INTERVIEW
Gespräch mit einem Luxus-Escort: "Die meisten Prostituierten sind unterer Mittelstand"
Dies ist ein neugieriges, kein kritisches Interview. Mit der Berlinerin Salomé Balthus, die davon lebt, als Luxus-Escort Sex zu verkaufen. An Männer und Frauen.
16.06.19, 08:22 16.06.19, 11:06
simone meier / watson.ch
Salomé Balthus, können wir bitte über Hotels reden? Ich liebe Hotels und sie scheinen in Ihrem Leben als Escort eine riesige Rolle zu spielen.
Es gibt in Hotels ungeheuer schöne Momente, etwa, wenn der Mann nach dem Sex eingeschlafen ist, und ich allein durch die Gänge streife und an der Bar noch ein Glas Wein trinke. Ich kann mir meine Arbeit ohne Hotels nicht vorstellen. Angenommen, alle Berliner Fünfsterne-Hotels würden mir plötzlich Hausverbot geben, ich wäre arbeitslos. In Privatwohnungen oder Häuser gehe ich nur im Ausnahmefall.
Wieso?
Erstens ist das nicht ungefährlich, es gibt keinen Concierge und kein Telefon, mit dem man um Hilfe rufen kann, keine Kamera auf dem Flur, die alles aufzeichnet. Zweitens ist etwa bei einem Junggesellen die Hygiene oft problematisch. Und bei einem verheirateten Mann fühle ich mich unwohl, weil ich das Gefühl hätte, in eine Intimität von Menschen einzudringen, was mir nicht zusteht.
Das Hotelzimmer als Safe Space und Freiraum für erotische Begegnungen?
Männer werden nicht von tausend Alltagsgegenständen abgelenkt, müssen nicht an Dinge denken, die sie dringend erledigen sollten, können eine Rolle spielen, eine Fantasie verwirklichen. Ich selbst liebe Luxushotels. Als ich einmal in Basel eine TV-Sendung aufzeichnen musste, habe ich noch etwas drauf gelegt und mir ein Zimmer im Trois Rois gegönnt.
Mit Rheinblick?
Nee, ich hatte ein winziges Zimmer, aber es war zauberhaft, die ganzen Räume, die Bars, nur im Restaurant war ich nicht, das war mir zu teuer.
Das heisst, der Lifestyle, dem Sie während Ihrer Jobs begegnen, ist auch Ihr privater?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe eine Einzimmerwohnung in einem Hinterhof in Neukölln, die ich sehr liebe. Meine U-Bahn-Station ist eine der kriminellsten in Berlin, vorige Woche gabs eine Schießerei, neulich stieg ich aus dem Taxi mit einem Bündel von Geldscheinen in der Tasche, und ein Obdachloser ohne Beine überquerte auf einem fahrbaren Untersatz vor dem Taxi die Straße. Das ist mein Reality Check.
"Man macht die Welt nicht besser, indem man den Menschen den Sex entzieht."
Salomé Balthus
Reden wir also über Geld. Verdienen Sie gut?
Ich könnte es mir nicht leisten, jeden Tag im Restaurant zu essen oder irgendwelche Zimmer zu mieten, ich kann mir keine Wohnung leisten, die mehr als 700 Euro kostet. Die meisten Prostituierten, die ich kenne, sind unterer Mittelstand. Keine von uns kann sich eine große Wohnung leisten, wir sparen ja auch und zahlen Steuern und Krankenversicherung. Ich denke, wir verdienen etwas mehr als eine freie Journalistin, aber weit weniger als eine fest angestellte Redakteurin.
Wie viele Dates braucht es, um durchzukommen?
Manchmal reicht ein großes für einen ganzen Monat. Manchmal muss was für zwei Monate reichen. Dann sind es plötzlich vier in einer Woche, aber das laugt aus, das spür ich. Nicht in der Vagina oder so, ich bin einfach erschöpft. Ich bin nicht so reich wie meine Kunden! Ich will’s auch gar nicht sein, weil ich weiß, wie viel Stress das macht, so viel Geld zu verdienen. Ich gebe wenig Geld für Essen und Miete, aber viel für Schuhe aus. Oder Handtaschen. Obwohl ich die meist gebraucht kaufe. Ich muss schon aufpassen.
Worauf?
Ich möchte reinpassen in diese Welt, aber ich gehöre da nicht rein. Das ist für mich auch das Aufregende daran. Wenn ich mir diesen Luxus privat ständig leisten könnte, würde ich mich nicht so verwegen fühlen dabei. Alle denken, ich bin ein ganz normaler Hotelgast. Alle denken, dass ich das relativ oft mache. Sie wissen nicht, dass ich nur meine zwei drei Outfits habe, die ich immer neu kombinieren muss, damit es nicht so auffällt. Aber ich krieg’s hin!
Ein frivoles Doppelleben also.
Andersrum gibt’s ja auch den Fall der römischen Kaiserin Messalina, die, im Palast lebend, sich einen Spaß daraus machte, nachts verkleidet in die Elendsviertel, die berüchtigte "Suburra", zu schleichen, wo die Prostituierten waren und dort als Prostituierte mit Männern zu schlafen. Danach ging sie nach Hause und legte sich ins Bett des Kaisers zu. Also der Flirt mit der Gosse. Bei mir ist es eben andersrum: Die Gosse flirtet mit dem Luxus.
"Sich Sex zu kaufen, hat keinerlei gesellschaftlichen Mehrwert."
