STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte

Berichte, Dokus, Artikel und ja: auch Talkshows zum Thema Sexarbeit werden hier diskutiert
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Beitrag von ehemaliger_User »

@Kasharius und Friederike

Die Landesregierung hält sich bedeckt, bekannt ist nur, dass die zuständige Ministerin Katrin Altpeter Prostitutionsgegnerin ist.

http://www.rnz.de/politik/suedwest_arti ... ,9377.html

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 5d494.html
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Beitrag von friederike »

Im Artikel der Stuttgarter Zeitung ist von "Sozialminister Altpeter" die Rede :thefinger

Geschieht ihr recht.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@ehemaliger_User

Danke schön!

@Friederike

01:02 Uhr! Tz, tz, tz... :018

Kasharius grüßt Euch beide herzlich :002

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Beitrag von friederike »

Greenwich Meant Time (GMT)! Nicht ganz so schlimm, 00:02 *grins*

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Beitrag von ehemaliger_User »

Prostitution
Bordellbetreiber klagt gegen die Stadt
Von Marc Schieferecke 15. Januar 2016 - 15:00 Uhr
Die Stadt will ein alteingesessenes Bordell im Leonhardsviertel schließen. Der nun folgende Rechtsstreit um die Rotlichtadresse hat womöglich grundsätzliche Bedeutung.

S-Mitte - Der Halbsatz scheint bemerkenswert: "Entgegen der ständigen Rechtsprechung" teilt das Regierungspräsidium die Rechtsauffassung des Bürgermeisteramts. So ist es in einem Schriftsatz eben des Regierungspräsidiums zu lesen, und die Rechtsauffassung ist, dass ein alteingesessenes Bordell im Leonhardsviertel schließen muss. Ob die ständige Rechtsprechung auch in diesem Fall anderer Ansicht ist, wird ein Gericht entscheiden. Der Bordellbetreiber, John Heer, hat gegen den Bescheid Klage eingereicht.

Im Detail ist die Rechtslage kompliziert, im Kern konzentriert sie sich auf die Frage: Darf die Stadt einen Betrieb schließen, den sie rund 40 Jahre lang geduldet hat? Das Bordell wurde laut Polizei 1972 eröffnet. Die Stadt geht von spätestens 1978 aus. Der Schriftsatz dazu wirft ein Schlaglicht auf den verwirrenden Umgang mit dem Thema im Rathaus. Dort wird im Fall des Leonhardsviertels hausnummerngenau unterschieden: Heers Haus hat die Adresse Weberstraße 11A. Zulässig wären Bordelle laut Stadt in den Häusern 3 bis 5 und 4 bis 10.

50 Meter weiter urteilte das Regierungspräsidium anders

Eine andere altbekannte Adresse, rund 50 Meter entfernt, wollte die Stadt schon vor Jahren schließen. Aber in diesem Fall kam das Regierungspräsidium zu einem anderen Urteil als an der Weberstraße. Das Bordell genieße Bestandsschutz, weil es vor 1985 eröffnet worden sei. Eine Schließung sei unzulässig. Im vergangenen Mai hat die Stadt ungeachtet dessen erneut angekündigt, auch diesen Betrieb zu verbieten, allerdings erst in ferner Zukunft.

Das Jahr 1985 galt bisher als entscheidend, weil der Gemeinderat 1984 die Vorschriften zum Thema änderte, die sogenannte Vergnügungsstättensatzung. Sofern "es sich um nachgewiesenen Altbestand handelt, d. h. die Vergnügungsstättensatzung noch nicht in Kraft getreten" war, bestehe kein Grund zum Einschreiten - so argumentierte der Rechtsanwalt Roger Bohn in einem anderen Verfahren. Er vertritt die Stadt regelmäßig bei Klagen gegen Bordelle. Zuvorderst und am längsten gilt die Duldung für das weithin bekannte Dreifarbenhaus gleich neben dem Rathaus.

