Sex-Pranger im Netz
User outet Bordell-Besucher auf Facebook
Auf einer Facebook-Seite werden Bordell-Besucher bloß gestellt. (© DPA)
Ein oberösterreichischer Facebook-Nutzer hat es sich zur Aufgabe gemacht, Sex-Touristen an den Pranger zu stellen! Regelmäßig postet er Fotos von Autos, die vor den Bordellen geparkt waren. Er selbst meint in seinem Profil: "Ich führe einen Kampf gegen Prostitution in Tschechien!"
Die Aufregung im Bezirk Freistadt und im benachbarten Tschechien ist riesengroß. Ein User mit dem Facebook-Namen "Manfred Zoels" klappert zweimal wöchentlich die Parkplätze von Bordellen ab, fotografiert die davor abgestellten Autos. Er stellt die Fahrzeugbesitzer, die für Schäferstündchen die berühmte Sex-Meilen besuchen, so an den Pranger.
Frauen können Partner überprüfen lassen
Ganz offen fordert der Facebooker auf: "Wenn jemand Interesse hat (weiblich!) und gerne wissen möchte, ob ihr Mann oder Freund ein Bordellbesucher in Tschechien ist, einfach diese Seite anschauen oder mir schreiben!?!"
Ob dieser Web-Pranger rechtlich erlaubt ist, ist unklar. Ein Staatsanwalt meint: "Ohne den Fall genau geprüft zu haben, kann ich mir maximal vorstellen, dass hier eine Beleidigung vorliegt." Die besagte Seite ist übrigens hier zu finden:
www.facebook.com/manfred.zoels
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Es ist vollkommen in Ordnung, wenn man etwas für unmoralisch findet und persönlich ablehnt - unmoralisch wird es jedoch, wenn man seine eigene Moral jemand Anderen aufzwingen will!
Bordellkunden über Facebook geoutet
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RE: Bordellkunden über Facebook geoutet
@Zwerg, @all
vielleicht hier nicht ganz passend aber ich stelle mal eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hier ein. Es geht um die Öffentlichmachung von Arztpraxen die Abtreibungen vornehmen durch einen religiös motivierten Abtreibungsgegner. Auch hier steht also die Anprangerung vermeintlich sozialwidrigen u.U. auch verbotenen Verhaltens im Zentrum der (juristischen) Betrachtung. Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht.
Und so ging es aus:
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn A…
- Bevollmächtigte:
gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 2. Juni 2006 - 18 U 2358/06 -,
b) das Endurteil des Landgerichts München I vom 18. Januar 2006 - 9 O 14979/05 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof
und die Richter Eichberger,
Masing
am 8. Juni 2010 einstimmig beschlossen:
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 2. Juni 2006 - 18 U 2358/06 - und das Endurteil des Landgerichts München I vom 18. Januar 2006 - 9 O 14979/05 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht München I zurückverwiesen.
(...)
I.
15
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
16
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für das Verhältnis des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu dem ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Äußerung Betroffenen (vgl. nur BVerfGE 97, 391 <399>; 99, 185 <196>; BVerfGK 8, 107).
17
2. Die Verfassungsbeschwerde ist zwar nur teilweise zulässig (a); im Umfang ihrer Zulässigkeit ist sie allerdings auch im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet (b).
18
a) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 4 GG rügt, genügen seine Ausführungen nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Begründungsanforderungen. Sie lassen nicht einmal ansatzweise erkennen, inwieweit die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in der Freiheit seines Glaubens betreffen oder an der Ausübung seiner Religion hindern. Namentlich legt der Beschwerdeführer nicht schlüssig dar, dass gerade die Wiederholung der durch die angegriffenen Entscheidungen untersagten Äußerungen und Verhaltensweisen der unmittelbaren Umsetzung einer religiösen Grundhaltung der Beschwerdeführer geschuldet sei.
