"Rollimans Erfahrungen"

Hier könnt Ihr Eure Erlebnisse und Eure Gedanken zum Thema "Sexarbeit mit behinderten Kunden" aber auch "behinderte SexarbeiterInnen" posten, oder Anregungen holen, wie man mit dem sicherlich sensiblen Themen umgehen kann bzw. soll.
Benutzeravatar
Rolliman
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 165
Registriert: 30.05.2007, 18:07
Wohnort: Niederzier
Ich bin: Keine Angabe

Re: RE: "Rollimans Erfahrungen" - He is still ALIV

Beitrag von Rolliman »

          Bild
Kasharius hat geschrieben:@ lieber Rolliman,

zunächst kleiner Hinweis unter uns: Mehrarbeit für schwerbehinderte Arbeitnehmer ist gesetzlich verboten :002 .

Ansonsten freue ich mich sehr, daß es Dir gut geht.

Nun zu Deinem Block, den ich jüngst ausführlich studiert habe:

Ja, ich finde auch Deine Erfahrungsberichte gerade in Bezug auf Sexarbeit aus Kundensicht sind sehr eindrucksvoll und sprachlich intensiv geschildert, daßsie zwischen zwei Buchdeckel gehören. Sie gehören meiner persönlichen Ansicht nach ber auch als "sachverständige" Stellungnahme in jede Anhörung zum ProstG und auch Du selbst müstest eigentlich als "Sachverständiger Kunde" geladen werden. Wenn jemand das prädikat "engagierter Kunde" verdient dann Du.....

Ich stimme nicht mit allem inhaltlich über ein was Du in Deinem Block schreibst (Stichwort: "Bringschuld") und die an Dich gerichtete Frage eines Kunden im Bordell, was Du den hier wohl wolltest, finde ich persönlich eine diskriminierende, tabulose Grenzüberschreitung (die Du freilich auf Deine Art gekontert hast!) aber darauf kommt es nicht an. Wichtiger ist, daß Du klar und eindeutig DEINEN Standpunkt auch zu selbstbestimmterSexarbeit vertrittst.

Ich hoffe daher inständig, wieder mehr im Block oder HIER von Dir zu lesen...

Kasharius grüßt sehr herzlich :006
@Kasharius
Ich weiß sehr wohl, dass ich Mehrarbeit ablehnen könnte, aber wieso solllte ich?
Sind es nicht gerade jene "Schutzgesetze" die es Firmen in der freien Wirtschaft nahezu unmöglich machen, Behinderte zu beschäftigen? Wenn ich das Credo der Inklusion für mich in Anspruch nehmen will, dann habe ich auch die Pflicht, alles in die Waagschale zu werfen, was ich kann. Schon um das innerliche Betriebsklima zu wahren, möchte ich mit gleicher Messlatte bemessen werden, wie mein nichtbehinderter Kollege. Ich kann nicht nur fordern, dass ich etwas haben will. Ich muß auch nach meinen Fähigkeiten etwas zurück geben. Das vergessen halt sehr viele Behinderte leider zu oft. Desweiteren habe ich durch meine Behinderung gerade bei Katastrophen einen großen Vorteil: Ich habe durch meine Behinderung selbst im größten Stress gelernt ruhig zu bleiben, und Punkt für Punkt meinen Plan abzuarbeiten! So habe ich in Köln 4 Stunden in der U-Bahnn gesteckt, weil der Aufzug defekt war. Neben mir war ein Rentner, der nen Tobsuchtsanfall bekommen hat, den er mit einer Herzattacke bezahlt hat. Ich habe ganz einfach ein Taschentuch rausgezogen und dem Lokführer der nächsten Bahn ein Zeichen gegeben. Der hat dann Techniker angerufen, die dann ein Aufzug repariert haben. Während sich immer mehr Leute vor den Aufzug drängelten, stand ich etwas abseits und habe gepennt. :015 Ich habe das gemacht was nötig war. Mehr konnte ich nicht tun.
Und genau das wissen meine Chefs mittlerweile sehr zu schätzen, obwohl sie mich sonst mit meinen kritischen bemerkungen zum Mond schießen wollen.