Salomé Balthus
Gut, ich käme nie auf die Idee, Sie als "die Goße" zu bezeichnen.
Nein, das ist wahr. Aber ich weiß gar nicht, ob es klug ist, dies zu verraten, vielleicht mache ich damit einen großen Fehler. Vielleicht wollen sich meine Kunden gerade vorstellen, dass ich ein echtes Luxusgeschöpf bin.
Meinen Sie nicht, sie finden gerade diese Virtuosität Ihrer Verstellung charmant?
Viele Kunden mögen es, dass ich es zu schätzen weiß, wenn ich in ein schönes Hotelzimmer komme und einen guten Wein trinken darf. Sowas ist nun mal auf dieser Erde keine Selbstverständlichkeit. Einige entdecken dann selbst wieder eine neue Freude daran.
Das klingt nach einem Cinderella-Komplex. Das einfache Mädchen am Tisch des Prinzen.
Okay, den Cinderella-Komplex nehm ich auch noch mit. Einen Lolita-Komplex hab ich ja schon.
Sind Sie gerne Lolita?
So lange ich noch eine gewisse Mädchenhaftigkeit ausstrahlen kann und Männer das von mir wollen, ist es meine Rolle. Ich hab nun mal diesen kleinen Körper, ich werde immer 1,58 bleiben, ich werde niemals große Brüste oder lange Modelbeine haben. Wenn ich da neben einem 1,80-Meter-Mann stehe, ist ja klar, was in der Fantasie passiert, das kickt einfach.
In Ihrer Fantasie auch?
Ja, das wäre sonst eine traurige Sache. Mir bereitet das viel Vergnügen. Ich biete als Prostituierte aktiv etwas an, ich bin kein Objekt, mit dem verfahren wird. Es wäre ja auch absurd, Sie zu fragen: Macht es eigentlich Spaß, Texte zu schreiben?
Ja klar, Schreiben ist die einzige Erwerbsarbeit, die ich gerne mache.
Echt?
Ja echt.
Könnten Sie sich nicht vorstellen, Ihr Geld damit zu verdienen, mit Männern in schöne Fünfsternehotels zu gehen?
Ich weiß nicht. Wenn schon, müssten es eher Frauen sein.
Das geht auch!
"Angenommen, ich treffe einen, dem ich ansehe, okay, der ist ein richtiges Arschloch, ein richtig schlechter Mensch, was macht man dann?"
Salomé Balthus
Wie groß ist eigentlich Ihr Anteil an Kundinnen?
Ungefähr ein Achtel. Einzeln buchende Kundinnen sind so eine auf fünfzig Männer. Der Rest sind Pärchen. Ich hoffe, es wird mehr! Man kann den Frauen nur immer raten, dies auch zu machen. Die Gründe, wieso so wenige Frauen kommen, sind divers: Frauen wollen gefallen, sie wollen, dass man mit ihnen schläft, weil man sie will, nicht weil sie dafür bezahlen, sie wollen ausgewählt werden und nicht auswählen. Oder sie sind nicht egoistisch genug, sich einfach etwas Zweckfreies zu gönnen. Sich Sex zu kaufen, hat keinerlei gesellschaftlichen Mehrwert, das ist nur für mich.
Männer haben damit keine Probleme?
Nein! Selbst eine Massage macht eine Frau ja nur, um danach wieder besser zu funktionieren. Ein weiterer Grund ist ganz einfach das geringere Einkommen der Frau, da bleibt einfach nicht so viel übrig. Ich muss mal mit meinen Mädels diskutieren, ob allein buchende Frauen nicht weniger bezahlen sollen. Ich würd’s machen.
Und wie ist es mit den Paaren?
Ich hatte neulich ein wunderbares Date mit einem Stammkunden, der zum ersten Mal seine Ehefrau mitbrachte. Es ist ja was anderes, ob man ein Pärchen gleich als Pärchen trifft oder ob die Frau eines Tages mitkommt, nachdem er sie quasi schon eine Weile betrogen hat. Ein wunderschönes Date.
Eine außergewöhnlich tolerante Ehefrau, oder?
Ein ganz besonderer Mensch. Ich dachte, okay, da kommt eine gut verdienende, coole Frau, die ihrem Mann die Prostituierte so durchgehen lässt, aber mich eigentlich abgrundtief hasst. Es kam eine anfänglich schüchterne Person, die immer mehr aufblühte und sich ganz fallenl assen konnte. Ich merkte, dass sich die beiden wirklich lieben, und sie ihm das von Herzen gönnt. Ich war richtig verliebt in sie. Beide schreiben mir jetzt öfter kleine Briefe oder Nachrichten. Der Mann kann sich sehr glücklich schätzen, dass er sie hat.
"Der Körper ist das Unschuldige am Menschen."
Salomé Balthus
Wie rührend. Wie oft verzichten Sie auf ein Date, wenn Sie einen Kunden sehen und wissen: Das wird nichts mit uns?
Eigentlich nie, ich hab ja meinen Ehrgeiz. Was nicht geht, ist, wenn ich merke, der hat eine Krankheit und steckt mich an, was aber in diesem Milieu von Kunden äußerst selten ist. Oder wenn ich denke, der wird gewalttätig und greift mich an, der ist auf Drogen und hat sich nicht mehr unter Kontrolle. Aber angenommen, ich treffe einen, dem ich ansehe, okay, der ist ein richtiges Arschloch, ein richtig schlechter Mensch, was macht man dann? Macht man ihn besser? Ändert man irgendwas? Man ändert überhaupt nichts!
