Der Zwangsprostitution entkommen

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KonTom
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Der Zwangsprostitution entkommen

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Der Zwangsprostitution entkommen

"Die soll Gott bestrafen"
Das Schickal der 19-Jährigen Natascha aus Moldawien ist nur eines unter Tausenden. Viele junge Frauen nehmen in der Hoffnung auf ein besseres Leben verlockende Jobangebote aus dem Ausland an. Doch dahinter stecken Schlepper, die sie der Zwangsprostitution ausliefern.

Natascha ist 19 Jahre alt und erst seit ein paar Wochen zurück aus der Hölle. Neun Monate lang wurde sie in der Türkei zum Sex gezwungen. Sie schaut scheu unter dem Schirm einer Baseballkappe hervor. Es fällt ihr schwer von der jungen Frau zu erzählen, die sie für ihre Freundin gehalten hatte. Diese bot ihr einen Job als Verkäuferin der Türkei an, den Natascha annahm.

"Als ich in der Türkei ankam, haben sie mich in ein Appartement mit 40 jungen Frauen gebracht", erzählt Natascha. "Die haben mir dann gesagt, warum ich wirklich da bin. Ein Türke, der rumänisch sprach, hat mich bedroht. Ich müsse tun, was sie sagen, weil ich ihnen 3000 Euro schulde, die sie für mich bezahlt hätten." Sie wurde gezwungen, mit bis zu 20 Männern täglich zu schlafen. "Ich habe mich geweigert, weil sie alt waren, betrunken oder unter Drogen standen. Ich war ja erst 18. Sie haben mich aber geschlagen. Das hat etwa einen Monat gedauert, dann haben sie mich für 3000 Euro weiter verkauft", berichtet sie weiter.

Einmal vertraute Natascha sich einem Freier an. Dieser Mann war aber ein Polizist, der mit den Zuhältern unter einer Decke steckte. Natascha wurde verprügelt und bedroht. Einer anderen jungen Frau, die zu fliehen versuchte, schnitten die Männer vor Nataschas Augen mit einem Messer durch die Brust.

"Ich habe dann geschwiegen bis noch ein anderer Freier auftauchte, der immer wieder kam", erinnert sich die 19-Jährige. "Er wollte nie Sex und stellte nur Fragen." Mit der Zeit vertraute sie ihm und erzählte ihm alles. Er fotografierte sie und die anderen Mädchen mit seinem Handy und nahm ihre Aussagen auf. "Schließlich hat uns eine höhere Polizeibehörde befreit, weil die Polizei im Ort bestochen worden war. Bei der Polizei bin ich aber auch wieder geschlagen worden. Sie haben gefragt: Warum kommst Du hierher und machst so etwas auf islamischem Boden? Erst nach einem Monat durfte ich telefonieren und kam dann nach Hause nach Moldawien", erinnert sich Natascha.

IOM hilft Migranten weltweitJetzt wohnt Natascha in einem Haus der Internationalen Migrationsorganisation IOM. Die Organisation hat in den letzten sieben Jahren schon 2000 junge Frauen mit einem ähnlichen Schicksal betreut. Um dem Elend aus der Heimt zu entkommen, gerieten sie in die Fänge von Schleppern und Menschenverkäufern. Verkauft wurden sie dann in die Türkei, nach Russland und in die arabischen Golfstaaten.

Jetzt haben sie es schwer ohne Ausbildung und ohne Job. Familie und Freunde verstoßen sie. Die meisten der Frauen schweigen dann über das, was sie erlebt haben. In Hilfsprojekten machen junge Frauen in den Dörfern Moldawiens jetzt Ausbildungen als Friseusen oder Näherinnen, damit sie nicht trotz aller Aufklärungskampagnen immer wieder auf falsche Versprechungen hereinfallen.

Nicht einmal Geld für StromAuch Natascha wollte mit dem Job in der Türkei dem Elend zu Hause entkommen: "Meine Eltern haben beide sehr viel getrunken. Ich musste schon als Kind arbeiten, bei reichen Leuten, in der Landwirtschaft, auf dem Weinberg. Als ich 14 war kam mein Vater wegen Totschlags ins Gefängnis. Mit dem neuen Mann meiner Mutter war es nicht auszuhalten." Natascha lebte dann allein mit ihrer Schwester. Es war sehr hart für sie. Obwohl sie arbeitete, hatte die Familie kein Geld. Nicht einmal für Strom reichte es.

Jetzt will Natascha, die kaum ihren Namen schreiben kann, eine Ausbildung als Tapeziererin machen. Sie träumt davon, eine Familie zu gründen, Kinder zu bekommen. Über einen möglichen Gerichtsprozess gegen ihre Peiniger mag sie nicht nachdenken. "Die soll Gott bestrafen", sagt sie.

Quelle: Tagesschau.de