ART ESCORT IN BERLIN

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certik
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ART ESCORT IN BERLIN

Beitrag von certik »

Quelle: http://www.spiegel.de/reise/staedte/0,1 ... 47,00.html

ART ESCORT IN BERLIN
Kreativ sein ist erotisch

Von Kerstin Walker

Norbert Kron leitet einen Escort-Service in Berlin, und das hat nichts mit Sex zu tun, dafür sehr viel mit Kunst. Seine Begleitagentur verführt Kunden mit Entdeckungsreisen in die verschiedenen Szenen der Stadt. Die Idee dazu hat der Schriftsteller aus einem Roman - seinem eigenen.

Wie der Begleiter wohl aussehen mag? Die Spannung steigt, schließlich ist es das erste Escort-Erlebnis, noch dazu mitten in Berlin. Am Telefon sagte Norbert Kron, Initiator von Art Escort, nur: "Sie werden mich an meinen Krücken erkennen." Die Befürchtung, der szenebewanderte Berlin-Führer sei alt und gebrechlich, ist unbegründet - Kron, ein schlanker Mann mit widerspenstiger Schriftstellertolle, ist im besten Alter. Hat sich aber beim Fußballspielen den Fuß gebrochen.

Kron ist freier Fernsehjournalist, Buchautor und Berlin-Kenner. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er den Roman "Der Begleiter," in dem der Protagonist im Escort-Service als Callboy arbeitet. "Diese Idee in die Realität zu übertragen lag nahe," erklärt er auf dem Schlossplatz, wo noch bis vor kurzem der Palast der Republik stand. Er grinst und sagt: "Mit einem Unterschied: Bei Art Escort gibt es Kunst statt Sex."

Berlin ist die Hochburg der freien Künstler. Elf dieser Insider - Freunde und Kollegen von Kron - gehören mittlerweile zu Art Escort. Die Künstler nehmen Besucher mit auf eine Entdeckungsreise in die unterschiedlichen Szenen der Stadt. Es sind Maler, Musiker, Modedesigner oder Schriftsteller - und je nach Vorliebe trifft der Kunde eine Auswahl für seinen Escort-Artist. "Auf diesen individuellen Touren entsteht Nähe. Man ist schließlich für ein paar Stunden zu zweit oder zu dritt zusammen. Dieses Erlebnis beinhaltet die Erotik der Kreativität", sagt der Art-Escort-Chef.

Wie das Negativ einer Fotografie

Angesichts des gewaltigen Baustellenkraters am Schlossplatz, an dem Begleiter und Besucher zum ersten Mal aufeinander treffen, fällt es allerdings ein wenig schwer, das erotische Moment der Kreativität zu spüren. "Wir alle sind Zeitzeugen, das macht diesen Ort so unglaublich spannend," beginnt Kron. Er erzählt, warum dieser Platz so typisch ist für Berlin, für diese Stadt des fortwährenden Wandels.

"Sehen Sie mal da rüber," sagt er. Am Rand des Kraters wurde die Temporäre Kunsthalle errichtet. Eine Art Container-Cube, dessen starre Außenhülle Documenta-Star Gerwald Rockenschaub mit einer in Pixeln dargestellten Wolke zum Schweben bringt. "In ein paar Jahren schon wird an dieser Stelle das Neue Schloss stehen", erzählt der Begleiter. "Berlin ist wie das Negativ einer Fotografie, das entwickelt werden muss." Ein schöner Vergleich. Denn nichts in dieser Stadt ist morgen noch so, wie es heute ist.

Der Spaziergang geht weiter über den Platz, in Richtung des Alten Museums. Norbert Kron weist auf die Röhren-Installation von Maurizio Nannucci hin. Sie schimmert im klassizistischen Säulengang: "All Art Is Contemporary," verkünden dunkelrote Lettern. Es funktioniert nicht nur, es sieht auch gut aus, das Nebeneinander von Klassik und Moderne. So langsam beginnt man, Norbert Kron zu verstehen.

