von Andrea Oster,
Österreich 2012
11 KZ-Bordelle
1941-1945
(Daneben gab es noch die Militärbordelle an den Fronten.)
Die SS errichtete das erste KZ-Bordell 1941 (im 3. Kriegsjahr) im österreichischen Konzentrationslager Mauthausen. Die Frauen kamen aus dem Frauenbordell Ravensbrück 100 km nordlich von Berlin.
Das Bordell in einem Lager von Ausschwitz im heutigen Polen wurde 1943 errichtet, nachdem die Niederlage bei Stalingrad gegen die rote Armee die Kriegswende eingeleitet hatte. Die Frauen kamen aus dem Frauenlager Birkenau. In Auschwitz und Buchenwald waren große Werke von Siemens und Buna/IG-Farben (Kunstgummi, syntetische Kraftstoffe) errichtet worden, die eine gesteigerte Rüstungsproduktion verlangten, um die Kriegsmaschine aus Eigenproduktion versorgen zu können. Zeitgleich zum "entspannteren" Lagerleben mit Bordellbetrieb, Lagerorchester, Kontrollbesuchen vom internationalen Roten Kreuz... wurden im benachbarten Vernichtungslager 1 Millionen Menschen vergast (vgl. die insgesamt 6 Mio vernichteten Juden, 50 Mio Kriegstoten, davon 20 Mio Russen).
Die KZ waren wie SS-Unternehmen und in die Kriegswirtschaft eingebunden. Das Frauenlager Ravensbrück hatte Textil- und Baustoff-Produktion (Steinbruch). Auch mußten die Häftlinge Blutplasma spenden und sahen entsprechend ausgemergelt aus, weil kaum Geld für Verpflegung ausgegeben wurde. Ferner beabsichtigte SS-Führer Himmler mit den Einnahmen aus für ihn preiswerter Zwangsarbeit die SS (Schutz Staffel der NSDAP) unabhängig zu finanzieren.
Ein Bordellbesuch (15 Minuten) kostete 2 RM (Reichsmark) und benötigte einen speziellen Gutschein der zugeteilt wurde.
Der Umsatz von einem Bordell konnte schonmal bis zu 1.500 RM/Woche betragen (= 100 Kunden pro Tag und bei 8 Prostituierten wären das 12,5 Kunden pro Tag im Tagesdurchschnitt und als Maximalwert, oder maximal 8 Kunden in 2h an 5 Wochentagen + 24 Kunden in 6h am den 2 Tagen des Wochenendes). Jahresumsatz max. 78.000 RM/Bordell x 11 Bordelle = 858.000 RM oder 2,5 Mio RM in den letzten 3 Kriegsjahren (vgl.: die Kriegsproduktion betrug in Deutschland 23...61% des BSP (91...125 Mrd.RM) also 20...76 Mrd.RM in den Jahren 1939...44). Zweck der Bordellbetriebe war jedoch nicht die Gewinnerzielung, sondern psychologische Leistungssteigerung, über die es vmtl. noch keine ökonomische Auswertung gibt.
Mutmaßliche Zwecke der KZ-Bordelle waren:
- Zwietracht und Ungleichheit säen zwischen den Gefangenen, um den Block der politischen Häftlinge aufzubrechen
- die homosexuellen Praktiken unter den Insassen einzudämmen
- die Arbeitsleistung durch ein System von Leistungsanreizen anzuheizen
Der Erlaß von Oswald Pohl beschreibt 7 Vergünstigungen für KZ-Arbeiter. Die Vergünstigung Nr. 5 war Bordellbesuche. Statt mit Verpflegung sollten die Häftlinge mit der Naturkraft Sex motiviert werden. Berechtigungen zum Bordellbesuch bekamen jedoch nur Priviligierte wie die Kapos und Blockältesten.
Anfangs leisteten die Häftlings-Männer geschlossenen Widerstand gegen Bordellbesuche (d.h. eine bürgerliche Moral/Doppelmoral war sogar noch in der NS-Gefangenschaft stabil).
