Einleitung:
Diese Arbeit geht keiner speziellen Fragestellung nach, vielmehr habe ich versucht das Thema "Prostitution im Mittelalter" zu systematisieren, um einen Überblick zu gewährleisten. Dies hatte mehrere Folgen für meine Arbeit. Zum einen mußte ich mich, um ein relativ homogenes Bild zu schaffen, auf den deutsprachigen Raum beschränken. Zum anderen war es nötig Einzelfallbetrachtungen außen vor zu lassen, da sie entweder Ausnahmen darstellten oder aber durch keine weiteren Belege gestützt auf keine Verallgemeinerbarkeit schließen ließen.
Zu Beginn möchte ich darlegen, was genau ich untersuchen werde. Dies ist nötig, da die Definition von Prostitution sich seit dem Mittelalter sehr gewandelt hat.
1. Die Definition von Prostitution im Mittelalter
Das entscheidende Kriterium für Prostitution im mittelalterlichen Verständnis war nicht die Käuflichkeit, sondern vielmehr der rasche Partnerwechsel1. Allerdings schienen sich die damaligen Gelehrten nicht ganz über den Umfang den dieser einnehmen mußte einig zu sein2. Nach dieser Definition sind also Konkubinen, Landknechtshuren und Pfaffenmägde keine Prostituierten. Ob diese Unterscheidung auch im Denken der Menschen bestand, ist heute nicht mehr nachweisbar, jedoch hatte diese Unterscheidung juristisch eine Folge, Prostituierte nämlich mußten für jeden Mann käuflich sein und durften nicht eine abgegrenzte Stammkundschaft besitzen3.
Ich spreche nur von weiblich- heterosexueller Prostitution, da Homosexualität als Sodomie galt und als solche mit dem Scheiterhaufen geahndet wurde. Männlich- heterosexuelle Prostitution wurde ebenfalls als todeswürdiges Verbrechen angesehen4.
Da man heute Prostitution in erster Linie mit der Käuflichkeit von "Liebe" verbindet, sie also als eine Dienstleistung darstellt, will ich diese Definition als Grundlage für meine Hausarbeit nehmen und einen Überblick über die verschiedenen Dienstleistungen dieser Art liefern.
2. Ein kurzer chronologischer Überblick über die Entwicklung der Prostitution im Mittelalter
Über die Prostitution im frühen Mittelalter ist wenig überliefert, man weiß jedoch von Prostituierten, die sich den Wallfahrten anschlossen und für das leibliche Wohl mancher Pilger sorgten5. Im Hochmittelalter waren es Turniere und die Kreuzzüge, die eine große Zahl von Frauen anzogen. So sollen beim ersten Kreuzzug eintausend Prostituierte dem französischen Heer ins "Heilige Land" gefolgt sein, da der Verkehr mit heidnischen Frauen als eine schwere Sünde galt6.Diese Verbindung zwischen Soldaten und Prostituierten gab es im Spätmittelalter wieder allerdings mehr in Form einer Konkubine7. Im Früh- und Hochmittelalter scheint es vor allem Prostituierte gegeben zu haben, die von Ort zu Ort zogen8. Dies änderte sich als gegen Ende des 14. Jhdt. eine Gründungswelle von städtischen Bordellen einsetzte9, die sogenannten Frauenhäuser. Neben diesen Frauenhäusern gab es noch das eine oder andere Badehaus, in dem es Prostitution gab, und vor allem freie Prostitution, die wohl den Hauptanteil ausmachte10.
3. Der Weg in die Prostitution
Jede Ursachenbenennung ist notgedrungen eine Vereinfachung. Es waren meist verschiedene Faktoren die unter Umständen dazu führten, daß eine Frau zur Prostituierten wurde.
Der Hauptgrund war meist die Armut verbunden mit einem Herausfallen aus dem gesellschaftlichen Gefüge. Dies konnte beispielsweise durch eine voreheliche Schwangerschaft11 oder nach einer Vergewaltigung12 geschehen.
Die meisten Prostituierten scheinen den unteren Schichten anzugehören, wie z.B. Dienstmädchen, die vom Land in die Städte kamen und dort an Zuhälter (Kuppler) gerieten13. Denkbar sind aber auch noch sehr viel mehr Wege die in die Prostitution führen konnten.
4. Die verschiedenen Ausrichtungen der Prostitution
4.1. Die Soldatendirnen
Der Begriff der Soldatendirne ist eigentlich irreführend, da die Hauptfunktion dieser Frauen nicht in der sexuellen Befriedigung zu liegen schien, sondern eher ein Teil der militärischen Logistik darstellten. In der frühen Neuzeit hatten sie sogar einen Vorgesetzten den man Hurenweibel nannte14. Die Aufgaben dieser Frauen waren folgende15:
-Pflege der Soldaten bei Verwundung und Krankheit.
-Beute-, Waffen- und Geschirrschleppen
-Prostitution als solche
-Unterhaltsversorgung
4.2. Die Prostitution in Badehäusern
Eine Verbindung zwischen Prostitution und Badehäusern herzustellen ist eher problematisch. Während man früher an Hand von Einzelbeispielen und Parallelen zu südfranzösischen Badehausbordellen, die Verbreitung der Prostitution in Badehäusern begründete16, hat man sich heute eher von dieser Sicht. Die neuere Forschung sagt, daß es "ehrbare" Badehäuser gab und eben auch andere. Duerr meint, der Unterschied sei in etwa so groß gewesen, wie er "heute zwischen einem städtischen Hallenbad und einem erotischen Massagesalon besteht"17. Auch ich glaube, daß eine Differenzierung nötig ist, da man nicht von ein paar erhaltenen Kriminalakten auf die Gesamtheit schließen sollte.
4.3. Die freie städtische Prostitution
Neben den von den Städten kontollierten Frauenhäusern gab es eine Vielzahl von privaten Bordellen. Diese Bordelle machten soweit man das punktuell feststellen kann, den Hauptanteil an der Prostitution aus18.
Diese Schätzung beruht auf den einzigen erhaltenen Daten, die einen Umfang der Prostitution in Zahlen fassen. Inwieweit die Zahlen allerdings wirklich repräsentativ sind, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Die Anzahl der Prostitutierten von Nürnberg ist uns zum Beispiel nur deshalb erhalten, weil es von den im Frauenhaus angestellten Prostitutierten Beschwerden über die Konkurrenz an die Stadt gab. Da es sich letztlich aber um eine Dienstleistung handelt, die von Angebot und Nachfrage lebt, kann es natürlich sein, daß es in Nürnberg ein Überangebot an Prostituierten gab und es deshalb zu dieser Beschwerde kam oder aber ein Mangel an Kunden, welches zu dem Überangebot führte. Deshalb, und das wollte ich damit ausdrücken, kann man nicht genau sagen, ob wir hier repräsentative Zahlen vor Augen haben oder nicht. Auf eins deutet diese Tabelle dennoch hin, daß nämlich der Umfang dieser Dienstleistung nicht wesentlich höher war als heutzutage. Denn dies ist es, was die Literatur der Jahrhundertwende einem suggeriert20.
Nun bleibt noch die Frage offen, wo und für wen die Prostituierten arbeiteten. Auch das läßt sich heute nicht mehr mit Sicherheit bestimmen. Die meisten Privatbordelle waren wohl in bestimmten Vierteln untergebracht, die in Mitteleuropa traditionell eher am Rand der Städte lagen21. Der Etymologie nach soll das Wort "Bordell" sich von "bord" und "eau" herleiten, also "am Rande des Wassers" bedeuten22.
Die Bordelle hatten meist weniger als fünf Mitarbeiterinnen und die Betreiber scheinen oftmals Frauen gewesen zu sein23. Es gab aber auch andere Formen der freien Prostitution. Manche Prostituierten arbeiteten auf eigene Rechnung und hatten entweder Hinterzimmer oder Häuser gemietet. Ebenso gab es natürlich die Möglichkeit von Hausbesuchen. Mancherorts wird sich auch ein Straßenstrich gefunden haben und nicht zu vergessen sind auch die Prostitutierten, die ohne einen festen Arbeitsplatz umherwanderten.
Eine größere Anziehungskraft müssen auch Orte gebildet haben, an denen sich viele Männer ohne ihre Ehefrauen aufgehalten haben24. Abschließend läßt sich dazu sagen, daß die Quellen zu diesem Thema dürftig sind. Der Grund dafür dürfte einfach der sein, daß es damals wie auch heute nicht als schicklich galt, bei Prostituierten zu verkehren und noch weniger darüber zu sprechen oder gar zu schreiben.
4.4. Die Frauenhäuser
Die Frauenhäuser sind die mit Abstand am besten erforschten Orte der Prostitution, was an der besseren Quellenlage zu diesem Teilbereich liegt. Erhalten sind neben Prozeßprotokollen vor allem die Eide der Frauenhauswirte gegenüber der Stadt. In diesen Eiden finden sich zum Teil sehr penibel aufgezählt alle Rechte und Pflichten dieser gegenüber den Prostituierten und der Stadt.
4.4.1. Gründe für die Etablierung der Frauenhäuser
Der vielleicht naheliegenste Grund für die Etablierung solcher Häuser durch die Stadt, wäre wie man vermuten könnte, der daß die Städte an der Prostitution mitverdienen wollten. Doch gerade dies scheint zumindest im deutschsprachigen Raum im hohem Maße nicht zuzutreffen. So überschreiten die Pachteinnahmen der Städte in keinem Fall die 0.5 % Marke gemessen am Etat. In Nördlingen gar wurde dem Hauswirt nur die Pflicht auferlegt, das Haus " nach zimblicher beschaidenhait bawlich und wesentlich [zu] halten25. In anderen Städten wurde der Hauswirt verpflichtet, den Scharfrichter oder den Büttel zu bezahlen, anderswo wurde es für soziale Zwecke gespendet. Man vermied es offensichtlich, den Anschein eines finanziellen Interesses zu geben.
Die wahren Motive der Stadtväter lagen vielmehr im ordnungspolitischen Nutzen städtischer Bordelle. Man wollte in der Stadt für Ruhe sorgen und die Junggessellen in überwachbare Bahnen zwängen26. Das heißt konkret, daß man verhindern wollte, daß sich die Männer an Jungfrauen oder anderen ehrbaren Frauen vergehen27. Dies ist die verbreitete Forschermeinung und auch der Grund, der von den Stadtvätern bei der Diskussion über die Errichtung der Frauenhäuser angegeben wird. Die Frage, die mich dabei beschäftigt, auf die ich aber auch keine Antwort weiß, ist: Wenn man herausgefunden hat, daß die Frauenhäuser im Verhältnis zur freien Prostitution nur etwa 1/3 des Bedarfes deckten28, dann kann dies sehr wohl die Begründung dafür sein, daß man die Prostitution nicht verbot, aber nicht die Erklärung für die Einrichtung städtischer Frauenhäuser.
Ermöglicht wurde die Prostitution überhaupt erst durch die tolerierende Haltung der katholischen Kirche in dieser Frage29.
4.4.2. Der Aufbau der Frauenhäuser
Grundsätzlich läßt sich dazu sagen, daß jedes Frauenhaus anders aufgebaut war, dennoch werde ich versuchen, ein schematisiertes Bild zu liefern.
Im allgemeinen befand sich in einem solchem Haus ein großer beheizter Gesellschaftsraum, von dem man über eine Treppe in die im ersten Stock gelegenen Arbeitsräume gelangen konnte. Diese oberen Räume scheinen nur mit einem Bett ausgestattet gewesen zu sein. Der Zustand der Häuser war höchst unterschiedlich, er reichte von einem baufälligen Holzkonstrukt bis zu relativ luxuriösen Innenausstattungen in ansehnlichen Häusern.
In diesen Häusern lebten meist 5-10 Prostituierte, der Frauenwirt, seine Frau und eine nicht bestimmbare Zahl von Personal.
4.4.3. Der Alltag im Frauenhaus
Das Frauenhaus war mehr als nur ein Bordell. Der große Gesellschaftsraum diente nicht nur der Kontaktaufnahme zwischen Prostituierten und Freiern, sondern war ähnlich wie bei einem Wirtshaus ein Ort, an dem man gesellig zusammensitzen konnte30. Dort wurde Wein und wahrscheinlich auch andere Getränke zu meist überteuerten Preisen ausgegeben31. Das Glücksspiel scheint dort auch sehr verbreitet gewesen zu sein32. Damals wie heute gehörte das Frauenhaus zu einem Unterweltmilieu, in dem man Diebe und Hehler antreffen konnte.
Allerdings bemühte sich die Stadt sehr, auch dort das Leben in relativ geordneten Bahnen ablaufen zu lassen. So wurde das Frauenhaus bereits um 20- 21 Uhr geschlossen, um Ruhe in den Straßen einkehren zu lassen. Dann durften nur noch Männer dort sein, die mit einer Prostituierten die ganze Nacht verbrachten33. Gänzlich geschlossen waren die Frauenhäuser an Vorabenden von christlichen Feiertagen, also auch jeden Samstag, sowie allerdings regional unterschiedlich auch in der Osterwoche34.
4.4.4. Der Frauenwirt
Die Frauenwirte waren in Süddeutschland meist männlichen und in Mitteldeutschland meist weiblichen Geschlechts35. Sie waren soweit man dies nachzuvollziehen vermag Fremde aus niederer gesellschaftlicher Stellung36. Auch durch die Übernahme des Amtes änderte sich an ihrer Stellung nichts, denn es war weder ihnen noch ihrer Familie möglich die Bürgerrechte zu erwerben, während die Stadt andererseits mit den Bürgerpflichten meist großzügig war. So wurden sie durch den Eid verpflichtet, Boten- und Feuerlöschdienste zu übernehmen, ein Pferd zu stellen oder am aktiven Kriegsdienst teilzunehmen37.
Die Voraussetzungen für das Amt waren sehr unterschiedlich. Manche mußten erhebliche finanzielle Mittel mitbringen, da sie das Haus mit Inventar und "Produktionsmitteln" kaufen mußten, während andere das Haus meist auf ein bis zwei Jahre pachteten38. Allen gemein war der Eid, der die Bürgerpflichten regelte, aber vor allem die berufsbezogenen. Der Frauenhauswirt mußte dafür sorgen, daß im Haus die Öffnungszeiten eingehalten wurden, daß keine verheirateten Männer, Geistliche oder Juden dort verkehrten, daß keine illegalen Geschäfte dort getätigt wurden, uvm.. Kurz um, wenn sich jemand in diesem Haus strafbar machte konnte immer auch der Frauenwirt mit belangt werden39. Die Pflichten gegenüber den Prostituierten bestanden im wesentlichen aus Versorgungspflichten40, wie auch der Verpflichtung, keine Frau, sofern sie schuldenfrei war, gegen ihren Willen dort festzuhalten.