Was also machen Sie mit dem Arschloch?
Ich lass mich aus Neugier auf ihn ein. Ich will wissen: Wie ist so einer im Bett. Wie stellt er sich an. Natürlich kommt dann die Unsicherheit, wenn die Hotelzimmertür zugefallen ist, wenn man überlegt, wer zieht sich zuerst aus, geht zuerst ins Bad, der Griff zur Minibar, obwohl man schon genug getrunken hat ... Aber die Neugier überwiegt, auch die auf den Körper. Der Körper ist ja das Unschuldige am Menschen. Und das Arschloch kann dann vielleicht kurzzeitig zu jemandem werden, der er gerne wäre oder der er nicht mehr sein kann.
Das klingt großzügig.
Oft wissen diese Männer ja genau, dass sie viel Scheiße gebaut haben im Leben. Und wenn sie dann nach dem Orgasmus so daliegen und offener und weniger aggressiv sind als vorher, rede ich mit ihnen darüber. Ich werde ja nicht dafür bezahlt, dass ich ihnen schmeichle, sondern dafür, dass ich mit ihnen ins Bett gehe. Da entstehen oft gute Gespräche, die auch für mich sehr lehrreich sein können.
"Man bereitet sich vor, versetzt seinen Körper in einen Zustand, dass er ready for fucking ist."
Salomé Balthus
Eine postkoitale Lebenschule also. Aber irgendwo gibt es doch auch Grenzen des Akzeptablen, oder nicht?
Naja, ich habe mir dann auch schon überlegt, wo ist jetzt mein kommunistischer Untergrund, der mir eine konspirative Wohnung und eine zweite Identität verschafft, eigentlich müsste ich den Mann jetzt nach dem Katechismus der linken Weltrevolution umbringen. Aber dann lerne ich ihn kennen, hör mir seine Argumente an, verstehe sie – nur um mit etwas Distanz umso genauer zu sehen, wo deren Denkfehler sind. Ich habe ja auch ne Weile gedacht, ich schlafe nicht mit AfD-Mitgliedern. Bis es mir dann passierte.
Wenn Sie mit den Leuten schlafen – haben Sie da ein professionelles Abstraktionsvermögen? Denken Sie ans Geld? Machen Sie das einfach gerne?
Geld ist natürlich ein starkes Nebenargument, es ist schließlich die Belohnung. Allein die Situation, dass man sich jetzt trifft, um das zu tun, ist ja schon die halbe Miete. Man bereitet sich vor, versetzt seinen Körper in einen Zustand, dass er ready for fucking ist, pflegt jeden einzelnen Quadratzentimeter seiner Haut. Das ist, als würde man sich hinter der Bühne ein Kostüm anziehen. Es ist, wie wenn du richtig gut angezogen auf eine Party fährst und weißt: Jetzt kann alles passieren.
So einfach?
Der andere befindet sich in der gleichen Situation. Es ist eine Begegnung, die mehr oder weniger auf Sex hinausläuft, aber nicht muss, das knistert einfach. Die Atmosphäre muss natürlich geschaffen werden, es ist nicht so, dass ich mich im Hotelzimmer spontan aufs Bett werfe und er legt sich auf mich. Dazu gehört Arbeit, gehören Getränke, Gespräche, man redet gezielt über Dinge, die am anderen schön sind, die interessant sind, über erotische Themen und verlässt sich dann auch einfach ganz entspannt auf das Funktionieren von Hormonen.
Ihre Freier haben Geld. Welche herausragenden Eigenschaften haben Sie darüber hinaus?
Wenn ich versuche, mir alle Freier, die ich bisher hatte, in einem Raum vorzustellen, würden sie sich durch nichts von einer Vergleichsgruppe unterscheiden. Die sind nicht irgendwie unangenehmer oder ekliger als andere Leute, die sind nicht dümmer oder brutaler. Wer nicht mit Freiern schlafen will, will nicht mit Menschen schlafen. Und man macht die Welt nicht besser, indem man den Menschen den Sex entzieht.
https://www.watson.de/leben/interview/3 ... n-schlafen
Interview mit Salomé Balthus
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Re: Interview mit Salomé Balthus
Sehr erfrischendes Interview. Danke liebe @deernhh
Kasharius grüßt
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Re: Interview mit Salomé Balthus
Danke auch von mir für das Einstellen liebe deernhh
„Ein Atom ist leichter zu zertrümmern als ein Vorurteil“ (Albert Einstein)
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Re: Interview mit Salomé Balthus
Tolles Interview auf gutem journalistischem Niveau. Habe den Beitrag auf Watson.ch schon mal gelesen, leider vergessen hier zu posten...daher
Danke liebe deernhh
Grüsse Ursa Minor
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Re: Interview mit Salomé Balthus
ein weiteres Interview mit Salomé Balthus in der Frankfurter Rundschau:
PROSTITUTION UND FEMINISMUS
Salomé Balthus: „Wie kann man Feministin sein, ohne mit Huren zu sympathisieren?“
von Katja Thorwarth
Klara Lakomy aka Salomé Balthus spricht mit der FR darüber, warum sie Roger Köppel und die „Weltwoche“ verklagt. Und was Prostitution mit Feminismus zu tun hat.
