"Traumland" Weniger Milieufilm als Gesellschaftspo

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fraences
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"Traumland" Weniger Milieufilm als Gesellschaftspo

Beitrag von fraences »

Weniger Milieufilm als Gesellschaftsporträt

Der neue Schweizer Spielfilm «Traumland», der am Donnerstag in die Kinos kommt, ist ein atmosphärisch dichtes Drama zum Thema Prostitution. Er klagt nicht an, macht aber betroffen.


Zürich. – Um ihren ersten Kinofilm zu drehen, hat die Schweizer Regisseurin Petra Volpe aufwendige Recherchen im früheren Zürcher Strassenstrich betrieben. Entstanden ist keine Milieustudie, sondern das Bild einer Gesellschaft, die zwar käuflichen Sex konsumiert, gleichzeitig aber jede Verantwortung von sich weist.

Drei Nominationen für Schweizer Filmpreis

«Sex sells», dessen ist sich die Regisseurin und Drehbuchautorin durchaus bewusst. «Traumland» mit der Bündnerin Ursina Lardi in einer der Hauptrollen ist jedoch weit entfernt von einem Film, der Sex verkauft.

Viel eher handelt das Drama, das sich an Heiligabend in Zürich abspielt, von den Konsequenzen von käuflichem Sex für Prostituierte und Freier. «Traumland» darf sich in drei Kategorien Hoffnungen auf den Schweizer Filmpreis machen.

http://www.suedostschweiz.ch/kultur/wen ... tsportraet
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Fakten und Infos über Prostitution

Sissi_Salzburg
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Beitrag von Sissi_Salzburg »

Hab letzte Woche Ausschnitte gesehen ; war sehr beeindruckt Gruß Sissy

Lisa König
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Beitrag von Lisa König »

Danke für den Link, liebe Fraences. :001


Weiß jemand, ob der Film auch in Deutschland läuft?
Hab' grad mal bei www.kino.de nachgesehen, für ausgewählte Städte (u.a. für München, Berlin, Hamburg und Frankfurt) und nichts gefunden. :dontknow

Sissi_Salzburg
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Beitrag von Sissi_Salzburg »

wir werden ihn in Salzburg spielen ;Ankündigung folgt !!!

Sissi_Salzburg
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Beitrag von Sissi_Salzburg »

Eine kurze Inhaltsangabe : Winter ,eine verschneite Stadt, Männer und FRauen ,die in gutsituierten Verhältnissen leben: da ist der geschiedene Rolf .Er gibt sich alle Mühe ,den kontakt zu seiner Tochter wieder aufzubauen . Und die schwangere lena ,die mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn ein intaktes Familienleben zu führen scheint . Da ist auch die Sozialarbeiterin Judith ,die einen harten Job hat ,und die verwitwte Spanierin Maria ; sie traut sich endlich ihren Bekannnten zu einem romantischen Abendessen einzuladen .Im laufe eines tages treffen ie alle auf die im Rotlicht arbeitende Bulgarin Mia .Die Begegnungen mit der jungen Frau lassen die Fassaden bröckeln - nach und nach kommen Lügen , Schmerz und die Sehnsucht nach Nähe und echter Verbundnheit zum Vorschein......

Lisa König
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RE: "Traumland" Weniger Milieufilm als Gesellschaf

Beitrag von Lisa König »

Angeregt durch den Film "Traumland" gab der Tagesanzeiger letzte Woche seiner wöchentlich veröffentlichten Playlist das Thema "Songs über Prostitution".
Ich sah mir dann mal die vielen Kommentare der Leser durch und fand von Konstantin Wecker "Ich liebe diese Hure". Ich dachte, alles von ihm zu kennen, aber das war nun doch eine Überraschung. :002

Für die, die's vielleicht interessiert:


http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/pop- ... y/23743389

Play/Listen: Auf dem Strich

Diese Woche kommt das Zürcher Rotlichtdrama «Traumland» in die Kinos. Wir spielen und suchen die besten Songs über Prostitution.