Nun stellt sich die Frage, warum überhaupt jemand bereit gewesen sein soll dieses Amt zu erwerben. Wie man wohl leicht erraten kann, liegt der Grund dafür im Verdienst. So bekammen die Frauenwirte 1/3 des Umsatzes der Prostituierten und sie konnten vereinzelt zu einem beträchtlichen Vermögen gelangen41.
4.4.5. Die Prostituierte im Frauenhaus
Die Stellung einer Prostituierten in der spätmittelalterlichen Gesellschaft läßt sich nicht ohne weiteres in ein Schema pressen. Sie galt nicht als unehrlich, im Sinne von rechtlos42, sondern vielmehr im Sinne von unehrenhaft. So war es ihr durchaus möglich, vor Gericht zu klagen oder als Zeugin aufzutreten. Allerdings waren sie gänzlich vom Bürgerrecht ausgeschlossen.
Von der Gesellschaft wurden sie stark diskriminiert und durch eine Kleiderordnung kenntlich gemacht43. Die Aussonderung wurde sogar nach ihrem Tod fortgeführt, da sie nicht auf geweihtem Boden beerdigt werden durften, so daß manche Frauenhäuser einen kleinen Friedhof im Hinterhof hatten44.
De facto stand sie aber in einem fast sklavenhaften Verhältnis zum Frauenwirt. Dieser kaufte sie und sie durfte ohne seine Einwilligung nicht einmal das Haus verlassen. Geschützt war sie jedoch vor körperlichen Mißhandlungen und Vergewaltigungen, da diese Strafen nachsichziehen konnten45. Insgesamt betrachtet ging es ihnen bedauerlich schlecht. Da sie keine sicheren Verhütungsmittel kannten und andere Sexualpraktiken als Sodomie galten46, wurden sie mit Sicherheit des öfteren schwanger47. In diesem Fall gab es drei Möglichkeiten, entweder mußten sie abtreiben, sie gebaren das Kind und setzten es aus oder sie mußten das Frauenhaus verlassen und als alleinstehende Mutter ein Leben in Armut führen.
Aber auch wenn sie im Frauenhaus blieben, lebten sie in Armut, meist waren sie so hoch beim Frauenwirt verschuldet, daß es ihnen nicht möglich war, sich freizukaufen. Bleibt noch zu betrachten, welche Auswege einer Prostituierten blieben:
a) Durch Mutterschaft, wie oben beschrieben
b) Durch Krankheit, in diesem Falle wurden sie vorrübergehend aus dem Geschäft genommen, im Falle von Syphilis dauerhaft48.
c) Durch Heirat, dabei mußten sie aber erst einmal von ihrer Schuldenlast befreit werden und selbst dann wurden sie noch weiter diskriminiert49.
d) Durch Eintritt in ein Kloster50
5. Die Kunden
5.1. Die soziale Zusammensetzung
Damals wie heute gehörten alle sozialen Schichten und Altersgruppen zu den Kunden der Prostituierten. Wie die genaue Zusammensetzung war läßt sich allerdings nicht mehr nachweisen. Die einzigen Quellen die uns über die Zusammensetzung der Freier Aufschluß geben könnten, wären Gerichtsprotokolle.
Wie konnte Mann als Freier im Frauenhaus straffällig werden?
Prinzipiell gab es dabei zwei Möglichkeiten:
a) Mann fing ein Streit oder eine Schlägerei an.
b) Mann durfte gar nicht dort sein.
Zu a) läßt sich sagen, daß es sich im Normalfall um junge Gesellen handelte, die sich in die Haare kriegten, während b), da ohnehin verboten, Streitereien aus dem Wege ging51.
Verboten war der Verkehr mit Prostituierten im wesentlichen drei Gruppen:
a) Verheirateten Männern, da der außereheliche Geschlechtsverkehr gegen das Sakrament der Ehe verstieß. Diese stellten wahrscheinlich dennoch einen beträchtlichen Anteil der Freier dar, zumal die Strafen, wenn überhaupt verhängt, meist nur geringe Geldstrafen waren52.
b) Geistlichen war der Besuch bei Prostituierten, wegen dem Zölibat verwehrt. Jedoch kamen diese wenn sie dabei ertappt wurden nicht vor ein weltliches Gericht, deshalb gibt es darüber zumindest für den deutschsprachigen Raum, keine verlässlichen Daten53. Jedoch konnte man für Dijon einen Anteil von 20% des Umsatzes ermitteln54.
c) Und schließlich die Juden. Diesen war nicht nur der Umgang mit Prostituierten untersagt, sondern mit jeder christlichen Frau. In diesem Fall liefen auch die Prostituierten gefahr, sehr hart bestraft zu werden. Allerdings scheint es ohnehin nicht vorgekommen zu sein. Dies zeigt schon allein die Tatsache, daß das Verbot erst gar nicht explizit in den Frauenwirtseiden erwähnt werden mußte, was ja bei einer häufigen Mißachtung sicherlich geschehen wäre55.
Wahrscheinlich aber stellten die Junggesellen das Hauptkontingent der Freier. Das heißt also Gesellen, junge Bürgersöhne und Studenten56.
Der Gründe warum diese jungen Leute zu Prostituierten gingen waren verschieden. Zum einen war es kaum möglich in diesem Alter eine Familie zu gründen, da sie nicht über die finanziellen Mittel verfügten, zum anderen waren die Verhütungsmittel noch nicht gänzlich ausgereift, so daß die meisten jungen Frauen ein enthaltsames Leben einer alleinstehenden Mutterschaft vorzogen57.
5.2. Die Kosten
Die Kosten variierten, da es sich um eine Dienstleistung handelt, je nach "Marktwert" der Prostituierten. Generell gibt es aber einen Ansatz zur Berechnung der Kosten. Denn, wenn man davon ausgeht, daß der Grund für die Einrichtung der Frauenhäuser, der war, die ehrbaren Frauen vor der Jugend zu schützen58, kann dies ja nur dadurch ermöglicht worden sein, daß diese für sie bezahlbar waren. Auch die wenigen Quellen deuten darauf hin, daß ein Frauenhausbesuch kein Luxus für die Freier war. So mußte dieser am Tage zwischen zwei und fünf Pfennig, blieb er über Nacht, zwischen zehn und fünfzehn Pfennig entrichten. Im Vergleich dazu lagen die Löhne eines Gesellen bei ca. achtzehn Pfennig und die der Tagelöhner bei etwa acht Pfennig pro Tag59. Das heißt, daß ein Bordellbesuch relativ günstig war und durchaus häufiger bezahlbar war.
Schluß:
Aus dieser Arbeit läßt sich glaube ich die Bezeichnung der Prostitution, als ältestes Gewerbe der Welt gut nachvollziehen. Denn viele Formen und Mechanismen der Prostitution, wie z.B. der Straßenstrich, die Zuhälterei oder die Bordelle, sind keineswegs eine Erfindung der Neuzeit. Sie sind auch keine des Mittelalters, sondern sind jedenfalls zum Teil so alt wie die Menschheit selbst.
Damals wie heute stehen die Prostituierten am Rande der Gesellschaft und werden diskriminiert. Geändert hat sich einzig das sie mal mehr und mal weniger tabuisiert wurden. Zumindest für die Prostitution meine ich daraus ableiten zu können, daß es so etwas wie eine Zivilisationsprozeß nicht gegeben hat oder wie Hans Peter Duerr sagt nur ein Mythos ist.
Literaturverzeichnis:
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Isenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter: 1250-1500, Stuttgart 1988.
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http://www.hausarbeiten.de/faecher/haus ... /1306.html
Die Prostitution im Mittelalter
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Prostitution in der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft
Dieser Artikel erschien auf raffiniert.ch
Prostitution in der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft
1. Einleitung
Im Rahmen des Proseminars "Randständige in der spätmittelalterlichen Gesellschaft" habe ich im Sommersemester 2001 an einer Gruppenarbeit zum Thema Prostitution mitgewirkt. In dieser kleinen Arbeit werde ich die Ergebnisse jener allgemeinen Recherchen um einen Überblick über die spezielle Situation in Städten der heutigen Deutschschweiz ergänzen. Am meisten Informationen konnte ich dabei über Zürich, Luzern, Basel und St. Gallen in Erfahrung bringen. Angesichts der geringen Zahl von Veröffentlichungen stütze ich mich bei der Darstellung der allgemeinen Aspekte der mittelalterlichen Prostitution im deutschen Sprachraum vor allem auf die umfangreiche Arbeit "Die freien Frauen" von Beate Schuster.
Bereits im 19. Jahrhundert war die Prostitutionsfrage Gegenstand gelehrter Abhandlungen. Die zunehmende Urbanisierung sowie die Angst vor der Geschlechtskrankheit Syphilis führten zu einem starken Interesse an sittengeschichtlichen Fragen, was zur Begründung einer eigentlichen Sexualwissenschaft Anlass gab. Einheimische Autoren jener Zeit beschönigten nicht selten die Schweizer Sitten, indem sie unterstellten, die Eidgenossen seien erst durch das Söldnerwesen und den Einfluss der Franzosen um ihre Unschuld gekommen. Schon Theodor von Liebenau hat dies aber kritisiert und sich um ein wahrheitsgetreues Bild der Zustände in der alten Eidgenossenschaft bemüht.
Der Einfluss von Arbeiten französischer Historiker im Umkreis der Annales-Schule, die sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Fragen nachging, führte seit den 70er-Jahren zu einer erneuten Beschäftigung mit dem Themenkomplex. Dabei wurde nun häufig die Frage erörtert, ob die Prostituierten des Mittelalters zu den Randgruppen zu zählen sind und wie sich ihre Ausgrenzung in der gesellschaftlichen Praxis manifestierte. Jacques Rossiaud gab ein umfangreiches Werk über die Prostitution in Südostfrankreich heraus , während Leah Lydia Otis dasselbe für Südwestfrankreich tat. Im süddeutschen Raum wurde die Prostitution bisher nur für die Stadt Konstanz von Beate Schuster genauer untersucht.
Mein Hauptinteresse gilt der städtischen Prostitution in der frühen Eidgenossenschaft, die sich in der betrachteten Zeitspanne (ca. 1350 bis 1580) von acht auf dreizehn Orte erweiterte. Die ursprünglich vorgesehene Beschränkung auf die ältesten Stadtorte Luzern, Zürich und Bern wurde vor allem zugunsten Basels aufgegeben. In einem Aufsatz über den Kohlenberg stellt Katharina Simon-Muscheid nämlich neben anderem viel Wissenswertes zu den Basler Frauenhäusern zusammen. Dem St. Galler Frauenhaus hat Ernst Ziegler ein Kapitel in seinem Büchlein gewidmet, wie schon J. Conrad Troll dem Winterthurer Frauenhaus in seiner Geschichte der Stadt. Liebenau dagegen berichtet in seinem Werk über Luzern nur am Rande über das Frauenhaus. Ich habe die in Schuster Arbeit genannten Textstellen aus Renward Cysats Chronik beigezogen , um die benutzten Quellen selbst zu analysieren. Einem Artikel von Conrad Meyer-Ahrens über Syphilis konnte ich einige Information über andere Frauenhäuser entnehmen. Alle weiteren Originaldokumente aus dem Spätmittelalter sind der ausgezeichneten Zusammenstellung der Schweizer Chroniken von Leo Zehnder entnommen.
Die Betrachtung mehrerer Städte ermöglicht eine Gliederung nach Themen, was für eine Epoche mit wenig schriftlichen Quellen geeigneter ist als ein chronologischer Abriss. Im ersten Teil zeige ich anhand Definitionen, Kleiderordnungen und Notizen zum rechtlichen Status was es hiess, im Spätmittelalter eine Prostituierte zu sein. Im zweiten Teil der Arbeit befasse ich mich mit der Geschichte der mittelalterlichen Frauenhäuser in den eidgenössischen Städten. Wer betrieb diese Bordelle? Wo lagen sie? Wer leitete sie und wer besuchte sie? Da es keine direkte Linie von den spätmittelalterlichen Frauenhäusern zu den modernen Bordellen gibt, kommt die Frage nach dem Grund der Aufhebung dieser Institution hinzu. War es die neue Frömmigkeit der Reformationszeit oder die zunehmende Verbreitung von Geschlechtskrankheiten, welche die Städte zu diesem Schritt veranlasste?
Die genauen Textstellen werden nicht genannt; ich weiss warum.
2. Prostituierte
2.1. Bezeichnungen und Hintergrund
Der Begriff der Prostitution wurde vom griechischen «porneia», was soviel wie Unzucht oder Hurerei bedeutet, abgeleitet. Ferner besteht eine Verbindung zum mittellateinischen «prostibilis», was etwa "sich feil bieten" heisst. Dieser sowie die verwandten Begriffe «prostibulum» für das Bordell und «prostituta» für die Dirne sind gemäss dem Lexikon des Mittelalters in der Frühneuzeit aufgekommen, was bedeutet, dass sie im Mittelalter noch nicht verwendet worden waren.
Die Ausdrücke «Huren» sowie «Dirnen» wurden im Mittelalter nur selten benutzt; und letzterer noch ohne abwertenden Sinn. «Gemeyne Weyber», «freie Frauen» oder «unendliche Frauen» waren die geläufigsten Begriffe. «Gemein» war wörtlich gemeint; wenn schon, sollten Prostituierte jedem Freier zur Verfügung stehen. «Unendlich» meint, dass eine Dame das Mass tolerierter ausserehelicher Beziehungen überschritten hatte und nicht mehr auf eine Ehe hoffen konnte.
Nicht die Käuflichkeit galt als Kriterium für die Einstufung einer Frau als Prostituierte. Dem römischen Juristen Ulpian folgend, war eine Prostituierte, wer wahllos sexuelle Beziehungen einging. Ein gewisses Mass an unehelicher Sexualität war in den Kreisen der Unterschicht, die nicht heiraten konnten, ja natürlich und konnte kaum verhindert werden.