Die Stadt begründet ihren Sinneswandel mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg aus dem Jahr 2012. So ist es auch im Schreiben des Regierungspräsidiums zu lesen. Das Gericht hatte die Klage eines Bordellbetreibers abgewiesen, der sich gegen die Schließung seines Betriebs wehrte. Dies unter anderem mit dem Argument, er genieße Bestandsschutz. Der Betrieb war 2005 eröffnet worden. Im selben Jahr hatte der Gemeinderat Freiburg ein Konzept beschlossen, mit dem die Rotlichtbetriebe auf wenige Standorte konzentriert wurden. Zwischen Eröffnung und Ratsentscheidung lagen nur Monate.

Die Gerichte entscheiden höchst unterschiedlich

Ohnehin fallen die richterlichen Entscheidungen höchst unterschiedlich aus. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe urteilte ein Jahr später, dass ein Bordellbetreiber sich auf den Bestandsschutz und gar das Grundgesetz berufen dürfe. Eine Schließung sei rechtswidrig. Der Betrieb war 1997 eröffnet und fünf Jahre lang klaglos geduldet worden.

Sollte die Stadt Stuttgart vor Gericht obsiegen, könnte dies grundsätzliche Bedeutung haben. Über die vier Jahrzehnte währende Duldung sind etliche Gesetzesänderungen zur Prostitution hinweggegangen, zuvorderst das 2002 beschlossene Gesetz zu deren Legalisierung. Dessen Ziel sei unter anderem gewesen, "Betrieben, die bereits lange ungestört und nicht störend in Wohn- und Mischgebieten existieren, einen rechtlich gesicherten Standort zu ermöglichen". So erklärte es jedenfalls das Bundesfamilienministerium.

Vor 1983 konnten Bordelle grundsätzlich nicht legal betrieben werden. Erst ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts im November des Jahres eröffnete zumindest die Möglichkeit einer Genehmigung. Zuvor hatten Städte die Betriebe entweder stillschweigend geduldet oder im Sinne einer Gesetzeslücke als Wohnheim für obdachlose Dirnen genehmigt. Dies gilt auch für das Dreifarbenhaus.

Heer scheint jedenfalls sicher, dass er seinen Betrieb nicht schließen muss. Er investiert in ihn nach eigener Aussage derzeit 650.000 Euro. Das historische Fachwerkhaus ist ausgebeint und wird in den nächsten Monaten kernsaniert.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 09ec9.html
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Beitrag von ehemaliger_User »

Leonhardsviertel
Ein Tässchen Kaffee vor dem Sex
Von Marc Schieferecke 17. Februar 2016 - 09:00 Uhr
Ein Bordellbetreiber will vor seinem Haus Gäste mit Kaffee bewirten. Falls das Ansinnen genehmigt wird, sind weitreichende Folgen für den Straßenstrich zu erwarten.

S-Mitte - Die gastronomische Anfrage hatte schon vor der ersten Bestellung einen Beigeschmack. Der Betreiber der Gaststätte Maxim an der Katharinenstraße würde gern auf dem Gehweg vor seinem Haus Gäste bewirten, bescheiden, nur mit einem Tässchen Kaffee. "Die Frage ist, woher der Kuchen kommt", sagte die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle. Denn das kulinarische Angebot des Lokals ist unerheblich. Das Maxim ist ein Bordell, eines der ältesten der Stadt.

Dass der Bezirksbeirat das Ansinnen ablehnen würde, war vorab entschieden. Die eigentliche Frage war aber: Mit welcher Begründung? Gleich nebenan serviert der Wirt des gänzlich seriösen Restaurants Brust oder Keule auf Wunsch Champagner, im Sommer auch im Freien. Vor dem Lokal durften sogar die azurblauen Sonnenschirme im Gehweg verankert werden. Aus Gründen der Gleichbehandlung dürfte dem Wirt im Haus Nummer 21c nicht verweigert werden, was dem im Haus Nummer 21b erlaubt ist.

Betrieb und Betreiber sind im Bezirksbeirat wohlbekannt

Um Argumente zu sammeln, erwog Kienzle, "erstmal das Amt für öffentliche Ordnung und die Sitte zu fragen, was von dem Lokal zu halten ist". Was aber insbesondere den Sozialdemokraten überflüssig schien. "Wir können offen darüber reden, es ist ein Bordell", sagte der SPD-Stadtrat Dejan Perc, "ich hielte eine Außengastronomie für fatal." In der Tat ist nicht nur der Betrieb den Lokalpolitikern wohlbekannt, sondern auch der Betreiber. Bis vor wenigen Jahren saß er regelmäßig in ihrer Mitte - als Entsandter der Christdemokraten.

