STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte
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RE: STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte
Danke, ehemaliger_User, für das Dokument!
Ohne auf die Komplexität der Motive von Wertediskussion, Freier-Ansprache, Stadtteilplanung und Akzeptanz von Prostitution einzugehen - nur eine kleine Spitze:
Es ist eine bemerkenswert starke Betonung des Kampfes gegen Prostitution von Minderjährigen (Tabu-Appell an die Freier) - angesichts der überaus genauen Statistik, derzufolge die Ämter in Stuttgart 2012 und 2013 genau von EINER Person unter 18 (kein Kind) in der Prostitution Kenntnis hatten.
Ohne auf die Komplexität der Motive von Wertediskussion, Freier-Ansprache, Stadtteilplanung und Akzeptanz von Prostitution einzugehen - nur eine kleine Spitze:
Es ist eine bemerkenswert starke Betonung des Kampfes gegen Prostitution von Minderjährigen (Tabu-Appell an die Freier) - angesichts der überaus genauen Statistik, derzufolge die Ämter in Stuttgart 2012 und 2013 genau von EINER Person unter 18 (kein Kind) in der Prostitution Kenntnis hatten.
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RE: STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte
Wenn man sich dieses Konzept durchliest, dann sehe ich nur das eine Ziel, dies Gewerbe gänzlich unmöglich zu machen und zu verbannen. Da wird ja nicht nur der sichtbare Bereich angeprangert, sondern auch Wohnungen und Apartements von Begleitagenturen. Dies auf der einen Seite als Jugendschutz anderseits will man in die Schulen mit "Aufklärungsmaßnahmen" gehen.
Es ist doch sehr aufschlussreich, welche Möglichkeiten schon ohne dem neuen ProstSchG bestehen, dies Gewerbe erheblich zu erschweren bzw. es unmöglich zu machen.
Interessant wäre zu erfahren, welche Kenntnis "sachkundige Bürger" vorzuweisen haben, um in den Gremien mitzuwirken.
Gruß Jupiter
Es ist doch sehr aufschlussreich, welche Möglichkeiten schon ohne dem neuen ProstSchG bestehen, dies Gewerbe erheblich zu erschweren bzw. es unmöglich zu machen.
Interessant wäre zu erfahren, welche Kenntnis "sachkundige Bürger" vorzuweisen haben, um in den Gremien mitzuwirken.
Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.
(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)
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Jupiter, das Problem im Leonhardsviertel ist: die Stadt hat sich nicht gekümmert.
Es geht nicht um Wohnungen allgemein, es geht in diesem Viertel um Auswüchse.
Fakt ist, dass Immobilien"haie" (und dazu gehört auch Rudloff, der im Leonhardsviertel auch Immobilien besitzt) dort schnell viel Geld verdienen indem sie heruntergekommene Häuser kaufen und trotz Bordellverbot (Grundbucheintrag) diese Häuser über "Pächter" als Laufhaus nutzen lassen.
Klagen der Stadt über mehrere Instanzen dauern mehrere Jahre. Gerichtsbeschluss soll umgesetzt werden, dann ist plötzlich ein neuer Pächter da und das Spiel beginnt von vorne. Merkwürdigerweise kassiert die Stadt in diesen Fällen Vergnügungssteuer...
Variante 2: Tageweise Vermietung von Betten / Matratzen in heruntergekommenen Wohnungen für 40 EUR pro Tag warm. Da sind schnell mal 8 Leute in einer 70-80 qm-Wohnung. Die Frauen bahnen auf der Strasse an, ihre Männer müssen bei der Erfüllung des Geschäftes solange auf die Strasse.
Hauptproblem meiner Meinung nach:
Sichtbare Armut stört. Viele Fussgänger laufen auf ihrem Weg in/von der Stadtmitte durch dieses Viertel. Am Rande haben sich "In-Lokale" angesiedelt.
Es geht nicht um Wohnungen allgemein, es geht in diesem Viertel um Auswüchse.
Fakt ist, dass Immobilien"haie" (und dazu gehört auch Rudloff, der im Leonhardsviertel auch Immobilien besitzt) dort schnell viel Geld verdienen indem sie heruntergekommene Häuser kaufen und trotz Bordellverbot (Grundbucheintrag) diese Häuser über "Pächter" als Laufhaus nutzen lassen.
Klagen der Stadt über mehrere Instanzen dauern mehrere Jahre. Gerichtsbeschluss soll umgesetzt werden, dann ist plötzlich ein neuer Pächter da und das Spiel beginnt von vorne. Merkwürdigerweise kassiert die Stadt in diesen Fällen Vergnügungssteuer...
Variante 2: Tageweise Vermietung von Betten / Matratzen in heruntergekommenen Wohnungen für 40 EUR pro Tag warm. Da sind schnell mal 8 Leute in einer 70-80 qm-Wohnung. Die Frauen bahnen auf der Strasse an, ihre Männer müssen bei der Erfüllung des Geschäftes solange auf die Strasse.
Hauptproblem meiner Meinung nach:
Sichtbare Armut stört. Viele Fussgänger laufen auf ihrem Weg in/von der Stadtmitte durch dieses Viertel. Am Rande haben sich "In-Lokale" angesiedelt.