Es gab somit keine klare Grenze zwischen armen Frauen und Prostituierten, die Seite an Seite lebten. Nicht jede vom Land geflüchtete Magd geriet automatisch ins Prostituiertenmilieu. Manche Frau liess sich nur zwischenzeitlich hofieren und unterstützen, wollte sich aber nicht öffentlich als Prostituierte abgestempelt sehen. Häufig gingen solche Frauen auch anderen Gelegenheitsarbeiten nach. Dass nicht Sittenlosigkeit und Sündhaftigkeit, sondern Armut in die Prostitution führte, anerkannte man im Mittelalter also. Papst Innozenz III. erklärte es 1198 sogar für eine gute Tat, eine Dirne zu heiraten, um ihr aus dem Milieu zu helfen.
2.2. Stigmatisierung
Um ehrbare Frauen von Prostituierten unterscheiden zu können, mussten letztere sich oft einer Kleiderordnung unterwerfen, die ihnen das Tragen bestimmter Schuhe, Bänder oder Schleier vorschrieb. Die Kleidervorschriften variierten zwar von Stadt zu Stadt, aber mindestens eine der Schandfarben rot, gelb oder grün kam darin fast durchwegs vor. Häufig waren gelbe oder grüne Markierungen, die Dirnen am Kopf, auf der Schulter oder an den Schuhen zu tragen hatten.
Im Gebiet der heutigen Schweiz war mindestens das rote Käppchen bekannt. Der Rat von Zürich beschloss nach der Aufhebung eines Bordells 1314:
Q1 «Man schribet allen Reten, dass enhein offen Huorhus an dem Hove sol fürbas sin und das ein jegelich Fröuelin, die in offern Husern sitzent, und dü Wirtinn, die sie behaltet, daz die tragen suln ir jegliche swenne sie für die Herberge gat ein rotes Keppeli übertwerch uf dem Houpte und sol daz Keppelin zesamensingenat kumt si in ein Kilchen will si das Kügelli abziehen, so sol sis uf ir Achsel legen untz das sis aber wieder uffgesetzet, swel dawider tuot, dü git der Stat [...] Buosse [...].»
Auch Köln führte 1389 das Tragen roter Kopfbedeckungen ein. Das oben zitierte Gesetz ist nach dem Forschungsstand von Beate Schuster das älteste Beispiel einer Kleiderordnung für Dirnen im deutschen Sprachraum. Diese Aussage ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen, da viele Akten von anderen Städten nicht oder unzureichend ausgewertet sind. Denkbar wäre eine Zürcher Vorreiterrolle im deutschen Raum dennoch, da sich die städtische Prostitution in Europa von den blühenden Städten Italiens ausgehend nach Norden verbreitet hat.
Bern ging 1470 den umgekehrten Weg einer Luxusordnung, die sich an alle Frauen wandte. Als Zürich 1488 diesem Beispiel folgte, nahm es die öffentlichen Prostituierten zweier Bordelle von der neuen Kleiderordnung am Schluss ausdrücklich aus:
Q2 «Und als dann merklich Unordnung in ünser Stat under dem gemeinen Man angefangen und fürgenomen ist der kostlichen Kleider halb, so Frowen und Tochtern anmachen und tragen, das zuo merklicher Beschwärung und Schaden einer Gemeind dienet, sölichs abzuostellen und in ein zimlich Mas zuo bringen, haben wir angesehen und geordnet, das hinfür dhein Frow noch Tochter in unser Stat dhein Silberin oder Vergült haften, Ringlin oder Gespeng, och dhein sidin Gebräw oder Belege an iren Röcken, Schüben, Hals, Mänteln oder anderer Kleidung in keinen Weg tragen sol [...]. Doch sind in solichem Stuck vorbehalten und fry gelaussen die ofnen varenden Frowen, so in beiden Hüsern im Kratz und ufem Graben offenlich sind, und kein ander.»
In Basel verordnete das Gesetz den Dirnen 1482 das Tragen von Mänteln, die unter dem Gürtel nicht länger als eine Spanne sein durften, womit die freie Zugänglichkeit in typisch mittelalterlicher Weise verbildlicht wurde.
Die vielen Erneuerungen der Kleiderordnungen lassen aber darauf schliessen, dass sie nie lange ausserordentlich ernst genommen worden waren.
2.3. Rechtlicher Status
In früher Zeit übertrugen die Räte die Aufsicht über die Dirnen dem Scharfrichter oder einem Gerichtsknechten. Die Nähe der Wohngebiete von Scharfrichtern und Dirnen - wie in Bern - weist auf eine ähnliche Marginalisierung durch die Gesellschaft hin. Oft verdienten die städtischen Bediensteten durch die Aufsicht über das Gewerbe. Auf Dauer war dieses Modell für die Städte jedoch wenig effektiv. In kleineren und mittleren Städten endeten die Reformbemühungen in der Regel mit der Errichtung eines städtischen Bordells, in dem sich alle Dirnen der Stadt aufhalten sollten. Luzern beschloss 1471:
Q3 «Der umlouffenden müssig gänden Dirnen oder Metzen halb. Die sol man nit gedulden weder jn Wirtzhüsern noch sonst, sy arbeitend und werckend dann biderben Lüten wie andre Taglöner. Die ungehorsamen aber sond dem Frowenwirt erloupt sin, sy ynzezühen oder sollent sonst von der Statt schwören.»
In Basel wurden 1480 gefasste Dirnen von Knechten unter städtischem Banner zu ihrem neuen Wohnort, dem Frauenhaus, geleitet.
Besonders als sich die städtischen Räte von Schwurgemeinschaften zu Obrigkeiten entwickelten, bemühten sie sich um eine effektivere Kontrolle der Prostitution - es ging ihnen wohl in früher Zeit nicht um die Durchsetzung christlicher Moralvorstellungen im sexuellen Bereich, als vielmehr um Ordnungswillen. Den Prostituierten musste ein Mindestmass an Schutz gewährt werden, da sie oft das Opfer von Gewalttätigkeiten geworden waren.
3. Frauenhäuser und -wirte
Es ist in der Forschung umstritten, ob es sich bei den Frauenhäusern nur um ein obrigkeitliches Mittel zur Durchsetzung einer Sittenordnung handelte. Begründet wurde die Errichtung oder Reglementierung in den Ordnungen meistens nicht. Dabei hätte es eine ganz einfache Begründung gegeben: «weyl dergleichen in andern christlichen Städten auch geduldet wird», wie sich die Ansbacher entschuldigten.
3.1. Errichtung und Betrieb der Frauenhäuser
In der Regel existierten schon Bordelle, bevor der Rat sich für sie zu interessieren begann. Meist übernahmen die Städte solche Häuser und stellten sie unter ihre Aufsicht. Nicht anders als in den umgebenden Ländern, führten die obrigkeitlichen Bemühungen um den Schutz der Dirnen auch hierzulande zur Etablierung städtischer Frauenhäuser.
Die Tatsache, dass der Vorsteher des Frauenhauses in Bern im Jahr 1448 eine Abgabe von 17 Pfund an den Rat entrichten musste , könnte ein möglicher Hinweis sein, dass sich das Haus im Besitz der Stadt befand. Genaueres ist mir aber nicht bekannt.
In Luzern gab es von 1385 bis 1572 immer mindestens ein Frauenhaus, das dort auch «Zotthuss» hiess. Von 1455 bis 1503 wurden dessen Einkünfte sogar in der Staatsrechnung aufgeführt.
Nicht anders befand sich auch das Frauenhaus in St. Gallen unter öffentlicher Kontrolle. Bemerkenswert ist hier, dass das «Frowenhuss in Irrer Vorstatt» ausdrücklich unter den Lehen und Hofgütern aufgeführt wurde, die nach dem Tode des Abtes Ulrich VII. Rösch 1495 vom Kloster an die Stadt übergingen.
Basel übernahm Ende des 14. Jahrhunderts ein bereits bestehendes Frauenhaus, um es in eigener Regie weiterzuführen. Während des Konzils wurden 1432 weitere Etablissements eingerichtet, von denen aber bestimmt einige bald wieder geschlossen wurden. Nach der Gründung der Universität mussten 1459 jedenfalls neue Bordelle eingerichtet werden.
3.2. Lage der Frauenhäuser
Früher versuchten einige Städte, Dirnen und anderen Randgruppen bestimmte Orte zu verbieten, meistens den Weg zur Kirche und oft auch diese selbst. Später beschränkten sie sich in der Regel darauf, alle Bordelle in einem bestimmten Stadtteil anzusiedeln. Oft standen die Frauenhäuser in unmittelbarer Nähe zur Stadtmauer, seltener im Stadtinneren selbst. Hinweise auf unzufriedene Nachbarn gab es trotz dieser Politik relativ oft; die Bordelle wurden aber nur dann verlegt, wenn es kirchliche Obrigkeiten verlangten.
Der oben zitierten Kleiderordnung von 1488 kann man entnehmen, dass zu diesem Zeitpunkt zwei Bordelle in Zürich offiziell geduldet wurden. Davon befand sich eines «im Kratz» und das andere «ufem Graben», d.h. in Randgegenden.
In Bern haben die Scharfrichter die Aufsicht über die Prostitution möglicherweise lange behalten können. Jedenfalls berichtet Meyer-Ahrens, dass sich ein Berner Frauenhaus in der Nähe des Hauses des Scharfrichters befunden habe und von diesem kontrolliert worden sei.
Luzerns ältestes Frauenhaus befand sich an der Kropfgasse. Das neuere Frauenhaus, das von 1447 bis 1572 staatlicher Besitz war, befand sich am Bruchtor. Beide Lokalitäten waren somit an den Stadtmauern angesiedelt.
Auch in St. Gallen befand sich das Frauenhaus an Randlage; «an der Statt Graben», wie eine Urkunde aus dem Jahr 1491 erwähnt.
In Basel aber lebten auf dem Kohlenberg Unehrliche, Fahrende, soziale Absteiger, Blinde, Bettler und Lahme in grösster Nähe. In diesem Milieu herrschte ein hohes Konfliktpotenzial; Prostituierte wurden häufig das Opfer von Beschimpfungen und Gewalttätigkeiten - von ihresgleichen wie von "ehrbaren" Frauen. Die Misshandlung durch ihre Zuhälter oder Wirtinnen wurde dadurch erleichtert, dass die wenigsten Konflikte auf dem Kohlenberg juristisch ausgetragen wurden. Der Kohlenberg war nicht isoliert von der übrigen Stadt, sondern neben dem Wohnviertel der städtischen und zünftischen Oberschichten. Besonders das Verhältnis zum Chorherrenstift Sankt Leonhard, dem etliche Häuser im Gebiet gehörten, war gespannt.
3.3. Frauenwirte
Wie die Dirnen rekrutierten sich auch ihre Betreuer resp. Betreuerinnen aus den mobilen Unterschichten. Nachdem sich die Frauenhäuser aus der Aufsicht der Scharfrichter gelöst hatten , wurde Frauenwirt trotz eines gesellschaftlich schlechten Rufes zum gefragten Beruf. So bewarb sich etwa 1456 der Badener Frauenwirt um die freie Stelle in Luzern. Viele andere Beispiele zeigen, dass im Prostitutionsgewerbe bald ein Grüppchen von Fachmännern existierte. Allerdings verhinderte die Mobilität dieser Leute die Bildung einer Zunft oder einer anderen Vereinigung.
Die Hauptaufgabe des Frauenwirtes war die Sicherung von Ruhe und Ordnung. Aus dem Inventar des Frauenhauses «zur Lyss» auf dem Kohlenberg in Basel geht hervor, dass der dortige Frauenwirt in seiner Schlafkammer für alle Fälle über ein kleines Waffenarsenal verfügte: Man fand ein Schwert, ein Langmesser, eine Hellebarde, eine Axt und drei Degen. Es muss sich für den Wirt um einen lukrativen Beruf gehandelt haben; so ist ebenfalls von dieser Rheinstadt bekannt, dass der Wirt seit 1387 "den dritten Pfennig" nehmen durfte, d.h. eine Gewinnbeteiligung von 33% hatte. Ein Basler Wirt steuerte in einem Jahr 150 fl Vermögen, die reichste seiner sechs Dirnen nur 10 fl.
Mit zunehmender Reglementierung der städtischen Prostitution nahm die Zahl der männlichen Frauenwirte zu. Deren Rechtsstellung besserte sich dadurch, dass sie durch die Leistung eines Eides quasi zu öffentlichen Bediensteten wurden und an einigen Orten sogar das Bürgerrecht erwarben. Luzern habe grundsätzlich nur Männer angestellt, berichtet Cysat:
Q4 «1385. Das gmein Frowenhuss hiess man domalen das Zotthuss und muosst ein Mansperson die Wirtschafft hallten; den nampt man den Zottwirt; der hatt ouch einen ernstlichen Eid. Diss ellend Huss jst von minen Herren abgethan ungefarlich 1578.»
Dieser Meister war jedoch nur der städtische Oberaufseher. Er bestellte in eigener Regie eine Frauenwirtin oder einen Frauenwirt und einen Knecht. Der Frauenwirt schwor, keine Frau, die nicht schon berufstätig oder gar «geschwächt» (= schwanger) war, aufzunehmen, sowie das Bordell an Sonn- und Feiertagen zu schliessen. Ausserdem vertrat der Wirt den Nachrichter im Falle der Abwesenheit bei peinlichen Verhören.
Der überlieferte Eid aus dem Jahr 1503 zeigt, dass die Anforderungen an den Frauenwirt von Winterthur sehr ähnlich waren:
Q5 «Der Frouwenwirth sol schweren unsern Herren von Zürich Trüw und Warheit ouch Schultheiss und Räten Boten und Vorboten gehorsam ze sind, gemeiner Statt Nutz ze fürderen und Schaden ze wenden, ouch allen Husrat, so er im Hus findet, lassen beliben. Und in dissen Eid genommen, kein falsch Spill noch Untrüw zu gestatten, ünd alles argwenig Gut, so zu Spil oder zu den Frouwen in das Hus bracht würde, dessglichen alle ander Unzuchten einem Schultheissen zu laiden, ouch kein unsuber Frouwen von der Blateren im Hus nit ze halten; sonder das Frouwenhaus alle Samstag ze Nacht, alle 12 Boten Abend, ouch alle Unser Frauwen und ander hochzitlich Abend ze beschliessen und niemand darin zu halten. Darzu so er nüt mer allhie beliben wollte, nicht abzüchen, dann mit Wüssen eines Rats und den Schulden unschädlich. Actum uff Luthie 1503.»
Der wörtlich überlieferte Eid sowie Liebenaus Aussagen über den Eid des Luzerner Meisters zeigen uns, auf welche Probleme im Zusammenhang mit der Prostitution die Städte allmählich sensibilisiert wurden. Der Wirt musste schwören, im Frauenhaus weder Falschspiel, Untreue, noch Unzucht zu tolerieren. Wichtig war der Stadt auch, dass die Frauen gesund waren und nicht an Krankheiten («Blateren» = Syphilis) litten. Das Frauenhaus musste Samstagnacht schliessen und an Sonn- und kirchlichen Feiertagen («12 Boten» = Apostel) geschlossen bleiben.
