Länderberichte FRANKREICH:

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friederike
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RE: Länderberichte FRANKREICH:

Beitrag von friederike »

Danke für die Empfehlung! Über die männliche Prostitution scheint es nicht viele Studien und Untersuchungen zu geben.

Marcel Proust, der vielleicht bedeutendste französische Romancier des 20. Jahrhunderts, gibt im 4. Teil ("Sodom und Gomorrha") seines Hauptwerks "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" eine Beschreibung des Lebens als Homosexueller im Paris der 1890er Jahre. Geschildert wird auch, wie ein Homosexueller Strichjungen finden kann.

Doris67
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Beitrag von Doris67 »

Proust kannte sich da bestens aus :-)
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deernhh
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Re: Länderberichte FRANKREICH:

Beitrag von deernhh »

Aktualisiert am 08.02.19 - 17:32

FRANKREICH
TEURES PFLASTER FÜR FREIER

Von Stefan Bändle
Frankreich verfolgt Kunden von Prostituierten mit hohen Strafen. Das Verfassungsgericht hat die umstrittene Maßnahme definitiv abgesegnet.

Den ganzen Artikel bitte lesen auf:
https://www.fr.de/panorama/frankreich-v ... 42719.html

Boris Büche
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Re: Länderberichte FRANKREICH:

Beitrag von Boris Büche »

"Auf diese Einwände ging das Verfassungsgericht kaum ein. Es argumentierte mit einer juristischen Güterabwägung. Die Absicht, gegen sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel zu kämpfen, also die Menschenwürde zu schützen, sei ebenso wichtig wie die Wahrung der persönlichen Freiheit, welche die Prostituierten angeführt hätten."

Zu dieser Güterabwägung folgte das Gericht der abolitionistischen These der "95%" - da die Rechte so vieler nicht gewahrt seien, wäre es verhältnismäßig, die Rechte der verschwindenden Minderheit einzuschränken.

Außerdem stützte sich das Gericht auf das Prinzip der "dignité humaine" und stellte in diesem Zusammenhang fest, dass Deine, meine, wessen Würde auch immer nichts sei, über das eine Person entscheiden kann. Sie komme uns zu, sei aber kein personelles Recht, das in Anspruch genommen, oder auf das verzichtet werden kann.

Das Verfassungsgericht ließ offen, wann das Ministerium für Menschenwürde seine Arbeit aufnimmt, und welche Entschidungsgrundlagen es haben wird. (Bei uns würden kirchlich dominierte Ethikkommissionen diese Funktion ausüben - Frankreich aber soll laizistisch sein).

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Tilopa
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Re: Länderberichte FRANKREICH:

Beitrag von Tilopa »

Hier noch etwas zu den negativen Auswirkungen der Gesetzgebung in Frankreich:

The impact of the 'Swedish model' in France: chronicle of a disaster foretold
What happens when policymakers are guided by their biases, instead of the voices of the people they are trying to help?
https://www.opendemocracy.net/en/beyond ... -chronicl/

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Tilopa
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Re: Länderberichte FRANKREICH:

Beitrag von Tilopa »

Aus Frankreich gibt es jetzt unerwartet gute Nachrichten:
Eine Gruppe von 18 Abgeordneten hat die Frauenministerin aufgefordert, das Geld der "Prostitutions-Ausstiegsprogramme" angesichts der Corona-Krise für die direkten Bedürfnisse von SexarbeiterInnen (Essen, Unterbringung) zu verwenden und an Selbstorganisationen zu geben, die den Ausstieg nicht zur Bedingung machen.