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RE: STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte
Danke ehemaliger_User, deine Schilderungen. Zu den "Unterkünften", dies erinnert mich an die Zustände, welche die Arbeiter der Werkvertragsunternehmen in der Fleischindustrie Norddeutschlands erleiden müssen. Aber hier interessiert sich niemand für den Menschenhandel (ausführlicher Bericht in der ZEIT Nr. 51) .
Gruß Jupiter
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(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)
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RE: STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte
ausführlicher Bericht in der ZEIT Nr. 51
gesucht aber nicht gefunden, gibt es einen Link?
http://www.zeit.de/2014/51/schlachthof- ... g-arbeiter
gesucht aber nicht gefunden, gibt es einen Link?
http://www.zeit.de/2014/51/schlachthof- ... g-arbeiter
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20.12.2014
Leonardsviertel
Viel Lob für Konzept gegen illegale Prostitution
Die Stadt verschärft ihre Maßnahmen, um illegale Sexarbeit in der Altstadt einzudämmen: Anwohner und Soziarbeiter begrüßen, dass Freier direkt verwarnt werden sollen. Die SPD übt auch Kritik: Das Leid der Prostituierten verlagere sich nur örtlich.
Stuttgart - Das Vorhaben der Stadtverwaltung, künftig verstärkt gegen die Prostitution im Leonardsviertel vorzugehen, ruft überwiegend positive Resonanz hervor.
"Vor allem die Idee, Freier direkt anzusprechen, halte ich für sinnvoll", sagt Sabine Constabel, Leiterin des Cafés La Strada, der Anlaufstelle für Prostituierte im Viertel. So schaffe man ein Bewusstsein bei den Freiern, das den meisten fehle. "Prostitution darf nicht mit einem positiven Wellness-Angebot für den Mann verglichen werden, sondern es ist ein Geschäft mit vielen Schattenseiten", sagt Constabel. Daher sei es sinnvoll, dass die Stadt nun ihr sogenanntes "Konzept zur Verbesserung der Situation von Prostituierten" vorlegt, dessen Schwerpunkt auf dem Leonardsviertel liegt.
Stadt will Hälfte der 14 Bordelle im Leonardsviertel schließen
OB Fritz Kuhn (Grüne) hatte am Donnerstag umrissen, wie die Stadt gegen Zuhälter, Freier und Nutznießer illegaler Sexarbeit vorgehen will. Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) kündigte an, die Hälfte der bestehenden 14 Bordelle im Kiez schließen zu wollen.
Die SPD-Fraktion übt jedoch auch Kritik an dem Vorstoß, die Prostituierten aus dem Bezirk zu verbannen. "Durch den Verdrängungseffekt ist davon auszugehen, dass sich der Leid der Prostituierten nur örtlich verlagern wird", sagte SPD-Stadträtin Judith Vowinkel. Ihre Parteikollegin, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Hackl, sagte: "Wir als SPD vermissen neue Ansätze sowie konkrete Angaben, wie denn nun die Verbesserungen zugunsten der Prostituierten aussehen sollen."
Bußgelder gegen Freier zeigen Wirkung
Einen konkreten Vorstoß lobt Sebastian Erdle, der im Frühjahr mit einer Unterschriften Aktion die Stadt zum Handeln bewegen wollte. "Sehr effektiv ist die Erhöhung der Bußgelder", meint Erdle. Das Ansprechen von Prostituierten auf offener Straße ist generell untersagt (180 Euro beim ersten Ansprechen, 500 beim dritten). Seit Ende der Siebziger Jahre gilt in Stuttgart eine Sperrbezirksverordnung für die ganze Innenstadt, die es verbietet, dass Prostituierte ihre Dienstleistungen auf offener Straße anbieten.
"Ich denke es wäre sinnvoll, das Bußgeld noch einmal zu erhöhen", sagt Sebastian Erdle. Denn die letzte Erhöhung zeige seiner Beobachtung nach bereits Wirkung. "Seither ist die Situation im Kiez schon etwas besser geworden."
Die Sozialarbeiterin Sabine Constabel kämpft für mehr Sensibilität für die Gefahren der Prostitution, für Männer wie Frauen. "Wir dürfen das Thema nicht weiter banalisieren. Das Geschäft, ob legal oder illegal, birgt zahlreiche Risiken. Nicht zuletzt für Ehen oder für die Gesundheit."
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... b0299.html
Leonardsviertel
Viel Lob für Konzept gegen illegale Prostitution
Die Stadt verschärft ihre Maßnahmen, um illegale Sexarbeit in der Altstadt einzudämmen: Anwohner und Soziarbeiter begrüßen, dass Freier direkt verwarnt werden sollen. Die SPD übt auch Kritik: Das Leid der Prostituierten verlagere sich nur örtlich.
Stuttgart - Das Vorhaben der Stadtverwaltung, künftig verstärkt gegen die Prostitution im Leonardsviertel vorzugehen, ruft überwiegend positive Resonanz hervor.
