LokalNachrichten: ZÜRICH

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Anory
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Re: LokalNachrichten: ZÜRICH

Beitrag von Anory »

https://www.landbote.ch/50-frauen-im-zu ... 6199920070

Am Sonntagnachmittag informierte die Stadtpolizei Zürich im Kreis 4 an der Langstrasse eine Frau über einen positiven Corona-Test.

Die Polizei erhielt vom Kantonsärztlichen Dienst Zürich den Auftrag, der Frau auszurichten, dass sie sich beim Contact-Tracing-Team melden müsse, da sie zuvor telefonisch nicht erreicht werden konnte – der Test wurde am 28. August durchgeführt. Die Betroffene konnte erst am Sonntagnachmittag kurz vor 15 Uhr angetroffen und über den positiven Bescheid orientiert werden, teilt die Stadtpolizei mit.

In der Liegenschaft Langstrasse 108 wohnen rund 50 Frauen auf engem Raum zusammen, heisst es in der Mitteilung weiter. Im Haus befindet sich auch die als Kontaktbar bekannte Lugano Bar, in der sich regelmässig Freier und Prostituierte treffen.

Polizisten müssen in Quarantäne

Der Kantonsärztliche Dienst hat in der Zwischenzeit verfügt, dass sich die rund 50 Mitbewohnerinnen in Quarantäne begeben müssen. Die zwei Polizisten, welche die Frau über das positive Resultat informierten, wurden von den emotional reagierenden Kolleginnen körperlich bedrängt. Dadurch verschoben sich ihre getragenen Gesichtsmasken. Darum wurde entschieden, dass sie sich nach dem Einsatz in Quarantäne begeben müssen. Die positiv getestete 23-jährige Frau wurde bereits am Sonntag in ein Isolationszimmer gebracht. Die Behörden von Stadt und Kanton Zürich arbeiten in diesem aussergewöhnlichen Fall eng zusammen.

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Anory
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Re: LokalNachrichten: ZÜRICH

Beitrag von Anory »

https://daslamm.ch/auf-mich-wirkt-es-al ... rgegangen/

„Auf mich wirkt es, als sei man mit Vorurteilen vorgegangen“
Miriam Suter
8'11. September 2020
Wenig zimperlich, aber öffentlichkeitswirksam verübte die Zürcher Stadtpolizei zwei Zugriffe auf eine Unterkunft von Sexarbeiterinnen – wegen zwei positiven Corona-Tests. Medien, allen voran der Blick, berichten ausführlich. Das sei „Elendspornografie“, sagt FIZ-Geschäftsführerin Lelia Hunziker im Interview über die momentane Situation von Zürichs Sexarbeiterinnen.

Vor einer Woche wurde eine Sexarbeiterin im Haus der Lugano Bar an der Zürcher Langstrasse positiv auf Covid-19 getestet. Daraufhin mussten die 50 Frauen, die im Haus wohnen, in Quarantäne. Wenig später stellte sich heraus, dass sich eine zweite Frau infiziert hat. Die Zürcher Stadtpolizei machte zwei Zugriffe: Einmal, um der Betroffenen mitzuteilen, dass sie sich infiziert hat – weil die Frau telefonisch nicht erreicht werden konnte. Und einmal, um die Verordnungen zur Quarantäne für die 50 Bewohnerinnen zu überbringen. Beim ersten Zugriff kam es zu „emotionalen Reaktionen“ der Kolleginnen, zwei Polizist*innen verrutschten beim Einsatz die Schutzmasken. Auch sie mussten in Quarantäne.

Wie geht es den Sexarbeiterinnen auf Zürichs Strassen? Wir haben mit Lelia Hunziker, Geschäftsführerin der FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration, über Sicherheitsbedürfnisse, das Verhältnis zur Polizei und mögliche Lichtblicke für die Branche gesprochen.

Das Lamm: Lelia Hunziker, wie haben Sie vom Vorfall im Haus an der Langstrasse erfahren?

Lelia Hunziker: Wir von der FIZ haben in der Zeitung darüber gelesen – und waren sofort hellhörig und alarmiert. Was wir lasen, klang für uns danach, dass hinter dem Vorfall Ausbeutungen, schlechte Arbeitsbedingungen und im Extremfall sogar Menschenhandel stehen könnten. Wir haben sofort mit den involvierten Akteuren Kontakt aufgenommen, wir selber machen keine aufsuchende Arbeit.

Welche Organisationen stehen zurzeit mit den Frauen in Kontakt?

Sicher die Isla Victoria, auch weil sie ihre Beratungsstelle in der Nähe dieses Hauses haben. Dann Rahab, das Sozialprojekt der Heilsarmee, und Schwester Ariane. Mit ihr war ich mehrmals in Kontakt wegen des Vorfalls. Sie war auch diejenige, die sich um die Verpflegung der Frauen in Quarantäne gekümmert hat. Die Stadt und ihre Institutionen haben sich eher im Hintergrund gehalten. Es waren alles NGOs, die sofort eingesprungen sind. Dies NGOs haben übrigens bereits vor der Corona-Krise Forderungen gestellt, die sich jetzt nochmals deutlich akzentuieren.

Welche?

Es braucht dringend eigene Zimmer für Frauen, die krank sind. Es braucht entsprechende Prozesse und Abläufe, die klären, wer zuständig ist, wenn ein positiver Fall auftritt, was dann passiert, wo die Person unter gebracht wird, wer den Test bezahlt, wie die Information dann abläuft, wer für die Zeit der Quarantäne zuständig ist und wer die Betroffenen unterstützt. Die Krise hat deutlich gezeigt, dass all das nicht vorhanden ist. Dass in einem beengten, vulnerablen und prekären Setting einmal ein Corona-Fall auftritt, war ja klar. Ob das jetzt in der Sexarbeit ist, in einer Notschlafstelle oder in einer Arbeiter*innenunterkunft, spielt keine Rolle – aber dass eine so grosse Stadt derart unvorbereitet ist, hat uns doch sehr irritiert.


Wie haben Sie die Berichterstattung über den Fall empfunden? Der Blick war beispielsweise mit einer Kamera dabei, als für die Frauen in Quarantäne eingekauft wurde.

Ich nenne das „Elendspornografie“. Geschichten über Sexarbeit verkaufen sich halt einfach, das war schon immer so. Man kann das lesen und währenddessen zuhause auf dem Sofa liegen, eingekuschelt in die Decke aus Bio-Schurwolle, und davon hören, wie dreckig es anderen geht. Aber was ich mich schon gefragt habe: Warum war der Blick vor Ort, als diese Verfügungen überbracht wurden? Warum konnten sie dort filmen?

Wie beurteilen Sie die Art des Zugriffs seitens der Polizei – mit Schutzanzügen und einem eher hohen Personalaufgebot?

Für uns war das irritierend. Vor allem, wenn man analysiert, was genau vorgefallen ist: Eine junge Frau hat nicht auf eine SMS geantwortet, die sie über ihre Infektion in Kenntnis setzte. Wie darauf reagiert wurde, das löst bei mir riesige Fragezeichen aus. Auf mich wirkt es, als seien da viele Vorurteile im Spiel gewesen. Ich verstehe nicht, wieso eine Stadt wie Zürich, die auf Sexarbeit spezialisierte Stellen hat – es gibt eine Abteilung Milieu- und Sexualdelikte bei der Polizei, Flora Dora als aufsuchende Beratungsstelle und spezialisierte Leistungserbringer*innen wie die Isla Victoria oder die FIZ –, nicht beispielsweise einen runden Tisch einberufen und im Vorfeld diskutiert hat, wie man diese Informationen am besten überbringt und welche weiteren Schritte anstehen. Das verstehe ich überhaupt nicht.

Es gab zwei Zugriffe seitens der Polizei: Das Überbringen der Information, dass sich zwei Frauen mit dem Virus infiziert haben, und das Überbringen der Verfügungen, dass alle Frauen im Haus in Quarantäne müssen.

Genau, beide Male kamen sie offenbar mit Schutzanzügen, das erste Mal Schilderungen zufolge mit Hunden. Man könnte wirklich meinen, es handle sich hier um einen Staat, der keine Ahnung hat, wie er angemessen vorgehen könnte. Auch die Kommunikation der Stadt Zürich empfand ich als sehr irritierend, um nicht zu sagen unbedarft. Hier stellt sich für uns die Frage, was genau die Intention hinter diesem „going public“ war.