19
b) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer allerdings in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die dem Beschwerdeführer durch die angegriffenen Entscheidungen verbotenen Hinweise darauf, dass der Kläger Abtreibungen durchführe und in seiner Praxis Abtreibungen durchgeführt würden, fallen in den Schutzbereich dieses Grundrechts. Dem steht nicht entgegen, dass es sich hierbei um Tatsachenbehauptungen handelt, denn auch derartige Äußerungen genießen den Schutz der Meinungsfreiheit, soweit sie geeignet sind, zur Meinungsbildung beizutragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>; 90, 241 <247>; stRspr), was hier ersichtlich der Fall ist.
20
Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt, sondern steht gemäß Art. 5 Abs. 2 GG insbesondere unter der Schranke der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die hier angewendeten Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB gehören. Jedoch haben die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Normen des einfachen Rechts die wertsetzende Bedeutung des beeinträchtigten Grundrechts zu berücksichtigen. Diesem Erfordernis werden die angegriffenen Entscheidungen nicht in hinreichendem Maße gerecht. Die Gerichte haben zwar nicht verkannt, dass die streitgegenständlichen Äußerungen dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, und sind auch in eine Abwägung zwischen diesem Grundrecht des Beschwerdeführers und den auf Seiten des Klägers zu berücksichtigenden grundrechtlich geschützten Interessen eingetreten. Die hierbei maßgeblichen Erwägungen der Gerichte werden aber der Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit nicht hinreichend gerecht.
21
Im Ausgangspunkt zutreffend haben die angegriffenen Entscheidungen zwar angenommen, dass die dem Beschwerdeführer untersagten Äußerungen wahre Tatsachenbehauptungen sind, die den Kläger zudem weder in seiner besonders geschützten Intim- noch in seiner Privatsphäre treffen, sondern lediglich Vorgänge aus seiner Sozialsphäre benennen. Derartige Äußerungen müssen allerdings grundsätzlich hingenommen werden, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>). Zu den hinzunehmenden Folgen der eigenen Entscheidungen und Verhaltensweisen gehören deshalb auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung solcher wahrer Tatsachen ergeben, solange sie sich im Rahmen der üblichen Grenzen seiner Entfaltungschancen halten (vgl. BVerfGE 97, 391 <404>). Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird bei der Mitteilung wahrer Tatsachen über die Sozialsphäre des Betroffenen regelmäßig erst überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>; 99, 185 <196>). Eine derart schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers zeigen die angegriffenen Entscheidungen aber nicht in einer verfassungsrechtlich tragfähigen Weise auf. Ihre Erwägung, dass der Kläger gegen seinen Willen in der Öffentlichkeit als ein auch Schwangerschaftsabbrüche durchführender Arzt präsentiert worden sei und hierdurch eine unzulässige Anprangerung und Stigmatisierung des Klägers bewirkt werde, begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGE 97, 391 <406>; BVerfGK 8, 107 <115>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 2010 - 1 BvR 2477/08 -, www.bverfg.de). Jedoch darf bei der Würdigung einer möglichen Prangerwirkung nicht aus dem Blick geraten, dass die Wahl einer personalisierten Darstellungsweise und der hiermit regelmäßig verbundenen Wirkungssteigerung gerade Teil der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit des Äußernden ist. Es bleibt daher im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, welches Gewicht den durch die Anprangerung ausgelösten Rechtsbeeinträchtigungen im Verhältnis zu der Einbuße an Meinungsfreiheit zukommt, die ein Verbot der personalisierten Darstellungsweise mit sich bringen würde (vgl. BVerfGK 8, 107 <115>).
22
Eine nach diesem Maßstab ausreichend schwere Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Interessen des Klägers durch die streitgegenständliche Äußerung zeigen die angegriffenen Entscheidungen indes nicht auf und begründen daher nicht tragfähig, dass dieser sie trotz ihrer unstreitigen Wahrheit ausnahmsweise nicht hinnehmen müsste. Namentlich lassen sie nicht erkennen, dass dem Kläger ein umfassender Verlust an sozialer Achtung drohe, wenn seine Bereitschaft zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zum Gegenstand einer öffentlichen Erörterung gemacht wird. Hiergegen spricht, dass dem Kläger nach dem festgestellten Sachverhalt nicht etwa eine strafrechtlich relevante oder auch nur überhaupt gesetzlich verbotene, sondern lediglich eine aus Sicht des Beschwerdeführers moralisch verwerfliche Tätigkeit vorgehalten wurde, auf die zudem der Kläger selbst ebenfalls öffentlich hinwies. Darüber hinaus haben die Gerichte auch nicht hinreichend gewürdigt, dass der Beschwerdeführer mit dem Thema der Schwangerschaftsabbrüche einen Gegenstand von wesentlichem öffentlichem Interesse angesprochen hat, was das Gewicht seines in die Abwägung einzustellenden Äußerungsinteresses vergrößert.