"Vor allem die Idee, Freier direkt anzusprechen, halte ich für sinnvoll", sagt Sabine Constabel, Leiterin des Cafés La Strada, der Anlaufstelle für Prostituierte im Viertel. So schaffe man ein Bewusstsein bei den Freiern, das den meisten fehle. "Prostitution darf nicht mit einem positiven Wellness-Angebot für den Mann verglichen werden, sondern es ist ein Geschäft mit vielen Schattenseiten", sagt Constabel. Daher sei es sinnvoll, dass die Stadt nun ihr sogenanntes "Konzept zur Verbesserung der Situation von Prostituierten" vorlegt, dessen Schwerpunkt auf dem Leonardsviertel liegt.
Stadt will Hälfte der 14 Bordelle im Leonardsviertel schließen
OB Fritz Kuhn (Grüne) hatte am Donnerstag umrissen, wie die Stadt gegen Zuhälter, Freier und Nutznießer illegaler Sexarbeit vorgehen will. Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) kündigte an, die Hälfte der bestehenden 14 Bordelle im Kiez schließen zu wollen.
Die SPD-Fraktion übt jedoch auch Kritik an dem Vorstoß, die Prostituierten aus dem Bezirk zu verbannen. "Durch den Verdrängungseffekt ist davon auszugehen, dass sich der Leid der Prostituierten nur örtlich verlagern wird", sagte SPD-Stadträtin Judith Vowinkel. Ihre Parteikollegin, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Hackl, sagte: "Wir als SPD vermissen neue Ansätze sowie konkrete Angaben, wie denn nun die Verbesserungen zugunsten der Prostituierten aussehen sollen."
Bußgelder gegen Freier zeigen Wirkung
Einen konkreten Vorstoß lobt Sebastian Erdle, der im Frühjahr mit einer Unterschriften Aktion die Stadt zum Handeln bewegen wollte. "Sehr effektiv ist die Erhöhung der Bußgelder", meint Erdle. Das Ansprechen von Prostituierten auf offener Straße ist generell untersagt (180 Euro beim ersten Ansprechen, 500 beim dritten). Seit Ende der Siebziger Jahre gilt in Stuttgart eine Sperrbezirksverordnung für die ganze Innenstadt, die es verbietet, dass Prostituierte ihre Dienstleistungen auf offener Straße anbieten.
"Ich denke es wäre sinnvoll, das Bußgeld noch einmal zu erhöhen", sagt Sebastian Erdle. Denn die letzte Erhöhung zeige seiner Beobachtung nach bereits Wirkung. "Seither ist die Situation im Kiez schon etwas besser geworden."
Die Sozialarbeiterin Sabine Constabel kämpft für mehr Sensibilität für die Gefahren der Prostitution, für Männer wie Frauen. "Wir dürfen das Thema nicht weiter banalisieren. Das Geschäft, ob legal oder illegal, birgt zahlreiche Risiken. Nicht zuletzt für Ehen oder für die Gesundheit."
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30.12.2014
Beratungsangebot im Leonhardsviertel
Pietismus gegen Prostitution
Die Altpietisten wollen im Leonhardsviertel ein zusätzliches Beratungsangebot für Prostituierte schaffen. Das Vorhaben wird gelobt, die Erfolgsaussichten der Anlaufstelle aber gleich aus mehreren Gründen in Frage gestellt.
Stuttgart - Die Eckkneipe direkt am Eingang zur Leonhardstraße hat eine Tradition, die bis vor den Zweiten Weltkrieg zurückreicht. In den 40er-Jahren war im damaligen Schinderhannes sogar der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss regelmäßig zu Gast - mithin zu einer Zeit, zu der das Leonhardsviertel noch nicht der Prostitution anheim gefallen war. In ihren jungen Jahre gehörte auch die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle zu den Besuchern, "weil der Schinderhannes die einzige Gaststätte mit einem Billardtisch war", wie sie sagt: "Anrüchig war damals nichts oder wenn, dann lief das sehr unauffällig."
Kirche statt Gastronomie
Inzwischen heißt die Bar mit der Adresse Leonhardstraße 1 "Zum Schatten". Im nächsten Jahr sollen die Werbetafeln mit ihrem Namen von der Fassade verschwinden. Die Gastronomie muss weichen, weil die Kirche einzieht. In diesem Haus samt dem Nachbarbau will die Altpietistische Gemeinde - kurz Apis - nächsten Herbst eine Beratungsstelle für Prostituierte eröffnen, vorwiegend für Frauen, die sich aus dem Rotlichtmilieu verabschieden wollen.
Die Apis sind Teil der evangelischen Landeskirche, finanzieren sich allerdings ausschließlich mit freiwilligen Beiträgen ihrer rund 10 000 Mitglieder. Formal sind sie als eingetragener Verein organisiert. "Hoffnungshaus" haben sie ihr Projekt benannt. Zumindest in kirchlichen Kreisen genießt das Vorhaben hohes Ansehen. Selbst der Landesbischof Frank Otfried July lobt den Versuch, "das Milieu auszutrocknen". Er schäme sich für Stuttgart, weil die Stadt es zulasse, "dass junge Frauen aus Osteuropa zu uns gekarrt und hier missbraucht werden", sagte der Geistliche.
Kann das hoch gesteckte Ziel erreicht werden?