Wie meinen Sie das genau?

Es wurde sehr offensiv kommuniziert und schon im Vorfeld wurden scheinbar Details über die Aktionen der Polizei bekannt. Diese Art der Kommunikation hat Auswirkungen auf andere Sexarbeitende, das haben wir relativ schnell festgestellt. Uns erreichten plötzlich wieder vermehrt Fragen, ob Schutzkonzepte in dieser Branche überhaupt umsetzbar seien. Uns kam es so vor, als ginge es hier darum, einen Schlag gegen die Branche auszuüben.

Man las, die Frauen hätten „sehr emotional“ auf die Polizist*innen reagiert. Wie erleben Sie das Verhältnis zwischen Sexarbeitenden und der Polizei in Zürich?

Eigentlich gibt es innerhalb der Polizei einen spezialisierten Fachdienst Menschenhandel bei der Abteilung: die MSD (Fachgruppe Milieu- und Sexualdelikte, Anm. d. Red.). Diese Personen haben einen sehr guten Einblick, Zugang und sie geniessen ein gewisses Vertrauen seitens der Frauen. Meines Wissens wurde der Fachdienst Menschenhandel hier gar nicht einbezogen. Warum ist für mich schleierhaft.

Es gäbe also durchaus entsprechende Strukturen und Menschen, die wissen, was einen hinter diesen Türen erwartet, welche Arbeitsbedingungen vorherrschen. Man weiss, dass die gerade in gewissen Häusern sehr schlecht sind. Und dass die Polizei die Sexarbeiterinnen immer wieder mit Fragen zu Arbeitsbewilligungen und Ausländerrecht unter Druck setzt. Dass diese Frauen bei einem so massiven Zugriff aufgebracht reagieren, hätte man voraussehen können. Nochmal: Ein Zugriff auf diese Art, wie er geschehen ist – aufgrund einer nicht beantworteten SMS –, ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.

Erhalten die Frauen momentan den nötigen Schutz durch die Polizei?

Mich beschäftigt eher ein anderes Thema: Durch die Krise und dadurch, dass es für die Frauen nun noch mehr Auflagen gibt, die sie einhalten müssen, gibt es auch mehr Dinge, die sie falsch machen können – und für die sie sanktioniert werden können. Zum Beispiel Einhalten der Quarantänemassnahmen oder des Schutzkonzepts. Das ist sicher ein Punkt, der die Frauen noch verletzlicher macht und bei dem es einmal mehr nicht um ihre Sicherheit geht. Der Ausdruck „overpoliced and underprotected“ akzentuiert sich hier stark. Gerade jetzt ist das verheerend: Im prekarisierten Bereich der Sexarbeit gibt es weniger Kunden, was dazu führt, dass die Frauen noch mehr auf Arbeit angewiesen sind – und vielleicht eher etwas tun, wozu sie nicht bereit sind oder was sie gar nicht dürfen.

Sexarbeiterinnen erzählten schon vor der Corona-Krise immer wieder davon, dass immer mehr Kunden Sex ohne Kondom wollen. Neu müssen sie eigentlich auch noch eine Maske anziehen, Küssen ist ebenfalls verboten. Wie geht es den Frauen mit den Schutzkonzepten?

Das Konzept ist sicher und gut durchführbar für Frauen, die sich in einer guten und selbstbestimmten Situation befinden. Aber das ist kaum die Situation, die man in der Lugano Bar antrifft. In solch prekären Situationen ist die Umsetzung des Schutzkonzepts sicherlich schwierig; es braucht ja auch immer zwei dazu. Und dadurch, dass momentan ein Überangebot an Sexarbeit besteht, sind die Frauen ausbeutbarer. Aber: Wenn die Arbeitsbedingungen für Sexarbeitende überall so wären, wie sie NGOs seit Jahren fordern, dann wäre auch das Schutzkonzept überall problemlos umsetzbar.

Wo ist das der Fall?

Vor allem in den kleinen Betrieben, in denen sich zwei, drei Frauen zusammen einmieten und arbeiten. Oder auch auf dem Strichplatz in Zürich ist die Situation sicherlich besser. Überall dort, wo die Frauen einfachen Zugang zu Fachstellen oder Kontakt mit anderen Frauen haben und nicht auf sich allein gestellt sind, sondern selbstständig, selbstbestimmt und nicht unter Druck.

Wird die Krise etwas verbessern im Erotikgewerbe?

Für uns hat sich wie gesagt nochmals klar akzentuiert, was es in der Sexarbeit dringend braucht: Die Sittenwidrigkeit muss weg, man muss gute Arbeitsbedingungen schaffen und vor allem das gesellschaftliche Stigma loswerden. So lange es diese Stigmatisierung gibt, gibt es keine sichere Sexarbeit. Das haben wir auch während des Lockdowns gesehen: Es gab durchaus Frauen, die beispielsweise Anspruch auf Sozialhilfe gehabt hätten, sich aber nicht trauten, sie einzufordern. Aber ich denke schon, dass sich momentan Möglichkeiten zur Verbesserung bieten. Als wir das Schutzkonzept eingereicht haben, wurde das vom Bundesrat und der Politik gut aufgenommen. Es kam auch wieder zur Sprache, dass Kriminalisierung und Illegalität dazu führen, dass die Betroffenen nicht erreicht werden. Und wir haben eine grosse Solidarität erfahren, als wir einen Spendenaufruf gemacht haben. Die Glückskette hat fast eine halbe Million Franken für die Nothilfe von Sexarbeitenden gesprochen. Dadurch, dass sehr viele Leute persönlich von dieser Krise betroffen waren und sind, entstand ein neues Gemeinschaftsgefühl.

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Anory
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Re: LokalNachrichten: ZÜRICH

Beitrag von Anory »

https://www.msn.com/de-ch/nachrichten/o ... li=BBqfP3w

Der Kanton Zürich schränkt die Zuwanderung von Prostituierten wegen der Pandemie ein, und ausgerechnet die SVP ärgert sich darüber
Stefan Hotz, Sascha Britsko

Sicherheitsdirektor Mario Fehr hat vor dem Kantonsrat die Massnahmen im Rotlichtmilieu zur Eindämmung des Coronavirus erläutert. Die Diskussion drehte sich rasch um das Sexgewerbe an sich.

Ab Donnerstag gelten im Rotlichtmilieu ergänzte Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Simon Tanner / NZZ
© Bereitgestellt von Neue Zürcher Zeitung

Offen ist, ob der Zürcher Regierungsrat erst auf den Anstoss aus dem Parlament handelte. Vergangene Woche ergänzte er seine Verordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie auch um spezifische Massnahmen in der Prostitution. Ab dem 1. Oktober gilt insbesondere die Pflicht, die Kontaktdaten der Freier zu erfassen und ihre Identität sowie ihre Handynummer zu überprüfen.

Gut zwei Wochen zuvor hatten die Kantonsrätinnen Andrea Gisler (glp., Gossau), Barbara Günthard Fitze (evp., Winterthur) und Jeannette Büsser (gp., Zürich) eine dringliche Interpellation zu Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus im Milieu eingereicht. Auslöser war der Einsatz der Stadtpolizei in der Lugano-Bar an der Langstrasse Ende August. Sicherheitsdirektor Mario Fehr (sp.) beantwortete die Fragen mündlich vor dem Rat.

Ziel der verschärften Bestimmungen ist in erster Linie, dass das Contact-Tracing im Sexgewerbe funktioniert. Das gewähre auch bei Freiern den besten Schutz für Drittpersonen, sagte Fehr. Es liege in deren Verantwortung, für die Gesundheit von ihnen nahestehenden Personen und Familienangehörigen besorgt zu sein.

Freizügigkeit eingeschränkt
Nicht informiert wurde vergangene Woche jedoch über Massnahmen, um den Zugang von Anbieterinnen aus dem Ausland zum Sexgewerbe einzuschränken. So vergibt das kantonale Amt für Wirtschaft und Arbeit Drittstaatenangehörigen, also Personen ausserhalb von EU und Efta, grundsätzlich keine Bewilligung für die Ausübung der Prostitution.