Letztlich fiel die Entscheidung gegen die Bewirtung erwartungsgemäß einstimmig. Dies wegen "der Gefahr, dass das Milieugewerbe dort Platz nimmt und den öffentlichen Frieden stört." Dies insbesondere, weil das Lokal direkt gegenüber der Jakobschule liegt. Warum die Stadt das Bundesgesetz nicht anwendet, nach dem Prostitution in der Nähe von Kinder- und Jugendeinrichtungen grundsätzlich zu untersagen ist, gehört zu den Geheimnissen der Verwaltung im Umgang mit der Rotlichtbranche.

Ob das Nein gilt, ist allerdings unklar. Gerade bei Entscheidungen gegen die Gastronomie brauchen die Bezirksbeiräte grundsätzlich "eine hohe Frustrationstoleranz", wie Kienzle formulierte, weil "sie regelmäßig wieder kassiert werden". Dies in der Mehrzahl der Fälle vom Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Unwissen wäre ihm in diesem Fall kein Grund für sein Veto. Als einstiger Polizeipräsident ist Schairer durchaus kundig im Milieu.

Das Ansinnen kann unübersehbare Auswirkungen haben

Falls die formaljuristische Prüfung ergibt, dass die Genehmigung erteilt werden muss, dürfte dies unübersehbare Auswirkungen auf den Rotlichtbetrieb haben. Den Straßenstrich hat die Stadt nahezu abgeschafft. Dazu waren allerlei juristische Findigkeiten nötig, denn Frauen dürfen auf der Straße zwar keine Freier ansprechen, aber sie dürfen selbstverständlich vor Bordellen zum Beispiel eine Zigarette rauchen.

Kein Polizist darf einer Prostituierten verbieten, in einem Café zu sitzen, auch nicht, dort mit Männern ins Gespräch zu kommen. Weshalb die Entscheidung über das Maxim im Milieu mit Interesse erwartet wird. Sie könnte zur neuen Geschäftsidee werden: dem sitzenden Straßenstrich. Dessen Verbreitung wäre kein Problem. Alle Bordellbetreiber im und ums Leonhardsviertel haben eine Gaststättenlizenz.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 8ca8f.html

Ein Bordell hat keine Vorschriften im Gegensatz zu ner Pommesbude?
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Bordelle – welche Bordelle?

Beitrag von ehemaliger_User »

Bordelle - welche Bordelle?
S-Mitte Die CDU will wissen, wie viele Rotlichtbetriebe genehmigt sind. Die Antwort dürfte überraschen.

Marc Schieferecke

S-MITTE. Dass Christdemokraten und Bordellbetreiber gleichlautende Fragen ins Rathaus schicken, dürfte eine Premiere sein. Jedenfalls die gleichlautende Kernfrage: Wie viele Bordelle sind im Leonhardsviertel in Betrieb und seit wann? Das möchte sowohl die CDU im Bezirksbeirat beantwortet haben als auch der Bordellbetreiber John Heer -wenn auch aus unterschiedlichem Grund.

Für die Christdemokraten war Anlass ihrer Anfrage die Berichterstattung unserer Redaktion über das Maxim, einen der ältesten Rotlichtbetriebe im Quartier. Dessen Betreiber hatte beantragt, vor seinem Haus Gäste mit Kaffee bewirten zu dürfen. Die Schanklizenz hat er, genauso wie die meisten anderen im Leonhardsviertel. In den Erdgeschossen der Bordelle werden standardmäßig Getränke verkauft. Was ein Widerspruch zu geltendem Recht ist:

Laut Gaststättengesetz darf Wirten keine Schankerlaubnis erteilt werden, die "dem Trunke ergeben" sind oder die "der Unsittlichkeit Vorschub leisten". Letzteres dürfte im Fall des Maxim unstrittig sein. Weshalb die Christdemokraten gern wüssten, seit wann das Haus als Bordell zugelassen ist. Die Antwort wird womöglich überraschen.