Allerdings bezweifeln Experten und Insider, ob die Gemeinde ihre hoch gesteckten Ziele erreichen kann. So scheint es fraglich, ob die Frauen direkt unter den Augen ihrer Zuhälter das Zentrum für Ausstiegswillige betreten werden. Und erst recht umstritten ist, dass es den Altpietisten gelingt, das Milieu auszutrocknen.
Schließlich betreibt nur wenige Schritte von der künftig kirchlichen Adresse entfernt Sabine Constabel die gemeinsame Beratungsstelle von Stadt Stuttgart und Caritas. Etliche andere Organisationen bemühen sich, das Leben weiblicher wie männlicher Prostituierter zumindest erträglicher zu gestalten, bis hin zur alt-katholischen Gemeinde von ihrer kleinen Kirche am Schellenturm aus.
Die Apis "stellt sich der Herausforderung ohne Illusion", sagt der Pfarrer und Vereinsvorsitzende Steffen Kern, "wir glauben nicht, dass wir die Welt oder nur das Viertel verändern". Im Hoffnungshaus soll eine Sozialarbeiterin beraten und wohnen, auch Gottesdienste, Konzerte, Ausstellungen und Sprachkurse sind geplant. Auf 100 000 bis 150 000 Euro schätzt Kern die jährlichen Kosten. Nicht zuletzt deswegen "haben wir uns einen Notausgang offengehalten", sagt der Pfarrer. Zwar sei das Projekt auf Dauer angelegt, für den Fall des Scheiterns ist der Mietvertrag vorerst aber auf zwei Jahre befristet.
Von vielen Seiten Lob für das geplante Hoffnungshaus
"Ich wünsche dem Vorhaben alles Gute", sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, "aber die Altpietisten sollten sich ins Gesamtgefüge einfügen und sich mit allen Akteuren ins Benehmen setzen." Laut Kern ist dies bereits geschehen. Bei Gesprächen mit der Stadt, der Leonhardsgemeinde und den Sozialarbeiterinnen im Viertel hätten die Altpietisten nur Lob zu ihrem Hoffnungshaus gehört.
Die Bauten, in denen es eröffnen soll, haben eine pikante Vorgeschichte. Bis vor wenigen Jahren wurden die Wohnungen in den Etagen über der Bar Zum Schatten zur Prostitution genutzt. Gleiches gilt für den ebenso geschichtsträchtigen wie verfallenen Nachbarbau, in dem Frauen sogar auf den Fluren Freier bedienten. Dieses Geschehen fand ein Ende, als publik wurde, dass der Besitzer ein CDU-Kommalpolitiker war, der zudem der evangelischen Landessynode angehörte, dem Kirchenparlament.
Frauen aus der Nachbarschaft versuchen Kunden zu finden
Der gottesfürchtige Christdemokrat gelobte Besserung, verzichtete auf sein kirchliches wie sein kommunalpolitisches Amt und kündigte den Prostituierten. Seitdem ist die Bar Zum Schatten tatsächlich eine Bar, auch wenn Frauen aus den umliegenden Rotlichtbetrieben in ihr versuchen, Kunden zu finden. Kern kennt den Hausbesitzer von dessen kirchlicher Arbeit. Ursprünglich hatte er um die Vermittlung eines Hauses für eine Wohngemeinschaft ehrenamtlicher Helfer gebeten. Dass daraus ein Prostitutionsprojekt wurde, sagt er, "war nicht geplant, sondern eher Zufall".
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 11c7a.html
Beratungsangebot im Leonhardsviertel
Pietismus gegen Prostitution
Die Altpietisten wollen im Leonhardsviertel ein zusätzliches Beratungsangebot für Prostituierte schaffen. Das Vorhaben wird gelobt, die Erfolgsaussichten der Anlaufstelle aber gleich aus mehreren Gründen in Frage gestellt.
Stuttgart - Die Eckkneipe direkt am Eingang zur Leonhardstraße hat eine Tradition, die bis vor den Zweiten Weltkrieg zurückreicht. In den 40er-Jahren war im damaligen Schinderhannes sogar der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss regelmäßig zu Gast - mithin zu einer Zeit, zu der das Leonhardsviertel noch nicht der Prostitution anheim gefallen war. In ihren jungen Jahre gehörte auch die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle zu den Besuchern, "weil der Schinderhannes die einzige Gaststätte mit einem Billardtisch war", wie sie sagt: "Anrüchig war damals nichts oder wenn, dann lief das sehr unauffällig."
Kirche statt Gastronomie
Inzwischen heißt die Bar mit der Adresse Leonhardstraße 1 "Zum Schatten". Im nächsten Jahr sollen die Werbetafeln mit ihrem Namen von der Fassade verschwinden. Die Gastronomie muss weichen, weil die Kirche einzieht. In diesem Haus samt dem Nachbarbau will die Altpietistische Gemeinde - kurz Apis - nächsten Herbst eine Beratungsstelle für Prostituierte eröffnen, vorwiegend für Frauen, die sich aus dem Rotlichtmilieu verabschieden wollen.