Aus Gründen der öffentlichen Gesundheit erteilt ebenso das Migrationsamt neu Angehörigen aus EU/Efta-Staaten keine Kurzaufenthaltsbewilligung oder eine Bewilligung über neunzig Tage für den gleichen Zweck. Fehr erläuterte, diese Rechte aus dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU könnten aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit eingeschränkt werden.

Der Milieuanwalt Valentin Landmann (Zürich) protestierte in der Diskussion namens der SVP, damit werde das Freizügigkeitsabkommen verletzt – just jenes Vertragswerk also, das die SVP am Sonntag mit ihrer Begrenzungsinitiative vergeblich beenden wollte. Er sah darin keinen Widerspruch. Die Schweiz habe sich an dieses Abkommen mit der EU zu halten, bekräftigte Landmann in seinem zweiten Votum. Fehr wunderte sich in seiner Replik, wie seitens der SVP «hemmungslose Zuwanderung» befürwortet werde.

Lugano-Bar bewegt die Gemüter
Im Übrigen entwickelte sich eine zweigeteilte Debatte. Die von der Regierung beschlossenen Schritte stiessen im Grossen und Ganzen auf Unterstützung im Rat. Für die Erstunterzeichnerin Andrea Gisler sind sie dringend. In der Schweiz hätten die Bordelle nach dem Lockdown als Erste wieder öffnen können, in Deutschland erst im September. Sie erwarte, dass auch Bordellbetreiber und Freier in die Pflicht genommen würden.

Gisler erweiterte die Diskussion aber über gesundheitliche Aspekte hinaus. Oft werde unter Freiern, in der Politik und in den Medien vom Sexgewerbe das Bild einer Idylle gepflegt. Die Zustände über der Lugano-Bar, wo rund fünfzig Frauen auf engstem Raum hausten, hätten gezeigt, dass sich die Realität nicht verleugnen lasse. Die Prostituierten seien oft nicht in der Lage, sich Hilfe zu holen.

Niemand beschönigte die Verhältnisse an der Langstrasse. Valentin Landmann betonte aber, dort habe es sich nicht um einen Sexklub gehandelt. Schutzkonzepte für das Milieu existierten und würden auch angewandt. So gebe es keinen einzigen bekannten Fall einer Ansteckung mit dem Coronavirus in einem solchen Klub.

Sexarbeit sei kein Treiber dieser Pandemie, sagte Sibylle Marti (sp., Zürich). Es sei deshalb unredlich, strengere Massstäbe anzuwenden als anderswo. Die Interpellation ziele gar nicht auf den Schutz vor dem Virus, sondern richte sich generell gegen die Prostitution. Für die Ärztin Bettina Balmer (fdp., Zürich) müssen Schutzkonzepte für alle gleich gelten, also auch für Bordelle und die Prostitution. Die Pandemie sei nicht zu Ende, die Nachverfolgbarkeit der Kontakte deshalb entscheidend.

Das Unbehagen über das Sexgewerbe unabhängig vom Virus ist parteipolitisch breit verteilt. Für Barbara Günthard Fitze (evp., Winterthur) scheint sich vieles in einem rechtsfreien Raum abzuspielen. Man müsse dieses «hochkriminelle» Business in den Griff bekommen, meinte Judith Stofer (al., Zürich). Hans Egli (edu., Steinmaur) sprach undifferenziert von einem grausamen und menschenverachtendem System.

Auch Freier können sich strafbar machen
Mario Fehr rückte mit seiner Entgegnung einiges wieder ins rechte Licht. Tatsächlich gehe es bei den Massnahmen der Regierung nicht um ein Für oder Wider die Prostitution. Diese dienten einzig dem gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung. Wo Personen einander in geschlossenen Räumen sehr nahe kommen und sich auch noch intensiv körperlich begegneten, steige nun einmal die Ansteckungsgefahr.

Der Sicherheitsdirektor hob hervor, die Erfassung der Kontaktdaten im Sexgewerbe gelte genau gleich wie für Klubs und Barbetriebe. Selbstverständlich würden Freier ebenfalls gebüsst, etwa, wenn sie mit einem falschen Ausweis verhinderten, dass ihre Kontaktdaten korrekt erhoben würden. Auch habe der Kanton die Möglichkeit, bei groben Verstössen Sexklubs zu schliessen.

Die Massnahmen der Regierung zielten nicht nur auf die illegale Prostitution ab. Das sei wie der in der Diskussion erwähnte Menschenhandel primär Sache der Strafverfolgung, sagte Fehr. Adressaten seien auch die je etwa 130 einschlägigen, aber legalen Milieubetriebe in der Stadt Zürich und im übrigen Kanton. Die Erfassung der Kontaktdaten schütze auch die dort arbeitenden Frauen.

Fachstellen kritisieren politischen Entscheid
Rebecca Angelini von Procore, dem nationalen Zusammenschluss von Fach- und Beratungsstellen für Sexarbeitende, betrachtet die Einschränkung der Personenfreizügigkeit kritisch: «Für mich tönt es so, als schiebe man Corona vor, um zusätzliche Einschränkungen im Sexgewerbe durchzusetzen.» Es sei illusorisch, zu denken, dass Frauen in prekären Situationen nicht trotzdem anschaffen würden. «Sie rutschen dann einfach in die Illegalität ab, was den Zugang zu ihnen und auch das Contact-Tracing erst recht verunmöglicht.»

So könne der öffentliche Auftrag der Gesundheitsprävention noch weniger wahrgenommen werden, sagt Angelini weiter. Zusätzlich würde sich die Situation auf dem Markt zuspitzen: «Gegen das Contact-Tracing ist nichts einzuwenden. Aber durch übermässige Einschränkungen der legalen Sexarbeit gerät das Gewerbe noch mehr unter Druck.» Die Politik vergesse, dass diese Branche für viele Frauen überlebenswichtig sei.

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deernhh
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Re: LokalNachrichten: ZÜRICH

Beitrag von deernhh »

Die Ausweispflicht im Bordell kommt vor das Zürcher Verwaltungsgericht
Aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 06.10.2020.
abspielen. Laufzeit 02:28 Minuten.

Prostitution während Corona

Milieu-Anwalt zerrt schärferes Bordell-Schutzkonzept vor Gericht

Anwalt Valentin Landmann wehrt sich auf juristischem Weg gegen Ausweispflicht und Handynummer-Kontrollen im Zürcher Sexgewerbe.

Sie gelten seit Anfang Oktober und sind höchst umstritten: die schärferen Regeln des Kantons Zürich für das Sexgewerbe. Die Etablissements müssen nicht nur die Kontaktdaten der Freier aufnehmen, sie müssen diese auch kontrollieren. Konkret müssen die Betriebe von ihren Kunden eine ID verlangen und die angegebene Handynummer zum Beispiel mittels Rückruf kontrollieren.

Wie alles begann: Der Coronafall in der Langstrasse
Textbox aufklappen

Die Massnahmen seien nötig, um das Contact-Tracing zu gewährleisten, begründete Sicherheitsdirektor Mario Fehr die Massnahmen. Zudem kündigte er letzte Woche im Zürcher Kantonsparlament harte Strafen an, sollten sich Etablissements nicht an die Auflagen halten: «Bei Bedarf werden wir gewisse Betriebe auch schliessen.»

Was folgte, war eine emotionale Debatte im Parlament – allen voran SVP-Kantonsrat und Milieu-Anwalt Valentin Landmann ärgerte sich über die Regeln des Kantons und kündigte rechtliche Schritte an. Diese Ankündigung hat er nun in die Tat umgesetzt und gegen die Regierungsbestimmungen rekurriert.


03:40
Video
Debatte um Coronamassnahmen im Zürcher Sexgewerbe
Aus Schweiz aktuell vom 29.09.2020.
abspielen

Für Landmann ist mit den Corona-Auflagen im Sex-Milieu der Gleichheitsgrundsatz massiv verletzt. «Besonders ist, dass der Regierungsrat Auflagen macht, die viel weitergehen, als in jedem anderen Beruf mit Körperkontakt.» Er spricht damit die ID-Pflicht und die Handynummer-Kontrolle an. Deshalb habe er Rekurs erhoben. Nun soll das Verwaltungsgericht klären, ob die Zürcher Spezial-Regeln rechtens sind oder nicht.