Das wäre doch ein Modell, das weltweit Schule machen sollte: Keine Steuergelder an die Verbotslobby! Echte Hilfe für SexarbeiterInnen!

http://www.sexworkeurope.org/news/news- ... ex-workers

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deernhh
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Re: Länderberichte FRANKREICH:

Beitrag von deernhh »

Frankreichs Prostituierte fordern Notfallfonds wegen Corona-Krise
Epoch Times6. April 2020 Aktualisiert: 6. April 2020 19:44

Frankreichs Prostituierte verdienen wegen der Ausgangssperren in der Corona-Krise nichts mehr. Sie gelten auch nicht als Selbständige, die ein Anrecht auf Unterstützungszahlungen haben.
Prostituierte in Frankreich haben die Regierung um Hilfe in der Corona-Krise gebeten. Die Prostituierten seien durch die Ausgangssperre besonders hart getroffen, erklärte die Organisation „Roter Regenschirm“, welche die Interessen von Sexarbeiterinnen vertritt, am Montag in einem Brief an Präsident Emmanuel Macron. Notwendig sei ein Notfallfonds, um die Prostituierten für ihre Einkommensverluste zu entschädigen. Viele befänden sich in einer Situation „extremer finanzieller Unsicherheit“.

Es sei zu befürchten, dass einige Prostituierte „gezwungen sein werden, gegen die Ausgangssperre zu verstoßen, um zu überleben“, heißt es in dem Schreiben. Frankreich hat Selbständigen, die durch die Ausgangssperre Verlust machen, Hilfen in Höhe von 1500 Euro zugesagt. Prostituierte fallen jedoch nicht unter die Regelung.

Abrutschen in Obdachlosigkeit und erhöhte Abhängigkeit von Zuhältern
Mehrere Verbände haben von Fällen berichtet, in denen Prostituierte ihre Hotelzimmer oder Apartments nicht mehr bezahlen konnten und diese deshalb verlassen mussten. Seit dem 17. März gilt eine strenge Ausgangssperre in Frankreich. Die Menschen dürfen ihre Häuser nur noch für Fahrten zur Arbeit, für das Einkaufen und Arztbesuche verlassen.

Prostitution ist in Frankreich nicht illegal, obwohl seit 2016 ein sogenanntes Sexkauf-Verbot gilt: Werden Freier beim Aufsuchen von Prostituierten erwischt, droht ihnen eine Geldstrafe. (afp)

https://www.epochtimes.de/politik/europ ... 06896.html

Doris67
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Re: Länderberichte FRANKREICH:

Beitrag von Doris67 »

Tilopa & deernhh: Gefordert wird im Augenblick viel, nur wird Macrons zynischer Polizeistaat darauf pfeifen, bzw. es geradezu begrüßen, wenn Sexarbeiter/innen aus Hunger jeden unterbezahlten Drecksjob annehmen. Genau das ist ja das Ziel des französischen "Abolitionismus", schon seit Jahrzehnten.
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Re: Länderberichte FRANKREICH:

Beitrag von lust4fun »

"Workshops" für erwischte Freier in Frankreich.

Reportage in der taz (Print 4.7.2022, online 5.7.2022)
von Geneviève Hesse

https://taz.de/Antiprostitutionsgesetz- ... /!5862212/

Ich nehme die Sympathie der Autorin (die auch für Emma schreibt) für dieses Französische Modell wahr. Es graust mir.
Die betroffenen Männer dürfen in der Reportage zu Wort kommen. Die Autorin sorgt dafür, dass sie nicht das letzte Wort behalten. Egal, was sie sagen, Roques "kennt alle Ausreden“.
Es ist eine kafkaeske Situation. Vorgeladen zu einem Workshop, der nicht Umerziehung heißen darf. Eingeladen zum Reden ohne Chance auf einen Dialog, denn die Antworten sind schon zuvor fix.
Welcher Art diese Antworten sind, ist in der Debatte um Prostitution und Abolitionismus bekannt. Antworten, die von anderen Kundigen nicht akzeptiert werden, hier aber in einer autoritativen Situation behauptet werden.
In der taz ist dies nicht einhellige Meinung. Ob da noch redaktionell etwas kommt?

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floggy
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Beitrag von floggy »

Kurz vor dem Workshop selbst Sex anbieten und dann im Workshop erzählen wie es war. Mehr gibt es da meinerseits nicht zu sagen.
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Beitrag von floggy »

Mir graust vor dem Bild das Männer hier abgeben. Unmündig, fremdbestimmt, versklavt, sich selbst nicht mehr verstehend, die Welt nicht mehr verstehend, willenlos, ein Spielball der Mächtigen und Demagogen.