Die Apis sind Teil der evangelischen Landeskirche, finanzieren sich allerdings ausschließlich mit freiwilligen Beiträgen ihrer rund 10 000 Mitglieder. Formal sind sie als eingetragener Verein organisiert. "Hoffnungshaus" haben sie ihr Projekt benannt. Zumindest in kirchlichen Kreisen genießt das Vorhaben hohes Ansehen. Selbst der Landesbischof Frank Otfried July lobt den Versuch, "das Milieu auszutrocknen". Er schäme sich für Stuttgart, weil die Stadt es zulasse, "dass junge Frauen aus Osteuropa zu uns gekarrt und hier missbraucht werden", sagte der Geistliche.
Kann das hoch gesteckte Ziel erreicht werden?
Allerdings bezweifeln Experten und Insider, ob die Gemeinde ihre hoch gesteckten Ziele erreichen kann. So scheint es fraglich, ob die Frauen direkt unter den Augen ihrer Zuhälter das Zentrum für Ausstiegswillige betreten werden. Und erst recht umstritten ist, dass es den Altpietisten gelingt, das Milieu auszutrocknen.
Schließlich betreibt nur wenige Schritte von der künftig kirchlichen Adresse entfernt Sabine Constabel die gemeinsame Beratungsstelle von Stadt Stuttgart und Caritas. Etliche andere Organisationen bemühen sich, das Leben weiblicher wie männlicher Prostituierter zumindest erträglicher zu gestalten, bis hin zur alt-katholischen Gemeinde von ihrer kleinen Kirche am Schellenturm aus.
Die Apis "stellt sich der Herausforderung ohne Illusion", sagt der Pfarrer und Vereinsvorsitzende Steffen Kern, "wir glauben nicht, dass wir die Welt oder nur das Viertel verändern". Im Hoffnungshaus soll eine Sozialarbeiterin beraten und wohnen, auch Gottesdienste, Konzerte, Ausstellungen und Sprachkurse sind geplant. Auf 100 000 bis 150 000 Euro schätzt Kern die jährlichen Kosten. Nicht zuletzt deswegen "haben wir uns einen Notausgang offengehalten", sagt der Pfarrer. Zwar sei das Projekt auf Dauer angelegt, für den Fall des Scheiterns ist der Mietvertrag vorerst aber auf zwei Jahre befristet.
Von vielen Seiten Lob für das geplante Hoffnungshaus
"Ich wünsche dem Vorhaben alles Gute", sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, "aber die Altpietisten sollten sich ins Gesamtgefüge einfügen und sich mit allen Akteuren ins Benehmen setzen." Laut Kern ist dies bereits geschehen. Bei Gesprächen mit der Stadt, der Leonhardsgemeinde und den Sozialarbeiterinnen im Viertel hätten die Altpietisten nur Lob zu ihrem Hoffnungshaus gehört.
Die Bauten, in denen es eröffnen soll, haben eine pikante Vorgeschichte. Bis vor wenigen Jahren wurden die Wohnungen in den Etagen über der Bar Zum Schatten zur Prostitution genutzt. Gleiches gilt für den ebenso geschichtsträchtigen wie verfallenen Nachbarbau, in dem Frauen sogar auf den Fluren Freier bedienten. Dieses Geschehen fand ein Ende, als publik wurde, dass der Besitzer ein CDU-Kommalpolitiker war, der zudem der evangelischen Landessynode angehörte, dem Kirchenparlament.
Frauen aus der Nachbarschaft versuchen Kunden zu finden
Der gottesfürchtige Christdemokrat gelobte Besserung, verzichtete auf sein kirchliches wie sein kommunalpolitisches Amt und kündigte den Prostituierten. Seitdem ist die Bar Zum Schatten tatsächlich eine Bar, auch wenn Frauen aus den umliegenden Rotlichtbetrieben in ihr versuchen, Kunden zu finden. Kern kennt den Hausbesitzer von dessen kirchlicher Arbeit. Ursprünglich hatte er um die Vermittlung eines Hauses für eine Wohngemeinschaft ehrenamtlicher Helfer gebeten. Dass daraus ein Prostitutionsprojekt wurde, sagt er, "war nicht geplant, sondern eher Zufall".
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RE: STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte
"Insgesamt enthält die immerhin 13-seitige Mitteilung aus dem Rathaus neben einer Auflistung bisheriger Angebote und Absichtserklärungen wenig Konkretes. Mittels Werbekampagne sollen alsbald Freier darüber aufgeklärt werden, dass es gesetzeswidrig ist, Minderjährige für Sex zu bezahlen. Was den meisten bewusst sein dürfte, überdies statistisch nicht vordringlich scheint. Gemäß Polizeistatistik war im Jahr 2013 eine von rund 1700 Prostituierten in Stuttgart noch nicht volljährig."
Stuttgarter Zeitung, 9.1.2015
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 18bb4.html
Stuttgarter Zeitung, 9.1.2015
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3.2.2015
Leonhardsviertel in Stuttgart
OB will Rotlichtviertel "zurückerobern"
Oberbürgermeister Fritz Kuhn sieht erste Erfolge im Kampf gegen die Armutsprostitution. Kritik kommt von der SPD. Um "das Leonhardsviertel zu stärken", will Baubürgermeister Matthias Hahn außerdem die Zahl der Bordelle halbieren.