Valentin Landmann
Milieu-Anwalt und Zürcher SVP-Kantonsrat
Personen-Box aufklappen

Grundsätzlich seien keine schärferen Massnahmen im Sexgewerbe nötig, zeigt sich Landmann überzeugt. «Die normalen Schutzkonzepte werden in den Sexclubs eingehalten. Das hat auch die Polizei bei ihren Kontrollen festgestellt.» In legalen Betrieben habe es bislang keine Corona-Fälle gegeben. «Ich habe den Eindruck, dass die Sicherheitsdirektion vor allem auf die Zustände in der illegalen Prostitution reagiert, die sie nicht unter Kontrolle bringt und wo nichts eingehalten wird.» Deshalb würden nun einfach die legalen Clubs bestraft.

Es droht das Abgleiten in die illegale Prostitution

Ebenfalls ein Dorn im Auge ist Valentin Landmann eine neue Regelung des Migrationsamts. Für Angehörige aus EU- und Efta-Ländern gibt es derzeit keine Kurzaufenthaltsbewilligungen oder Bewilligungen über 90 Tage für die Ausübung der Prostitution. Dasselbe gilt für Drittstaatenangehörige – also Prostituierte ausserhalb von EU und Efta. Dies geschieht gemäss den Behörden, um die öffentliche Gesundheit nicht zu gefährden. Landmann hingegen kontert: «Frauen aus der legalen Prostitution werden so in die illegale gedrängt.» Die Personenfreizügigkeit müsse eingehalten werden, so der SVP-Politiker.

Die Sicherheitsdirektion sieht dem Rechtsstreit indes gelassen entgegen. «Wir haben wohl die besseren Argumente», sagte Sicherheitsdirektor Mario Fehr bereits letzte Woche in Kantonsparlament.

https://www.srf.ch/news/schweiz/prostit ... or-gericht

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Beitrag von Anory »

https://www.woz.ch/2041/sexarbeit-in-zu ... elegenheit

Die perfekte Gelegenheit
Nach zwei Coronafällen verhängt der Zürcher Regierungsrat strengere Schutzmassnahmen für das Sexgewerbe. Geht es hier noch um den Ansteckungsschutz oder doch um eine Grundsatzdiskussion?

Von Natalia Widla


Beste Voraussetzungen, um publikumswirksam gegen das Sexgewerbe vorgehen zu können: Polizeieinsatz bei der Langstrasse vom 1. September.
FOTO: URS JAUDAS, TAMEDIA
Mistress Scarlett arbeitet unter einem anderen Künstlerinnennamen als klassische Domina in einem Studio im Grossraum Zürich. Die 35-Jährige kennt das Sexgewerbe gut, sie ist im Zürcher Milieu vernetzt. Es ist ein Milieu, auf das sich die Coronapandemie in den letzten Monaten einschneidend auswirkte. Und jetzt ist alles nochmals schwieriger geworden. Mistress Scarlett klagt: «Vorher sind die Gäste ferngeblieben, weil sie Angst vor einer Ansteckung hatten. Wegen der Massnahmen bleiben nun auch Stammgäste zu Hause.»

Am 24. September gab der Zürcher Regierungsrat trotz steigender Coronafallzahlen Lockerungen für Bars, Clubs und das Gastgewerbe bekannt – und schärfere Massnahmen für das kantonale Prostitutionsgewerbe. Nicht nur müssen SexarbeiterInnen künftig die Kontaktdaten und Telefonnummern von Freiern durch Vorweisen amtlicher Dokumente überprüfen, es drohen zudem vermehrte Polizeikontrollen in legalen und illegalen Betrieben, wie Regierungsrat Mario Fehr (SP) ankündigte.

Schleichendes Berufsverbot?
Besonders das verstärkte Contact Tracing bereite der Branche Schwierigkeiten, sagt Mistress Scarlett: «Natürlich muss ich auch im Restaurant meine Daten angeben. Aber ein Restaurant ist nicht dasselbe wie ein Dominastudio. Das Gewerbe ist auf Anonymität angewiesen.»

Contact Tracing und Kontrollen sind nicht alles: Das Zürcher Migrationsamt stellt vorerst bis Ende Jahr keine Kurzarbeitsbewilligungen an SexarbeiterInnen aus den EU- und Efta-Staaten mehr aus. Gemäss Sicherheitsdirektor Fehr sei diese Einschränkung der Personenfreizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt.

Bei der Zürcher Beratungsstelle für SexarbeiterInnen Isla Victoria stösst das Vorgehen des Regierungsrats auf Unverständnis. «Während einerseits allgemein gelockert wird, hält der Druck auf das Sexgewerbe unter dem Deckmantel von Corona weiter an», sagt Beatrice Bänninger, Geschäftsführerin der Zürcher Stadtmission, zu der Isla Victoria gehört.

Auch die Zürcher Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) zeigt sich vom Vorgehen des Regierungsrats irritiert: «Es ist nicht nachvollziehbar, warum Fehr vor der Beschlussfassung keinen Kontakt zu den Stellen aufgenommen hat, die sich an der Front mit dem Thema befassen», sagt SP-Gemeinderätin und FIZ-Vorstandsmitglied Natascha Wey.

Den angefragten Beratungsstellen sind kantonal bisher zwei Fälle von Ansteckungen mit dem Virus im Sexgewerbe bekannt. Die beiden betroffenen Frauen hatten sich in einem illegalen Betrieb im Zürcher Langstrassenquartier angesteckt. Der Fall, besonders das rigide Vorgehen der Polizei, sorgte schweizweit für Aufsehen. Und damit für beste Voraussetzungen, um gegen das Sexgewerbe vorzugehen. So jedenfalls sieht das Beatrice Bänninger von Isla Victoria: «Diese Fälle stehen in keinem Verhältnis zu den jetzt geltenden Massnahmen. Man wird den Eindruck nicht los, dass sie nur vorgeschoben werden, um schleichend ein Berufsverbot im Kanton umzusetzen. Das Resultat wäre dasselbe wie beim schwedischen Modell.»

Auch national wieder Thema
Das nordische oder schwedische Modell fordert ein faktisches Verbot von Prostitution mittels Freierbestrafung. Nicht der Verkauf von Sex ist strafbar, sondern der Kauf. Während einige Frauenorganisationen, allen voran die Frauenzentrale Zürich, das schwedische Modell befürworten, wehren sich gerade Beratungsstellen wie die FIZ und Isla Victoria in Zürich, Lysistrada in Solothurn oder Xenia in Bern dagegen. Die GegnerInnen argumentieren, dass ein Sexkaufverbot die Betroffenen nur weiter stigmatisiere und in die Illegalität treibe.

Tatsächlich stehen die neuen Zürcher Schutzmassnahmen im Zusammenhang mit einer Interpellation dreier Kantonsrätinnen, die allesamt schon früher für ein Sexkaufverbot beziehungsweise ein Prostitutionsverbot eingestanden sind: die Grüne Jeannette Büsser, Barbara Günthardt Fitze von der EVP und allen voran die Grünliberale Andrea Gisler.

Gisler, bis 2019 Präsidentin der Frauenzentrale und massgeblich an deren 2018 lancierter Kampagne zur Einführung des nordischen Modells in der Schweiz beteiligt, gilt als eine der prominentesten Schweizer Befürworterinnen des Sexkaufverbots. Unter dem Titel «Die Unermüdliche» wurden Gisler und ihr Engagement 2016 in Alice Schwarzers Frauenzeitschrift «Emma» porträtiert. Dem «Blick» sagte Gisler 2018: «Es kann nicht sein, dass wir so tun, als sei Prostitution etwas völlig Normales, und dabei auch noch schönfärberisch von Sexarbeit reden.»

Natascha Wey ist überzeugt: «Andrea Gisler will die Pandemiesituation ausnutzen, um das schwedische Modell durch die Hintertüre einzuführen.» FIZ-Mitarbeiterin Nina Lanzi ergänzt: «Es ist unsere reale Befürchtung, dass Teile dieser Regelungen für das Sexgewerbe schleichend ins ordentliche Recht überführt werden.» Auf die Frage, ob und wie lange die Massnahmen verlängert werden könnten, schreibt die Zürcher Staatskanzlei: «Sollte die künftige Beurteilung dazu führen, dass weitergehende Massnahmen für den Kanton opportun sind, würde der Regierungsrat entsprechend handeln.»