Es gibt die Moral, und es gibt die Politik, und irgendwo dazwischen steht der Sex gegen Bezahlung. Nun hat sich die Popmusik ja immer und immer wieder an der Liebe entzündet, und da gehört dann eben auch die käufliche Liebe dazu. Und zwar nicht erst, seit Sting zum dürren weissen Reggae seinen gut gemeinten Ratschlag krächzte: «Roxanne, you don't have to put on the red light.» (Die dazugehörige Parodie von den Flight of the Conchords darf in unserer Playlist natürlich auch nicht fehlen.)

Schon Cole Porter besang in seinem Jazzstandard «Love for Sale» den käuflichen Sex, und das lyrische Ich, das darin seine Dienste anpreist, macht sich sogar lustig über die Dichter, die keine Ahnung haben von der Liebe, die diese so gern besingen:

I know every type of love better far than they
If you want the thrill of love,
I've been through the mill of love
Old love, new love every love but true love

So sehr die Liebe gegen Bezahlung hier romantisch verklärt wird – am Ende der Strophe hat sich der Kitzel der Liebe in eine Mühle verwandelt, und es bleibt die bodenlose Trauer darüber, dass gekaufte Liebe nie echt sein könne. Ella Fitzgerald und Billie Holiday haben das so besungen, aber auch Elvis Costello und die Fine Young Cannibals. (Wir haben uns für das komödiantische Gegengift entschieden, in der Version von Helge Schneider.)

Vom Elend des Freiers berichtet Nick Cave, der in «Jubilee Street» einem Mädchen nachtrauert, das in seiner Strasse von den billigeren Russinnen verdrängt wurde. Und am anderen Ende der Skala schmettert uns Donna Summer ihre Hymne auf die «Bad Girls» entgegen. Die Gitarre funkt vor sich hin, die Bläser jubeln, und selbst die Trillerpfeifen klingen mehr wie Accessoires für die Disco als nach Verkehrs-, also Sittenpolizei. Wenn er von Donna Summer und Giorgio Moroder vertont wird, klingt selbst der Strassenstrich tanzbar.

Welche Lieder zum Thema fallen Ihnen ein? Tragen Sie unten in der Kommentarspalte Ihren Lieblingssong ein, um einen Spotify-Premium-Account zu gewinnen. Thema letzte Woche war Gold. Gewonnen hat Andreas Elsener mit «The Ecstasy of Gold» von Ennio Morricone aus dem Film «The Good, the Bad and the Ugly». Gratulation! Der Gewinner melde sich bitte unter kultur@newsnet.ch. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

Lisa König
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RE: "Traumland" Weniger Milieufilm als Gesellschaf

Beitrag von Lisa König »

Und hier noch eine Rezension aus der NZZ (Neue Zürcher Zeitung)

http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/fi ... 1.18247129

Eindrückliches Schweizer Spielfilmdebüt

Kein Pardon für die Strassenprostituierte im «Traumland»


Brigitte Hürlimann

Die verwitwete Nachbarin, Rentnerin und fleissige Kirchengängerin, zieht sich plötzlich Strapse an, die schwangere Ehefrau masturbiert in der Badewanne, die Sozialarbeiterin treibt's nach Arbeitsschluss heimlich im Hotelzimmer – und die Männer? Die gehen derweil auf den Zürcher Strassenstrich, am berühmt-berüchtigten Sihlquai, den es im realen Leben als Sündenmeile ja nicht mehr gibt; er ist aufgehoben und verschoben worden, an den Rand der Stadt, auf eine Brache zwischen Autobahn und Gleisen, hinter Sichtschutzwänden und mit Boxen versehen – ein schweizerisches Novum. Die «Traumland»-Männer jedoch, diese gutbürgerlichen, unauffälligen, anständigen Schweizer, die gabeln «ihre Mädchen» noch am Sihlquai oder im Langstrassengeviert auf, holen sich für Cash den Sex, den sie sonst nicht bekommen. Und um sie alle herum, um die Männer wie die Frauen, flattert ein Teenager aus Bulgarien, die grazile Mia, die viel raucht und gerne Pizza isst, Gastarbeiterin am Strassenstrich und Opfer ihrer Zuhälter ist – aber auch Opfer einer scheinheiligen Gesellschaft, die sie ablehnt und verachtet.