Frau Balthus, Sie sind die Gründerin von Hetaera, einem Escortservice in Berlin. Was hat es mit dem Namen auf sich?
Wenn man die Geschichte der Prostitution betrachtet, die immerhin allein im Abendland einige Jahrtausende zurückreicht, so stößt man, je nach Höhe der Zivilisiertheit einer Kultur, auf sehr vielseitige Arten von dem, was sich sehr grob unter dem Begriff „Erotische Dienstleistungen gegen Entgelt“ fassen lässt. Wenn ich das, was ich tue, nun mit meinen historischen Vorbildern vergleiche, so ähnelt es wohl am ehesten dem, was im 19. Jahrhundert oder in der Renaissance die Kurtisanen taten. Nur leben wir aber nicht in einer aristokratischen Gesellschaft, der Hof, la court, fehlt. Also musste ich noch weiter in der Zeit zurückgehen und stieß auf die Luxusprostituierten der Antike, die Hetären - wie Lukian oder Platon sie beschreiben.Die Unterschiede überwiegen natürlich.
Hetaera: „Weltbild ohne christliche Körperfeindlichkeit“
Können Sie das konkretisieren?
Die klassische Antike war extrem misogyn und Hetären wie Aspasia, Phryne oder Thaïs die einzigen Frauen, die Zugang zu nennenswerter Bildung hatten - und zwar durch ihre Kunden. Dadurch unterschieden sie sich stark von ihren Geschlechtsgenossinnen, oder auch von den ärmeren Prostituierten, den Straßen- und Bordellhuren, die in der Regel Sklavinnen waren. Hetären hingegen hatten sich oft freikaufen können und besaßen als einzige Frauen ihrer Zeit eigene Häuser, in denen sie auch ihre Kunden empfingen und Feste feierten. Was nebenbei gesagt auch zutrifft auf Kurtisanen der Renaissance, wie Imperial Cognata, Giulia Ferrarese, Tullia D´Aragona oder Veronica Franco, ganz zu schweigen von den Luxuspalästen im Paris der Belle Époque von einer Valtesse oder Païva.
Woran liegt das?
Die Antike kannte nicht die durch das Christentum bis in die Moderne den Westen prägende Körper- und Lustfeindlichkeit. Der Grund, dass Prostitution in der westlichen Kultur immer noch der mit Abstand am meisten problematisierte Beruf ist. Man bedenke, dass das häufigste Schimpfwort für Frauen im Allgemeinen, nicht nur für Prostituierte, in allen westlichen und arabischen Sprachen, folgendes ist: Hure! Wenn ich mich eine Hetäre nenne, so will ich auch anknüpfen an ein Weltbild ohne christliche Körperfeindlichkeit.
In Corona-Zeiten Gespräche am Telefon
Wie laufen die Geschäfte in Zeiten von Corona?
Die Antwort ist kurz: gar nicht. Aus sehr guten Gründen. Was wir verkaufen, ist körperliche Nähe zu Menschen außerhalb des eigenen Haushalts, meist mit weniger als 1,5 Meter Abstand. Höchstens Gutscheine für die Zeit nach Corona kann man erwerben. Ein Zeichen für Hoffnung und etwas, um sich darauf zu freuen. Und falls die Kunden bis dahin pleite sind, haben sie zumindest noch diesen Gutschein aus den guten Zeiten! Aber wir versuchen natürlich auch kreativ zu sein, und aus gegebenem Anlass unser Geschäftsfeld ein wenig zu erweitern. Wir verkaufen ja nicht nur körperliche, sondern auch menschliche, geistige Zuwendung. Und darum bieten wir jetzt auch Hetärengespräche am Telefon an. Erotische Unterhaltung - nicht zu verwechseln mit schnödem Telefonsex.
Sie schreiben, Hetaera sei ein exklusiver Club. Was darf ich mir darunter vorstellen? Wir sprechen schon von Prostitution.
Wo ist da der Widerspruch?
Oder, anders, was ist an Ihrem Club exklusiv?
Ich erhalte sehr viele Bewerbungen, teilweise mehrere pro Woche. Da muss ich natürliche eine Auswahl treffen. Meine Grundentscheidung war von Anfang an, nur Frauen mit künstlerischen oder kreativen Berufen aufzunehmen. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Es liegt nicht nur daran, dass ich mich mit Künstlerinnen besser verstehe, sondern dass ich ihnen zutraue, sich auf die besonderen menschlichen Anforderungen unserer Arbeit am besten zu verstehen. Ein extrem hohes Maß an Eigenständigkeit und kreativer Intelligenz ist gefragt. Jedes Date ist anders, es gibt keine Regeln, oder man muss sie sich selbst erschaffen. Künstler sind keine Angestelltenseelen, sie geben viel aus sich heraus und machen nicht „Dienst nach Vorschrift“. Und sie kommen damit zurecht, Außenseiter zu sein.
Verkaufen Bauarbeiter ihren Körper?
Sie sind studierte Philosophin und bezeichnen sich selbst als Feministin. Wie geht das mit Prostitution zusammen?
Ich frage mich eher, wie man heute, als aufgeklärte, nicht von Dogmen oder einem gewalttätigen Hintergrund beherrschte Frau, Feministin sein kann, ohne (unter anderem) Hure sein zu wollen. Oder zumindest mit Huren zu sympathisieren.
Das Gegenargument könnte sein, dass eine emanzipierte Frau Ihren Körper nicht verkauft.