Zwei, manchmal drei Stunden dauert eine Führung normalerweise. Kosten: 60 Euro die Stunde. Wem nach einer doppelten Dosis Berlin-Kultur ist, der fährt weiter, zum Beispiel nach Friedrichshain. In der hundertjährigen Galiläakirche lädt Escort Artist Anne Hahn zu einer kleinen Ausstellung inklusive privater Lesung. Ihr Thema: Pogo vor dem Altar.

Blues-Messen und Punk-Meetings

Die evangelische Galiläakirche ist alt und verfallen, was ihrem Charme aber keinen Abbruch tut. Vor zartblauen Kirchenwänden hängen die Exponate: Zeitungsartikel, Fotos und Dokumente aus der Zeit des Jugendwiderstands in der DDR. Das aufmüpfige Motto der Ausstellung im Museumsprojekt "Jugendwiderstandsmuseum - Galiläakirche" lautet: "Wir lassen uns nicht nehmen, was uns sowieso nicht gehört."

Die dunkelhaarige Art-Escort-Künstlerin Anne Hahn, 1966 in Magdeburg geboren, kommt gleich zur Sache: "Die wenigsten bekamen zu DDR-Zeiten mit, dass sich Punks häufig in den Kirchen trafen," erzählt sie. In den Gotteshäusern hörten sie ihre Musik. Sie probten mit den Bands und tanzten Pogo oder tranken einfach nur Bier. "Aber auch die Langhaarigen, die Hippies, fanden Unterstützung in der Kirche. Liberale Pfarrer ermöglichten es diesen Leuten mit ihrer Jugendarbeit, sich zumindest dort zu entfalten," sagt die Schriftstellerin.

Die Künstlerin liest wunderbar akzentuiert Absätze aus der Biografie, die sie mit Art-Escort-Kollege Frank Willmann verfasst hat. "Satan, kannst du mir noch mal verzeihen" beschreibt das Leben des bekannten Punk-Bandleaders Dieter "Otze" Ehrlich von "Schleimkeim", und man spürt, die Frau weiß, wovon sie spricht.

"Ich habe selbst jahrelang Punkkonzerte organisiert," erzählt sie, und schon befindet man sich mit der Escort-Artistin auf einer Zeitreise in ihre wilde Vergangenheit. Ein Detail aus Hahns eigener Biografie berührt ganz besonders. "Beim Versuch, aus der DDR zu fliehen, wurden mein Freund und ich damals geschnappt," erzählt sie mit ruhiger Stimme. Hahn saß dafür - noch kurz vor der Wende - sechs Monate in Haft.

Nach 1989 veröffentlichte sie mehrere Bücher über Punks. Das Thema lässt sie nicht mehr los, und die Zuhörer lernen eine ihnen bislang unbekannte Seite der Stadt kennen. Von legendären Blues-Messen der Hippies und progressiven Punk-Meetings haben eben die wenigsten schon einmal gehört. Ausgerechnet unter dem Dach der Institution Kirche in der DDR konnte sich eine derart breit gefächerte Alternativkultur entfalten.

Das Kunstprojekt Art Escort sollte zunächst nur für drei Monate laufen. Mittlerweile existiert die Agentur seit einem halben Jahr, und Norbert Kron sagt: "Ein Ende ist nicht in Sicht." Zum Glück, denn wer es einmal ausprobiert hat möchte mehr kennenlernen. Vom Leben dieser Künstler und ihrem persönlichen Zugang zur Geschichte Berlins.
* bleibt gesund und übersteht die Zeit der Einschränkungen *

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Da kam in 2005 auch mal in vielen print&tv Medien eine Berichtswelle über eine damals neue Agentur 'Berlin Dandies'.

Die Medien greifen sowas gerne auf. Was aber noch keine Erfolgsgarantie fürs Geschäftsmodell ist.


www.berlinDandies.de

http://web.archive.org/web/200606170742 ... 220905.pdf (4 MB)





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