Wir brauchen eine Gegenbewegung, so etwas gab es ja schon immer, Aufbegehren und Neuerfindung.

Die eigene Abhängigkeit von Frauen aktiv angehen, aufklärerisch, die Homophobie und die Transphobie bekämpfen, weil Schwanzlutschen (sorry für Schüler und Schülerinnen heißt das Oralverkehr) und Analverkehr kein Privileg von Schwulen sind. Es ist doch heute schon normal, dass man gleichgeschlechtliche Sexerfahrung macht, ohne sich was dabei zu denken. Und wenn das Bewußtsein einmal soweit um sich gegriffen hat, dass man Sex macht wenn man Sex haben will, dann ist auch Sex gegen Bezahlung kein Tabu mehr. Es kommt ja immer darauf an, wie sozialverträglich der Sex gemacht wird, nicht dass er gemacht wird. Und da ziehen Männer und Frauen je nachdem viel zu oft den Kürzeren, und die Liste ist unendlich lang. Benennen wir die Gefahren und sprechen wir darüber, aber ohne dem besserwisserischen Zeigefinger. Sonst gibt's den Stinkefinger.

Die Welt im Liebeswahn befangen. Weitervererbt von Generation zu Generation. Da lobe ich mir einen Ritt auf dem Besen. Weil ich es mir wert bin!

Man muss diese Kleingeister nur mit eigenen Freiheitsparolen überrollen, dann juckt das niemanden mehr, was Versklavte von sich geben. Diese Kleingeister hat es schon immer gegeben.

Das Unheil fängt doch damit an, dass man sich selbst Scheiße findet. Fände man sich prima, und fühlte man sich super, dann wäre es ein leichtes, die Welt und alles was sich darin befindet, prima und super zu finden.

Natürlich frage ich mich warum ich so einen Stuss schreibe, interessiert ja niemanden. Ja genau deshalb, juckt ja keinen. Macht ja eh jeder und jede was er bzw sie will. Recht so!

Das schreibt Doña Carmen e.V aktuell auf ihrer Website:

"Wie der Fall aufs Neue belegt, muss man für seine Rechte kämpfen, wenn man sie nicht preisgeben will! Es ist eine beschämende Realität, dass man selbst für elementare, überlebenswichtige Dinge erst zahlreiche Hebel in Bewegung setzen muss, um anschließend das zu erhalten, was einem ohnehin rechtlich zusteht."
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Beitrag von floggy »

Hat niemand was geschrieben, dann kann ja ich noch ein wenig schreiben.

Also, das mit der Macht, man erinnere sich:

Und was sei mit der Studentin, die er neulich im Fernsehen gesehen habe, hakt Martin nach. Durch Prostitution hätte sie Geld für ihr Studium und Macht über die Männer. „Wozu brauchte sie denn Macht über die Männer? Warum hat der Journalist nicht danach gefragt“, erwidert Roques. „Wie war es mit Papa oder mit dem Onkel, als sie klein war?“ Dahinter stecke immer ein Trauma.

Nix neues, nur dass es jetzt die Kunden auch schon nachplappern, und zum Stichwortgeber werden. Vorgemacht hat es Alice Schwarzer, und die kann sich jetzt genüsslich im Lehnstuhl zurücklehnen und in der Retrospektive auf ihr Werk, das sich verselbständigt hat in unserer automatisiert ablaufenden Welt, zurückschauen. Vielleicht wird auch nur aus dem Buch von Barbara zitiert, in dem auch der Le Nid vorkommt, allerdings noch auf Seiten der proaktiven Sexarbeiterinnen des Protestjahres 1975 bei der Besetzung der Kirche Saint-Nizier in Lyon, und man erinnere sich, der Protest richtete sich gegen Polizeigewalt und Polizeiwillkür, wie die leicht abgewandelte Passage mit dem Fünf-Minuten-Takt. Muss wohl in der Leserschaft bleibenden Eindruck hinterlassen haben, die schlangestehenden Männer, die im Fünf-Minuten-Takt abspritzen. Also, wie ist das jetzt mit der Macht in der Prostitution?

