"Studie zur Lebenssituation von Transsexuellen in NRW

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"Studie zur Lebenssituation von Transsexuellen in NRW

Beitrag von translena »

"Studie zur Lebenssituation von Transsexuellen in Nordrhein-Westfalen" des nordrhein-westfälischen Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA).
http://www.queer.de/detail.php?article_id=21548
Diskriminierung im Berufsleben
Transsexuellen droht häufiger Arbeitslosigkeit

Im Rahmen der Hirschfeld-Tage 2014 wurde eine von der Landesregierung in Auftrag gegebene "Studie zur Lebenssituation von Transsexuellen in Nordrhein-Westfalen" vorgestellt.

Von Marvin Mendyka

Das Erinnern ist bei den diesjährigen Hirschfeld-Tagen NRW ein zentrales Thema – in jeder Hinsicht. Der LSVD nutzte diese Gelegenheit, um in der vergangenen Woche die kaum bekannte "Studie zur Lebenssituation von Transsexuellen in Nordrhein-Westfalen" vorzustellen, die auf den Tag genau vor zwei Jahren veröffentlicht wurde. Die Rechtsanwältin und Mitautorin der Studie Deborah Reinert referierte vor zehn Interessierten über ihre Ergebnisse der ersten empirischen Studie über Transsexuelle in Deutschland.

In Auftrag gegeben wurde die Untersuchung vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA). Emanzipationsministerin Barbara Steffens (Grüne) erhoffte sich von der Veröffentlichung, dass die Studie zu "mehr Sensibilität, Offenheit und Akzeptanz beiträgt – damit Transsexuelle als Teil der bereichernden Vielfalt unseres Landes überall dazu gehören und sich zugehörig fühlen können". So heißt es im Vorwort.

Befragt wurden insgesamt 98 Personen. Davon 30 in Interviews (jeweils 15 Transmänner und -frauen) und weitere 27 Transmänner und 41 Transfrauen per Fragebogen. Der Katalog umfasste stolze 89 Fragen. Nach Schätzungen Reinerts stellt die Anzahl der Befragten mindestens drei Prozent der transsexuellen Menschen in NRW dar.

Nur eine Minderheit hat keine Diskriminierungserfahrungen

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die meisten Transsexuelle in verschiedenen Lebensbereichen mit "multiplen Belastungssituationen" konfrontiert werden. Nur jeder vierte befragte Transmann und etwa jede siebte Transfrau kennen Diskriminierungserfahrungen nicht aus eigener Hand. In den meisten Fällen fühlten sich die Befragten aufgrund ihres Geschlechts bzw. ihrer sexuellen Identität diskriminiert. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung spielte lediglich bei vier Prozent der Transmänner und neun Prozent der Transfrauen eine Rolle.

Wie Transsexuelle mit Diskriminierungen umgehen, ist von Person zu Person unterschiedlich. Für fast alle Betroffenen ist die Stärkung des Selbstbewusstseins durch Kontakt mit anderen von großer Bedeutung. Dies geschieht etwa in Selbsthilfegruppen, durch Psychotherapien oder über die Aneignung von Wissen über rechtliche und medizinische Maßnahmen. Andere Strategien zum Umgang mit Diskriminierungserfahrungen sind eher defensiv – wie das Meiden von Menschen, Verdrängung oder der Umdeutung negativer Erfahrungen.

Doch auch der offensive und aufklärerische Umgang ist für viele eine wichtige Möglichkeit. Ein Transmann berichtete im Interview von einer Situation in einer Kantine: Neben ihm saß eine Gruppe von Auszubildenden, die sich abfällig über eine Transfrau aus ihrer Berufsschulklasse unterhielten. Begriffe wie "Mann im Rock" oder "blöde Transe" fielen. "Und da habe ich mich eingemischt und habe gesagt: 'Entschuldigung, dass ich mich da einmischen muss, aber ihr sitzt gerade auch an einem Tisch mit einer blöden Transe.' […] Die waren dann auch ganz neugierig und haben gefragt und ich habe dann halt, wie ich das so wollte, geantwortet."

Probleme im Berufsleben besonders signifikant

Ein weiteres auffälliges Ergebnis der Studie zeichnete sich im Bereich des Berufslebens ab. Trotz überdurchschnittlich guter Bildungsabschlüsse gaben 26 Prozent der Transmänner und 19 Prozent der Transfrauen an, zum Zeitpunkt der Befragung ALG II erhalten zu haben. Im Vergleich zum Landesdurchschnitt, der zum damaligen Zeitpunkt bei knapp über 11 Prozent lag, waren die Ergebnisse unter Transsexuellen ungewöhnlich hoch. Hinzu kommt, dass nach einem Arbeitsplatzverlust viele Transsexuelle Schwierigkeiten haben, eine neue Anstellung zu finden. Die Folgeprobleme sind offensichtlich: Mangel an effektiver Altersvorsoge, sozialer Abstieg, Verarmung.