23
Soweit die Gerichte daneben auf die Auswirkungen verwiesen haben, die die streitgegenständlichen Äußerungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis entfalten, erscheint auch dies im vorliegenden Fall verfassungsrechtlich nicht haltbar. Allerdings ist die Erwägung, dass die Patientinnen, deren Weg in die Arztpraxis am Standort des Beschwerdeführers vorbeiführt, sich durch dessen Aktionen gleichsam einem Spießrutenlauf ausgesetzt sehen könnten, ein gewichtiger Gesichtspunkt. Vor dem Hintergrund, dass Art. 5 Abs. 1 GG zwar das Äußern von Meinungen schützt, nicht aber Tätigkeiten, mit denen anderen eine Meinung - mit nötigenden Mitteln - aufgedrängt werden soll (vgl. BVerfGE 25, 256 <264>), erscheint es nicht ausgeschlossen, auf diesen Gesichtspunkt und die damit verbundene Einmischung in die rechtlich besonders geschützte Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patientin im Einzelfall ein verfassungsrechtlich tragfähiges Verbot von bestimmten Formen von Protestaktionen zu stützen. Die angegriffenen Entscheidungen genügen den diesbezüglichen Anforderungen jedoch nicht. Denn zum einen sind die Feststellungen der angegriffenen Entscheidungen so knapp, dass undeutlich bleibt, ob und inwieweit die Aktionen „vor“ der Praxis des hiesigen Klägers überhaupt zu derartigen Belästigungen von Patientinnen geführt haben oder hierzu auch nur geeignet waren. Außerdem geht der - vom Berufungsgericht bestätigte - Tenor des landgerichtlichen Urteils deutlich über das durch diesen Aspekt noch zu rechtfertigende Maß hinaus. Auf mögliche das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG betreffende Belästigungen von Patientinnen lässt sich weder ein Verbot stützen, in einem Umkreis von einem Kilometer Luftlinie von der Praxis des Klägers - ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen Standort handelt, den Patientinnen des Klägers auf dem Weg zur Praxis passieren müssen oder nicht - auf die dort durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche hinzuweisen noch gar dies in sonstiger Weise öffentlich zu tun. Es erscheint fernliegend, in einem etwa im Internet veröffentlichten Hinweis auf die Praxis des Klägers eine rechtserhebliche Störung dessen Verhältnisses zu seinen Patientinnen zu sehen. Denn nicht nur weist der Kläger selbst nach den Feststellungen der Gerichte auf das auch Schwangerschaftsabbrüche umfassende Leistungsangebot seiner Praxis hin, sondern es ist der angenommenen Störung der Vertrauensbeziehung geradezu vorausgesetzt, dass die Patientinnen, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, Kenntnis davon haben, dass ihr Arzt derartige Eingriffe vornimmt. Hinzu kommt, dass nicht einmal ansatzweise erkennbar ist, warum zu befürchten sein sollte, dass eine solche Patientin der Website des Beschwerdeführers ansichtig werden könnte. Der bloße Wunsch des Klägers, von der Belästigung freigehalten zu werden, öffentlich mit der eigenen freien Entscheidung für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen konfrontiert und hierfür auch kritisiert zu werden, verdient angesichts des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG aber keine Anerkennung.
24
c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung unter angemessener Berücksichtigung der erfolgten Grundrechtsbeeinträchtigung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen werden.