Wie kommen Sie denn darauf, dass wir unsere Körper verkaufen? Ich habe alle meine Organe noch. Wir verkaufen einen Service. Mit körperlicher und vor allem geistiger Arbeit. Oder finden Sie, dass ein Bergarbeiter oder eine Ballerina auch ihre „Körper verkaufen“?
Alice Schwarzer hat mal eine Studie zitiert, die angeblich belegt, dass die meisten Prostituierten Opfer von Missbrauch seien. Was würden Sie ihr darauf antworten?
Sexueller Missbrauch von Kindern - nicht nur von Mädchen - ist ein gesamtgesellschaftliches Problem mit nahezu monströsem Ausmaß. Angeblich hat jede zweite Frau weltweit schon mal sexuelle Übergriffe erlebt, auch als Erwachsene. Und jedes vierte Kind in Deutschland seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist Opfer von sexuellem Missbrauch. Aber werden diese Kinder alle Prostituierte? Offensichtlich nicht. Es gibt Prostituierte, die Missbrauchserfahrungen haben. Es gibt auch Journalistinnen, Unternehmensberaterinnen und Hausfrauen, die Missbrauchserfahrungen haben.
Ob eine Prostituierte ihr Trauma mit der Tätigkeit verschlimmert, oder ob es im Gegenteil der Weg für sie ist, sich wieder ihren Körper und die Kontrolle darüber anzueignen, sollte dem jeweiligen Individuum überlassen bleiben. Denn eins ist mir wichtig: Nur weil ein Mensch Traumata hat, missbraucht wurde, heißt das noch lange nicht, dass er ab sofort unfähig ist, eigene Entscheidungen zu treffen und selbstbestimmt zu handeln. Wenn man Missbrauchsopfern das Recht abspricht, über ihren Körper zu bestimmen, missbraucht man sie ein zweites Mal.
In einem Schweizer TV-Format wurden Sie von Roger Schawinski mit dieser Frage konfrontiert. Was macht das mit Ihnen? Solch eine Frage würde man mir vermutlich nicht stellen.
Es hat mich vor allem geschockt, dass damit nicht ich angegriffen wurde, sondern andere - meine Angehörigen nämlich mein prominenter Vater Reinhard Lakomy, von dem kurz davor in der Sendung ausführlich die Rede gewesen war. Mein Vater ist tot und kann sich nicht verteidigen. Das fand ich perfide. Mit allem anderen kann ich umgehen, ich bin ständig mit solchen Vorwürfen konfrontiert, wenn Prostitutionsgegner nicht akzeptieren können, dass jemand wie ich gerne Hure ist und stolz darauf. Menschen, die anders sind als die Allgemeinheit, die man nicht verstehen kann, werden oft pathologisiert. Dass so etwas gefährlich ist, weil faschistisch, faschistisches Denken, wollte ich bei dieser Gelegenheit zeigen. Und darüber schrieb ich eine Kolumne.
Klage gegen die Schweizer „Weltwoche“ von Roger Köppel
Seit dieser Sendung schreiben Sie keine Kolumnen mehr für die „Welt“. Was ist der Hintergrund?
Offenbar fühlte sich der Moderator Roger Schawinski durch meine Kritik an seiner Fragestellung beleidigt und konfrontierte seinen alten Bekannten Ulf Poschardt. Der daraufhin meine Kolumne beendete. Die „Welt“ begründete das damit, dass ich falsch zitiert hätte. Ich habe ihn in der Tat nur sinngemäß zitiert, jedenfalls sieht es in der ausgestrahlten und digital abrufbaren Sendung so aus. Schade finde ich, dass ein Medienmann wie Schawinski so gar nicht professionell damit umgehen konnte, dass ich, genau wie er, ein Thema bediene, das mir sachlich wichtig ist, und es gar nicht persönlich meine. Es ist ihm schlecht bekommen. In der Schweiz löste die Causa einen kleinen Medien-Skandal aus, so dass sich am Ende sogar der Ombudsmann des SRF1 einschalten musste, der zu dem Schluss kam, Schawinski hätte meine Menschenwürde beleidigt. Schawinski hat wenige Monate später seine Talkshow verloren.
Bleiben wir in der Schweiz. Sie verklagen gerade das rechte Blatt „Weltwoche“. Worum geht es hier?
Die Weltwoche wollte mich in ihrer Zeitung - so wie Sie gerade auch. Aber ich gebe nicht jeder Zeitung ein Interview, schon gar keiner, deren Chefredakteur und Herausgeber in einer rechtsradikalen Partei im Nationalrat ist, und die rassistischen und frauenfeindlichen Journalismus macht. So etwas möchte ich nicht durch mein Clickbait-Potential unterstützen. Sex sells, aber ich will mitbestimmen, was. Und so reagierte ich nie, oder lehnte ab. Als am Ende der junge Journalist Roman Zeller sogar an das Kontaktformular meiner Website schrieb, teilte ich ihm kühl mit, dass dies ein Escortservice sei, und er bitte von journalistischen Anfragen Abstand nehmen sollte. Wenn er oder seine Kollegen ein Escortdate wollten, könnten sie natürlich jederzeit buchen, und würden behandelt wie alle anderen seriösen Kunden auch. Und ich dachte, damit wäre die Sache erledigt.
War sie aber nicht.