Dass Ordnung und Realität wohl nur selten übereinstimmten, zeigt sich am deutlichsten in Basel, wo ein Frauenhaus auf dem Kohlenberg komplett inventarisiert wurde. Leider ist nicht bekannt, wann und warum es dazu gekommen war. Aber die sichergestellten Spielbretter, verpfändeten Wertgegenstände und die Goldwaage legen die Vermutung nahe, dass das Haus in einen besonders schlechten Ruf als Spiel- und Vergnügungshölle geraten war.
3.4. Besucher des Frauenhauses
Zur Kundschaft der Prostituierten zählten vor allem Gesellen, Studenten und unverheiratete Männer, denen das Frauenhaus offiziell auch vorbehalten war. Ehemännern, Geistlichen und Ungläubigen ist in vielen Frauenhausordnungen der Besuch streng verboten. Geistliche und Ehemänner kamen aber meist mit leichten Strafen davon, falls sie überhaupt belangt wurden. Nur Juden hatten mit harten Strafen bis zur Kastration zu rechnen.
In dem betrachteten Gebiet sind mir jedoch keine solchen Gerichtsfälle vor der Reformation bekannt geworden. Man kann daraus aber bestimmt nicht schliessen, dass Ehemänner, Geistliche und Ungläubige sich immer an das Verbot gehalten hätten. Im Gegenteil ist anzunehmen, dass Dirnen und Frauenwirte Diskretion walten liessen, solange die Kasse stimmte.
Den ranghöchsten Freier konnte das Berner Frauenhaus, von dem (denen?) sonst noch sehr wenig bekannt ist, im Juli 1414 bedienen: König Sigismund nutzte das Angebot der Berner und besuchte das Frauenhaus. In Tschudis Chronik heisst es:
Q6 «Die von Bern hattend ouch im Frowenhuss geordnet dass mengklich so von des Künigs Hof-Volck darinn kam wol empfangen ward und niemand nüt bezalen dorfft. Dieselb Eerung und ouch die mit dem Win, den man mengklichen vergebens gab, rümt der Künig hernach in allen Landen wo Er bi Fürsten und Herren sass.»
Gute Kunden waren ferner die Söldner. Auf den Feldzügen der Eidgenossen ging es nicht so gesittet her, wie es mancher spätere Historiker darstellte. So begleiteten die Luzerner im Feldzug gegen die Burgunder einige «Fröwelin», die zuvor auf Staatskosten neu eingekleidet worden waren.
3.5. Auswirkungen der Reglementierung
Nachdem sich ein öffentliches Prostitutionsmonopol halbwegs durchgesetzt hatte, waren viele Prostituierte quasi städtische Bedienstete. Anders als Dienstboten in Haushalten hatten sie meist die Möglichkeit, sich selbst Recht zu verschaffen, was jedoch selten ohne Fürsprache von ehrbaren Zeugen zu den gewünschten Urteilen führte. Mancherorts gerieten Dirnen in völlige Abhängigkeit eines Frauenwirtes, der sie durch die Abgabe von Kleidern und Schmuck in grosse Verschuldung brachte und so an sich band, wogegen die Räte - wenn sie es erfuhren - intervenierten.
Ein solcher Fall ist von Basel belegt. Im Jahr 1474 verlangten gleich sieben Prostituierte, ihr Gewerbe aufzugeben und «fromm» zu werden. Hinter ihrem Gesinnungswandel standen aber handfeste Interessen, waren sie doch zusammen mit über 300 Gulden beim Wirt verschuldet. Die Basler Obrigkeit ermöglichte ihnen den Ausstieg, der aber von ihrer künftigen Lebensführung abhängig gemacht wurde: Sollten die Dirnen "rückfällig" werden, dürfte der Wirt seine Ansprüche auf Geld und Kleider geltend machen. Leider ist nicht bekannt, wie die weiteren Schicksale der beteiligten Personen aussahen. Ich vermute, dass nicht alle einen Ehemann gefunden haben und manche wohl wieder dem alten Beruf nachging, dann aber wahrscheinlich in einer anderen Stadt.
Aus den Bemühungen der Frauenwirte, sich ihren Anteil am Liebeslohn zu sichern, erwuchs eine starke Abhängigkeit der Prostituierten vom Wirt. Durch die Beschränkung der Prostitution auf ein Bordell und die eidliche Verpflichtung des Wirtes nahm das Ungleichgewicht zwischen "Herrn" und "Dienerin" zu. In diesem Zusammenhang weist Schuster aber darauf hin, dass verstärkte Reglementierung im späten 15. Jahrhundert nicht immer als weitere Verschlechterung ihrer Stellung gewertet werden darf, sondern oft auch erkannte Missstände zugunsten der Dirnen korrigierte.
3.6. Aufhebung der Frauenhäuser
Allmählich verschwanden die Frauenhäuser aus den Quellen, aber von längst nicht jeder Stadt ist der Zeitpunkt der Schliessung bekannt. Ende des 16. Jahrhundert dürfte es vermutlich in keiner Deutschschweizer Stadt mehr ein Frauenhaus gegeben haben; zumindest nicht in der öffentlich betriebenen Form. Reformierte Orte hatten es einfacher, da sie infolge der Verstaatlichung der Kirche keinerlei Rücksicht auf kirchliches Rechtsverständnis nehmen mussten, und so eine neue Sexualmoral setzen und durchsetzen konnten. Das heisst aber nicht zwingend, dass das Ende der Frauenhäuser mit der Reformation in kausalem Zusammenhang stehen muss. Die Jahreszahlen der Schliessungen widersprechen aber im eidgenössischen Beispiel dieser These zumindest nicht.
Die Häufung von Kleider- und Frauenhausordnungen seit den 1470er-Jahren deutet aber darauf hin, dass den Städten schon vor der Reformation an einer schärferen Reglementierung gelegen war. Die eidgenössische Tagsatzung, die 1481 in Stans die Aufnahme der Städte Freiburg und Solothurn als gleichwertige Orte beschloss, verbot etwa das Tragen und Herstellen von Kleidern, welche die Scham nicht verdeckten:
Q7 «Item, mit Bot und Buoss die schamlichen kurzen Kleider, verkommen, verbieten und ernstlich strafen sölle.»
Im Jahr 1495 schleppten vom Krieg in Neapel heimkehrende Söldner die Syphilis ein, die im Volksmund "böse Blaateren" oder "Frantzosen" genannt wurde. Daneben traten in den 1490er-Jahren aussergewöhnliche Naturphänomene auf, im Elsass fiel ein Meteor vom Himmel und Seuchen wüteten in Bern, Basel und der Innerschweiz. Cysat berichtet schliesslich von einer starken Pest im Jahr 1502 und einer pestähnlichen Krankheit, die "englischer Schweiss" genannt wurde und 1529 erstmals in der Eidgenossenschaft auftrat.
Das reformierte Zürich versuchte ein Prostitutionsverbot zuerst nicht. Stumpf berichtet, dass man sich darauf beschränkte, Gewinne aus dem Geschäft in den Stock zu geben:
Q8 «Anno domini 1526 da wardt der Zinss, so jerlich ab dem gemeynen Frowenhuss Zürich stadt, an das Almuossen verwendt.»
Das neu geschaffene Sittengericht geriet dann aber zwangsläufig und sehr bald in Konflikt mit dem Frauenwirt, für den das geforderte Durchgreifen gegen Ehemänner einen Einkommensausfall bedeutete. Am 19. Januar 1531 klagte der Frauenwirt Heini Genner gegen zwei Besucher, die mit Steinen nach ihm geworfen hatten. Am 17. August des gleichen Jahres stand er selbst vor dem Sittengericht, das ihn zu Gehorsam und Kooperation aufforderte. Das Frauenhaus wurde weiterhin toleriert, musste nun aber strenge Sittenzucht einhalten. Ein Widerspruch, der die traditionsreiche Institution vermutlich still und leise in den Ruin trieb: Nach Heinrich Genner ist kein Zürcher Frauenwirt mehr bekannt.
Dagegen scheuten sich die Berner nicht, ihre Haltung durch einen eindeutigen Entscheid kund zu tun. Nachdem das Berner Frauenhaus erst nach einem Brand 1523 wiederaufgebaut worden war, folgte 1531 die Abschaffung:
Q9 «Das gmein Frouwenhus abgetan. Die gmeinen Frouwen hinweg gewist und das nüw Gebuowen Hus fromen Huslüten gelichen.»
Nach dem Brand eines Bordells anno 1528 wurde das eine, 1534 das andere Bordell in Basel aufgehoben. Letzteres offenbar nachdem eine Frauenwirtin erstochen worden war!
Nach der ersten Schliessung am 7. Januar 1572 hatte es nach Liebenau in Luzern «mengerlei ufrur» gegeben, bis es bereits am 23. Mai wieder eröffnet wurde. 1576 wurde die Frauenwirtin nochmals berechtigt, alle heimlichen Dirnen ins öffentliche Bordell zu schaffen. Als dann aber 1581 die Jesuiten in Luzern eintrafen, folgte das endgültige Ende des Frauenhauses.
In St. Gallen wurde das Frauenhaus im Jahr 1578 geschlossen und schliesslich abgerissen.
4. Zusammenfassung
1. Aus den erwähnten Kleider- und Prostitutionsordnungen die These einer systematischen Diskriminierung der Prostituierten ableiten zu wollen, halte ich für übertrieben. Vielmehr haben die mittelalterlichen Städte Prostitution toleriert - und mit dem Betrieb und der Kontrolle von Frauenhäusern gar reglementiert.
2. Die Bemühungen um eine Reglementierung speisten sich aber nicht (allein) aus christlicher Nächstenliebe, sondern verfolgten durchaus politische Interessen. Prostitution sollte, wenn sie schon nicht unterbunden werden konnte, auf ein eigens dafür eingerichtetes Haus beschränkt bleiben und damit unter Kontrolle gehalten werden. Aus der später verstärkten Reglementierung der Prostitution kann geschlossen werden, dass die Städte sich allmählich genauer für sie zu interessieren begannen. Den Ausschlag dafür gaben möglicherweise die vielen Volkskrankheiten und Epidemien des 15. Jahrhunderts. Bei der Suche nach Schuldigen kamen nach den Ungläubigen bald die Ausübenden sogenannt unehrlicher Berufe ins Blickfeld. Die in vielen Städten verübten Brände sprechen Bände.
3. Das Mittelalter hat die Prostitution aber nie so stark verfolgt wie die Neuzeit nach der Reformation. Trotzdem steht die These, dass die Reformation für das Ende der institutionalisierten Prostitution verantwortlich ist, auf wackligen Füssen. Es scheint mir eher, dass die verstärkte Reglementierung der Frauenhäuser ab dem späten 15. Jahrhundert, die nahtlos in die Schlussphase dieser Institution übergeht einerseits und die Reformation im frühen 16. Jahrhundert andererseits die gleichen Wurzeln haben. In beiden Prozessen ist der Wille der Städte resp. des aufkeimenden Bürgertums erkennbar, mehr Ordnung ins Diesseits zu bringen.
4. Ohne dies genauer abzuklären, wage ich die zusammenfassende These, dass die junge Eidgenossenschaft bezüglich ihrer Sitten bestimmt keinen europäischen Sonderfall darstellte. Die Recherchen über die Frauenhäuser führten im Grossen und Ganzen zu den erwarteten Resultaten: Wie im Reich wurde Prostitution auch in der Eidgenossenschaft im frühen 15. Jh. offenbar noch als selbstverständlich betrachtet, im späteren 15. Jh. stärker beargwöhnt und ab dem 16. Jh. allmählich unterdrückt. Die Bemühungen früher Historiker, das Bild zu beschönigen, entsprechen dem patriotischen Trend des 19. Jahrhunderts; die Verklärung der Geschichte der eigenen Nation war damals gang und gäbe. Die Schweizer Geschichtsschreibung ist also auch in dieser Hinsicht kein Sonderfall.
Prostitution in der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft
1. Einleitung
Im Rahmen des Proseminars "Randständige in der spätmittelalterlichen Gesellschaft" habe ich im Sommersemester 2001 an einer Gruppenarbeit zum Thema Prostitution mitgewirkt. In dieser kleinen Arbeit werde ich die Ergebnisse jener allgemeinen Recherchen um einen Überblick über die spezielle Situation in Städten der heutigen Deutschschweiz ergänzen. Am meisten Informationen konnte ich dabei über Zürich, Luzern, Basel und St. Gallen in Erfahrung bringen. Angesichts der geringen Zahl von Veröffentlichungen stütze ich mich bei der Darstellung der allgemeinen Aspekte der mittelalterlichen Prostitution im deutschen Sprachraum vor allem auf die umfangreiche Arbeit "Die freien Frauen" von Beate Schuster.
Bereits im 19. Jahrhundert war die Prostitutionsfrage Gegenstand gelehrter Abhandlungen. Die zunehmende Urbanisierung sowie die Angst vor der Geschlechtskrankheit Syphilis führten zu einem starken Interesse an sittengeschichtlichen Fragen, was zur Begründung einer eigentlichen Sexualwissenschaft Anlass gab. Einheimische Autoren jener Zeit beschönigten nicht selten die Schweizer Sitten, indem sie unterstellten, die Eidgenossen seien erst durch das Söldnerwesen und den Einfluss der Franzosen um ihre Unschuld gekommen. Schon Theodor von Liebenau hat dies aber kritisiert und sich um ein wahrheitsgetreues Bild der Zustände in der alten Eidgenossenschaft bemüht.
Der Einfluss von Arbeiten französischer Historiker im Umkreis der Annales-Schule, die sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Fragen nachging, führte seit den 70er-Jahren zu einer erneuten Beschäftigung mit dem Themenkomplex. Dabei wurde nun häufig die Frage erörtert, ob die Prostituierten des Mittelalters zu den Randgruppen zu zählen sind und wie sich ihre Ausgrenzung in der gesellschaftlichen Praxis manifestierte. Jacques Rossiaud gab ein umfangreiches Werk über die Prostitution in Südostfrankreich heraus , während Leah Lydia Otis dasselbe für Südwestfrankreich tat. Im süddeutschen Raum wurde die Prostitution bisher nur für die Stadt Konstanz von Beate Schuster genauer untersucht.