Eine typische Bordellbaracke hatte einen großen Tagesraum, Koberzimmer und 10 schmale Sexzimmer mit Waschgelegenheit, ferner Waschräume und Arztzimmer und eine Bibliothek. Alles war liebevoller hergerichtet berichtet die einzige Zwangsprostituierte Maria W., die ein Interview gegeben hat und ihr Geheimnis nicht wie die anderen mit ins Grab genommen hat.
200 Zwangsprostituierte (18 Prostituierte je Lagerbordell)
keine jüdische Zwangsprostituierte
Die Prostituierten waren doppelt gezwungen (Intersektionalität):
1. KZ-Häftling
2. Zwangsprostituierte
Die Mehrheit der jungen Frauen haben das KZ überlebt.
Das Wort Zwangsprostituierte kommt seltsamerweise im Film selten vor, sondern es wird sogar modern von Sexarbeitern gesprochen, obwohl ausnahmsweise gerade hier und in diesem KZ-Kontext das Wort Zwangsprostituierte genau richtig wäre, und nicht wo es heutzutage sonst so gerne mißbraucht wird, z.B. bei Sexworker-Migrantinnen, die aus armen Ländern "freiwillig bzw. aus ökonomischer Notwendigkeit gezwungen" zu uns kommen.
Anfangs 1942, aber schon zur Kriegszeit, wurden die Prostituierten noch freiwillig rekrutiert unter den KZ-Gefangenen. D.h. es wurde ihnen neben besseren Umständen auch in Aussicht gestellt, nach 6 Monaten frei zu kommen und das KZ verlassen zu dürfen. Das wurde jedoch später nicht eingehalten. Später wurden die Frauen auch einfach ausgewählt z.B. in Ravensbrück von Aufseherin Langenfeld, Lagerarzt Schildlauski und Kommandant Maier. Sie musten sich wie bei einer Musterung in einem Raum ausziehen, wuden begutachtet und selektiert. Es war egal wie mager sie waren, da würde man sie wieder aufpäppeln. Sie bekamen bessere Verpflegung, Höhensonne, warme Waschgelegenheit, Kleidung, Seidenwäsche, Pumps und durften sich schminken und lange Haare behalten, die nicht abgeschoren wurden wie bei anderen Häftlingen.
Bis zu 20-30 Kunden pro Tag (bei Maria W. sind 7 Kunden auf einer Karte eingetragen)
Bis zu 150 Kunden am Wochenende
(Die Doku gefällt sich darin Maximalzahlen anzugeben, so wie es heutzutage auch die Steuerfahndung zu schätzen pflegt bei enttarnten Geheim-Prostituierten;)
In der Woche betrug die Arbeitszeit 2 Stunden von 20-22 Uhr, wenn die Häftlinge Feierarbend hatten und am Wochenende ganztags. Die Prostituierten standen um 8 Uhr auf, wurden mit der SS-Küche verpflegt und nicht von der Häftlingsküche. Dann hatten sie viel Wartefreizeit, wo sie lesen konnten und deshalb auch eine Bibliothek in der Bordellbaracke existierte.
Die Freier bekammen 15-20 Minuten für ihren Besuch (das wären dann 8 Kunden am Wochentag und entsprechen mehr am WE). Dann läutete eine Signalklingel, und alle Kunden mußten die Sexzimmer verlassen, was dann schonmal 13 gleichzeitig sein konnten.
Die Kunden durften nur zu einer Prostituierten ihrer Nationalität. Das wurde zugeteilt.
Die Kunden die später befragt wurden und sich als Kunden outeten, hätten die Tatsache "verdrängt", dass die Frauen gezwungene Prostituierte waren.
Nur die Missionarsstellung war erlaubt. "Französische Liebe" war verboten. Es gab ein Guckloch durch die Zimmertür, wo Aufseher oder deutsche Puffmutter kontrollieren konnten.