Stuttgart - OB Fritz Kuhn (Grüne) hat sich im Kampf gegen die Armutsprostitution und zur Rettung der Altstadt der Rückendeckung aller Fraktionen versichert. Im Technischen Ausschuss kündigte der OB, flankiert von Bürgermeistern und dem Polizeipräsidenten Franz Lutz, an, das Leonhardsviertel mit den verschiedensten Maßnahmen "zurückzuerobern". An die Bordellbesitzer erging die Warnung: "Es wird jetzt ungemütlicher."
Laut Lutz haben die Profiteure das schon zu spüren bekommen. 13 Beamte hätten den Kontrolldruck erhöht. Wirkung zeige auch die Idee des Anwohneranwalts Roland Kugler, Hotelbetreibern mit einer Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit zu drohen, falls ihre Gäste - die Prostituierten - weiter vor den Gebäuden verbotswidrig anschafften. Statt bis dahin etwa 90 Frauen seien inzwischen nur noch rund 70 auffällig. Am Dienstag präsentierten zudem Werbeagenturen ihre Vorschläge für ein an Freier gerichtetes Flugblatt. Dafür sind 90000 Euro vorgesehen. Fachleute stehen diesem Projekt allerdings skeptisch gegenüber: Die Männer seien ja nicht kopfgesteuert.
AfD handelt sich eine Absage ein
Eine klare Absage erging an die Alternative für Deutschland (AfD). Stadtrat Eberhard Brett will die Prostitution auf den Altstadtkern konzentrieren und aus dem Leonhardsviertel ein Klein-St.Pauli machen. Einen der Vorschläge Kuhns, Immobilien zu erwerben, um eine bessere Durchmischung des Gebiets durch unbedenkliche Nutzungen zu erzielen, lehnt Brett ab.
Im Grundsatz sagten aber alle Parteien ihre Unterstützung zu und lobten die in einem mehrseitigen Konzept festgehaltene konzertierte Aktion gegen die sexuelle Ausbeutung vor allem junger Frauen aus Osteuropa und für eine Wiederbelegung der Altstadt. Neben kritischen Anmerkungen dazu, dass viel zu lange zu wenig gegen die Auswüchse getan worden sei, gab es erneut die Forderung der SPD, in dem städtische Papier auch konkret erweiterte Hilfsangebote für die Prostituierten aufzunehmen. "Da muss man mehr tun", sagte Fraktionschef Martin Körner, der zudem forderte, den Kontrolldruck auf Bordellbetriebe jenseits der Innenstadt zu verstärken.
OB reagiert erbost auf Kritik
Bisher sei vor allem von städtebaulichen und ordnungspolitischen Maßnahmen zur Verbesserung der Lage im Viertel die Rede, weniger von einer Optimierung der Situation für die Betroffenen. Sozialbürgemeisterin Isabel Fezer (FDP) verwies zwar auf ihre Bemühungen und auf ein enges Netz von Hilfsorganisationen. Stadträtin Judith Vowinkel forderte dennoch die Verdoppelung der Hilfe für den Ausstiegs-"Plan P" des Frauenunternehmens Zora sowie Geld für die Schaffung von Wohnraum für Ausstiegswillige und den Ausbau der medizinischen Versorgung.
OB Kuhn reagierte erbost auf die Kritik: Es sei kontraproduktiv, "wie Sie jetzt das Konzept runtermachen" Die Stadt sei in der Offensive. Auf Unverständnis stieß auch die Anmerkung Judith Vowinkels, die Straßenprostitution habe für die Frauen wenigstens den Vorteil, sich den Partner aussuchen zu können. Sie wolle darauf hinweisen, dass das Strategieziel nicht nur Vorteile haben, so die Stadträtin. In Hinterzimmern seien Prostituierte den Freiern jedenfalls schutzloser ausgeliefert als auf der Straße. Polizeichef Franz Lutz widersprach: Das Risiko, in einer Wohnung Opfer von Gewalt zu werden, sei dreimal niedriger als auf der Straße.
Baubürgermeister will Zahl der Bordelle halbieren
Um "das charmante Viertel zu stärken", will Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) die Zahl der 14 Bordelle halbieren. OB Kuhn verwies aber auf die Probleme bei der Untersagung. Das Geschick von Hausbesitzern und Bordellbetreibern, Gerichtsprozesse zu verzögern, sei erstaunlich. SPD und CDU wäre mehr Entschlossenheit bei diesem Thema nicht unrecht. Es sei doch anzunehmen, dass in diesen Häusern die hygienischen, gesundheitlichen oder sicherheitsbezogenen Voraussetzungen nicht immer erfüllt seien. Würde das Etablissement geschlossen, läge der Ball im gegnerischen Feld. Wenn wegen fehlenden Brandschutzes eine Kita sofort geschlossen werden könne, müsse das auch bei einem Bordell möglich sein, glaubt jedenfalls Beate Bulle-Schmid (CDU).
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 83d0a.html
Leonhardsviertel in Stuttgart
OB will Rotlichtviertel "zurückerobern"
Oberbürgermeister Fritz Kuhn sieht erste Erfolge im Kampf gegen die Armutsprostitution. Kritik kommt von der SPD. Um "das Leonhardsviertel zu stärken", will Baubürgermeister Matthias Hahn außerdem die Zahl der Bordelle halbieren.