Es ist Weihnachtsabend, und die Herzen bleiben kalt im nassgrauen Zürich, wo jeder ein bisschen einsam, unverstanden und melancholisch ist, getrieben von allzu menschlichen Nöten und Sorgen, dem Wohlstand zum Trotz. «Traumland», der von der Kritik zu Recht hochgelobte und in Solothurn nominierte Spielfilmerstling von Petra Volpe, ist dennoch, dem Setting zum Trotz, weder ein Weihnachts- noch ein Milieufilm. Die Schweizer Regisseurin lässt ihre Protagonisten in Zeiten und Zuständen höchster Verletzlichkeit agieren und hat dafür Weihnachten als Kulisse gewählt. Alle suchen sie in diesen Tagen besonders verzweifelt nach Wärme, Liebe, Geborgenheit und Sicherheit – und scheitern, fast alle, grandios.

Die Illusion einer heilen Welt bleibt nicht lange aufrechterhalten. Zum Prélude streift die Kamera (Judith Kaufmann) über kitschiges Weihnachtsdekor, es ist eine Symphonie aus Lämpchen und Kerzlein, es blinkt und glitzert in allen Farben und Formen – doch verbergen sich hinter der Lichterpracht Familienstuben oder Erotikstudios oder gar beides? Und spätestens, wenn ein flammender Christbaum auf die Strasse herunterfällt, wird allen klar, dass es hier brennt: im Herzen wie im Fleisch, am Strassenstrich wie im Eigenheim, in der Waschküche wie im Beratungscontainer. Petra Volpe stellt die harten Umstände der Strassenprostitution ins Zentrum ihrer episodenhaft aufgerollten, westeuropäisch-urbanen Befindlichkeitsstudie. Sie hat sich die Milieukenntnisse in jahrelanger Recherche erworben, hat im Zürcher Rotlichtviertel gewohnt, mit Akteuren am Strich und in den Bordellen gesprochen, war bei Fachstellen und bei der Polizei und profitiert nicht zuletzt von ihren Erfahrungen als Telefonsex-Operatrice: In aller Offenheit berichtet die junge Filmemacherin von diesem Studentenjob, überhaupt von ihrem Interesse am Sexgewerbe; ein Interesse, das sie im Gegensatz zu vielen anderen nicht zu verbergen versucht.

Hoch anzurechnen ist Petra Volpe auch, dass sie es schafft, die Prostitution weder zu romantisieren noch zu verteufeln. Sie zeichnet ein differenziertes Bild und verzichtet auf voyeuristische Szenen – im Gegensatz etwa zur zweiten Strassenstrich-Spielfilmproduktion aus Schweizer Küche, die an den diesjährigen Solothurner Filmtagen Weltpremiere hatte. Men Lareidas «Viktoria, a Tale of Grace and Greed» erzählt vom Schicksal einer Roma-Prostituierten aus Ungarn und zeigt mehrfach und in Nahaufnahmen knapp bekleidete Girls auf Freiersuche. Es sind stereotype Bilder, die man doch von der Medienberichterstattung über den Sihlquai-Strich zur Genüge kennt, und solche Bilder fehlen in «Traumland» gänzlich. Dafür wirft Petra Volpe in aller Diskretion höchst unbequeme Fragen auf: Wer gehört zu den Bösen im Strassenstrich-Drama? Sind es wirklich nur die Zuhälter und Menschenhändler? Oder allenfalls auch die vermeintlich so anständigen Bürgerinnen und Bürger? Wunderbar dargestellt werden diese übrigens von Marisa Paredes (eine Muse Almodóvars), Ursina Lardi, Bettina Stucky oder André Jung – und formidabel auch das Nachwuchstalent Luna Zimić Mijović in der Hauptrolle der Mia.