25
3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Kirchhof Eichberger Masing
http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... f=Internet
Kasharius grüßt
vielleicht hier nicht ganz passend aber ich stelle mal eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hier ein. Es geht um die Öffentlichmachung von Arztpraxen die Abtreibungen vornehmen durch einen religiös motivierten Abtreibungsgegner. Auch hier steht also die Anprangerung vermeintlich sozialwidrigen u.U. auch verbotenen Verhaltens im Zentrum der (juristischen) Betrachtung. Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht.
Und so ging es aus:
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn A…
- Bevollmächtigte:
gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 2. Juni 2006 - 18 U 2358/06 -,
b) das Endurteil des Landgerichts München I vom 18. Januar 2006 - 9 O 14979/05 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof
und die Richter Eichberger,
Masing
am 8. Juni 2010 einstimmig beschlossen:
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 2. Juni 2006 - 18 U 2358/06 - und das Endurteil des Landgerichts München I vom 18. Januar 2006 - 9 O 14979/05 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht München I zurückverwiesen.
(...)
I.
15
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
16
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für das Verhältnis des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu dem ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Äußerung Betroffenen (vgl. nur BVerfGE 97, 391 <399>; 99, 185 <196>; BVerfGK 8, 107).
17
2. Die Verfassungsbeschwerde ist zwar nur teilweise zulässig (a); im Umfang ihrer Zulässigkeit ist sie allerdings auch im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet (b).
18
a) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 4 GG rügt, genügen seine Ausführungen nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Begründungsanforderungen. Sie lassen nicht einmal ansatzweise erkennen, inwieweit die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in der Freiheit seines Glaubens betreffen oder an der Ausübung seiner Religion hindern. Namentlich legt der Beschwerdeführer nicht schlüssig dar, dass gerade die Wiederholung der durch die angegriffenen Entscheidungen untersagten Äußerungen und Verhaltensweisen der unmittelbaren Umsetzung einer religiösen Grundhaltung der Beschwerdeführer geschuldet sei.
19
b) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer allerdings in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die dem Beschwerdeführer durch die angegriffenen Entscheidungen verbotenen Hinweise darauf, dass der Kläger Abtreibungen durchführe und in seiner Praxis Abtreibungen durchgeführt würden, fallen in den Schutzbereich dieses Grundrechts. Dem steht nicht entgegen, dass es sich hierbei um Tatsachenbehauptungen handelt, denn auch derartige Äußerungen genießen den Schutz der Meinungsfreiheit, soweit sie geeignet sind, zur Meinungsbildung beizutragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>; 90, 241 <247>; stRspr), was hier ersichtlich der Fall ist.
20
Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt, sondern steht gemäß Art. 5 Abs. 2 GG insbesondere unter der Schranke der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die hier angewendeten Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB gehören. Jedoch haben die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Normen des einfachen Rechts die wertsetzende Bedeutung des beeinträchtigten Grundrechts zu berücksichtigen. Diesem Erfordernis werden die angegriffenen Entscheidungen nicht in hinreichendem Maße gerecht. Die Gerichte haben zwar nicht verkannt, dass die streitgegenständlichen Äußerungen dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, und sind auch in eine Abwägung zwischen diesem Grundrecht des Beschwerdeführers und den auf Seiten des Klägers zu berücksichtigenden grundrechtlich geschützten Interessen eingetreten. Die hierbei maßgeblichen Erwägungen der Gerichte werden aber der Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit nicht hinreichend gerecht.