Stuttgart - OB Fritz Kuhn (Grüne) hat sich im Kampf gegen die Armutsprostitution und zur Rettung der Altstadt der Rückendeckung aller Fraktionen versichert. Im Technischen Ausschuss kündigte der OB, flankiert von Bürgermeistern und dem Polizeipräsidenten Franz Lutz, an, das Leonhardsviertel mit den verschiedensten Maßnahmen "zurückzuerobern". An die Bordellbesitzer erging die Warnung: "Es wird jetzt ungemütlicher."
Laut Lutz haben die Profiteure das schon zu spüren bekommen. 13 Beamte hätten den Kontrolldruck erhöht. Wirkung zeige auch die Idee des Anwohneranwalts Roland Kugler, Hotelbetreibern mit einer Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit zu drohen, falls ihre Gäste - die Prostituierten - weiter vor den Gebäuden verbotswidrig anschafften. Statt bis dahin etwa 90 Frauen seien inzwischen nur noch rund 70 auffällig. Am Dienstag präsentierten zudem Werbeagenturen ihre Vorschläge für ein an Freier gerichtetes Flugblatt. Dafür sind 90000 Euro vorgesehen. Fachleute stehen diesem Projekt allerdings skeptisch gegenüber: Die Männer seien ja nicht kopfgesteuert.
AfD handelt sich eine Absage ein
Eine klare Absage erging an die Alternative für Deutschland (AfD). Stadtrat Eberhard Brett will die Prostitution auf den Altstadtkern konzentrieren und aus dem Leonhardsviertel ein Klein-St.Pauli machen. Einen der Vorschläge Kuhns, Immobilien zu erwerben, um eine bessere Durchmischung des Gebiets durch unbedenkliche Nutzungen zu erzielen, lehnt Brett ab.
Im Grundsatz sagten aber alle Parteien ihre Unterstützung zu und lobten die in einem mehrseitigen Konzept festgehaltene konzertierte Aktion gegen die sexuelle Ausbeutung vor allem junger Frauen aus Osteuropa und für eine Wiederbelegung der Altstadt. Neben kritischen Anmerkungen dazu, dass viel zu lange zu wenig gegen die Auswüchse getan worden sei, gab es erneut die Forderung der SPD, in dem städtische Papier auch konkret erweiterte Hilfsangebote für die Prostituierten aufzunehmen. "Da muss man mehr tun", sagte Fraktionschef Martin Körner, der zudem forderte, den Kontrolldruck auf Bordellbetriebe jenseits der Innenstadt zu verstärken.
OB reagiert erbost auf Kritik
Bisher sei vor allem von städtebaulichen und ordnungspolitischen Maßnahmen zur Verbesserung der Lage im Viertel die Rede, weniger von einer Optimierung der Situation für die Betroffenen. Sozialbürgemeisterin Isabel Fezer (FDP) verwies zwar auf ihre Bemühungen und auf ein enges Netz von Hilfsorganisationen. Stadträtin Judith Vowinkel forderte dennoch die Verdoppelung der Hilfe für den Ausstiegs-"Plan P" des Frauenunternehmens Zora sowie Geld für die Schaffung von Wohnraum für Ausstiegswillige und den Ausbau der medizinischen Versorgung.
OB Kuhn reagierte erbost auf die Kritik: Es sei kontraproduktiv, "wie Sie jetzt das Konzept runtermachen" Die Stadt sei in der Offensive. Auf Unverständnis stieß auch die Anmerkung Judith Vowinkels, die Straßenprostitution habe für die Frauen wenigstens den Vorteil, sich den Partner aussuchen zu können. Sie wolle darauf hinweisen, dass das Strategieziel nicht nur Vorteile haben, so die Stadträtin. In Hinterzimmern seien Prostituierte den Freiern jedenfalls schutzloser ausgeliefert als auf der Straße. Polizeichef Franz Lutz widersprach: Das Risiko, in einer Wohnung Opfer von Gewalt zu werden, sei dreimal niedriger als auf der Straße.
Baubürgermeister will Zahl der Bordelle halbieren
Um "das charmante Viertel zu stärken", will Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) die Zahl der 14 Bordelle halbieren. OB Kuhn verwies aber auf die Probleme bei der Untersagung. Das Geschick von Hausbesitzern und Bordellbetreibern, Gerichtsprozesse zu verzögern, sei erstaunlich. SPD und CDU wäre mehr Entschlossenheit bei diesem Thema nicht unrecht. Es sei doch anzunehmen, dass in diesen Häusern die hygienischen, gesundheitlichen oder sicherheitsbezogenen Voraussetzungen nicht immer erfüllt seien. Würde das Etablissement geschlossen, läge der Ball im gegnerischen Feld. Wenn wegen fehlenden Brandschutzes eine Kita sofort geschlossen werden könne, müsse das auch bei einem Bordell möglich sein, glaubt jedenfalls Beate Bulle-Schmid (CDU).
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RE: STUTTGART: Leonhardsviertel Debatte
Leonhardsviertel: Bordell schließt nach Zwangsandrohungen der Stadt
Ein Bordell in der Leonhardstraße hat am Sonntag seinen illegalen Betrieb eingestellt. Der Pächter hatte zuvor dem Eigentümer die Schlüssel zurückgegeben. Darüber wurden Stadt und Polizei anschließend informiert.