Mein Hauptinteresse gilt der städtischen Prostitution in der frühen Eidgenossenschaft, die sich in der betrachteten Zeitspanne (ca. 1350 bis 1580) von acht auf dreizehn Orte erweiterte. Die ursprünglich vorgesehene Beschränkung auf die ältesten Stadtorte Luzern, Zürich und Bern wurde vor allem zugunsten Basels aufgegeben. In einem Aufsatz über den Kohlenberg stellt Katharina Simon-Muscheid nämlich neben anderem viel Wissenswertes zu den Basler Frauenhäusern zusammen. Dem St. Galler Frauenhaus hat Ernst Ziegler ein Kapitel in seinem Büchlein gewidmet, wie schon J. Conrad Troll dem Winterthurer Frauenhaus in seiner Geschichte der Stadt. Liebenau dagegen berichtet in seinem Werk über Luzern nur am Rande über das Frauenhaus. Ich habe die in Schuster Arbeit genannten Textstellen aus Renward Cysats Chronik beigezogen , um die benutzten Quellen selbst zu analysieren. Einem Artikel von Conrad Meyer-Ahrens über Syphilis konnte ich einige Information über andere Frauenhäuser entnehmen. Alle weiteren Originaldokumente aus dem Spätmittelalter sind der ausgezeichneten Zusammenstellung der Schweizer Chroniken von Leo Zehnder entnommen.
Die Betrachtung mehrerer Städte ermöglicht eine Gliederung nach Themen, was für eine Epoche mit wenig schriftlichen Quellen geeigneter ist als ein chronologischer Abriss. Im ersten Teil zeige ich anhand Definitionen, Kleiderordnungen und Notizen zum rechtlichen Status was es hiess, im Spätmittelalter eine Prostituierte zu sein. Im zweiten Teil der Arbeit befasse ich mich mit der Geschichte der mittelalterlichen Frauenhäuser in den eidgenössischen Städten. Wer betrieb diese Bordelle? Wo lagen sie? Wer leitete sie und wer besuchte sie? Da es keine direkte Linie von den spätmittelalterlichen Frauenhäusern zu den modernen Bordellen gibt, kommt die Frage nach dem Grund der Aufhebung dieser Institution hinzu. War es die neue Frömmigkeit der Reformationszeit oder die zunehmende Verbreitung von Geschlechtskrankheiten, welche die Städte zu diesem Schritt veranlasste?
Die genauen Textstellen werden nicht genannt; ich weiss warum.
2. Prostituierte
2.1. Bezeichnungen und Hintergrund
Der Begriff der Prostitution wurde vom griechischen «porneia», was soviel wie Unzucht oder Hurerei bedeutet, abgeleitet. Ferner besteht eine Verbindung zum mittellateinischen «prostibilis», was etwa "sich feil bieten" heisst. Dieser sowie die verwandten Begriffe «prostibulum» für das Bordell und «prostituta» für die Dirne sind gemäss dem Lexikon des Mittelalters in der Frühneuzeit aufgekommen, was bedeutet, dass sie im Mittelalter noch nicht verwendet worden waren.
Die Ausdrücke «Huren» sowie «Dirnen» wurden im Mittelalter nur selten benutzt; und letzterer noch ohne abwertenden Sinn. «Gemeyne Weyber», «freie Frauen» oder «unendliche Frauen» waren die geläufigsten Begriffe. «Gemein» war wörtlich gemeint; wenn schon, sollten Prostituierte jedem Freier zur Verfügung stehen. «Unendlich» meint, dass eine Dame das Mass tolerierter ausserehelicher Beziehungen überschritten hatte und nicht mehr auf eine Ehe hoffen konnte.
Nicht die Käuflichkeit galt als Kriterium für die Einstufung einer Frau als Prostituierte. Dem römischen Juristen Ulpian folgend, war eine Prostituierte, wer wahllos sexuelle Beziehungen einging. Ein gewisses Mass an unehelicher Sexualität war in den Kreisen der Unterschicht, die nicht heiraten konnten, ja natürlich und konnte kaum verhindert werden.
Es gab somit keine klare Grenze zwischen armen Frauen und Prostituierten, die Seite an Seite lebten. Nicht jede vom Land geflüchtete Magd geriet automatisch ins Prostituiertenmilieu. Manche Frau liess sich nur zwischenzeitlich hofieren und unterstützen, wollte sich aber nicht öffentlich als Prostituierte abgestempelt sehen. Häufig gingen solche Frauen auch anderen Gelegenheitsarbeiten nach. Dass nicht Sittenlosigkeit und Sündhaftigkeit, sondern Armut in die Prostitution führte, anerkannte man im Mittelalter also. Papst Innozenz III. erklärte es 1198 sogar für eine gute Tat, eine Dirne zu heiraten, um ihr aus dem Milieu zu helfen.
2.2. Stigmatisierung
Um ehrbare Frauen von Prostituierten unterscheiden zu können, mussten letztere sich oft einer Kleiderordnung unterwerfen, die ihnen das Tragen bestimmter Schuhe, Bänder oder Schleier vorschrieb. Die Kleidervorschriften variierten zwar von Stadt zu Stadt, aber mindestens eine der Schandfarben rot, gelb oder grün kam darin fast durchwegs vor. Häufig waren gelbe oder grüne Markierungen, die Dirnen am Kopf, auf der Schulter oder an den Schuhen zu tragen hatten.
Im Gebiet der heutigen Schweiz war mindestens das rote Käppchen bekannt. Der Rat von Zürich beschloss nach der Aufhebung eines Bordells 1314:
Q1 «Man schribet allen Reten, dass enhein offen Huorhus an dem Hove sol fürbas sin und das ein jegelich Fröuelin, die in offern Husern sitzent, und dü Wirtinn, die sie behaltet, daz die tragen suln ir jegliche swenne sie für die Herberge gat ein rotes Keppeli übertwerch uf dem Houpte und sol daz Keppelin zesamensingenat kumt si in ein Kilchen will si das Kügelli abziehen, so sol sis uf ir Achsel legen untz das sis aber wieder uffgesetzet, swel dawider tuot, dü git der Stat [...] Buosse [...].»
Auch Köln führte 1389 das Tragen roter Kopfbedeckungen ein. Das oben zitierte Gesetz ist nach dem Forschungsstand von Beate Schuster das älteste Beispiel einer Kleiderordnung für Dirnen im deutschen Sprachraum. Diese Aussage ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen, da viele Akten von anderen Städten nicht oder unzureichend ausgewertet sind. Denkbar wäre eine Zürcher Vorreiterrolle im deutschen Raum dennoch, da sich die städtische Prostitution in Europa von den blühenden Städten Italiens ausgehend nach Norden verbreitet hat.
Bern ging 1470 den umgekehrten Weg einer Luxusordnung, die sich an alle Frauen wandte. Als Zürich 1488 diesem Beispiel folgte, nahm es die öffentlichen Prostituierten zweier Bordelle von der neuen Kleiderordnung am Schluss ausdrücklich aus:
Q2 «Und als dann merklich Unordnung in ünser Stat under dem gemeinen Man angefangen und fürgenomen ist der kostlichen Kleider halb, so Frowen und Tochtern anmachen und tragen, das zuo merklicher Beschwärung und Schaden einer Gemeind dienet, sölichs abzuostellen und in ein zimlich Mas zuo bringen, haben wir angesehen und geordnet, das hinfür dhein Frow noch Tochter in unser Stat dhein Silberin oder Vergült haften, Ringlin oder Gespeng, och dhein sidin Gebräw oder Belege an iren Röcken, Schüben, Hals, Mänteln oder anderer Kleidung in keinen Weg tragen sol [...]. Doch sind in solichem Stuck vorbehalten und fry gelaussen die ofnen varenden Frowen, so in beiden Hüsern im Kratz und ufem Graben offenlich sind, und kein ander.»
In Basel verordnete das Gesetz den Dirnen 1482 das Tragen von Mänteln, die unter dem Gürtel nicht länger als eine Spanne sein durften, womit die freie Zugänglichkeit in typisch mittelalterlicher Weise verbildlicht wurde.
Die vielen Erneuerungen der Kleiderordnungen lassen aber darauf schliessen, dass sie nie lange ausserordentlich ernst genommen worden waren.
2.3. Rechtlicher Status
In früher Zeit übertrugen die Räte die Aufsicht über die Dirnen dem Scharfrichter oder einem Gerichtsknechten. Die Nähe der Wohngebiete von Scharfrichtern und Dirnen - wie in Bern - weist auf eine ähnliche Marginalisierung durch die Gesellschaft hin. Oft verdienten die städtischen Bediensteten durch die Aufsicht über das Gewerbe. Auf Dauer war dieses Modell für die Städte jedoch wenig effektiv. In kleineren und mittleren Städten endeten die Reformbemühungen in der Regel mit der Errichtung eines städtischen Bordells, in dem sich alle Dirnen der Stadt aufhalten sollten. Luzern beschloss 1471:
Q3 «Der umlouffenden müssig gänden Dirnen oder Metzen halb. Die sol man nit gedulden weder jn Wirtzhüsern noch sonst, sy arbeitend und werckend dann biderben Lüten wie andre Taglöner. Die ungehorsamen aber sond dem Frowenwirt erloupt sin, sy ynzezühen oder sollent sonst von der Statt schwören.»
In Basel wurden 1480 gefasste Dirnen von Knechten unter städtischem Banner zu ihrem neuen Wohnort, dem Frauenhaus, geleitet.
Besonders als sich die städtischen Räte von Schwurgemeinschaften zu Obrigkeiten entwickelten, bemühten sie sich um eine effektivere Kontrolle der Prostitution - es ging ihnen wohl in früher Zeit nicht um die Durchsetzung christlicher Moralvorstellungen im sexuellen Bereich, als vielmehr um Ordnungswillen. Den Prostituierten musste ein Mindestmass an Schutz gewährt werden, da sie oft das Opfer von Gewalttätigkeiten geworden waren.
3. Frauenhäuser und -wirte
Es ist in der Forschung umstritten, ob es sich bei den Frauenhäusern nur um ein obrigkeitliches Mittel zur Durchsetzung einer Sittenordnung handelte. Begründet wurde die Errichtung oder Reglementierung in den Ordnungen meistens nicht. Dabei hätte es eine ganz einfache Begründung gegeben: «weyl dergleichen in andern christlichen Städten auch geduldet wird», wie sich die Ansbacher entschuldigten.
3.1. Errichtung und Betrieb der Frauenhäuser
In der Regel existierten schon Bordelle, bevor der Rat sich für sie zu interessieren begann. Meist übernahmen die Städte solche Häuser und stellten sie unter ihre Aufsicht. Nicht anders als in den umgebenden Ländern, führten die obrigkeitlichen Bemühungen um den Schutz der Dirnen auch hierzulande zur Etablierung städtischer Frauenhäuser.
Die Tatsache, dass der Vorsteher des Frauenhauses in Bern im Jahr 1448 eine Abgabe von 17 Pfund an den Rat entrichten musste , könnte ein möglicher Hinweis sein, dass sich das Haus im Besitz der Stadt befand. Genaueres ist mir aber nicht bekannt.
In Luzern gab es von 1385 bis 1572 immer mindestens ein Frauenhaus, das dort auch «Zotthuss» hiess. Von 1455 bis 1503 wurden dessen Einkünfte sogar in der Staatsrechnung aufgeführt.
Nicht anders befand sich auch das Frauenhaus in St. Gallen unter öffentlicher Kontrolle. Bemerkenswert ist hier, dass das «Frowenhuss in Irrer Vorstatt» ausdrücklich unter den Lehen und Hofgütern aufgeführt wurde, die nach dem Tode des Abtes Ulrich VII. Rösch 1495 vom Kloster an die Stadt übergingen.
Basel übernahm Ende des 14. Jahrhunderts ein bereits bestehendes Frauenhaus, um es in eigener Regie weiterzuführen. Während des Konzils wurden 1432 weitere Etablissements eingerichtet, von denen aber bestimmt einige bald wieder geschlossen wurden. Nach der Gründung der Universität mussten 1459 jedenfalls neue Bordelle eingerichtet werden.
3.2. Lage der Frauenhäuser
Früher versuchten einige Städte, Dirnen und anderen Randgruppen bestimmte Orte zu verbieten, meistens den Weg zur Kirche und oft auch diese selbst. Später beschränkten sie sich in der Regel darauf, alle Bordelle in einem bestimmten Stadtteil anzusiedeln. Oft standen die Frauenhäuser in unmittelbarer Nähe zur Stadtmauer, seltener im Stadtinneren selbst. Hinweise auf unzufriedene Nachbarn gab es trotz dieser Politik relativ oft; die Bordelle wurden aber nur dann verlegt, wenn es kirchliche Obrigkeiten verlangten.
Der oben zitierten Kleiderordnung von 1488 kann man entnehmen, dass zu diesem Zeitpunkt zwei Bordelle in Zürich offiziell geduldet wurden. Davon befand sich eines «im Kratz» und das andere «ufem Graben», d.h. in Randgegenden.
In Bern haben die Scharfrichter die Aufsicht über die Prostitution möglicherweise lange behalten können. Jedenfalls berichtet Meyer-Ahrens, dass sich ein Berner Frauenhaus in der Nähe des Hauses des Scharfrichters befunden habe und von diesem kontrolliert worden sei.
Luzerns ältestes Frauenhaus befand sich an der Kropfgasse. Das neuere Frauenhaus, das von 1447 bis 1572 staatlicher Besitz war, befand sich am Bruchtor. Beide Lokalitäten waren somit an den Stadtmauern angesiedelt.
Auch in St. Gallen befand sich das Frauenhaus an Randlage; «an der Statt Graben», wie eine Urkunde aus dem Jahr 1491 erwähnt.
In Basel aber lebten auf dem Kohlenberg Unehrliche, Fahrende, soziale Absteiger, Blinde, Bettler und Lahme in grösster Nähe. In diesem Milieu herrschte ein hohes Konfliktpotenzial; Prostituierte wurden häufig das Opfer von Beschimpfungen und Gewalttätigkeiten - von ihresgleichen wie von "ehrbaren" Frauen. Die Misshandlung durch ihre Zuhälter oder Wirtinnen wurde dadurch erleichtert, dass die wenigsten Konflikte auf dem Kohlenberg juristisch ausgetragen wurden. Der Kohlenberg war nicht isoliert von der übrigen Stadt, sondern neben dem Wohnviertel der städtischen und zünftischen Oberschichten. Besonders das Verhältnis zum Chorherrenstift Sankt Leonhard, dem etliche Häuser im Gebiet gehörten, war gespannt.