Wenn Tom und Jerry mit einander spielen, und Kinder das sehen, oder der rosarote Panther wieder verhauen wird, wie auch das Krokodil im Kasperletheater, dann soll das gut für die Entwicklung einer Kinderseele sein. In den Träumen von Kindern ging es schon immer um fressen und gefressen werden. Was kein Kind mag, sind Küsschen. Aber beim Gefressen-Werden-Spiel da rasten alle in Verzückung aus, und Papa und Mama und Oma und Opa müssen immer wieder nochmal machen. Es ist ja nur ein Spiel. Und was macht dieser Roques?

„Ich will nur, dass Sie keinen Sex mehr kaufen. Meinetwegen nur aus Angst vor der Strafe

Der macht doch schwarze Pädagogik. Die übelste ihrer Art. Er will Macht über Dich erlangen. Er will, dass Du Nachts ins Bett pinkelst. Er will Dich klein machen, um dann sagen zu können: alles nicht meine Schuld. Die Krankenkasse ist schuld, weil die nicht zahlt.

Die Leute von der Fraktion Kein-Sex-Nur-Beine-Breit-Machen wissen doch gar nicht was Spaß am Sex ist, und was da alles geht. Die warten doch nur darauf, dass es vorbei ist, wie ein Gewitter, das vorüberzieht.

Das typische Dilemma von Frauen ist doch immer noch, dass der Sex nicht so abläuft wie sie sich das wünschen, wobei es da an der Vorstellung schon mangeln soll, wie er denn sein soll. Also muss Frau experimentieren, den Evolutionssprung schaffen, der ihr zu neuer Erkenntnis verhilft. Auch nicht schlecht. Das ganze Leben ist ein Suchen und Irren, frei nach dem Motto, Versuch und Irrtum. Und da gibt es nun die Möglichkeit, mit Hinzuverdienst, die Rollen zu vertauschen, da läßt sich ein ansonsten dominanter Typ an's Bett fesseln, und nach allen Regeln der Kunst aufgeilen, und aus seinem ansonsten nicht ernstzunehmenden Liebes-Schwur-Geplappere wird plötzlich bitterer Ernst, mitten im Spiel, wenn er jammert und zetert, doch erlöst werden zu wollen. Das bringt noch keinen Orgasmus, aber jetzt nimmt die Chose Fahrt auf. Die Erregungsschwelle überschreitet die 60 km/h, die Gepardin erwacht aus ihrem Dornröschen Schlaf, beginnt zu wildern und zu jagen. Und es gefällt ihr. Ja, das ist das eigentlich Gefährliche an der Sache. Es gefällt ihr. Immer und immer wieder.

Nein, das verstehen diese Leute nicht. Die sehen nur die Gewalt, die sie selbst in sich tragen, vielleicht ihr eigenes Trauma, das wir ja alle haben sollen, laut den vielen Büchern eines Münchner Psychotherapeuten.

Logisch, es gibt unter den Kunden auch viele Irregeleitete, wie Roques so einer ist. Die kommen mit ihrem Weltbild nicht klar, mit ihren introjizierten Moralvorstellungen, da schwabbert alles herum, und nichts fühlt sich echt an, außer man übt Macht über andere aus - dann verfestigt sich der Charakter und wird zur Panzerung die Halt und Schutz gibt. Macht über andere ausüben in einer geschwächten Position, da von horrenden Bußgeldern und der Existenzvernichtung bedroht, nicht im Spiel, denn spielen können diese traumatisierten Kindgebliebenen nicht, sondern im alltäglichen Leben, das ihnen wie Krieg vorkommt. Macht Roques so auf seine Art, ziemlich uncool und unsexy. Machen manche Kunden von Prostituierten so, ziemlich uncharmant und fies.