Die Sexarbeiterinnen mußten 3x Spülen mit Laugenwasser gegen Geschlechtskrankheiten und als Empfängnisverhütung. (Über Kondomgebrauch berichtet die Doku nicht.) Manche Frauen waren bereits zwangssterilisiert, 2x gab es eine Zwangsabtreibung in Auschwitz während seiner Dienstjahre über die ein Aufseher im Nürnberger Prozess aussagen mußte.
Die Kunden waren z.B. 19jährige Kapos z.B. polnischer Nationalität. Einer berichtet davon seinen ersten Sex dort gehabt zu haben, aber erst beim 2. Besuch. Zwischen der Zwangsprostituierten Irka und dem Kapo-Feuerwehrmann, der in der Feuerwehrwache gegenüber seine Wartezeit verbrachte, entwickelte sich eine lagerbekannte Liebe.
Mit den Orten der institutionalisierten intensiven Sexualität, entwickelte sich auch eine informelle Soziokultur, die schwer zu kontrollieren war. So bekamen die Prostituierten heimliche Geschenke, Aufseher wurden bestochen z.B. mit Wertsachen, die Häftlinge im Effektenlager heimlich für sich beiseite schaffen konnten, wo die Habseeligkeiten oder Wertsachen der wohlhabenden jüdischen Häftlingen und Ermordeten verwertet wurden. Es gab Schlägereien etc. fast wie in einem Rotlichtviertel berichtet die Dokumentation.
Befragte Wissenschaftler:
- Robert Sommer, Berlin
- Brigitte Halbmayr, Wien. Sie sieht nur das doppelte Leiden der Frauen. Dass sie evt. vermindertes Leid durch bessere KZ-Bedingungen hatten, kann sie vmtl. aufgrund der Tatsache Prostitution nicht aussprechen.
3sat: Diese verfluchten Stunden am Abend
Die Häftlingsbordelle im KZ
Die Dokumentation "Diese verfluchten Stunden am Abend" erzählt anhand des Schicksals der beiden Zwangsprostituierten Maria W. und Irka sowie einstiger Bordellbesucher das Martyrium dieser Frauen. Sie gewährt zudem anhand von original NS-Dokumenten wie Briefen, Bordellabrechnungen und Häftlingskarteikarten Einblicke in das kühl durchkalkulierte System von Heinrich Himmlers KZ-Bordellen.
Als Maria W. aus der Baracke tritt, hat sie bereits 4 Jahre Zwangsarbeit im Frauen KZ von Ravensbrück hinter sich. Auf dem Appellplatz warten schon der Lagerarzt und der SS-Kommandant aus Buchenwald.
"Die schritten unsere Reihe ab, guckten alle einzeln an. Die und die und die Nummer vortreten. Und da hörte ich, wie Schildlauski, der SS-Arzt sagte: “Das Gerippe da wollen Sie auch mitnehmen?“ Das war ich! Und da hörte ich, wie dieser Kommandant sagte, „die ist gut gebaut, die füttern wir uns wieder zurecht’."
Maria W. ist eine von mehr als 200 Frauen, die für Heinrich Himmlers SS Zwangsarbeit leisten müssen: Als Prostituierte in den 11 “reichsdeutschen“ KZ-Bordellen. Die größten befanden sich in den KZs von Mauthausen, Buchenwald und Auschwitz.
"Sie haben - ich weiß nicht wie viele - aber am laufenden Band Männer empfangen müssen. Sie waren am Ende ruiniert."
Irma Trakzak, einst Siemens-Zwangsarbeiterin im KZ-Ravensbrück, hat mehrere Frauen kennengelernt, die sich zwangsprostituieren mussten. Jahrzehnte lang haben sie und andere Überlebende aus den Konzentrationslagern es vermieden, über das Thema "Zwangsprostitution im KZ" zu reden. Zu groß war die Scham der betroffenen Frauen. Und zu groß die Sorge der anderen KZ-Überlebenden, die Welt würde durch die Tatsache von Bordellen ein falsches Bild vom Lageralltag erhalten.