3.3. Frauenwirte
Wie die Dirnen rekrutierten sich auch ihre Betreuer resp. Betreuerinnen aus den mobilen Unterschichten. Nachdem sich die Frauenhäuser aus der Aufsicht der Scharfrichter gelöst hatten , wurde Frauenwirt trotz eines gesellschaftlich schlechten Rufes zum gefragten Beruf. So bewarb sich etwa 1456 der Badener Frauenwirt um die freie Stelle in Luzern. Viele andere Beispiele zeigen, dass im Prostitutionsgewerbe bald ein Grüppchen von Fachmännern existierte. Allerdings verhinderte die Mobilität dieser Leute die Bildung einer Zunft oder einer anderen Vereinigung.
Die Hauptaufgabe des Frauenwirtes war die Sicherung von Ruhe und Ordnung. Aus dem Inventar des Frauenhauses «zur Lyss» auf dem Kohlenberg in Basel geht hervor, dass der dortige Frauenwirt in seiner Schlafkammer für alle Fälle über ein kleines Waffenarsenal verfügte: Man fand ein Schwert, ein Langmesser, eine Hellebarde, eine Axt und drei Degen. Es muss sich für den Wirt um einen lukrativen Beruf gehandelt haben; so ist ebenfalls von dieser Rheinstadt bekannt, dass der Wirt seit 1387 "den dritten Pfennig" nehmen durfte, d.h. eine Gewinnbeteiligung von 33% hatte. Ein Basler Wirt steuerte in einem Jahr 150 fl Vermögen, die reichste seiner sechs Dirnen nur 10 fl.
Mit zunehmender Reglementierung der städtischen Prostitution nahm die Zahl der männlichen Frauenwirte zu. Deren Rechtsstellung besserte sich dadurch, dass sie durch die Leistung eines Eides quasi zu öffentlichen Bediensteten wurden und an einigen Orten sogar das Bürgerrecht erwarben. Luzern habe grundsätzlich nur Männer angestellt, berichtet Cysat:
Q4 «1385. Das gmein Frowenhuss hiess man domalen das Zotthuss und muosst ein Mansperson die Wirtschafft hallten; den nampt man den Zottwirt; der hatt ouch einen ernstlichen Eid. Diss ellend Huss jst von minen Herren abgethan ungefarlich 1578.»
Dieser Meister war jedoch nur der städtische Oberaufseher. Er bestellte in eigener Regie eine Frauenwirtin oder einen Frauenwirt und einen Knecht. Der Frauenwirt schwor, keine Frau, die nicht schon berufstätig oder gar «geschwächt» (= schwanger) war, aufzunehmen, sowie das Bordell an Sonn- und Feiertagen zu schliessen. Ausserdem vertrat der Wirt den Nachrichter im Falle der Abwesenheit bei peinlichen Verhören.
Der überlieferte Eid aus dem Jahr 1503 zeigt, dass die Anforderungen an den Frauenwirt von Winterthur sehr ähnlich waren:
Q5 «Der Frouwenwirth sol schweren unsern Herren von Zürich Trüw und Warheit ouch Schultheiss und Räten Boten und Vorboten gehorsam ze sind, gemeiner Statt Nutz ze fürderen und Schaden ze wenden, ouch allen Husrat, so er im Hus findet, lassen beliben. Und in dissen Eid genommen, kein falsch Spill noch Untrüw zu gestatten, ünd alles argwenig Gut, so zu Spil oder zu den Frouwen in das Hus bracht würde, dessglichen alle ander Unzuchten einem Schultheissen zu laiden, ouch kein unsuber Frouwen von der Blateren im Hus nit ze halten; sonder das Frouwenhaus alle Samstag ze Nacht, alle 12 Boten Abend, ouch alle Unser Frauwen und ander hochzitlich Abend ze beschliessen und niemand darin zu halten. Darzu so er nüt mer allhie beliben wollte, nicht abzüchen, dann mit Wüssen eines Rats und den Schulden unschädlich. Actum uff Luthie 1503.»
Der wörtlich überlieferte Eid sowie Liebenaus Aussagen über den Eid des Luzerner Meisters zeigen uns, auf welche Probleme im Zusammenhang mit der Prostitution die Städte allmählich sensibilisiert wurden. Der Wirt musste schwören, im Frauenhaus weder Falschspiel, Untreue, noch Unzucht zu tolerieren. Wichtig war der Stadt auch, dass die Frauen gesund waren und nicht an Krankheiten («Blateren» = Syphilis) litten. Das Frauenhaus musste Samstagnacht schliessen und an Sonn- und kirchlichen Feiertagen («12 Boten» = Apostel) geschlossen bleiben.
Dass Ordnung und Realität wohl nur selten übereinstimmten, zeigt sich am deutlichsten in Basel, wo ein Frauenhaus auf dem Kohlenberg komplett inventarisiert wurde. Leider ist nicht bekannt, wann und warum es dazu gekommen war. Aber die sichergestellten Spielbretter, verpfändeten Wertgegenstände und die Goldwaage legen die Vermutung nahe, dass das Haus in einen besonders schlechten Ruf als Spiel- und Vergnügungshölle geraten war.
3.4. Besucher des Frauenhauses
Zur Kundschaft der Prostituierten zählten vor allem Gesellen, Studenten und unverheiratete Männer, denen das Frauenhaus offiziell auch vorbehalten war. Ehemännern, Geistlichen und Ungläubigen ist in vielen Frauenhausordnungen der Besuch streng verboten. Geistliche und Ehemänner kamen aber meist mit leichten Strafen davon, falls sie überhaupt belangt wurden. Nur Juden hatten mit harten Strafen bis zur Kastration zu rechnen.
In dem betrachteten Gebiet sind mir jedoch keine solchen Gerichtsfälle vor der Reformation bekannt geworden. Man kann daraus aber bestimmt nicht schliessen, dass Ehemänner, Geistliche und Ungläubige sich immer an das Verbot gehalten hätten. Im Gegenteil ist anzunehmen, dass Dirnen und Frauenwirte Diskretion walten liessen, solange die Kasse stimmte.
Den ranghöchsten Freier konnte das Berner Frauenhaus, von dem (denen?) sonst noch sehr wenig bekannt ist, im Juli 1414 bedienen: König Sigismund nutzte das Angebot der Berner und besuchte das Frauenhaus. In Tschudis Chronik heisst es:
Q6 «Die von Bern hattend ouch im Frowenhuss geordnet dass mengklich so von des Künigs Hof-Volck darinn kam wol empfangen ward und niemand nüt bezalen dorfft. Dieselb Eerung und ouch die mit dem Win, den man mengklichen vergebens gab, rümt der Künig hernach in allen Landen wo Er bi Fürsten und Herren sass.»
Gute Kunden waren ferner die Söldner. Auf den Feldzügen der Eidgenossen ging es nicht so gesittet her, wie es mancher spätere Historiker darstellte. So begleiteten die Luzerner im Feldzug gegen die Burgunder einige «Fröwelin», die zuvor auf Staatskosten neu eingekleidet worden waren.
3.5. Auswirkungen der Reglementierung
Nachdem sich ein öffentliches Prostitutionsmonopol halbwegs durchgesetzt hatte, waren viele Prostituierte quasi städtische Bedienstete. Anders als Dienstboten in Haushalten hatten sie meist die Möglichkeit, sich selbst Recht zu verschaffen, was jedoch selten ohne Fürsprache von ehrbaren Zeugen zu den gewünschten Urteilen führte. Mancherorts gerieten Dirnen in völlige Abhängigkeit eines Frauenwirtes, der sie durch die Abgabe von Kleidern und Schmuck in grosse Verschuldung brachte und so an sich band, wogegen die Räte - wenn sie es erfuhren - intervenierten.
Ein solcher Fall ist von Basel belegt. Im Jahr 1474 verlangten gleich sieben Prostituierte, ihr Gewerbe aufzugeben und «fromm» zu werden. Hinter ihrem Gesinnungswandel standen aber handfeste Interessen, waren sie doch zusammen mit über 300 Gulden beim Wirt verschuldet. Die Basler Obrigkeit ermöglichte ihnen den Ausstieg, der aber von ihrer künftigen Lebensführung abhängig gemacht wurde: Sollten die Dirnen "rückfällig" werden, dürfte der Wirt seine Ansprüche auf Geld und Kleider geltend machen. Leider ist nicht bekannt, wie die weiteren Schicksale der beteiligten Personen aussahen. Ich vermute, dass nicht alle einen Ehemann gefunden haben und manche wohl wieder dem alten Beruf nachging, dann aber wahrscheinlich in einer anderen Stadt.
Aus den Bemühungen der Frauenwirte, sich ihren Anteil am Liebeslohn zu sichern, erwuchs eine starke Abhängigkeit der Prostituierten vom Wirt. Durch die Beschränkung der Prostitution auf ein Bordell und die eidliche Verpflichtung des Wirtes nahm das Ungleichgewicht zwischen "Herrn" und "Dienerin" zu. In diesem Zusammenhang weist Schuster aber darauf hin, dass verstärkte Reglementierung im späten 15. Jahrhundert nicht immer als weitere Verschlechterung ihrer Stellung gewertet werden darf, sondern oft auch erkannte Missstände zugunsten der Dirnen korrigierte.
3.6. Aufhebung der Frauenhäuser
Allmählich verschwanden die Frauenhäuser aus den Quellen, aber von längst nicht jeder Stadt ist der Zeitpunkt der Schliessung bekannt. Ende des 16. Jahrhundert dürfte es vermutlich in keiner Deutschschweizer Stadt mehr ein Frauenhaus gegeben haben; zumindest nicht in der öffentlich betriebenen Form. Reformierte Orte hatten es einfacher, da sie infolge der Verstaatlichung der Kirche keinerlei Rücksicht auf kirchliches Rechtsverständnis nehmen mussten, und so eine neue Sexualmoral setzen und durchsetzen konnten. Das heisst aber nicht zwingend, dass das Ende der Frauenhäuser mit der Reformation in kausalem Zusammenhang stehen muss. Die Jahreszahlen der Schliessungen widersprechen aber im eidgenössischen Beispiel dieser These zumindest nicht.
Die Häufung von Kleider- und Frauenhausordnungen seit den 1470er-Jahren deutet aber darauf hin, dass den Städten schon vor der Reformation an einer schärferen Reglementierung gelegen war. Die eidgenössische Tagsatzung, die 1481 in Stans die Aufnahme der Städte Freiburg und Solothurn als gleichwertige Orte beschloss, verbot etwa das Tragen und Herstellen von Kleidern, welche die Scham nicht verdeckten:
Q7 «Item, mit Bot und Buoss die schamlichen kurzen Kleider, verkommen, verbieten und ernstlich strafen sölle.»
Im Jahr 1495 schleppten vom Krieg in Neapel heimkehrende Söldner die Syphilis ein, die im Volksmund "böse Blaateren" oder "Frantzosen" genannt wurde. Daneben traten in den 1490er-Jahren aussergewöhnliche Naturphänomene auf, im Elsass fiel ein Meteor vom Himmel und Seuchen wüteten in Bern, Basel und der Innerschweiz. Cysat berichtet schliesslich von einer starken Pest im Jahr 1502 und einer pestähnlichen Krankheit, die "englischer Schweiss" genannt wurde und 1529 erstmals in der Eidgenossenschaft auftrat.
Das reformierte Zürich versuchte ein Prostitutionsverbot zuerst nicht. Stumpf berichtet, dass man sich darauf beschränkte, Gewinne aus dem Geschäft in den Stock zu geben:
Q8 «Anno domini 1526 da wardt der Zinss, so jerlich ab dem gemeynen Frowenhuss Zürich stadt, an das Almuossen verwendt.»
Das neu geschaffene Sittengericht geriet dann aber zwangsläufig und sehr bald in Konflikt mit dem Frauenwirt, für den das geforderte Durchgreifen gegen Ehemänner einen Einkommensausfall bedeutete. Am 19. Januar 1531 klagte der Frauenwirt Heini Genner gegen zwei Besucher, die mit Steinen nach ihm geworfen hatten. Am 17. August des gleichen Jahres stand er selbst vor dem Sittengericht, das ihn zu Gehorsam und Kooperation aufforderte. Das Frauenhaus wurde weiterhin toleriert, musste nun aber strenge Sittenzucht einhalten. Ein Widerspruch, der die traditionsreiche Institution vermutlich still und leise in den Ruin trieb: Nach Heinrich Genner ist kein Zürcher Frauenwirt mehr bekannt.
Dagegen scheuten sich die Berner nicht, ihre Haltung durch einen eindeutigen Entscheid kund zu tun. Nachdem das Berner Frauenhaus erst nach einem Brand 1523 wiederaufgebaut worden war, folgte 1531 die Abschaffung:
Q9 «Das gmein Frouwenhus abgetan. Die gmeinen Frouwen hinweg gewist und das nüw Gebuowen Hus fromen Huslüten gelichen.»
Nach dem Brand eines Bordells anno 1528 wurde das eine, 1534 das andere Bordell in Basel aufgehoben. Letzteres offenbar nachdem eine Frauenwirtin erstochen worden war!
Nach der ersten Schliessung am 7. Januar 1572 hatte es nach Liebenau in Luzern «mengerlei ufrur» gegeben, bis es bereits am 23. Mai wieder eröffnet wurde. 1576 wurde die Frauenwirtin nochmals berechtigt, alle heimlichen Dirnen ins öffentliche Bordell zu schaffen. Als dann aber 1581 die Jesuiten in Luzern eintrafen, folgte das endgültige Ende des Frauenhauses.
In St. Gallen wurde das Frauenhaus im Jahr 1578 geschlossen und schliesslich abgerissen.
4. Zusammenfassung
1. Aus den erwähnten Kleider- und Prostitutionsordnungen die These einer systematischen Diskriminierung der Prostituierten ableiten zu wollen, halte ich für übertrieben. Vielmehr haben die mittelalterlichen Städte Prostitution toleriert - und mit dem Betrieb und der Kontrolle von Frauenhäusern gar reglementiert.
2. Die Bemühungen um eine Reglementierung speisten sich aber nicht (allein) aus christlicher Nächstenliebe, sondern verfolgten durchaus politische Interessen. Prostitution sollte, wenn sie schon nicht unterbunden werden konnte, auf ein eigens dafür eingerichtetes Haus beschränkt bleiben und damit unter Kontrolle gehalten werden. Aus der später verstärkten Reglementierung der Prostitution kann geschlossen werden, dass die Städte sich allmählich genauer für sie zu interessieren begannen. Den Ausschlag dafür gaben möglicherweise die vielen Volkskrankheiten und Epidemien des 15. Jahrhunderts. Bei der Suche nach Schuldigen kamen nach den Ungläubigen bald die Ausübenden sogenannt unehrlicher Berufe ins Blickfeld. Die in vielen Städten verübten Brände sprechen Bände.