Auch zu deinem 2.Punkt habe ich eine andere Meinung: Auch als Behinderter sollte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Wenn jemand im Club fragt:"Was will der hier?" Dann habe ich immer die Möglichkeit mich aufzuregen oder gelassen zu bleiben. Wenn ich gelassen bleibe und das Gespräch suche, dann beibt bei allen Beteiligten viel mehr positives hängen, als wenn ich direkt mit dem Anwalt drohe... :002 :002 :002 :003

Mit den Buchdeckeln,das ist mein Traum, allerdings ist vielen Verlagen das Thema zu heiß. Getreu dem Motto:"Sex und Behinderte ist Tabu! Sex mit Prostituierten ist tabu! Ein Behinderter beim Sex mit Prostituierten und der schreibt auch noch darüber - das ist der Untergang des Abendlandes..."

so long
Rolliman

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

RE: "Rollimans Erfahrungen" - ERwiderung

Beitrag von Kasharius »

Lieber @Rolliman,

erst mal Danke für Deine ausführliche Antwort (und das nach einem so langen Arbeitstag um diese Uhrzeit ..!).

In der Sache muss man, glaube ich, zwei Dinge von einander unterscheiden:

Auch mich nerven "unsere behinderten Leidensgenossen" die meinen, sie seien der Nabel der Welt, hätten nur Rechte und keine Pflichten und können sich, weil ja Behindert, benehmen wie die Axt im Walde. Gerade behinderte Mandanten im Arbeitsrecht muss ich immer wieder daran erinnern, daß auch ihr Arbeitsvertrag - Schwerbehindertenrecht und AGG hin oder her - Pflichten enthält (und was bin ich froh, daß ich Selbstständig bin :002 ). Und natürlich können auch Menschen mit Behinderungen anderen behilflich sein und sollten das dann auch bzw. ein Mindestmaß an sozialer Alltagskompetenz an den Tag legen. Mit Sicherheit sind behinderte Kunden die Sexarbeit beanspruchen nicht immer und ausnahmslos die besseren Kunden, weil so dankbar, bescheiden, anspruchslos etc. (so liest man es in veröffentlichten Schilderungen,gerade wenn es um Sexualbegleitung geht ja immer wieder). Wie wurde jüngst eine SW in einem Artikel des Magazins REHATREFF zitiert: "Es gibt auch Arschlöcher!", einer erfrischend ehrliche Feststellung!

Andererseits neigt aber, das zeigen die einschlägigen Gerichtsurteile des Bundesarbeitsgerichts zum AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) gerade der öffentliche Dienst dazu, schwerbehinderte Arbeitnehmer zu benachteiligen. Und ich denke weder Du noch ich sind bereit, uns gesellschaftliche Annerkennung immer durch besonderes Wohlverhalten zu erstreiten. Wie oft muss ich mir auf offener Straße ungebetene Erziehungsratschläge anhören, mich Dutzen oder über den Kopf streicheln lassen. Wie oft wollen mir Leute Geld zu stecken wenn ich an der Strassenecke einfach nur auf jemanden warte. Und wie oft fragen mich wildfremde Leute einfach so nach der Ursache meiner Behinderung ("War dit schon imma so...?"). Ich reagiere auf soetwas je nach Tagesform aber es bleiben Grenzüberschreitungen die umgekehrt doch undenkbar wären - außer man provoziert soetwas mal. Und da wandelt sich unsere Bringschuld dann doch manchmal in eine IN-DEN-A*****-TRITT-SCHULD - oder?!

Was das Buchprojekt betrifft: Ich habe meine Erfahrungen in Form von fiktiven Kurzgeschichten veröffentlicht gekriegt; freilich auch mit etwas Vitamin B....


Soweit für heute von mir.

Kasharius grüßt und wünscht eine schöne Restwoche



:006

Benutzeravatar
Rolliman
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 165
Registriert: 30.05.2007, 18:07
Wohnort: Niederzier
Ich bin: Keine Angabe

RE: "Rollimans Erfahrungen"

Beitrag von Rolliman »

Ein neues Projekt von mir:
In mir schlummert schon lange der Wunsch, über meine Erfahrungen als Freier im Rolli ein Buch zu schreiben. Jedoch fällt es mr zunehmend schwerer lange Textpassagen selber zu scheiben. Diktiersoftware war bei meiner Aussprache auch nicht der Knaller und mit einem Ghostwriter zu arbeiten ist aus diversen Gründen auch nicht meine Welt. Nun diktiere ich einer befreundeten Journalistin über Skype. Klingt zwar gaga, aber Not macht bekanntlich erfinderisch und es klappt auch ganz gut.
Ich möchte euch einladen, uns bei der Entstehung des Buches zu begleiten, und uns mit Feedbacks, Rat und Tat, oder Kontakten zu helfen. Angefangen haben wir mit einer Facebookseite. Eine begleitende Webseite und ein You-tube-Channel werden in Kürze folgen.
https://www.facebook.com/pages/Rolliman ... 3978693056

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Beitrag von Kasharius »

Erstmal gut wieder von Dir zu hören und viel Erfolg für das Projekt.

Kasharius grüßt herzlich