Das Macht-Spiel heißt "zappeln lassen", egal ob im Erregungszustand oder im Liebeswahn. Wenn sie sich zurückzieht, ist von Enttäuschung bis Frust und Wut alles möglich. Meines Erachtens lernt das ein Kind schon mit zwei Jahren, wenn nicht alles nach seinem Willen läuft, aber die Ausbildung der Durchsetzungsfähigkeit elementar für das Kind ist. Aber auch die Frustbewältigung. Ich sehe immer wieder mit Erstaunen wie sich doch etwas zum Guten gewandelt hat, wenn Mütter ihrem Sprössling geduldig und verständnisvoll zur Seite stehen, wenn dieser tobt und schreit, und die Mutter in Verruf bringt, eine Rabenmutter zu sein. Aus dieser Ecke kommt vielleicht das Problem älterer Generationen, die noch gedemütigt und bestraft, wenn nicht sogar geschlagen wurden. Diese Menschen mögen heute auf Rache sinnen, und sich die Umkehrung der Machtverhältnisse wünschen. Das kann gut sein. Eine Lösung ist das nicht. Wie auch der Versuch des französischen Gesetzgebers nichts als neues Elend bringt.

Sexarbeit in der Prostitution ist ein Geschäft, das man mehr oder weniger geschäftstüchtig betreiben kann. Und das ist das wirkliche Problem, dass es sich immer weniger lohnt.

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Also so schlecht finde ich die Autorin nun nicht. Sie hat auch das hier geschrieben:

https://taz.de/!720960/

Glück geht vor Konsum - Emotionale Arbeit

Also, ich zahle auch für eine Kuschelstunde 200 Mäuse. Das bin ich mir wert. Gibt es dafür in Frankreich eine Ausnahmeregelung?

Das seltsame ist aber, ich habe ja nun auch so meine Geheimnisse, mit einer Frau, die von vorne herein alles sonst noch Mögliche ausschließt, kann ich nicht kuscheln. Das kann ich wiederum nur mit einer Frau, wo es sich schon eingelebt hat, dass wir 'nur' eine 'soziale' Beziehung pflegen wollen. Das sagt mir, dass es da eine Zeitstrecke gibt ("es sich eingelebt hat"), wo sich etwas entwickelt hat, das es wert ist, weitergeführt zu werden. Aber offenbar entwickelt sich das "etwas" nicht immer.

Alles Blödsinn. Dann kuschelt der Mensch halt mit seinen oder ihren Kuschelmenschen, und macht Sex mit seinen oder ihren Sexmenschen. Sex wird immer gemacht. Es hört bekanntlich nie auf.

- - - - - - - -

Der Schlusssatz eines Artikels ist ja immer etwas Besonderes:

„Und wenn Sie überhaupt wieder hingehen“, sinniert Maud Olivier, „dann wird es für sie jetzt anders sein.“

Auf jeden Fall noch intimer. Ein Hauch von Revolution durchweht den Raum. Ein Bild entsteht vor meinen Augen. Meine erste Freundin und ich in einem Raum. Ich hinter der geöffneten Türe mit Maniküre beschäftigt. Vor der Türe der Herr Papa meiner Freundin. Er hat wohl einen Schatten im Hof geglaubt zu sehen? Vielleicht auch ein Geräusch im Treppenhaus gehört? Jetzt wollte er Gewissheit. Der Eros braucht den Tod, sagt man so? Muss das so sein? Später, Hausverbot für meine Freundin durch meinen Herrn Papa. Fußspuren im morgendlichen Schnee hatten uns verraten. Wow, das reinste Abenteuer. Aber schlecht für's Geschäft.

Was würde schon anders sein? Ich würde wieder in den roten R5 einsteigen, nicht am Standplatz, sondern an einer Ampel die schon auf gelb steht, schnell reinspringen, und abschütteln was abzuschütteln geht. Und dann zum Hundersten- und Tausendstenmal das tun was wir schon immer gemacht haben. Ich wäre risikobereiter. Ich wäre kompromissloser. Ich wäre kritischer. Ich wäre wohl auch gewaltbereiter, politischer, extremer. In der Psychosprache: Ich würde meine Komfortzone verlassen.
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