Nach aktueller Rechtsauffassung der Stadt gibt es in ganz Stuttgart nur ein legales Bordell, das Dreifarbenhaus neben dem Rathaus. Gemäß Polizeistatistik bedienen allerdings in gut 180 Häusern stadtweit Prostituierte Freier. Für eine Genehmigung wäre das Baurechtsamt zuständig. Das übte sich bisher ausschließlich im Verweigern entsprechender Anträge. Weshalb sich die Stadt regelmäßig mit Bordellbetreibern vor Gericht trifft. Am 10. Mai steht vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim ein nächster Termin an, weil einer von ihnen gegen die Ablehnung seines Antrags juristisch streiten will.

Weitere Prozesse werden folgen, unter anderem einer der Stadt eben gegen John Heer. Ihm hatte das Baurechtsamt die Nutzung eines seiner zwei Häuser im Leonhardsviertel für die Prostitution verboten. Die Schließung des Maxim und anderer Betriebe ist angekündigt. Dass auch deren Besitzer gegen die Verfügung vor Gericht streiten werden, gilt als ausgemacht, insbesondere die der alteingesessenen Bordelle. Die galten nach einem Beschluss des Gemeinderats aus den Achtzigern jahrzehntelang als sogenannter Altbestand und geduldet. Noch vor fünf Jahren war auch das Regierungspräsidium der Ansicht, dass im Fall des Maxim gleichsam Gewohnheitsrecht gilt.

Erst im vergangenen Jahr hatte die Stadt diese Praxis für beendet erklärt. Was letztlich wiederum der Anlass für Heers Brief ins Rathaus war. Das fünfseitige Schreiben ist an Oberbürgermeister Fritz Kuhn adressiert und weit mehr von Ärger als von Respekt geprägt. Es endet mit einer Liste von zwölf Fragen, die Kernfrage ist die Nummer acht: Wenn selbst die Handvoll bisher gebilligter Betriebe geschlossen werden soll, wo will die Stadt künftig Bordelle erlauben?

Insbesondere sie wird unbeantwortet bleiben. Stuttgart ist die einzige Großstadt der Republik, die nach der Legalisierung der Prostitution im Jahr 2002 kein entsprechendes Konzept beschlossen hat. Was ebenfalls ein Widerspruch zu geltendem Recht ist: In Baden-Württemberg sind Bordelle in Gemeinden mit mehr als 35 000 Einwohnern erlaubt. Ein generelles Verbot wäre rechtswidrig. Städte, die bestimmte Gebiete von Rotlichtbetrieben freihalten wollen, müssen gleichzeitig verfügen, wo sie erlaubt sind. Schritt eins ist der Gemeinderat gegangen, der zweite steht aus. Bislang ist nur vage formuliert, dass Rotlichtbetriebe im Zentrum konzentriert sein sollen.

Nicht nur deswegen könnten die Gerichtsverfahren zwischen Stadt und Betreibern spannend werden. Formal ist auch das Dreifarbenhaus illegal, aus zwei Gründen: Höchstens ein Drittel der Fläche eines Hauses darf zur Prostitution genutzt werden, und auch dieses Bordell wurde nie genehmigt. Es gilt als Wohnheim für obdachlose Dirnen. Laut Baurechtsamt ist der Betrieb die Ausnahme von der Regel, weil bei der Genehmigung als Wohnheim jeder wusste, dass die Prostituierten in ihren Betten nicht nur schlafen. Dies allerdings, argumentiert Heer, gilt für alle anderen alteingesessenen Betriebe auch.