Am nächsten Tag buchte er mich. Er sei eh in Berlin und würde mich trotzdem gern zum Essen einladen, einfach zum Kennenlernen. Und ich gab nach - um mir nicht nachsagen lassen zu müssen, ich würde Kunden unfair behandeln. Und auch, weil ich ihm glaubte, dass es nur um ein Dinnerdate ginge und er einfach neugierig sei. Er ist so jung. Ich dachte, vielleicht kann ich ihm erklären, warum ich mit der Weltwoche nichts zu tun haben will, und was das für eine Zeitung ist, für die er arbeitet, er, der Sohn des renommierten Schweizer „NZZ“-Journalisten René Zeller. Als ich vierzehn Tage später einen GoogleAlert mit dem Artikel bekam, staunte ich nicht schlecht. Auch, als ich am Tag danach die Print-Ausgabe im Briefkasten fand, mit einem Brief von ihm, wo er mir persönlich schrieb, er hätte einfach nicht widerstehen können und hoffe, ich sei ihm nicht böse! Wo er also selbst zugibt, dass es nicht abgesprochen war. Da wusste ich, er und seine Redaktion sind nicht nur dreist, sondern auch dumm.
Aber Sie wussten, dass er Journalist war.
Einige meiner Kunden sind Journalisten. Sie hören aber auf es zu sein für die Zeit des Dates. Und kein Journalist darf einfach private Gespräche oder Begebenheiten zu einem vierseitigen Porträt verarbeiten, ohne die betreffende Person zu fragen - gerade wenn es Personen öffentlichen Lebens sind. Übrigens enthält das Porträt zahlreiche angebliche O-Töne, die ich nie autorisieren konnte. Mein Anwalt kümmert sich darum, wir werden pünktlich die Klage einreichen. Den in der Schweiz obligatorischen Rechtskostenvorschuss von 15.000 CHF habe ich per Crowdfunding gesammelt. Es gibt sehr viele Menschen, die wollen, dass ich Roger Köppel vor Gericht bringe.
„Die Liebe zu einer intelligenten Frau ist ein Päderastenvergnügen“, Zitat von Baudelaire steht so auf Ihrer Seite. Was wollen Sie mir damit sagen?
Das ist ein weites Feld. Ein zu weites.
PROSTITUTION UND FEMINISMUS
Salomé Balthus: „Wie kann man Feministin sein, ohne mit Huren zu sympathisieren?“
von Katja Thorwarth
Klara Lakomy aka Salomé Balthus spricht mit der FR darüber, warum sie Roger Köppel und die „Weltwoche“ verklagt. Und was Prostitution mit Feminismus zu tun hat.
Frau Balthus, Sie sind die Gründerin von Hetaera, einem Escortservice in Berlin. Was hat es mit dem Namen auf sich?
Wenn man die Geschichte der Prostitution betrachtet, die immerhin allein im Abendland einige Jahrtausende zurückreicht, so stößt man, je nach Höhe der Zivilisiertheit einer Kultur, auf sehr vielseitige Arten von dem, was sich sehr grob unter dem Begriff „Erotische Dienstleistungen gegen Entgelt“ fassen lässt. Wenn ich das, was ich tue, nun mit meinen historischen Vorbildern vergleiche, so ähnelt es wohl am ehesten dem, was im 19. Jahrhundert oder in der Renaissance die Kurtisanen taten. Nur leben wir aber nicht in einer aristokratischen Gesellschaft, der Hof, la court, fehlt. Also musste ich noch weiter in der Zeit zurückgehen und stieß auf die Luxusprostituierten der Antike, die Hetären - wie Lukian oder Platon sie beschreiben.Die Unterschiede überwiegen natürlich.
Hetaera: „Weltbild ohne christliche Körperfeindlichkeit“
Können Sie das konkretisieren?
Die klassische Antike war extrem misogyn und Hetären wie Aspasia, Phryne oder Thaïs die einzigen Frauen, die Zugang zu nennenswerter Bildung hatten - und zwar durch ihre Kunden. Dadurch unterschieden sie sich stark von ihren Geschlechtsgenossinnen, oder auch von den ärmeren Prostituierten, den Straßen- und Bordellhuren, die in der Regel Sklavinnen waren. Hetären hingegen hatten sich oft freikaufen können und besaßen als einzige Frauen ihrer Zeit eigene Häuser, in denen sie auch ihre Kunden empfingen und Feste feierten. Was nebenbei gesagt auch zutrifft auf Kurtisanen der Renaissance, wie Imperial Cognata, Giulia Ferrarese, Tullia D´Aragona oder Veronica Franco, ganz zu schweigen von den Luxuspalästen im Paris der Belle Époque von einer Valtesse oder Païva.
Woran liegt das?
Die Antike kannte nicht die durch das Christentum bis in die Moderne den Westen prägende Körper- und Lustfeindlichkeit. Der Grund, dass Prostitution in der westlichen Kultur immer noch der mit Abstand am meisten problematisierte Beruf ist. Man bedenke, dass das häufigste Schimpfwort für Frauen im Allgemeinen, nicht nur für Prostituierte, in allen westlichen und arabischen Sprachen, folgendes ist: Hure! Wenn ich mich eine Hetäre nenne, so will ich auch anknüpfen an ein Weltbild ohne christliche Körperfeindlichkeit.
In Corona-Zeiten Gespräche am Telefon
Wie laufen die Geschäfte in Zeiten von Corona?