3. Das Mittelalter hat die Prostitution aber nie so stark verfolgt wie die Neuzeit nach der Reformation. Trotzdem steht die These, dass die Reformation für das Ende der institutionalisierten Prostitution verantwortlich ist, auf wackligen Füssen. Es scheint mir eher, dass die verstärkte Reglementierung der Frauenhäuser ab dem späten 15. Jahrhundert, die nahtlos in die Schlussphase dieser Institution übergeht einerseits und die Reformation im frühen 16. Jahrhundert andererseits die gleichen Wurzeln haben. In beiden Prozessen ist der Wille der Städte resp. des aufkeimenden Bürgertums erkennbar, mehr Ordnung ins Diesseits zu bringen.
4. Ohne dies genauer abzuklären, wage ich die zusammenfassende These, dass die junge Eidgenossenschaft bezüglich ihrer Sitten bestimmt keinen europäischen Sonderfall darstellte. Die Recherchen über die Frauenhäuser führten im Grossen und Ganzen zu den erwarteten Resultaten: Wie im Reich wurde Prostitution auch in der Eidgenossenschaft im frühen 15. Jh. offenbar noch als selbstverständlich betrachtet, im späteren 15. Jh. stärker beargwöhnt und ab dem 16. Jh. allmählich unterdrückt. Die Bemühungen früher Historiker, das Bild zu beschönigen, entsprechen dem patriotischen Trend des 19. Jahrhunderts; die Verklärung der Geschichte der eigenen Nation war damals gang und gäbe. Die Schweizer Geschichtsschreibung ist also auch in dieser Hinsicht kein Sonderfall.
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die dunkle Zeit - das Mittelalter
Das älteste Gewerbe der Welt
Der Begriff der Prostitution lässt sich vom griechischen "porneia", was soviel wie Unzucht oder Hurerei bedeutet, herleiten. Ferner besteht eine Verbindung zum mittellateinischen "prostibilis", was "sich feil bieten" heißt. Dieser sowie weitere Begriffe wie "prostibulum" (Dirne, Bordell) oder "prostituta" (Dirne) sind gemäß dem Lexikon des Mittelalters in der Frühneuzeit aufgekommen.
Der auch gebräuchliche Ausdruck "gemeine weyber" war durchaus wörtlich gemeint. Die Prostituierten mussten nämlich jedem Freier zur Verfügung stehen. Frauenhäuser oder einzelne Prostituierte, die sich nur einem exklusiven Publikum vorbehalten wollten, wurden vom Stadtrat in der Regel hart angegangen.
Allgemeine Situation
Mittelalterliche Prostituierte sind ganz klar den Randständigen zuzuordnen. Sie waren vom Bürgerrecht ausgeschlossen und oft der Vergewaltigung durch jugendliche Banden, Kunden, Frauenhändler, Zuhälter und Frauenwirte ausgesetzt, denn "in der Rechtspraxis wurde die Vergewaltigung einer Frau aus der gleichen sozialen Schicht milder bestraft als die Vergewaltigung einer Frau aus einer höheren sozialen Schicht." Manche Prostituierte wurde durch künstlich herbeigeführte Verschuldung in eine sklavenähnliche Abhängigkeit versetzt.
Stigmatisierung
Um ehrbare Frauen von Prostituierten unterscheiden zu können, mussten letztere sich oft einer Kleiderordnung unterwerfen, die ihnen das Tragen bestimmter Schuhe, Bänder oder Schleier vorschrieb. Meistens waren diese Kennzeichnungen in den Schandfarben rot, gelb oder grün. Die Kleidervorschriften jeder Stadt waren allerdings verschieden. So mussten Prostituierte in Wien ein gelbes Tüchlein an der Achsel tragen, in Augsburg einen Schleier mit einem grünen Strich, in Frankfurt a. M. eine gelbe Verbrämung (Saum) und in Zürich und Bern verdeutlichte ein rotes Käppeli ihre niedrige Standeszugehörigkeit. Gelb ist also nicht grundsätzlich die Farbe der Prostituierten; denn auch Juden wurden teilweise mit dieser Farbe gekennzeichnet.
Der Weg in die Prostitution
Als häufigste Begründung, weshalb Frauen in die Prostitution gedrängt wurden, finden wir Armut. Das heißt aber nicht, dass diese eine Frau zwangsläufig in die Prostitution treiben musste. Als weitere Faktoren können sexuelles Fehlverhalten, wie wiederholter Ehebruch, voreheliche Schwangerschaft oder Vergewaltigung gesehen werden, denn wer sich solcher Vergehen schuldig machte, wurde bald als Hure bezeichnet. Obgleich es eigentlich verboten war, sind Fälle von Prostituierten bekannt, deren Eltern oder Ehemännern sie an ein Frauenhaus verkauft oder verpfändet hatten: "so ist eins ratsmeinung, ernnstlich und vestigelich, das hinfür kein frawenwirt, wirtin noch ymandt von iren wegen einich weibsbilde, das davor in dem gemeinen leben oder heusern wesentlich nit gwest wer, nicht kauffen, verpfenden noch drauff leyen sollen.[...] Auch soll hinfür der frawen wirt, wirtin oder ir gewalt wissentlich nit einnemen, herbergen oder halten einich frawen, die einen eeman hat oder die hie burgers kind sey."
Es soll auch Zuhälter gegeben haben, die auf dem Land umherzogen, wo sie Mädchen mit falschen Versprechungen - zum Beispiel, dass sie einem reichen Mann vorgestellt würden, der sich eine Frau suche - in die Stadt lockten, wo sie zur Prostitution gezwungen wurden.
http://www.lehnswesen.de/page/html_prostitution.html
Der Begriff der Prostitution lässt sich vom griechischen "porneia", was soviel wie Unzucht oder Hurerei bedeutet, herleiten. Ferner besteht eine Verbindung zum mittellateinischen "prostibilis", was "sich feil bieten" heißt. Dieser sowie weitere Begriffe wie "prostibulum" (Dirne, Bordell) oder "prostituta" (Dirne) sind gemäß dem Lexikon des Mittelalters in der Frühneuzeit aufgekommen.
Der auch gebräuchliche Ausdruck "gemeine weyber" war durchaus wörtlich gemeint. Die Prostituierten mussten nämlich jedem Freier zur Verfügung stehen. Frauenhäuser oder einzelne Prostituierte, die sich nur einem exklusiven Publikum vorbehalten wollten, wurden vom Stadtrat in der Regel hart angegangen.
Allgemeine Situation
Mittelalterliche Prostituierte sind ganz klar den Randständigen zuzuordnen. Sie waren vom Bürgerrecht ausgeschlossen und oft der Vergewaltigung durch jugendliche Banden, Kunden, Frauenhändler, Zuhälter und Frauenwirte ausgesetzt, denn "in der Rechtspraxis wurde die Vergewaltigung einer Frau aus der gleichen sozialen Schicht milder bestraft als die Vergewaltigung einer Frau aus einer höheren sozialen Schicht." Manche Prostituierte wurde durch künstlich herbeigeführte Verschuldung in eine sklavenähnliche Abhängigkeit versetzt.
Stigmatisierung
Um ehrbare Frauen von Prostituierten unterscheiden zu können, mussten letztere sich oft einer Kleiderordnung unterwerfen, die ihnen das Tragen bestimmter Schuhe, Bänder oder Schleier vorschrieb. Meistens waren diese Kennzeichnungen in den Schandfarben rot, gelb oder grün. Die Kleidervorschriften jeder Stadt waren allerdings verschieden. So mussten Prostituierte in Wien ein gelbes Tüchlein an der Achsel tragen, in Augsburg einen Schleier mit einem grünen Strich, in Frankfurt a. M. eine gelbe Verbrämung (Saum) und in Zürich und Bern verdeutlichte ein rotes Käppeli ihre niedrige Standeszugehörigkeit. Gelb ist also nicht grundsätzlich die Farbe der Prostituierten; denn auch Juden wurden teilweise mit dieser Farbe gekennzeichnet.
Der Weg in die Prostitution
Als häufigste Begründung, weshalb Frauen in die Prostitution gedrängt wurden, finden wir Armut. Das heißt aber nicht, dass diese eine Frau zwangsläufig in die Prostitution treiben musste. Als weitere Faktoren können sexuelles Fehlverhalten, wie wiederholter Ehebruch, voreheliche Schwangerschaft oder Vergewaltigung gesehen werden, denn wer sich solcher Vergehen schuldig machte, wurde bald als Hure bezeichnet. Obgleich es eigentlich verboten war, sind Fälle von Prostituierten bekannt, deren Eltern oder Ehemännern sie an ein Frauenhaus verkauft oder verpfändet hatten: "so ist eins ratsmeinung, ernnstlich und vestigelich, das hinfür kein frawenwirt, wirtin noch ymandt von iren wegen einich weibsbilde, das davor in dem gemeinen leben oder heusern wesentlich nit gwest wer, nicht kauffen, verpfenden noch drauff leyen sollen.[...] Auch soll hinfür der frawen wirt, wirtin oder ir gewalt wissentlich nit einnemen, herbergen oder halten einich frawen, die einen eeman hat oder die hie burgers kind sey."
Es soll auch Zuhälter gegeben haben, die auf dem Land umherzogen, wo sie Mädchen mit falschen Versprechungen - zum Beispiel, dass sie einem reichen Mann vorgestellt würden, der sich eine Frau suche - in die Stadt lockten, wo sie zur Prostitution gezwungen wurden.
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Geschichte kennen - Zukunft gestalten
Prostitution im Mittelalter
Über Verbreitung und Bedeutung der Prostitution im Mittelalter, die rechtliche Stellung der Prostituierten und ihre Gründe, dieses Gewerbe auszuüben
14.07.2010 Hagen Winsmann
http://mittelalter.suite101.de/article. ... ittelalter
Frauen- oder Dirnenhäuser wurden auch als Prostibulum bezeichnet. Als die Prostitution zwischen 1350-1450 institutionalisiert wurde, begann man mit dem Bau von öffentlichen Dirnenhäusern. Leitung und Bau erfolgten durch die städtische Obrigkeit und in der Regel mit öffentlichen Geldern. Die Motive der Stadtväter waren vermutlich von eher ordnungspolitischer als finanzieller Natur. Verpachtet wurden die Frauenhäuser schließlich an Äbtissinnen oder Hurenwirte, die so das Monopol für diesen Berufszweig erlangten.
Das Frauenhaus bestand meist aus einem großen, beheizten Gesellschaftsraum, von dem man über eine Treppe die Arbeitsräume des ersten Stocks erreichen konnte. In diesen war meist nur ein Bett vorhanden. Der Zustand der Häuser in seiner Gesamtheit war dabei sehr unterschiedlich.
Pro Frauenhaus schafften im Durchschnitt meist 5-10 Prostituierte an, außerdem arbeiteten dort der Hurenwirt, seine Frau sowie Personal von unbekannter Anzahl.
Es war jedoch nicht nur ein Ort des sexuellen Verkehrs, sondern auch des geselligen Beisammenseins. Alkoholische Getränke wurden ebenfalls angeboten, jedoch meist überteuert. Im Allgemeinen waren Frauenhäuser dem Unterweltmillieu zugehörig und dienten als Aufenthaltsort von Dieben und Hehlern.
Maßnahmen gegen Prostitution
Um die Prostitution einzuschränken, setzten die Behörden eine ganze Reihe von Maßnahmen durch. Hygienische Maßnahmen sahen die Schließung von Bordellen und Badehäusern zu Pestzeiten vor, religiöse die Schließung zu besonderen Festzeiten. Moralische Maßnahmen verboten Frauenhäuser in Kirchennähe und fiskalische schützten das städtische Monopol vor privaten Aktivitäten. Außerdem wurden Kleidervorschriften erlassen, die Prostituierte leicht als solche erkennen ließen.
Die Durchsetzung dieser Maßnahmen erfolgte freilich eher lasch, Zuwiderhandlungen wurden von den Behörden nur halbherzig verfolgt. Einige Städte versuchten auch, den Prostituierten bestimmte Orte zu verbieten. Später gab es teilweise Versuche, die Prostitution auf einzelne Viertel zu beschränken. Frauenhäuser standen selten im Stadtinneren, aber häufig an der Stadtmauer.
Die Kupplerei war eine vor allem weibliche Tätigkeit mit den Ebenen Vermittlung, Beschaffung von Mädchen und Bordellbetrieb im eigenen Haus. Inhaberinnen von Badehäusern besaßen im Geschäft mit der Prostitution eine besonders hohe hierarchische Stellung, Zuhälter hingegen einen sehr schlechten Ruf. Es waren oft Vagabunden, die Prostituierte beschützten.
Die offiziellen Dirnen in den Bordellen hatten ein höheres Durchschnittsalter als inoffizielle Huren, außerdem besaßen die städtischen Einrichtungen einen stärkeren Anteil an fremden Frauen. Mit 30 Jahren galt eine Dirne als „altes Eisen“, ihre Zukunft war danach ungewiss. Den Prostituierten wurden Sicherheitsgarantien gewährt, sie benutzten verschiedene Erkennungszeichen als Schutz vor Gewalt.
Frauenwirte (heute: BetreiberInnen)
Sie waren in Süddeutschland meist männlich, in Mitteldeutschland hingegen in der Regel weiblich. Ihnen oblag die Verantwortung für Verpflegung, Lohn und Kleidung, sie waren meistens Fremde aus der Unterschicht. Der Beruf des Frauenwirts war trotz des schlechten Rufes sehr gefragt, wenn die Bedrohung durch die Gerichtsbarkeit gering war. So belegen zahlreiche Beispiele Gruppen von Frauenwirten, die es zu Experten in ihrem Beruf gebracht haben. Zünfte wurden aber nicht gebildet.
