Entwurf zur Telefon- und Internetüberwachung

Hier findet Ihr aktuelle Pressemeldungen, die nicht unbedingt etwas mit dem Thema Sexwork zu tun haben.
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Zwerg
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Entwurf zur Telefon- und Internetüberwachung

Beitrag von Zwerg »

Entwurf zur Telefon- und Internetüberwachung sorgt für große Empörung in Österreich

Nunmehr vorliegender Entwurf zum Telekomgesetz speichert Telefon- und
Internetverhalten aller ÖsterreicherInnen - alle ÖsterreicherInnen
unterliegen in Zukunft verstärktem Überwachungsdruck - "Wer etwas zu
verbergen hat, kann die neue Richtlinie ganz leicht unterwandern" - Dammbruch
bei den Grundrechten, ohne Aussicht auf einen sinnvollen Sicherheitsgewinn -
Hunderte BürgerInnen haben bisher über http://www.freenet.at bei Politikern
gegen diese Vorratsdatenspeicherung protestiert

Entwurf zum Telekomgesetz speichert Telefon- und Internetverhalten aller
Österreicher

Dieser Tage wurde der Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes zur
Begutachtung verschickt. In Zukunft sollen alle Daten zur Telefon- und
Internetnutzung jedenfalls sechs Monate (auf Vorrat) für weitere Auswertungen
gespeichert werden.

Von jedem Telefonat wird damit in Zukunft aufgezeichnet und auf Verlangen den
Behörden bereitgestellt, wer welche Telefonnummer angerufen hat, zu welcher
Uhrzeit, wie lange das Gespräch dauerte und bei Mobiltelefonen von welchem
Standort zu welchem Standort das Gespräch erfolgte.

Auch bei Rufnummernunterdrückung oder bei Geheimnummern werden diese Daten
gespeichert. Selbst nicht erfolgreiche Anrufe werden aufgezeichnet. In der
Internetnutzung wird zu jedem verschickten und empfangenen Mail gespeichert,
wer der Absender bzw. der Adressat ist, wann das Mail verschickt wurde.

Angesichts der massenhaft verschickten SPAM-Mails (etwa 95% aller Mails sind
mittlerweile Spam) eine wahrliche Sisyphos-Arbeit mit einem Datenmaterial,
das rasch in Terabyte-Bereiche steigt.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: "Sollte dann wirklich im Falle
einer Straftat der Wunsch bestehen, diesen Datenhaufen zu durchsuchen, würde
die Suche der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen geradezu zu einem
Kinderspiel. Aus den Telefon- und Internetverkehrsdaten lässt sich zwar bei
bekannten Personen, deren Kommunikationsbeziehungen herausfiltern, der
umgekehrte Weg ist nicht möglich. Die Daten sind jedoch nicht geeignet, aus
Kommunikationsmustern Verdächtige zu identifizieren."

Es besteht dann die akute Gefahr, dass die langwierige Suche in den Telefon-
und Internetdaten wichtige Ressourcen zur Verbrechensaufklärung blockiert und
somit kontraproduktiv ist.


Kein Sicherheitsgewinn zu erwarten

Die Maßnahme kann jedenfalls als schwerwiegender Einbruch in die Grundrechte
gewertet weden, insbesondere der Verfassungsgrundsatz der unbeobachteten
Kommunikation wird damit endgültig aufgegeben.

Trotzdem ist keinerlei Sicherheitsgewinn zu erwarten, ganz im Gegenteil
handelt es sich um ein populistisches Sicherheitsplacebo, das von
unverantwortlichen Politikern leichtfertig verstreut wird und damit zum
bloßen Aktionismus verkommt.

"Wer etwas zu verbergen hat, kann die neue Richtlinie ganz leicht
unterwandern". Insbesondere der organisierten Kriminalität und den angeblich
strategisch so toll ausgerüsteten Terrorgruppen wird es ein Leichtes sein die
Datenaufzeichnungen durch Mehrwertkartenhandys, Provider mit Standort
außerhalb der EU, kaskadierende Internetzugänge, Mobiltelefone mit Zulassung
außerhalb der EU-Staaten, Verschlüsselung die Datenaufzeichnungen usw.
wirkungsvoll zu unterwandern bzw. sicherzustellen, dass keine Verbindung zu
den Personen hergestellt werden kann. Der dazu notwendige relativ geringe
zusätzliche, technische, finanzielle und organisatorische Aufwand wird,
sofern diese Gruppen tatsächlich so gut organisiert sind, wie es Politiker
tagtäglich behaupten, leicht zu bewältigen sein.

Selbst innerhalb der EU wird es keine lückenlose Datenaufzeichnung geben, so
sind die Firmen-eMailknoten vom Gesetzesentwurf ausgenommen.

Hans G. Zeger: "Erfasst werden offenbar nur ein paar Dumme und jene Bürger,
die nichts zu verbergen haben, aber sich vielleicht mit Minderheitenthemen
oder Themen abseits vom Main-Stream beschäftigen. Ihnen wird man dann bei
Bedarf, etwa wenn nach angeblichen Terrorzellen gesucht wird, ausgiebig
nachstellen können."

Wäre die Vorratsdatenspeicherung schon Anfang des Jahres in Kraft gewesen,
dann hätte man zwar nicht die Urheber des "Terrorvideos"
(http://www2.argedaten.at/static/gimf-botschaft.wmv), das angeblich
Österreich und Deutschland bedrohte, ausfindig machen können, jedoch wäre es
möglich gewesen, alle Personen, die das Video abgerufen hatten, ausfindig zu
machen. Diese wären dann gezwungen gewesen, sich zu rechtfertigen, warum sie
dieses Video abgerufen haben. Ein offensichtlich verfassungswidriger Eingriff
in die Meinungsfreiheit.