Die Antwort ist kurz: gar nicht. Aus sehr guten Gründen. Was wir verkaufen, ist körperliche Nähe zu Menschen außerhalb des eigenen Haushalts, meist mit weniger als 1,5 Meter Abstand. Höchstens Gutscheine für die Zeit nach Corona kann man erwerben. Ein Zeichen für Hoffnung und etwas, um sich darauf zu freuen. Und falls die Kunden bis dahin pleite sind, haben sie zumindest noch diesen Gutschein aus den guten Zeiten! Aber wir versuchen natürlich auch kreativ zu sein, und aus gegebenem Anlass unser Geschäftsfeld ein wenig zu erweitern. Wir verkaufen ja nicht nur körperliche, sondern auch menschliche, geistige Zuwendung. Und darum bieten wir jetzt auch Hetärengespräche am Telefon an. Erotische Unterhaltung - nicht zu verwechseln mit schnödem Telefonsex.
Sie schreiben, Hetaera sei ein exklusiver Club. Was darf ich mir darunter vorstellen? Wir sprechen schon von Prostitution.
Wo ist da der Widerspruch?
Oder, anders, was ist an Ihrem Club exklusiv?
Ich erhalte sehr viele Bewerbungen, teilweise mehrere pro Woche. Da muss ich natürliche eine Auswahl treffen. Meine Grundentscheidung war von Anfang an, nur Frauen mit künstlerischen oder kreativen Berufen aufzunehmen. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Es liegt nicht nur daran, dass ich mich mit Künstlerinnen besser verstehe, sondern dass ich ihnen zutraue, sich auf die besonderen menschlichen Anforderungen unserer Arbeit am besten zu verstehen. Ein extrem hohes Maß an Eigenständigkeit und kreativer Intelligenz ist gefragt. Jedes Date ist anders, es gibt keine Regeln, oder man muss sie sich selbst erschaffen. Künstler sind keine Angestelltenseelen, sie geben viel aus sich heraus und machen nicht „Dienst nach Vorschrift“. Und sie kommen damit zurecht, Außenseiter zu sein.
Verkaufen Bauarbeiter ihren Körper?
Sie sind studierte Philosophin und bezeichnen sich selbst als Feministin. Wie geht das mit Prostitution zusammen?
Ich frage mich eher, wie man heute, als aufgeklärte, nicht von Dogmen oder einem gewalttätigen Hintergrund beherrschte Frau, Feministin sein kann, ohne (unter anderem) Hure sein zu wollen. Oder zumindest mit Huren zu sympathisieren.
Das Gegenargument könnte sein, dass eine emanzipierte Frau Ihren Körper nicht verkauft.
Wie kommen Sie denn darauf, dass wir unsere Körper verkaufen? Ich habe alle meine Organe noch. Wir verkaufen einen Service. Mit körperlicher und vor allem geistiger Arbeit. Oder finden Sie, dass ein Bergarbeiter oder eine Ballerina auch ihre „Körper verkaufen“?
Alice Schwarzer hat mal eine Studie zitiert, die angeblich belegt, dass die meisten Prostituierten Opfer von Missbrauch seien. Was würden Sie ihr darauf antworten?
Sexueller Missbrauch von Kindern - nicht nur von Mädchen - ist ein gesamtgesellschaftliches Problem mit nahezu monströsem Ausmaß. Angeblich hat jede zweite Frau weltweit schon mal sexuelle Übergriffe erlebt, auch als Erwachsene. Und jedes vierte Kind in Deutschland seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist Opfer von sexuellem Missbrauch. Aber werden diese Kinder alle Prostituierte? Offensichtlich nicht. Es gibt Prostituierte, die Missbrauchserfahrungen haben. Es gibt auch Journalistinnen, Unternehmensberaterinnen und Hausfrauen, die Missbrauchserfahrungen haben.
Ob eine Prostituierte ihr Trauma mit der Tätigkeit verschlimmert, oder ob es im Gegenteil der Weg für sie ist, sich wieder ihren Körper und die Kontrolle darüber anzueignen, sollte dem jeweiligen Individuum überlassen bleiben. Denn eins ist mir wichtig: Nur weil ein Mensch Traumata hat, missbraucht wurde, heißt das noch lange nicht, dass er ab sofort unfähig ist, eigene Entscheidungen zu treffen und selbstbestimmt zu handeln. Wenn man Missbrauchsopfern das Recht abspricht, über ihren Körper zu bestimmen, missbraucht man sie ein zweites Mal.
In einem Schweizer TV-Format wurden Sie von Roger Schawinski mit dieser Frage konfrontiert. Was macht das mit Ihnen? Solch eine Frage würde man mir vermutlich nicht stellen.
Es hat mich vor allem geschockt, dass damit nicht ich angegriffen wurde, sondern andere - meine Angehörigen nämlich mein prominenter Vater Reinhard Lakomy, von dem kurz davor in der Sendung ausführlich die Rede gewesen war. Mein Vater ist tot und kann sich nicht verteidigen. Das fand ich perfide. Mit allem anderen kann ich umgehen, ich bin ständig mit solchen Vorwürfen konfrontiert, wenn Prostitutionsgegner nicht akzeptieren können, dass jemand wie ich gerne Hure ist und stolz darauf. Menschen, die anders sind als die Allgemeinheit, die man nicht verstehen kann, werden oft pathologisiert. Dass so etwas gefährlich ist, weil faschistisch, faschistisches Denken, wollte ich bei dieser Gelegenheit zeigen. Und darüber schrieb ich eine Kolumne.