Kunden
Bordellbesucher waren sehr häufig jung. Es handelte sich bei ihnen vor allem um Gesellen, Studenten und unverheiratete Männer. Ihnen war der Bordellbesuch auch offiziell vorbehalten. Auch Söldner waren gute Kunden. Zu junge Männer mussten abgewiesen werden, auch bestand ein theoretisches Verbot des Bordellbesuchs für verheiratete Männer und Geistliche. Diese kamen allerdings in der Regel mit geringen Strafen davon sofern man sie ertappte. Es war die Pflicht der Äbtissin Personen nicht einzulassen, denen der Bordellbesuch offiziell verboten war. Sie musste dabei schwören, die bestehenden Gebote einzuhalten. Strengstes Besuchsverbot bestand für Juden, ihnen drohte sogar die Kastration. Entsprechende Fälle sind jedoch nicht überliefert. Der Bordellbesuch diente jedoch nicht nur der Triebbefriedigung, sondern war auch eine Probe zum Beweis eines normalen körperlich-physiologischen Sozialverhaltens.
Diskriminierung der Prostituierten
Erst seit Mitte des 13. Jahrhunderts wird die Prostitution als unrein angesehen. Auslöser dazu war ein Befehl Ludwigs IX. von Frankreich vom Dezember 1254, Prostituierte aus dem Königreich zu vertreiben. Vermögen und Kleidung der Betroffenen wurden eingezogen. Diese Maßnahme war zwar kaum durchsetzbar, die Prostituierten seit dem aber mit einem Makel behaftet.
Es kam zu einem regelrechten Ausschluss aus der Gesellschaft, zusammen mit Juden und Aussätzigen. Der Kontakt mit Dirnen galt nun als „ansteckend“, Prostituierte sollten zu „Unberührbaren“ werden. Beispielsweise durften sie auf dem Markt keine Lebensmittel berühren- taten sie es dennoch, musste die Ware bezahlt werden. Derartige Diskriminierungen waren wohl in zahlreichen Städten üblich.
Es kam der Zwang auf, ein sichtbares Erkennungszeichen zu tragen. Der Grund dafür war die bessere Erkennungsmöglichkeit. Zunächst bestand das Verbot, Haube und Schleier wie ehrbare Frauen zu tragen; später wurde daraus die Pflicht auf das Tragen eines bunten Bandes auf der Schulter.
Prostituierte unterstanden genau wie Juden und Aussätzige einer besonderen Gerichtsbarkeit, dem Hurenkönig oder „Roi des ribauds“. Er war der Herrscher der Randexistenzen. Juden und Aussätzige waren dabei im Gegensatz zu den Prostituierten völlig rechtlos, sie wurden auch besonders stark in bestimmten Bezirken konzentriert.
Bedeutung der Prostitution
Nur wenige Frauen begaben sich freiwillig in die Prostitution. Oft waren sie ehemalige Vergewaltigungsopfer. Nach „Karriereende“ mit etwa 30 Jahren begaben sich die ehemaligen Dirnen häufig in so genannte „Reuerinnen-Gemeinschaften“ um ein gottesfürchtiges Leben zu leben, andere übernahmen selbst als Äbtissin ein Badehaus.
[Altersperspektive entweder durch Karriere als Betreiberin oder Ausstieg gemäß Opfer-Masche in den Schoß der religiösen Hilfsvereine. Anm.]
Auch Heirat war nicht selten. Ein Ausschluss aus der Gesellschaft erfolgte nicht.
Badehäuser dienten zugleich Hygiene und Triebbefriedigung. Doch war Prostitution nicht nur in der Stadt verbreitet. Feste, Messen und Jahrmärkte zogen Prostituierte an, wobei man offizielle Prostituierte [sog. "Kontrollprostituierte" Anm.] von „heimlichen“ und vagabundierenden unterscheidet [heute: Geheimprostituierte]. Sie verteidigten die Ehre ehrbarer Frauen, denn durch ihre Zuwendung zu jungen Leuten verhinderten sie Übergriffe auf höhergestellte Damen. Somit erfüllten Professionelle auch eine Rolle im sozialen Gefüge.
Trotzdem bestand immer ein wechselhaftes Verhältnis der Gesellschaft zur Prostitution. Mit dem zunehmendem Aufkommen von Moral wurde auch das Geschäft mit der Lust mehr und mehr stigmatisiert. Daraus folgende Reglementierungen sollten aber wohl trotzdem eher der Kontrolle als der Diskriminierung dienen. Hier spielten sicherlich auch politische Interessen eine Rolle.
Später wurden die Einschränkungen weiter verschärft und die Bordelle immer kritischer beobachtet. Ursache hierfür waren möglicherweise Volkskrankheiten und Epidemien im Verlauf des 15. Jahrhunderts. Diese waren offenbar Auslöser für eine allgemeine Suche nach Sündenböcken: man fand sie schließlich unter Ungläubigen und Personen mit „unehrlichen“ Berufen, zu denen auch die Prostitution zählte. Trotz allem: im Mittelalter wurde die Prostitution nicht so stark verfolgt wie in der Zeit nach der Reformation.
Vollständigen Artikel auf Suite101.de lesen: Prostitution im Mittelalter
http://mittelalter.suite101.de/article. ... z0tkKL7bmK
Geschichte der Prostitution
viewtopic.php?t=1374
Über Verbreitung und Bedeutung der Prostitution im Mittelalter, die rechtliche Stellung der Prostituierten und ihre Gründe, dieses Gewerbe auszuüben
14.07.2010 Hagen Winsmann
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Frauen- oder Dirnenhäuser wurden auch als Prostibulum bezeichnet. Als die Prostitution zwischen 1350-1450 institutionalisiert wurde, begann man mit dem Bau von öffentlichen Dirnenhäusern. Leitung und Bau erfolgten durch die städtische Obrigkeit und in der Regel mit öffentlichen Geldern. Die Motive der Stadtväter waren vermutlich von eher ordnungspolitischer als finanzieller Natur. Verpachtet wurden die Frauenhäuser schließlich an Äbtissinnen oder Hurenwirte, die so das Monopol für diesen Berufszweig erlangten.
Das Frauenhaus bestand meist aus einem großen, beheizten Gesellschaftsraum, von dem man über eine Treppe die Arbeitsräume des ersten Stocks erreichen konnte. In diesen war meist nur ein Bett vorhanden. Der Zustand der Häuser in seiner Gesamtheit war dabei sehr unterschiedlich.
Pro Frauenhaus schafften im Durchschnitt meist 5-10 Prostituierte an, außerdem arbeiteten dort der Hurenwirt, seine Frau sowie Personal von unbekannter Anzahl.
Es war jedoch nicht nur ein Ort des sexuellen Verkehrs, sondern auch des geselligen Beisammenseins. Alkoholische Getränke wurden ebenfalls angeboten, jedoch meist überteuert. Im Allgemeinen waren Frauenhäuser dem Unterweltmillieu zugehörig und dienten als Aufenthaltsort von Dieben und Hehlern.
Maßnahmen gegen Prostitution
Um die Prostitution einzuschränken, setzten die Behörden eine ganze Reihe von Maßnahmen durch. Hygienische Maßnahmen sahen die Schließung von Bordellen und Badehäusern zu Pestzeiten vor, religiöse die Schließung zu besonderen Festzeiten. Moralische Maßnahmen verboten Frauenhäuser in Kirchennähe und fiskalische schützten das städtische Monopol vor privaten Aktivitäten. Außerdem wurden Kleidervorschriften erlassen, die Prostituierte leicht als solche erkennen ließen.
Die Durchsetzung dieser Maßnahmen erfolgte freilich eher lasch, Zuwiderhandlungen wurden von den Behörden nur halbherzig verfolgt. Einige Städte versuchten auch, den Prostituierten bestimmte Orte zu verbieten. Später gab es teilweise Versuche, die Prostitution auf einzelne Viertel zu beschränken. Frauenhäuser standen selten im Stadtinneren, aber häufig an der Stadtmauer.
Die Kupplerei war eine vor allem weibliche Tätigkeit mit den Ebenen Vermittlung, Beschaffung von Mädchen und Bordellbetrieb im eigenen Haus. Inhaberinnen von Badehäusern besaßen im Geschäft mit der Prostitution eine besonders hohe hierarchische Stellung, Zuhälter hingegen einen sehr schlechten Ruf. Es waren oft Vagabunden, die Prostituierte beschützten.
Die offiziellen Dirnen in den Bordellen hatten ein höheres Durchschnittsalter als inoffizielle Huren, außerdem besaßen die städtischen Einrichtungen einen stärkeren Anteil an fremden Frauen. Mit 30 Jahren galt eine Dirne als „altes Eisen“, ihre Zukunft war danach ungewiss. Den Prostituierten wurden Sicherheitsgarantien gewährt, sie benutzten verschiedene Erkennungszeichen als Schutz vor Gewalt.
Frauenwirte (heute: BetreiberInnen)
Sie waren in Süddeutschland meist männlich, in Mitteldeutschland hingegen in der Regel weiblich. Ihnen oblag die Verantwortung für Verpflegung, Lohn und Kleidung, sie waren meistens Fremde aus der Unterschicht. Der Beruf des Frauenwirts war trotz des schlechten Rufes sehr gefragt, wenn die Bedrohung durch die Gerichtsbarkeit gering war. So belegen zahlreiche Beispiele Gruppen von Frauenwirten, die es zu Experten in ihrem Beruf gebracht haben. Zünfte wurden aber nicht gebildet.
Kunden
Bordellbesucher waren sehr häufig jung. Es handelte sich bei ihnen vor allem um Gesellen, Studenten und unverheiratete Männer. Ihnen war der Bordellbesuch auch offiziell vorbehalten. Auch Söldner waren gute Kunden. Zu junge Männer mussten abgewiesen werden, auch bestand ein theoretisches Verbot des Bordellbesuchs für verheiratete Männer und Geistliche. Diese kamen allerdings in der Regel mit geringen Strafen davon sofern man sie ertappte. Es war die Pflicht der Äbtissin Personen nicht einzulassen, denen der Bordellbesuch offiziell verboten war. Sie musste dabei schwören, die bestehenden Gebote einzuhalten. Strengstes Besuchsverbot bestand für Juden, ihnen drohte sogar die Kastration. Entsprechende Fälle sind jedoch nicht überliefert. Der Bordellbesuch diente jedoch nicht nur der Triebbefriedigung, sondern war auch eine Probe zum Beweis eines normalen körperlich-physiologischen Sozialverhaltens.
Diskriminierung der Prostituierten
Erst seit Mitte des 13. Jahrhunderts wird die Prostitution als unrein angesehen. Auslöser dazu war ein Befehl Ludwigs IX. von Frankreich vom Dezember 1254, Prostituierte aus dem Königreich zu vertreiben. Vermögen und Kleidung der Betroffenen wurden eingezogen. Diese Maßnahme war zwar kaum durchsetzbar, die Prostituierten seit dem aber mit einem Makel behaftet.
Es kam zu einem regelrechten Ausschluss aus der Gesellschaft, zusammen mit Juden und Aussätzigen. Der Kontakt mit Dirnen galt nun als „ansteckend“, Prostituierte sollten zu „Unberührbaren“ werden. Beispielsweise durften sie auf dem Markt keine Lebensmittel berühren- taten sie es dennoch, musste die Ware bezahlt werden. Derartige Diskriminierungen waren wohl in zahlreichen Städten üblich.
Es kam der Zwang auf, ein sichtbares Erkennungszeichen zu tragen. Der Grund dafür war die bessere Erkennungsmöglichkeit. Zunächst bestand das Verbot, Haube und Schleier wie ehrbare Frauen zu tragen; später wurde daraus die Pflicht auf das Tragen eines bunten Bandes auf der Schulter.
Prostituierte unterstanden genau wie Juden und Aussätzige einer besonderen Gerichtsbarkeit, dem Hurenkönig oder „Roi des ribauds“. Er war der Herrscher der Randexistenzen. Juden und Aussätzige waren dabei im Gegensatz zu den Prostituierten völlig rechtlos, sie wurden auch besonders stark in bestimmten Bezirken konzentriert.
Bedeutung der Prostitution
Nur wenige Frauen begaben sich freiwillig in die Prostitution. Oft waren sie ehemalige Vergewaltigungsopfer. Nach „Karriereende“ mit etwa 30 Jahren begaben sich die ehemaligen Dirnen häufig in so genannte „Reuerinnen-Gemeinschaften“ um ein gottesfürchtiges Leben zu leben, andere übernahmen selbst als Äbtissin ein Badehaus.
[Altersperspektive entweder durch Karriere als Betreiberin oder Ausstieg gemäß Opfer-Masche in den Schoß der religiösen Hilfsvereine. Anm.]
Auch Heirat war nicht selten. Ein Ausschluss aus der Gesellschaft erfolgte nicht.
Badehäuser dienten zugleich Hygiene und Triebbefriedigung. Doch war Prostitution nicht nur in der Stadt verbreitet. Feste, Messen und Jahrmärkte zogen Prostituierte an, wobei man offizielle Prostituierte [sog. "Kontrollprostituierte" Anm.] von „heimlichen“ und vagabundierenden unterscheidet [heute: Geheimprostituierte]. Sie verteidigten die Ehre ehrbarer Frauen, denn durch ihre Zuwendung zu jungen Leuten verhinderten sie Übergriffe auf höhergestellte Damen. Somit erfüllten Professionelle auch eine Rolle im sozialen Gefüge.
Trotzdem bestand immer ein wechselhaftes Verhältnis der Gesellschaft zur Prostitution. Mit dem zunehmendem Aufkommen von Moral wurde auch das Geschäft mit der Lust mehr und mehr stigmatisiert. Daraus folgende Reglementierungen sollten aber wohl trotzdem eher der Kontrolle als der Diskriminierung dienen. Hier spielten sicherlich auch politische Interessen eine Rolle.
Später wurden die Einschränkungen weiter verschärft und die Bordelle immer kritischer beobachtet. Ursache hierfür waren möglicherweise Volkskrankheiten und Epidemien im Verlauf des 15. Jahrhunderts. Diese waren offenbar Auslöser für eine allgemeine Suche nach Sündenböcken: man fand sie schließlich unter Ungläubigen und Personen mit „unehrlichen“ Berufen, zu denen auch die Prostitution zählte. Trotz allem: im Mittelalter wurde die Prostitution nicht so stark verfolgt wie in der Zeit nach der Reformation.
Vollständigen Artikel auf Suite101.de lesen: Prostitution im Mittelalter
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Geschichte der Prostitution
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Ein kurzer Artikel zur Sexarbeit in der Zeit des Konzils von Konstanz:
Ins Frauenhaus ging man, um sich zu amüsieren
Kathrin Drinkuth, Welt Online, 24.10.2016
https://www.welt.de/geschichte/article1 ... ieren.html
Ins Frauenhaus ging man, um sich zu amüsieren
Kathrin Drinkuth, Welt Online, 24.10.2016
https://www.welt.de/geschichte/article1 ... ieren.html