21
Im Ausgangspunkt zutreffend haben die angegriffenen Entscheidungen zwar angenommen, dass die dem Beschwerdeführer untersagten Äußerungen wahre Tatsachenbehauptungen sind, die den Kläger zudem weder in seiner besonders geschützten Intim- noch in seiner Privatsphäre treffen, sondern lediglich Vorgänge aus seiner Sozialsphäre benennen. Derartige Äußerungen müssen allerdings grundsätzlich hingenommen werden, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>). Zu den hinzunehmenden Folgen der eigenen Entscheidungen und Verhaltensweisen gehören deshalb auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung solcher wahrer Tatsachen ergeben, solange sie sich im Rahmen der üblichen Grenzen seiner Entfaltungschancen halten (vgl. BVerfGE 97, 391 <404>). Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird bei der Mitteilung wahrer Tatsachen über die Sozialsphäre des Betroffenen regelmäßig erst überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>; 99, 185 <196>). Eine derart schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers zeigen die angegriffenen Entscheidungen aber nicht in einer verfassungsrechtlich tragfähigen Weise auf. Ihre Erwägung, dass der Kläger gegen seinen Willen in der Öffentlichkeit als ein auch Schwangerschaftsabbrüche durchführender Arzt präsentiert worden sei und hierdurch eine unzulässige Anprangerung und Stigmatisierung des Klägers bewirkt werde, begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGE 97, 391 <406>; BVerfGK 8, 107 <115>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 2010 - 1 BvR 2477/08 -, www.bverfg.de). Jedoch darf bei der Würdigung einer möglichen Prangerwirkung nicht aus dem Blick geraten, dass die Wahl einer personalisierten Darstellungsweise und der hiermit regelmäßig verbundenen Wirkungssteigerung gerade Teil der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit des Äußernden ist. Es bleibt daher im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, welches Gewicht den durch die Anprangerung ausgelösten Rechtsbeeinträchtigungen im Verhältnis zu der Einbuße an Meinungsfreiheit zukommt, die ein Verbot der personalisierten Darstellungsweise mit sich bringen würde (vgl. BVerfGK 8, 107 <115>).
22
Eine nach diesem Maßstab ausreichend schwere Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Interessen des Klägers durch die streitgegenständliche Äußerung zeigen die angegriffenen Entscheidungen indes nicht auf und begründen daher nicht tragfähig, dass dieser sie trotz ihrer unstreitigen Wahrheit ausnahmsweise nicht hinnehmen müsste. Namentlich lassen sie nicht erkennen, dass dem Kläger ein umfassender Verlust an sozialer Achtung drohe, wenn seine Bereitschaft zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zum Gegenstand einer öffentlichen Erörterung gemacht wird. Hiergegen spricht, dass dem Kläger nach dem festgestellten Sachverhalt nicht etwa eine strafrechtlich relevante oder auch nur überhaupt gesetzlich verbotene, sondern lediglich eine aus Sicht des Beschwerdeführers moralisch verwerfliche Tätigkeit vorgehalten wurde, auf die zudem der Kläger selbst ebenfalls öffentlich hinwies. Darüber hinaus haben die Gerichte auch nicht hinreichend gewürdigt, dass der Beschwerdeführer mit dem Thema der Schwangerschaftsabbrüche einen Gegenstand von wesentlichem öffentlichem Interesse angesprochen hat, was das Gewicht seines in die Abwägung einzustellenden Äußerungsinteresses vergrößert.
23
Soweit die Gerichte daneben auf die Auswirkungen verwiesen haben, die die streitgegenständlichen Äußerungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis entfalten, erscheint auch dies im vorliegenden Fall verfassungsrechtlich nicht haltbar. Allerdings ist die Erwägung, dass die Patientinnen, deren Weg in die Arztpraxis am Standort des Beschwerdeführers vorbeiführt, sich durch dessen Aktionen gleichsam einem Spießrutenlauf ausgesetzt sehen könnten, ein gewichtiger Gesichtspunkt. Vor dem Hintergrund, dass Art. 5 Abs. 1 GG zwar das Äußern von Meinungen schützt, nicht aber Tätigkeiten, mit denen anderen eine Meinung - mit nötigenden Mitteln - aufgedrängt werden soll (vgl. BVerfGE 25, 256 <264>), erscheint es nicht ausgeschlossen, auf diesen Gesichtspunkt und die damit verbundene Einmischung in die rechtlich besonders