Auf die Frage, ob die Interpellation als Versuch zu verstehen ist, das schwedische Modell schleichend einzuführen, antwortet Andrea Gisler schriftlich: «Die Einschränkung des Sexkaufs über die Pandemie hinaus ist eine Frage des Bundesrechts. Wenn die Interpellation aber dazu beiträgt, dass auch in der Schweiz endlich eine breite öffentliche Debatte über Prostitution geführt wird, wäre viel gewonnen.» Tatsächlich reichte gerade vor wenigen Tagen EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller eine Motion mit dem Titel «Menschen sind keine Ware – Nordisches Modell für die Schweiz» ein.

In die Illegalität getrieben
Im aktuellen Zürcher Fall könnte sich besonders das faktische Arbeitsverbot für ausländische SexarbeiterInnen als problematisch erweisen. In der Beratung der Isla Victoria melden sich laut Bänninger deswegen vermehrt Frauen: «Wenn diese Frauen keinen anderen Aufenthaltsgrund haben, müssen sie wieder umkehren – oder sie bleiben und arbeiten illegal.» Mistress Scarlett bestätigt diesen Verdacht: «Ich kenne Frauen aus Ost- und Mitteleuropa, die jetzt schwarzarbeiten. Sie kommen hierher, weil sie das Geld brauchen; die Massnahmen ändern daran nichts.»

GLP-Frau Gisler sieht die Sache anders: «Wir begrüssen es, wenn Freier und Bordellbetreiber mit der neuen Verordnung des Regierungsrats stärker in die Verantwortung genommen werden. Dass Widerstand kommt, war absehbar. Zuhälter und Bordellbetreiber lassen sich ihr lukratives Geschäft nicht gern vermiesen.»

Mistress Scarlett widerspricht dieser Ansicht. Nicht die Bordellbetreiber seien von den Massnahmen am meisten betroffen, sondern die SexarbeiterInnen: «Viele ausländische Frauen erhalten in Bordellen ohnehin schon weniger Geld als Schweizerinnen, teilweise nicht einmal die Hälfte. Und jetzt werden sie die Preise noch einmal drücken müssen, um die Dienstleistungen illegal anbieten zu können», sagt sie.

SP-Gemeinderätin Natascha Wey fühlt sich durch diese Entwicklung in ihrer Position bestätigt: «Hier sieht man im Kleinen, was bei der Einführung des schwedischen Modells passieren würde. Die Frauen, die jetzt keine Aufenthaltsbewilligung und somit ein faktisches Arbeitsverbot haben, geraten in die Illegalität, werden ausbeutbarer und vulnerabler.»

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Re: LokalNachrichten: ZÜRICH

Beitrag von deernhh »

Prostitution an der Langstrasse

«Alle verdienen mit: Die Clubs, die Vermieter, die Zuhälter, die Polizei»

Der Verein «Heartwings» hilft Prostituierten der Zürcher Langstrasse, aus der Branche auszusteigen. Ein Gespräch über horrende Mietpreise und tausende Sexarbeiterinnen im Kanton Zürich: Wer verdient am Geschäft und warum befürchtet man, dass auch der Krieg in der Ukraine Flüchtende in die Prostitution treiben wird?

Die Frau lebte in einer Liegenschaft in der Langstrasse in Zürich. (Symbolbild)
Die Langstrasse ist berühmt-berüchtigt für ihr Nachtleben. (Symbolbild) © Keystone

Prostituierte: «Die Allerschlimmsten sind die reichen Zürcher Manager»

Jael, du und euer Verein «Heartwings» setzen sich für Prostituierende in Zürich ein. Was sind eure Ziele?

Jael: Unser Ziel ist eigentlich ganz klar: Frauen aus der Prostitution zu holen. Dafür wurde der Verein 2008 von Peter und Dorothe Widmer gegründet, die davor auch schon ähnliche Projekte in Afrika gestartet hatten.

Wie wollt ihr das hier in Zürich erreichen?

Wir haben insgesamt vier Arbeitsbereiche. Zum einen Streetwork: Wir gehen auf den Strassenstrich, in die Clubs der Langstrasse, reden mit den Frauen. Schenken ihnen Essen, Hygienartikel, Kondome. Viele kommen hierher und wissen gar nicht, wie kalt es in Zürich ist. Sie stehen dann mit Flipflops und Mini-Rock im Winter auf der Strasse. Bei uns können sie sich mit Kleidung eindecken. Damit wollen wir Vertrauen aufbauen, was die Basis unserer ganzen Arbeit ist. Denn sind wir ehrlich: Das Vertrauen von allen Frauen, die in diesem Job arbeiten, ist schon mehrmals missbraucht worden.

Die Prostitution ist für viele der letzte Weg, aus der Armut zu kommen.
Jael
Ist es schwierig, dieses Vertrauen aufzubauen?

Verdammt schwierig. Aber da hilft es, wenn wir von uns, von unseren Geschichten erzählen. Die Frauen merken: «Hey, ich bin nicht allein in dieser aussichtslosen Situation.» Sie beginnen, sich zu öffnen und ihre Geschichte zu erzählen. Die allerwenigsten sagen, das sei ihr Traum gewesen, seitdem sie ein Kind waren. Man rutscht in die Prostitution, weil man in irgendeiner Art von Notsituation ist. Meistens ist es bittere Armut. Die Prostitution ist für viele der letzte Weg, aus dieser Armut rauszukommen.

Dabei helft ihr?

Genau. Das ist unser zweiter Arbeitsbereich: Wir helfen den Frauen, die ihr Leben ändern wollen. Egal ob mit Geld, Wohnungen oder Beratung. Wir unterstützen den Schritt in die Legalität. Wir haben eine Putzfirma gegründet und stellen die Frauen dort an. Sie erhalten einen offiziellen Arbeitsvertrag, 25 Franken die Stunde, eine Aufenthaltsgenehmigung, eine Wohnung, für die wir die erste Zeit lang aufkommen.

Langstrasse Zürich
Ein ausbeuterisches System? Wie frei sind die Frauen der Langstrasse? (Symbolbild) © ZüriToday
Warum mieten die Frauen denn nicht ganz normale Wohnungen in der Stadt?

Weil so gut wie niemand einer Prostituierten eine Wohnung geben würde. Vor allem haben sie oft auch nicht das Geld, eine Kaution zu hinterlegen. Sobald sie von uns einen Arbeits- und Mietvertrag erhalten haben, können die Frauen endlich damit beginnen, ihr Leben und ihren Lebenslauf aufzubauen. Was sollen sie denn sonst da reinschreiben? «Ich arbeite seitdem ich 16 bin in der Prostitution?»

Wo müssten die Frauen sonst leben, wenn nicht in euren Wohnungen?

Sonst würden sie in der Regel ein Zimmer hier an der Langstrasse beziehen. Und horrende Summen von 500 bis 1000 Franken die Woche zahlen. Grund: Viele sind hier nicht gemeldet. Dürften keine Wohnung beziehen, kein Bankkonto eröffnen, ja nicht einmal einen Handyvertrag unterschreiben. An der Langstrasse aber stellt keiner mühsame Fragen. Das Bürokratische fällt weg. Dafür nehmen die Frauen die hohen Preise in Kauf. Und die miserablen Zustände der Wohnungen.

Miserable Wohnungen mitten in Zürich? Ist es wirklich so schlimm?

Wir sind oft in den Wohnungen. Und die Zustände sind erschreckend. Eine Wohnung, zehn Zimmer, dutzende Frauen. Eine Küche mit Gaskocher, Stockbetten und Matratzen auf dem Boden, keine Waschmaschine. Im Normalfall würde hier sofort der Mieterschutz reagieren. Aber verständlicherweise beschwert sich keine von den Frauen, da sie Strafen vom Staat und von den Vermietern und Zuhältern fürchten.