Klage gegen die Schweizer „Weltwoche“ von Roger Köppel
Seit dieser Sendung schreiben Sie keine Kolumnen mehr für die „Welt“. Was ist der Hintergrund?
Offenbar fühlte sich der Moderator Roger Schawinski durch meine Kritik an seiner Fragestellung beleidigt und konfrontierte seinen alten Bekannten Ulf Poschardt. Der daraufhin meine Kolumne beendete. Die „Welt“ begründete das damit, dass ich falsch zitiert hätte. Ich habe ihn in der Tat nur sinngemäß zitiert, jedenfalls sieht es in der ausgestrahlten und digital abrufbaren Sendung so aus. Schade finde ich, dass ein Medienmann wie Schawinski so gar nicht professionell damit umgehen konnte, dass ich, genau wie er, ein Thema bediene, das mir sachlich wichtig ist, und es gar nicht persönlich meine. Es ist ihm schlecht bekommen. In der Schweiz löste die Causa einen kleinen Medien-Skandal aus, so dass sich am Ende sogar der Ombudsmann des SRF1 einschalten musste, der zu dem Schluss kam, Schawinski hätte meine Menschenwürde beleidigt. Schawinski hat wenige Monate später seine Talkshow verloren.
Bleiben wir in der Schweiz. Sie verklagen gerade das rechte Blatt „Weltwoche“. Worum geht es hier?
Die Weltwoche wollte mich in ihrer Zeitung - so wie Sie gerade auch. Aber ich gebe nicht jeder Zeitung ein Interview, schon gar keiner, deren Chefredakteur und Herausgeber in einer rechtsradikalen Partei im Nationalrat ist, und die rassistischen und frauenfeindlichen Journalismus macht. So etwas möchte ich nicht durch mein Clickbait-Potential unterstützen. Sex sells, aber ich will mitbestimmen, was. Und so reagierte ich nie, oder lehnte ab. Als am Ende der junge Journalist Roman Zeller sogar an das Kontaktformular meiner Website schrieb, teilte ich ihm kühl mit, dass dies ein Escortservice sei, und er bitte von journalistischen Anfragen Abstand nehmen sollte. Wenn er oder seine Kollegen ein Escortdate wollten, könnten sie natürlich jederzeit buchen, und würden behandelt wie alle anderen seriösen Kunden auch. Und ich dachte, damit wäre die Sache erledigt.
War sie aber nicht.
Am nächsten Tag buchte er mich. Er sei eh in Berlin und würde mich trotzdem gern zum Essen einladen, einfach zum Kennenlernen. Und ich gab nach - um mir nicht nachsagen lassen zu müssen, ich würde Kunden unfair behandeln. Und auch, weil ich ihm glaubte, dass es nur um ein Dinnerdate ginge und er einfach neugierig sei. Er ist so jung. Ich dachte, vielleicht kann ich ihm erklären, warum ich mit der Weltwoche nichts zu tun haben will, und was das für eine Zeitung ist, für die er arbeitet, er, der Sohn des renommierten Schweizer „NZZ“-Journalisten René Zeller. Als ich vierzehn Tage später einen GoogleAlert mit dem Artikel bekam, staunte ich nicht schlecht. Auch, als ich am Tag danach die Print-Ausgabe im Briefkasten fand, mit einem Brief von ihm, wo er mir persönlich schrieb, er hätte einfach nicht widerstehen können und hoffe, ich sei ihm nicht böse! Wo er also selbst zugibt, dass es nicht abgesprochen war. Da wusste ich, er und seine Redaktion sind nicht nur dreist, sondern auch dumm.
Aber Sie wussten, dass er Journalist war.
Einige meiner Kunden sind Journalisten. Sie hören aber auf es zu sein für die Zeit des Dates. Und kein Journalist darf einfach private Gespräche oder Begebenheiten zu einem vierseitigen Porträt verarbeiten, ohne die betreffende Person zu fragen - gerade wenn es Personen öffentlichen Lebens sind. Übrigens enthält das Porträt zahlreiche angebliche O-Töne, die ich nie autorisieren konnte. Mein Anwalt kümmert sich darum, wir werden pünktlich die Klage einreichen. Den in der Schweiz obligatorischen Rechtskostenvorschuss von 15.000 CHF habe ich per Crowdfunding gesammelt. Es gibt sehr viele Menschen, die wollen, dass ich Roger Köppel vor Gericht bringe.
„Die Liebe zu einer intelligenten Frau ist ein Päderastenvergnügen“, Zitat von Baudelaire steht so auf Ihrer Seite. Was wollen Sie mir damit sagen?
Das ist ein weites Feld. Ein zu weites.
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Re: Interview mit Salomé Balthus
Danke liebe @violet und prima, dass Du wieder an Bord bist.
Zum Interview: Jede Antwort ein Genuss …
Kasharius grüßt
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Re: Interview mit Salomé Balthus
Danke violet!
Hier der Link zum von violet eingestellten Artikel:
https://www.fr.de/panorama/prostitution ... 44179.html
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Re: Interview mit Salomé Balthus
Danke @kasharius und @deernhh. Ich habe den Link in die Überschrift des Beitrags verpackt, d.h. man gelangt zum Artikel indem man auf die Überschrift klickt. Aber ich glaube diese Variante der Verlinkung war wohl etwas leicht zu übersehen.
LG,
violet
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