Besonders unangenehme Konsequenzen für "Vertrauensberufe"

Unabsehbare Konsequenzen hat die Vorratsdatenspeicherung für sogenannte
Vertrauensberufe, wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und Journalisten.
Deren Kommunikationsverhalten beziehungsweise derer Klienten kann nunmehr
genauestens analysiert werden. Da ja nicht mehr gezielt gegen einen
Berufsvertreter vorgegangen wird, sondern von "allen" die Daten gespeichert
werden, sind auch die bisherigen Verschwiegenheitspflichten dieser Berufe
wirkungslos.


Rechtliche Bedenken gegen EU-Richtlinie

Basis für den beispiellosen Eingriff in Grundrechte ist die EG-Richtlinie
2006/24/EG, die die Vorratsdatenspeicehrung für die Mitgliedsstaaten
vorsieht. Tatsächlich bestehen jedoch erhebliche rechtliche Bedenken, dass
Rat und Parlament überhaupt nicht berechtigt seien eine derartige Richtlinie,
die direkt in Verfassungsrechte der BürgerInnen eingreift zu beschließen.

Aus diesen Gründen gibt es auch schon Beschwerdeverfahren vor dem EUGH gegen
diese Richtlinie. Österreich hätte die Möglichkeit unter Hinweis auf diese
Beschwerdeverfahren noch mit der Umsetzung der Richtlinie zuzuwarten oder
auch selbst eine entsprechend qualifizierte Beschwerde einzubringen. In
diesen Fällen wäre auch kein Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder
Umsetzung der Richtlinie zu erwarten.


Jetzt protestieren

Die ARGE DATEN hat unter http://www.freenet.at eine Seite eingerichtet, die
es ermöglicht Politier direkt mit seinen Bedenken zu konfrontieren. Mehrere
hundert BürgerInnen haben davon schon Gebrauch gemacht.
eenet.at/images/ueberwachung.jpg[/right]

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Lycisca
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Beitrag von Lycisca »

Unabsehbare Konsequenzen hat die Vorratsdatenspeicherung für sogenannte Vertrauensberufe, wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und Journalisten ... sind auch die bisherigen Verschwiegenheitspflichten dieser Berufe wirkungslos.
Eine typisch österreichische Lösung wären Ausnahmeregelungen für diese Vertrauensberufe. Hier wäre es unbedingt notwendig, auch Prostituierte von der Überwachung auszunehmen.

Falls die Kommunikation von Prostituierten überwacht wird, dann werden sehr viele Männer erpressbar, da sie ja als zumindest potenzielle Kunden von Prostituierten identifiziert sind, was ihre Frauen wohl nicht wissen sollen. Ein mögliches Horrorszenario; eine in der Regierung vertretene politische Partei bekommt Zugriff auf diese Daten und ihre Mitarbeiter sammeln nun eifrig Wahlspenden ein. Ich kann mir vorstellen, dass in diesem Szenario ein zu vermutender Bruch der Amtsverschwiegenheit schwer nachweisbar ist, wenn ein Hackerangriff von außen vorgetäuscht wird.

KonTom
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Beitrag von KonTom »

Ich bin gespannt wann der erste Vorschlag kommt,
das wir Chips wie die "Viecherln" eingepflanzt kriegen.

Ich glaube nicht das wir auf dem richtigen Weg sind!

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Walker
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Beitrag von Walker »

die einzigen dies freuen wird sind IT-Firmen, die eine menge arbeit bekommen (ich hab deswegen schon stress um aufträge an land zu ziehen, DataWarehouseSysteme und IS (informationssysteme) sind schwer im kommen)...

meiner meinung nach wird der verkauf anonymer prepaid-handys expoldieren. denn diese wird es nachwievor geben... also ein hund er im endeffekt bellt aber nicht beißt.. uns aus der IT-Brache freuts ;). Die nummernaufzeichnung ist ja schon lange realität... jeder kann sich schon lange eine einzelgesprächsauflistung geben lassen und diese werden schon lange bei begründetem verlangen der exekutive ausgehoben und verwendet.

in zeiten wie diesen (vernetzung, datenhaltung...) wird der gläserne mensch immer mehr realität bzw ist zum teil schon realität. obs der richtige weg ist wage ich persönlich zu bezweifeln.

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Marc of Frankfurt
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Prostitutives Privtleben für Prostitutionspolitiker?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Datenschutz für sogenannte Vertrauensberufe, wie ...

auch Politiker und Prostituierte?

Lycisca hat geschrieben:Hier wäre es unbedingt notwendig, auch Prostituierte von der Überwachung auszunehmen.

Peter Singer, Professor für Bioethik an der Universität Princeton macht sich ebenfalls Gedanken: Ethik: Toleranz gegegüber menschlicher Vielfalt gilt auch für Politiker.

Er fordert -formuliert mit meinen Worten- (anhand des Falles Tobias) für Politiker, die sich gegen Prostitution aussprechen, daß die Öffentlichkeit ein Recht an ihren Daten über ihren Prostitutionskonsum hat.

Dann wäre öffentliches Datamining, demokratische Plicht.

In Ostdeutschland läuft gerade ein vergleichbares Ermittlungsverfahren: Versteckte Prostitution Minderjähriger und Duldung und Prostitutionskonsum von hochrangigen Funktonsträgern ...





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