Für zehn Franken konnte man an der Langstrasse schon alles Mögliche bekommen.
Jael
Und zahlen aus diesem Grund auch horrend hohe Preise. Verdient man denn gut als Prostituierte in der Stadt?

Nein, das ist ja das Problem. Die Mieten sind unbezahlbar hoch, weshalb sich die Frauen oft verschulden und noch mehr in die Abhängigkeit der Zuhälter und Clubs rutschen. Dazu kam dann Corona: Die Preise fielen ins Bodenlose. Für zehn Franken konnte man an der Langstrasse schon alles Mögliche bekommen. Ausserdem gibt es noch die Bussen, die die Polizei verhängt. Die Langstrasse ist nämlich kein offizieller Strassenstrich.


In der sogenannten Ladies Lounge dürfen sich die Frauen kostenlos mit Kleidung eindecken.
Du hast Corona angesprochen. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf die Branche?

Wir haben von vielen Frauen gehört, dass sie während dieser Zeit in die Prostitution eingestiegen sind, da das Sozialangebot in anderen Ländern einfach nicht so gut ist wie hier in der Schweiz. Viele dieser Frauen sind auch nach Zürich gekommen. Ausserdem gaben die Frauen an, dass seit Corona die Freier vermehrt ausbleiben. Wir haben also ein Überangebot an Prostutierten, was die Preise noch weiter drückt. Dazu kam dann das temporäre Prostitutionsverbot während des Lockdowns. Dies hat die Preise noch mehr gesenkt.

Wieso bleibt man trotzdem in der Branche?

Eben weil man meistens nicht anders kann. Weil man Schulden hat, weil man eine Familie daheim ernähren muss. Und selbst wenn das nicht der Fall wäre. Wenn man ausssteigt, dann steht man da, ohne Wohnung, ohne AHV, ohne Eintrag im Lebenslauf. Ohne Hilfe ist das fast nicht machbar. Dazu kommen dann die psychologischen Aspekte, was das Ganze noch kniffliger macht.

Es gibt dir Sicherheit, auch wenn es die Hölle ist.
Jael
Was meinst du damit?

Die Frauen sind oft in diesem schrecklichen Geschäft gross geworden, sie kennen nichts anderes. Da ist das Einzige, was du kennst, immer noch besser als alles, was du nicht kennst. Ähnliche Phänomene gibt es bei Kindern mit gewalttätigen oder alkoholsüchtigen Eltern. Obwohl es für die Kinder so schlimm ist, wollen sie doch nicht weg, weil es das einzige Zuhause ist, das sie kennen. In der Prostitution ist das nicht anders. Du bist im System dann ja doch jemand, kennst die Spielregeln und alles Fremde macht dir Angst. Es gibt dir Sicherheit, auch wenn es die Hölle ist.

Auch hier versucht ihr zu helfen?

Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Hier müssen wir Vertrauen aufbauen und den Frauen eine andere Welt, eine andere Realität zeigen. Wir hatten Frauen, die lebten seit Jahren hier und waren nur an der Langstrasse. Die wussten nicht mal, dass es in Zürich einen See gibt. Eine glaubte einmal sogar, sie sei in Frankreich. Hier öffnen wir neue Perspektiven. Dann findet auch bei den Frauen ein Prozess statt. Die merken: «Wer macht denn den Scheiss hier freiwillig? Wenn ich Bock auf Sex hätte, könnte ich doch in einen Club gehen und einen Mann suchen, der mir gefällt und nicht einem Wildfremden für 20 Franken einen blasen.»

Weil er Prostitution gefördert haben soll, ist ein Mann zu jahrelanger Haft verurteilt worden
Niemand mache diesen Job freiwillig, meint der Verein Heartwings. © iStock (Symbolbild)
Wie lange unterstützt ihr die Frauen finanziell?

Weniger lange als man glauben würde. Es ist wichtig, den Frauen in den ersten Monaten zur Seite zu stehen. Danach werden die allermeisten verdammt selbstständig. Finden eine weitere Arbeit, besuchen Kurse, lernen die Sprache, schaffen den Ausstieg. Es ist echt grossartig, das mitzuerleben.

Wie finanziert ihr euch?

Wir leben nur von Spenden. Anders wäre das nicht möglich. Denkt man nur an die Krankenkassen-Kosten, die eine Frau dann ja rückwirkend zahlen muss, seitdem sie in der Schweiz lebt, kommen schon horrend hohe Summen zusammen.

Erkennt ihr eine systematische Ausbeutung im Milieu an der Langstrasse?

Auf jeden Fall. Es ist ein System von Ausbeutung, an dem jeder mitverdient. Die Clubs, die Vermieter, die Zuhälter, die Liegenschaftsbesitzer, die Restaurants. Selbst die Polizei, die ja ordentliche Strafen verteilt. Alle verdienen mit, weil so viele Frauen hier sind.

Es gibt tausende Prostituierte im Kanton.
Jael
Und wie viele Frauen sind denn eigentlich hier?

Das ist eine schwierige Frage. Da ja keine registriert ist, weiss keiner wie viele Prostituierte in der Stadt oder im Kanton genau arbeiten. Einzig der Kanton Bern führt eine Statistik. Beschämend für ein Land wie die Schweiz. Ehrlich gesagt müssen wir eingestehen: Wir haben keine Ahnung, wie viele sich gerade hier aufhalten. Es werden wohl einige Hunderte, wenn nicht Tausende im Kanton sei.

Tausende?

Ja, ich denke, dass die Schätzung durchaus hinkommt. Blicken wir allein auf die Stadt Zürich: Etwa 100 Clubs, in denen hunderte Frauen arbeiten. Dazu die Wohnungsbordelle, die Escort-Dienste, dutzende Websites, der inoffizielle Strassenstrich an der Langstrasse und der Strichplatz. Da kommt eine hohe Zahl zusammen.

Du hast vorhin die prekäre Situation aufgrund der Corona-Krise genannt. Denkst du, dass auch der Ukraine-Krieg einen Einfluss auf die Branche hat oder haben wird?

Bis jetzt haben wir diesbezüglich in der Stadt noch nichts gemerkt. Wir rechnen aber damit, dass es einen Anstieg geben könnte von Frauen aus der Ukraine. Bereits jetzt sprechen Organisationen vor Ort, dass der Krieg Menschenhändler auf den Plan gerufen hat, die die Lage der Flüchtenden ausnützen wollen. Es gibt ganz sicher auch hier in der Schweiz Männer, die daraus Profit ziehen möchten. Ein Instagram-Post einer schwedischen Aktivistin gegen Pornografie ziegt, dass in den letzten Wochen die Suchbegriffe «ukrainian girl» und «ukraine» sehr häufig gesucht wurden. Das muss zu denken geben.

Wenn ihr etwas am Umgang mit den Prostituierten hier ändern könntet, was wäre es?

Das wäre zum einen sicher das Bild, das die Gesellschaft von den Frauen, ihren Beweggründen und ihrer Arbeit hat. Deshalb geben wir auch Vorträge an Schulen. Hier müssen wir nämlich ansetzen und das Denken der Gesellschaft verändern.

Welche Art von Denken?

Dafür muss ich weiter ausholen. In den Schulen, die wir besuchen, wird ja altersgerecht Sexualunterricht gelehrt. Und da heisst es immer wieder, es ist in Ordnung Pornos zu gucken oder zu einer Prostituierten zu gehen. Das tönt harmlos, aber genau hier fängt es an. Die Kinder lernen: «Wenn du Lust hast, schau einen Porno.» Ohne dabei zu wissen, dass hunderttausende dieser Videos zum Beispiel Frauen zeigen, die das machen müssen. Ich weiss ganz genau, dass man in einigen Clubs nur ein wenig mehr zahlen muss und dafür seine ganzen Handlungen mit den Frauen filmen kann. Das lädt man dann problemlos auf die Porno-Seiten hoch. Ob es die jeweilige Frau interessiert oder nicht.

Traumwand Heartwings Langstrasse
Auf einer Wand im Büro von Heartwings können die Frauen ihre Wünsche und Träume festhalten.

Du denkst, die Erziehung der Jugend ist ein wichtiger Faktor?