geschützte Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patientin im Einzelfall ein verfassungsrechtlich tragfähiges Verbot von bestimmten Formen von Protestaktionen zu stützen. Die angegriffenen Entscheidungen genügen den diesbezüglichen Anforderungen jedoch nicht. Denn zum einen sind die Feststellungen der angegriffenen Entscheidungen so knapp, dass undeutlich bleibt, ob und inwieweit die Aktionen „vor“ der Praxis des hiesigen Klägers überhaupt zu derartigen Belästigungen von Patientinnen geführt haben oder hierzu auch nur geeignet waren. Außerdem geht der - vom Berufungsgericht bestätigte - Tenor des landgerichtlichen Urteils deutlich über das durch diesen Aspekt noch zu rechtfertigende Maß hinaus. Auf mögliche das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG betreffende Belästigungen von Patientinnen lässt sich weder ein Verbot stützen, in einem Umkreis von einem Kilometer Luftlinie von der Praxis des Klägers - ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen Standort handelt, den Patientinnen des Klägers auf dem Weg zur Praxis passieren müssen oder nicht - auf die dort durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche hinzuweisen noch gar dies in sonstiger Weise öffentlich zu tun. Es erscheint fernliegend, in einem etwa im Internet veröffentlichten Hinweis auf die Praxis des Klägers eine rechtserhebliche Störung dessen Verhältnisses zu seinen Patientinnen zu sehen. Denn nicht nur weist der Kläger selbst nach den Feststellungen der Gerichte auf das auch Schwangerschaftsabbrüche umfassende Leistungsangebot seiner Praxis hin, sondern es ist der angenommenen Störung der Vertrauensbeziehung geradezu vorausgesetzt, dass die Patientinnen, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, Kenntnis davon haben, dass ihr Arzt derartige Eingriffe vornimmt. Hinzu kommt, dass nicht einmal ansatzweise erkennbar ist, warum zu befürchten sein sollte, dass eine solche Patientin der Website des Beschwerdeführers ansichtig werden könnte. Der bloße Wunsch des Klägers, von der Belästigung freigehalten zu werden, öffentlich mit der eigenen freien Entscheidung für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen konfrontiert und hierfür auch kritisiert zu werden, verdient angesichts des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG aber keine Anerkennung.
24
c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung unter angemessener Berücksichtigung der erfolgten Grundrechtsbeeinträchtigung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen werden.
25
3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Kirchhof Eichberger Masing
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Die öffentliche Anprangerung mit Foto im Internet eines Falschparkers (Geldtransporter kurzzeitig auf Behindertenparkplatz) als "Parkplatzschwein" ist erstinstanzlich als unbedenklich (= keine Beleidigung) eingestuft worde. Wie man sieht, die Rechtsprechung passt sich sehr wohl an, schließlich ist es ja heutzutage fast normal, Andere im Internet rüde zu beschimpfen.
Im Ernst, ich finde diese Entscheidung sehr bedenklich. Eine landesweite öffentliche Anprangerung mit eindeutig beleidigendem Inhalt (sage mal einer "Polizistenschwein" zu einem solchen) steht in keinem vernünftigen Verhältnis zu der begangenen Sünde. Ganz abgesehen von m.E. grob rechtsfehlerhaften Behandlung des Bereiches des Persönlichkeitsrechts.
Im Ernst, ich finde diese Entscheidung sehr bedenklich. Eine landesweite öffentliche Anprangerung mit eindeutig beleidigendem Inhalt (sage mal einer "Polizistenschwein" zu einem solchen) steht in keinem vernünftigen Verhältnis zu der begangenen Sünde. Ganz abgesehen von m.E. grob rechtsfehlerhaften Behandlung des Bereiches des Persönlichkeitsrechts.
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Richtig, das halte ich allerdings auch für eine völlige Fehlinterpretation der Gesetze, die zu einer ausgesprochen ambivalenten Durchsetzung führt.Im Ernst, ich finde diese Entscheidung sehr bedenklich. Eine landesweite öffentliche Anprangerung mit eindeutig beleidigendem Inhalt (sage mal einer "Polizistenschwein" zu einem solchen) steht in keinem vernünftigen Verhältnis zu der begangenen Sünde. Ganz abgesehen von m.E. grob rechtsfehlerhaften Behandlung des Bereiches des Persönlichkeitsrechts.