Welche Schicksale erlitten die Zwangsprostituierten in den KZ-Bordellen?“ Was für Häftlinge besuchten das KZ-Bordell, und nützten so die Zwangslage der Zwangs-Prostituierten aus? Und welche Dokumente der SS-Kommandanturen geben neutral Auskunft über Ziel, Aufbau und Organisation des Bordellalltags innerhalb der KZs?
Es ist der Sommer 1943. Das Trauma von Stalingrad erschüttert die Wehrmacht, die Bevölkerung und die SS. Plötzlich werden in den Konzentrationslagern Häftlinge und Kriegsgefangene wertvoll. Ohne ihre Zwangsarbeit würde das NS-System in Kürze kollabieren und zusammenbrechen. Doch die Deutsche Rüstungsindustrie beschwert sich: Als Leiharbeiter brächten die KZ Häftlinge zu wenig Leistung. SS-Chef Heinrich Himmler solle sich etwas einfallen lassen!
Der Berliner Kulturwissenschaftler Dr. Robert Sommer hat 12 Jahre zu dem Thema geforscht und darüber promoviert. Ihn erstaunt noch immer der kühl rationale Ansatz mit dem Himmler sich das System der KZ-Bordelle ersonnen hatte.
- "Lieber Pohl (...) für notwenig halte ich allerdings, dass in der freiesten Form, dem fleißig arbeitenden Gefangenen Weiber in Bordellen zugeführt werden. Ebenso muss ein gewisser kleiner Akkordlohn da sein. Wenn diese beiden Bedingungen gegeben sind, wird die Arbeitsleistung enorm steigen (...) gez. Himmler"
So wie der polnische KZ-Überlebende Josef Paczynski machen sich die meisten männlichen Häftlinge wenig Gedanken um das Leid der Zwangsprostituierten. So auch Sigmund Sobolewski. Auch er ist 19 und arbeitet als Kapo in Auschwitz, als er das Lagerbordell besucht.
"Sie trug offene Haare und hatte Make-up und eine schöne Unterwäsche an. Beim ersten Mal gab es keinen Sex, da haben wir nur geredet. Man hatte ihr versprochen, dass sie frei kommt, wenn sie ein halbes Jahr im Bordell arbeitet. Sie hat fest daran geglaubt."

© ORF/makido film Lupe
Zwangsprostituierte Irka
Doch bei ihm bleibt es nicht beim Reden er verliebt sich in die attraktive Polin Irka, eine Zwangsprostituierte aus Warschau. Und er versucht alles, um sie wiederzusehen - auch nach dem Krieg.
[Die Beziehung zwischen Irka und Sigmund überlebt die Gefangenschaft nicht. Nach der Befreiung 1945 will sie zurück nach Polen, er nach Kanada. Sie wirft ihm vor, weil sie eine Hure war, sei sie jetzt nicht mehr gut genug für ihn, obwohl im Lager er sie so sehr begehrt hatte...]
[Maria W. berichtet von einem gescheiterten Suizid. Sie hatte sich im Lagerbordell die Pulsadern geöffnet, wurde aber entdeckt und gerettet und bekam 10 Tage Bunkerhaft. Sie formuliert sinngemäß: "man fühlt sich [durch die Prostitution/Zwangsprostitution] abgestempelt. Das Leben zählt für einen nicht mehr..."]
Die Dokumentation "Diese verfluchten Stunden am Abend" erzählt anhand des Schicksals der beiden Zwangsprostituierten Maria W. und Irka sowie einstiger Bordellbesucher das Martyrium dieser Frauen. Sie gewährt zudem anhand von original NS-Dokumenten wie Briefen, Bordellabrechnungen und Häftlingskarteikarten Einblicke in das kühl durchkalkulierte System von Heinrich Himmlers KZ-Bordellen.
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