Quelle: Stuttgarter Zeitung vom 26.03.2016 Seite 19
Zuletzt geändert von ehemaliger_User am 16.03.2016, 17:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von lust4fun »

oder die "der Unsittlichkeit Vorschub leisten". Letzteres dürfte im Fall des Maxim unstrittig sein.
O je, wie denn nun?

https://de.wikipedia.org/wiki/Sittenwid ... schland%29

Nach einer in der zivilrechtlichen Literatur verbreiteten Ansicht[5] konnte das ProstG die Sittenwidrigkeit nicht aufheben, sondern gewährt nur ausnahmsweise trotz der Sittenwidrigkeit des Vertrages einen Anspruch auf den Lohn nach Erbringung der sexuellen Handlungen. Allerdings vertritt die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zumindest in Strafsachen die Ansicht, dass seit Erlass des ProstG ein Prostitutionsvertrag nicht von vorneherein als sittenwidrig zu beurteilen sei.[6] Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Berlin war die Prostitution bereits vor dem Prostitutionsgesetz nicht mehr sittenwidrig: "Die staatliche Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG) darf nicht dazu missbraucht werden, den Einzelnen durch einen Eingriff in die individuelle Selbstbestimmung gleichsam vor sich selbst zu schützen".[7]

Der Europäische Gerichtshof hat klargestellt, dass Prostitution zu den Erwerbstätigkeiten gehört, die "Teil des gemeinschaftlichen Wirtschaftslebens" im Sinne von Art. 2 EG-Vertrag sind.[8]

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Beitrag von Kasharius »

@lust4fun

na ja, die hier eingestellte "Definition" bzw. Textpassage beschreibt das Dilemma des aktuellen ProstG. Die SW können ihr Geld einklagen, die Kunden aber nicht die vereinbarte Leistung fordern; so steht es im Gesetz. Der Vertrag ist nur einseitig verpflchtend. Aus diesem Umstand folgt eben der genannte Teil der Rechtssprechung und Literatur, daß durch das ProstG die Sittenwidrigkeit gerade nicht beseitigt worden ist.

Hübsch finde ich, daß das einzig legale Bordell nben dem Rathaus liegt. @ehemaliger_User, wie sagt man bei Euch: Das hat nen Geschmäkle...

Kasharius grüßt

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RE: STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte

Beitrag von friederike »

Der Wikipedia-Artikel ist ganz gut - er erklärt auch die Unterscheidung zwischen der "Sittenwidrigkeit" und der "Unsittlichkeit". Bei der "Unsittlichkeit" in Baurecht und Vergnügungsstättensatzung kann es nur um die "Unsittlichkeit" gehen, das ist somit nicht Teil des ProstG.

Wie das VerwG Berlin richtig geurteilt hat, bedurfte es nicht des Gesetzes, um die Sittenwidrigkeit der Prostitution an sich aufzuheben. Dies kann durch Wandel der gesellschaftlichen Auffassung auch ohne Gesetz erfolgen. Das ProstG hat lediglich den Entgeltanspruch der Prostituierten (nach erfolgter Leistung) unabhängig von irgendwelchen Gerichtsauffassungen zur Sittenwidrigkeit zementiert.

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Beitrag von Kasharius »

@friederike
@all

um die Begriffsverwirrung komplett zu machen bleibt noch anzumerken, daß Sittenwidrigkeit und Unsittlichkeit letztendlich das gleiche meinen. Es geht nach einer alten Lehrformel des Reichsgericht immer um das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. In § 138 BGB ist von den guten Siten und in § 4 Gaststättengesetz ist von "der Unsittlichkeit vorschub leisten" die Rede.

Kasharius grüßt

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Beitrag von ehemaliger_User »

@Kasharius: das "Gschmäckle" wird zum "Gestank".

In der Internetausgabe steht heute noch folgender Nachsatz:

Nicht nur deswegen könnten die Gerichtsverfahren zwischen Stadt und Betreibern spannend werden. Formal ist auch das Dreifarbenhaus illegal, aus zwei Gründen: Höchstens ein Drittel der Fläche eines Hauses darf zur Prostitution genutzt werden, und auch dieses Bordell wurde nie genehmigt. Es gilt als Wohnheim für obdachlose Dirnen. Laut Baurechtsamt ist der Betrieb die Ausnahme von der Regel, weil bei der Genehmigung als Wohnheim jeder wusste, dass die Prostituierten in ihren Betten nicht nur schlafen. Dies allerdings, argumentiert Heer, gilt für alle anderen alteingesessenen Betriebe auch.

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RE: STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte

Beitrag von friederike »

Die "guten Sitten" sind natürlich ein gewaltiges Thema ...

