinge haben sich wieder verbessert. Ich versuche das eher wertfrei zu betrachten - gelingt mir auch nicht immer. Ich sehe nur für mich keine Berechtigung etwas zu kritisieren etwas zu be- oder verurteilen, was ich nicht verstehe. Die einzige Aussage welche sich beim Vergleich Einst und Jetzt anbietet ist, dass es anders ist. Ist aber in vielen Bereichen so. Man denke nur an SMS mit abenteuerlichen Abkürzungen statt eines Anrufes.
Servus aus Wien
christian
Übrigens: Hier gibt es eine Sammlung von alten Hurenritualen und Weisheiten....
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