Absolut. Wir sprechen oft mit Jungs, die beginnen mit 10 oder 11 Jahren Pornos zu gucken. Nicht nur, dass daraus eine regelrechte Sucht entstehen kann und dann Kinder mit uns reden und weinend gestehen, dass sie davon nicht mehr loskommen. Dass sie sich nicht mehr konzentrieren können und merken, dass es ihnen nicht guttut. Dazu kommen Kanäle wie Instagram, Tiktok oder Only-Fans. Oder die Jugendsprache und die Liedtexte von gefeierten Rappern. Dadurch wird das Bild von Sex, das Jugendliche haben, komplett verzerrt.

Was meinst du damit?

Diese Kinder landen dann als junge Erwachsene in den Clubs und Bordellen und wollen die perversesten Sachen von den Frauen. Nur mehr anal, nur mehr ohne Gummi, nur mehr Hardcore. Weil ihr Bild von Sex von den Pornos ihrer Jugend geprägt worden ist. Hier muss man auf jeden Fall ansetzen und sich fragen, was eine solche Entwicklung aus unserer Gesellschaft macht und wie es den Leidtragenden – nämlich den Frauen, die sich nicht wehren können – dabei geht. Das wäre mein erster Wunsch.

In Schweden ist eine Generation grossgeworden, die gelernt hat, dass es nicht ok ist, eine Frau für Sex zu kaufen.
Jael
Was muss sich sonst noch ändern?

Ich denke, dass es auch neue Gesetze im Bereich der Prostitution braucht. Ein Vorbild wäre zum Beispiel das Freierbestrafungsgesetz nach dem nordischen Modell. Hier steht nicht die Prostitution unter Strafe, sondern vielmehr die Inanspruchnahme.

Und du denkst, das könnte die Situation der Frauen verbessern?

Es wäre einen Versuch wert, finde ich. Schweden hat das seit 23 Jahren und gute Erfahrungen damit gemacht. Hier in der Schweiz heisst es salopp: «Wenn es dich juckt, dann geh halt zu einer Nutte.» Sobald man aber die Inanspruchnahme der Dienste unter Strafe stellt, überlegt sich der Freier dann zweimal, ob er das machen will. Ähnlich wie beim Kiffen oder anderen Drogen. Das würde auch das Bewusstsein schärfen. In Schweden ist eine Generation grossgeworden, die gelernt hat, dass es nicht ok ist, eine Frau für Sex zu kaufen. Dass es den Frauen schadet. Auch die Frauen haben dadurch ein anderes Bild von sich selbst erhalten.

Inwiefern?

Bei uns heisst es immer: «Hey, die sind so emanzipiert, die machen die Arbeit, weil sie das wollen.» Das ist aber einfach nicht wahr. Sie machen das, weil sie keine andere Wahl haben. Hier muss unsere Gesellschaft aufwachen und sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen: «Ist es in Ordnung, einen Menschen zu kaufen und mit ihm zu machen, was man will?»

https://www.argoviatoday.ch/schweiz/all ... -145877838

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Beitrag von deernhh »

Prostitutions-Expertin Beatrice Bänninger über Pop-up-Puffs
«Die Frauen sind viel mehr ausgeliefert, wenn etwas passiert»

Prostitutions-Expertin Beatrice Bänninger erklärt die Vor- und Nachteile von Pop-up-Puffs: Zwar sind die Sexarbeiterinnen unabhängiger – aber auch alleine, falls etwas passiert.

Publiziert: 02.02.2023 um 07:11 Uhr
Aktualisiert: 02.02.2023 um 09:11 Uhr
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Beatrice Bänninger ist Geschäftsführerin Prostituierten-Beratungsstelle Isla Victoria.
Blick_Portrait_1837.JPG
Michael Sahli
Reporter News

Pop-up-Puffs sind im Trend – kleine Sexsalons, die schon nach wenigen Wochen wieder verschwunden sind. «Es gibt eine Verschiebung von ständigen Betrieben hin zu vorübergehenden Betrieben, eben diesen Pop-up-Salons», sagt Beatrice Bänninger, Geschäftsführerin Prostituierten-Beratungsstelle Isla Victoria, die im Kanton Zürich aktiv ist, zu Blick.

Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe, erklärt Bänninger. «Die Digitalisierung spielt eine Rolle, Sexarbeiterinnen finden Freier auf Social Media. Die Schliessungen von Betrieben während der Pandemie hat ebenfalls eine Rolle gespielt. Aber auch die hohen Mietpreise zum Beispiel an der Langstrasse haben die Verlagerung beschleunigt.

Weder Vermieter noch Rezeption: Darum sind die Business-Apartments bei Prostituierten beliebt(00:56)
(Anmerkung von deernhh ⬆️: Dies ist ein Filmchen. Wenn Du ihn sehen möchtest, musst Du bitte den Link unten anklicken.)

Mehr Selbständigkeit, mehr Risiko
Die Expertin sieht im Konzept der Kleinstsalons Vor- und Nachteile. «Natürlich sind die Unabhängigkeit und die finanzielle Selbständigkeit grösser.» Gleichzeitig würden die Sexarbeitenden auch ein höheres finanzielles Risiko tragen.

Und: «Die Frauen sind alleine und viel mehr ausgeliefert, wenn etwas passiert. In einem grossen Club ist man nicht alleine, für die persönliche Sicherheit ist gesorgt.» Dazu seien die Kurzzeit-Betriebe auch für Isla Victoria schwer zu finden. Ein Problem für Bänninger: «Wir machen als einzige Organisation aufsuchende Arbeit in Erotikbetrieben im ganzen Kanton Zürich.»

In der Realität sei es trotz politischen Lockerungen schwierig, eine Baubewilligung für einen permanenten Erotikbetrieb zu bekommen. Es ist ein weiterer Trumpf der Pop-up-Betriebe und Business-Apartments, so Bänninger: Für vorübergehende Betriebe brauche es in der Praxis für 30 Tage keine Baubewilligung.

https://www.blick.ch/schweiz/prostituti ... 79035.html

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Beitrag von deernhh »

Horgen
Sexarbeiterin fackelt mit Heizlüfter Saunazimmer ab

15.03.2024, 06:06 Uhr

Dass es in einem Zürcher Etablissement ganz so heiss zu und her geht, war nicht geplant. Aus Unachtsamkeit fing eine Matratze in einem Massagesalon Feuer. Eine Sexarbeiterin wurde nun verurteilt.

Angela Rosser

Im Oktober 2022 kam es in einem Massagesalon in Horgen zu einem Brand. Beim Brand in dem Etablissement wurde auch ein asiatisches Restaurant in Mitleidenschaft gezogen.

Matratze fängt an zu brennen
Der Brand ist, wie einem Strafbefehl zu entnehmen ist, auf einen elektrischen Heizlüfter zurückzuführen. Eine damals 41-jährige Prostituierte stellte diesen im Saunazimmer des Massagesalons auf. Das elektrische Gerät wurde in einem Abstand von ca. 50 Zentimetern neben einer Matratze aufgestellt.

Die Frau liess den Heizlüfter für eine nicht bestimmte Dauer unbeaufsichtigt, worauf die Matratze Feuer fing. Die Dame konnte die Flammen nicht selber bekämpfen, weshalb die Feuerwehr aufgeboten werden musste. Die Feuerwehrleute konnten den Brand unter Kontrolle bringen.

Sorgfaltspflicht missachtet
Durch das Feuer wurden das Untergeschoss des Massagesalons sowie das asiatische Restaurant im Nachbargebäude beschädigt. Insgesamt beläuft sich der Sachschaden auf 178'000 Franken, wie im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal festgehalten ist.

Die Strafe für die Sexarbeiterin für die «Fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst» beträgt 30 Tagessätze à 30 Franken und wird mit einer Probezeit von drei Jahren angegeben. Zudem wurde der Frau eine Busse von 300 Franken auferlegt.