Der § 138 BGB handelt ja von Rechtsgeschäften, zu deren Durchsetzung sich das Gesetz nicht hergeben will, ebenso nicht für den Schutz des sittenwidrigen Schädigers nach § 426 BGB. Aber was ist nun sittenwidrig? Oder Unsittlichkeit, der hier in der Gaststätte nicht Vorschub geleistet werden soll?

Der Definitionsversuch des Reichsgerichts ("... aller billig und gerecht Denkenden ...") ist freilich kein Durchbruch angesichts der Schwammigkeit des Gesetzestextes. Immerhin taucht das Wort "aller" auf, was meint, dass die Ansicht des Richters, Klägers oder Beklagten allein nicht ausreichend ist. In der Praxis heißt es wohl eher: " ... die meisten billig und gerecht Denkenden ..." ;-) Nach dem VG-Urteil und dem ProstG eilte ja offenbar die Phalanx der Anti-Prostitutionsjuristen herbei, um die Konsequenzen des ProstG zu relativieren und die Sittenwidrigkeit/Unsittlichkeit des Gewerbes zu konservieren ...

Ernsthaft aber: ich denke schon, dass die "guten Sitten" usw. dem Fall und Rechtsgebiet entsprechend differenziert zu sehen sind (wie auch die Literatur wohl meint), und dass zwischen der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts und der nicht vorzuschiebenden Unsittlichkeit im Ergebnis Unterschiede bestehen. Es kommt eben auf die "billig und gerecht Denkenden" des jeweils betroffenen Kreises innerhalb der Gesellschaft an (dazu auch BGH-Urteile). Aus dem ProstG könnte dann tatsächlich nicht geschlossen werden, dass Gaststättengesetz und Vergnügungsstättensatzung berührt sind.

Für die Prostitution als Rechtsgeschäft stellt (in meiner Meinung) das ProstG klar, dass der den Kunden einseitig bindende Vertrag nach Erbringung der Leistung wirksam ist. Ein zweiseitig bindender Vertrag, der die Prostituierte zur Leistungserbringung verpflichtet, wäre weiterhin und heute erst recht sittenwidrig.

Nach ProstG begründet auch ein "Escort-Vertrag" keinen Honoraranspruch (die Escort reist an, der Kunde schickt sie wieder weg, sie will das vereinbarte Honorar als Schadenersatz) . Hätte das ProstG tatsächlich die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB grundsätzlich beseitigt, wäre dies anders. Allerdings hat der BGH recht darauf zu verweisen, dass spätestens seit dem ProstG nicht mehr kurzgeschlossen werden kann "Prostitution = alles sittenwidrig, unsittlich und nichtig", sondern vielmehr eine differenzierte Betrachtung notwendig ist.

Diese differenzierte Betrachtung dürfte dann aber wohl auch für die Gaststättengenehmigungen notwendig werden. Ob dann noch in einem altbekannten und alteingesessenen Rotlichtviertel der Ordnungsbeamte den Vorschub der Unsittlichkeit bremsen muss ... Das Urteil im "Café Pssst"- Fall ist wirklich ein Highlight der deutschen Rechtsprechung.

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Beitrag von Kasharius »

@Friederike

bei der Entscheidung des Rechtsgerichts ging es damal übrigens um konkurrierende Dampfschifffahrstunternehmen... :002

@ehemaliger_User

gibt es den regen (ACHTUNG WORTSPIEL!!!) Pendelverkehr zwischen Rathaus und Dreifarbenhaus (toller Name). Dusiehst, man erträgt es nur mit Galgenhumor.

Kasharius grüßt

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Beitrag von ehemaliger_User »

@Kasharius

sind wirklich nur ca. 50 m vom Nebenausgang des Rathauskellers zum Eingang des DFH. In der Strasse hat es nur ganz am Anfang einen kleinen Laden, ansonsten ist klar wohin Menschen gehen wenn sie in den "Bebenhäuser Hof" einbiegen. Zumal jetzt der Karstadt-Parkplatz Baulager ist!

Das DFH sind drei Häuser, vom Rathaus aus gesehen Blau-Weiss-Rot gestrichen...
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