Zumindest in einem Punkt zeigte sich in der Untersuchung ein durchweg positives Zeichen. Alle Befragten, egal ob sie noch am Anfang ihrer Transition standen oder sie bereits abgeschlossen haben, gaben an, dass sich ihre Lebenssituation nachhaltig verbessert hat und den Schritt wieder gehen würden.

Um die Situation von Transsexuellen zu verbessern, schlugen die Autoren der Studie konkrete Schritte vor. Von zentraler Bedeutung sei dabei die Aufklärung. Transsexualität müsse sowohl in der Schule als Querschnittsthema eingeführt werden, ebenso müssen aber konkrete Leitfäden für Behörden erstellt und Anpassungen von Verwaltungsvorgängen eingeleitet werden.

Links zum Thema:
" Die komplette Studie als PDF"
http://www.queer.de/docs/transsexuelle-nrw.pdf

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Beitrag von Doris67 »

Nicht gerade neue Erkenntnisse.
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translena
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Beitrag von translena »

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Doris67 hat geschrieben:Nicht gerade neue Erkenntnisse.
Nein neu ist die Erkenntniss nicht.
Aber es ist gut das diese Erkenntniss von Regierungsseite publiziert wird. Nur so kann sich etwas ändern.
In Dortmund gibt es eine tolle Initiative einer Transsexuellen die sich bemüht andere Transexuelle in Jobs zu vermitteln und
Mittlerweile auch von den Behörden und vom Dortmunder oberbürgermeister persönlich sehr gut unterstützt wird.
Dadurch gibt es dann auch Öffentlichkeit und diese Öffentlichkeit hilft Vorurteile bei Arbeitgebern abzubauen.

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Beitrag von Doris67 »

Der beste, und auf lange Sicht einzige, Weg, den Ausschluß von T*-Personen aus der Gesellschaft aufzuheben, besteht darin, Gender-Diskriminierungen aller Art abzuschaffen, insbesondere Gendermarker in staatlichen Dokumenten (Personalausweis, Reisepaß, Geburtsurkunde...). Und, ganz allgemein, auf lange Sicht Gender in diesem politischen System und dieser Gesellschaft zu einem so unwichtigen Kriterium wie z.B. Fußgröße, Augenfarbe doer Linkshändigkeit zu machen. Alles andere ist Herumdoktern an Symptomen ohne die Ursachen anzugehen. Ich weiß, daß diese Erkenntnis, die es anderswo in Europa seit minfestens fünf Jahren gibt, noch nicht wirklich nach Deutschland vorgedrungen ist. Aber es wäre höchste Zeit.

Siehe übrigens auch die Empfehlungen de Europarats, deren Umsetzung dringend notwendig ist: http://www.transrespect-transphobia.org ... erg_dt.pdf
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Beitrag von nicole6 »

"Der beste, und auf lange Sicht einzige, Weg, den Ausschluß von
T*-Personen aus der Gesellschaft aufzuheben, besteht darin,
Gender-Diskriminierungen aller Art abzuschaffen, insbesondere
Gendermarker in staatlichen Dokumenten (Personalausweis,
Reisepaß, Geburtsurkunde...)."
Stimmt.
Aber solange noch das sexuelle Apartheit-System im Bereich
öffentlicher Toiletten besteht, ist darin eine Lücke.

nicole

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Beitrag von Doris67 »

nicole6: Unisexstoiletten wären leicht einzuführen (und nicht etwa eine "dritte Toilette" für Transmenschen oder sich nicht binär gendernde Menschen: das ist fatal stigmatisierend, und festigt auch nur die binäre Genderideologie).

Es gibt aber eine Menge Bereiche, wo das binäre Gendern weitaus schlimmere Folgen für Transmenschen hat als auf der Toilette, z.B. in Krankenhäusern oder Gefängnissen. Von der Fastunmöglichkeit, als Transmensch Arbeit (außer Sexarbeit...) zu finden ganz abgesehen.

Es wäre für Staaten ein leichtes, dort voranzugehen, also sind sie zuerst gefordert.
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Beitrag von nicole6 »

"...nicole6: Unisexstoiletten wären leicht einzuführen (und nicht etwa
eine "dritte Toilette..."
Deswegen benannte ich das System auch als Apartheid-System!
Die Toiletten erwähnte ich nur wegen dem offensichtlichen
Charakter des Apartheids.
Und wenn es um unterschiedliche Sex- und Gendervariationben
ginge, dann müsste man leicht bis zu 10 verschiedene Kategorien
einführen! Noch bis ins 18. Jh. gab es über 60 Kulturen welche
6 Gendergruppen kannten und lebten, und auch die katholische
Kirche erkannte bis dahgib 3 Gendergruppen. Die Dichotomie ist
eine sehr neue, "moderne" Erfindung.

Für Transpersonen ist auch das Reisen mit dem Flugzeug eine
lang andauernde Schikane.

Nicole