Unter den eingezogenen Gegenständen befinden sich der besagte Heizlüfter, eine Mehrfachsteckdose mit Kippschalter und eine Steckdose mit einem Abzweigstecker. «Durch ihr Verhalten missachtete die Beschuldigte elementarste Sorgfaltspflicht im Umgang mit elektrischen Heizlüftern», heisst es in dem rechtskräftigen Strafbefehl abschliessend.

veröffentlicht: 15. März 2024 06:00
aktualisiert: 15. März 2024 06:06
Quelle: ZüriToday

https://www.zueritoday.ch/zuerich/kanto ... -156514988

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Beitrag von deernhh »

Zürich
Sexarbeit in Zürich: Stadtparlament fordert legale Strichzone an der Langstrasse

Die Zürcher Langstrasse soll zum legalen Strassenstrich werden. Im Quartier sieht man es skeptisch: «Die Belastung ist heute schon gross genug»
Das Zürcher Stadtparlament spricht sich deutlich für Strichzonen aus. Doch es gibt Widerspruch von unerwarteter Seite.

Jan Hudec
17.01.2025, 05.15 Uhr 4 min

Kunden vor einem 24-Stunden-Shop an der Langstrasse in Zürich.
Selina Haberland / NZZ

Kein Ort in Zürich steht mehr für Enthemmung als die Langstrasse. Wochenende für Wochenende torkeln Gruppen von Betrunkenen über die Trottoirs, decken sich in 24-Stunden-Shops mit Zigaretten und Fast Food ein – und in dunklen Gassen mit Drogen. Sie sind auf der Suche nach Party, Rausch und Sex.

Letzteren gibt es an der Langstrasse auch gegen Geld. Mitten im abendlichen Getümmel stechen jene Frauen vor den Rotlichtbars heraus, die auch bei tiefen Temperaturen im kurzen Röckchen draussen stehen und rauchend nach potenziellen Freiern Ausschau halten.

Was hier an der Langstrasse passiert, wissen alle: Die Drogen, die Strassenprostitution, sie gehören dazu – auch wenn sie illegal sind.

Nun will das Zürcher Stadtparlament das Recht der Realität anpassen. Zumindest in Bezug auf die Sexarbeit: Der Stadtrat soll dafür sorgen, dass geeignete Strassenabschnitte im Gebiet von Lang- und Kernstrasse zu legalen Strassenstrichzonen werden. Dies forderten SP, AL und Mitte in einem Vorstoss, und sie konnten am Mittwoch auch die Mehrheit des Parlaments davon überzeugen.

SP: «Das wirksamste Mittel gegen Ausbeutung»
Anna Graff (SP), die das Postulat im Parlament begründete, sagte es so: Die Kriminalisierung der Sexarbeitenden habe zur Folge, dass diese entweder abseits der Strasse anschaffen müssten, was risikoreich sei. Oder sie suchten sich ihre Freier trotz Verbot auf der Strasse und liefen Gefahr, erwischt und bestraft zu werden.

Die Illegalität führe letztlich dazu, dass die Sexarbeiterinnen den Kontakt mit der Polizei meiden würden – auch dann, wenn sie auf Hilfe angewiesen wären. Und auch für die Mitarbeitenden von Beratungs- und Fachstellen sei es schwieriger, den Kontakt zu den Prostituierten zu finden. «Legal arbeiten zu können, ist ein langjähriges Anliegen von Sexarbeiterinnen und das wirksamste Mittel gegen Ausbeutung und Gewalt», sagte Graff.

Von linker Seite erhielt sie dafür viel Zustimmung, und auch die FDP fand die Liberalisierung im Grundsatz richtig. Patrick Brunner betonte aber, dass man die Anwohner nicht vergessen dürfe. Diese seien durch das Partyvolk, die Drogenproblematik und die Prostitution schon heute stark belastet. Das müsse bei der Umsetzung berücksichtigt werden. Die GLP unterstützte die Strichzone ebenfalls nur mit einem Vorbehalt: «Es braucht flankierende Massnahmen», sagte Serap Kahriman. Der Schutz der Sexarbeitenden müsse verbessert werden. Denn der Grossteil von ihnen werde ausgebeutet.

Gegner hatten die Strichzonen nur wenige, einerseits bei der SVP, andererseits – ein bisschen überraschender – auch bei den Grünen. Die SVP lehnte das Postulat rundweg ab, es sei doch absurd, etwas Illegales legal zu machen, sagte Stephan Iten. «Da könnten sie ja auch legale Drogenzonen an der Langstrasse fordern.» Am Sihlquai habe die Stadt den Strassenstrich aufgehoben, diesen nun in einem stark belasteten Quartier wieder aufleben zu lassen, sei widersinnig.

Die Belastung fürs Quartier war das, was auch einige Grüne wie Markus Knauss umtrieb: «Es ziehen immer mehr Leute von der Langstrasse weg, weil sie es dort nicht mehr aushalten.» Mit den Strichzonen werde ein Magnet für Männer geschaffen, «die nicht unbedingt die nettesten sind». Er zweifelte zudem daran, dass die Massnahme die Situation für die Frauen verbessert.

Fachstelle: «Nicht zu hohe Auflagen»
Letzteres sieht man selbst bei Fachstellen skeptisch. Beatrice Bänninger ist die Geschäftsführerin des Vereins Solidara Zürich, welcher die Beratungsstelle Isla Victoria betreibt. Diese berät Sexarbeitende in sozialen, gesundheitlichen und rechtlichen Themen. Bänninger macht sich stark dafür, Sexarbeit zu entkriminalisieren. Insofern sei der Entscheid des Gemeinderats denn auch zu begrüssen.

Gleichwohl hält sich ihre Freude in Grenzen: «Der Nutzen hängt sehr stark davon ab, wie die Einführung der Strichzonen umgesetzt wird.» Dies ist noch offen, der Stadtrat wird dem Parlament bis in zwei Jahren einen Vorschlag unterbreiten müssen.

Wichtig ist aus Bänningers Sicht, dass die Auflagen für die Sexarbeitenden nicht zu hoch sind. Wer heute in einer der drei Strichplatzzonen anschaffen will, braucht dazu eine offizielle Bewilligung zur Ausübung der Strassenprostitution. «Dies schliesst aber viele aus», sagt Bänninger. Viele Frauen im Milieu halten sich ohne Arbeitserlaubnis in der Schweiz auf und haben deshalb keine Chance, an eine solche Bewilligung zu kommen. «Wird es auch an der Langstrasse eine solche Bewilligung brauchen, wird ein grosser Teil der Frauen weiterhin im Verborgenen anschaffen müssen.»

Bänninger plädiert zudem dafür, auf ein Nachtfahrverbot an der Langstrasse zu verzichten. Ein solches wird im Postulat für den Abschnitt Brauer- bis Dienerstrasse explizit angeregt, um das Quartier zu entlasten. Den Sexarbeitenden jedoch würde dies schaden, sagt Bänninger. Denn viele Freier kommen mit dem Auto und halten so Ausschau nach den Frauen. Schon das heute gültige Fahrverbot tagsüber habe sich negativ auf das Geschäft der Prostituierten ausgewirkt. «Kommt es zu einem Nachtfahrverbot, wird das die Abwanderung der Sexarbeitenden noch weiter verstärken.»

Schon heute finde eine Verlagerung in die Agglomeration statt, weil die Langstrasse für die Prostituierten und die Rotlichtetablissements zu teuer geworden ist. Verschwänden die Sexarbeitenden von der Langstrasse, werde es schwieriger für die Beratungsstellen, mit ihnen in Kontakt zu treten.

Quartierverein: «Es braucht ein Nachtfahrverbot»
Ganz anders sieht man es im Quartier: «Ein Nachtfahrverbot braucht es zwingend», sagt Felix Bosshard, Vizepräsident des Quartiervereins Aussersihl-Hard. Sonst gebe es noch mehr Lärm an der Langstrasse. «Die Belastung ist heute schon gross genug.» Man habe sich zwar daran gewöhnt, ein Hotspot der Vergnügungsindustrie zu sein, aber das Limit sei erreicht. Deshalb schaut er auch der Einrichtung der Strichzonen skeptisch entgegen. «Für uns ist es zentral, dass uns der Stadtrat in die Projektierung einbezieht.»

Bosshards Hoffnung ist durchaus berechtigt. Denn am Mittwoch stimmte das Parlament dem Postulat mit der Ergänzung zu, dass die Strichzonen «quartierverträglich» gestaltet werden sollten. Ob und wie das geht, wird sich bis in zwei Jahren zeigen.

https://www.nzz.ch/zuerich/sexarbeit-in ... ld.1866548