Das illegale Bordell war im vergangenen Jahr neu eröffnet worden. Die Stadt hatte daraufhin Eigentümer und Pächter mit Sofortvollzug die Nutzung als Bordell untersagt. Das Verwaltungsgericht bestätigte zuletzt, dass die Nutzungsuntersagung rechtmäßig ist.
Davor gab es um die rechtmäßige Nutzung des Gebäudes bereits mehrjährige verwaltungsrechtliche und zivilrechtliche Auseinandersetzungen zwischen der Stadt und dem Eigentümer. Das Baurechtsamt hatte angesichts der illegalen Nutzung mehrfach Zwangsmittel angedroht und auch angewendet. Diese zeigen nun offenbar Wirkung, teilte die Stadt am 9. Februar mit.
Ziel ist es, das Gebäude einer rechtmäßigen Nutzung zuzuführen. Die Stadt und die Polizei werden das Gebäude und dessen Nutzung daher auch weiterhin beobachten.
Die Stadt hatte Ende Dezember ein in Zusammenarbeit verschiedener Referate und der Polizei erstelltes Konzept zum künftigen Umgang mit der Prostitution im Leonhardsviertel vorgelegt. Ziel ist es die Armuts- und Zwangsprostitution zu bekämpfen, die soziale Lage der Prostituierten zu verbessern und das Leonhardsviertel zu einem gemischt genutzten, urbanen Quartier zu entwickeln, in dem nicht Prostitution dominiert.
http://www.stuttgart.de/item/show/273273/1/9/559935?
Ein Bordell in der Leonhardstraße hat am Sonntag seinen illegalen Betrieb eingestellt. Der Pächter hatte zuvor dem Eigentümer die Schlüssel zurückgegeben. Darüber wurden Stadt und Polizei anschließend informiert.
Das illegale Bordell war im vergangenen Jahr neu eröffnet worden. Die Stadt hatte daraufhin Eigentümer und Pächter mit Sofortvollzug die Nutzung als Bordell untersagt. Das Verwaltungsgericht bestätigte zuletzt, dass die Nutzungsuntersagung rechtmäßig ist.
Davor gab es um die rechtmäßige Nutzung des Gebäudes bereits mehrjährige verwaltungsrechtliche und zivilrechtliche Auseinandersetzungen zwischen der Stadt und dem Eigentümer. Das Baurechtsamt hatte angesichts der illegalen Nutzung mehrfach Zwangsmittel angedroht und auch angewendet. Diese zeigen nun offenbar Wirkung, teilte die Stadt am 9. Februar mit.
Ziel ist es, das Gebäude einer rechtmäßigen Nutzung zuzuführen. Die Stadt und die Polizei werden das Gebäude und dessen Nutzung daher auch weiterhin beobachten.
Die Stadt hatte Ende Dezember ein in Zusammenarbeit verschiedener Referate und der Polizei erstelltes Konzept zum künftigen Umgang mit der Prostitution im Leonhardsviertel vorgelegt. Ziel ist es die Armuts- und Zwangsprostitution zu bekämpfen, die soziale Lage der Prostituierten zu verbessern und das Leonhardsviertel zu einem gemischt genutzten, urbanen Quartier zu entwickeln, in dem nicht Prostitution dominiert.
http://www.stuttgart.de/item/show/273273/1/9/559935?
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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Fakten und Infos über Prostitution
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Für Ortsunkundige: Die Hauptstätter Strasse begrenzt das Leonhardsviertel nach Westen.
Darum geht es wohl zuerst:
Neue Ausgehmeile in Stuttgart
Die Vereinigten Hüttenwerke 2.0
Von Ingmar Volkmann
11. März 2015 - 15:14 Uhr
Rund um die Hauptstätter Straße eröffnen in den kommenden Wochen und Monaten vielversprechende neue Clubs und Bars. Aus der Stadtautobahn könnte eine Theodor-Heuss-Straße mit mehr gastronomischem Anspruch werden.
Stuttgart - Die Hauptstätter Straße gehört zu den vielen städtebaulichen Sünden Stuttgarts, die einst in der Zeit des Mantras von der autogerechten Stadt verwirklicht wurden. Richtig lange aufhalten will man sich an der Feinstauboase als Flaneur nicht. Das könnte sich bald ändern. Zwischen Leonhardsviertel und Eberhardtstraße eröffnen einige viel versprechende Clubs und Bars, die das Gesicht der Straße nachhaltig verändern könnten.
Die ersten im Bunde der Retter der Hauptstätter Straße sind Janusch Munkwitz und Dawit Porwich. Die beiden Gastronomen - Porwich war zuletzt Barchef im Scholz am Marktplatz, Munkwitz betreibt bereits drei andere Lokale in Stuttgart - werten nebenbei auch noch das Leonhardsviertel auf, wenn ihre Bar ab dem 13. März an der Weberstraße 3 täglich ab 18 Uhr geöffnet hat.
Das Paul & George sieht nach New York in Stuttgart aus
Die Paul & George getaufte Gastronomie sieht aus, als hätte man sich die schönste Bar in New York geborgt und in Stuttgart wieder aufgebaut. Der Raum mit den Backsteinwänden, einer ellenlangen Bar und maßgeschneiderten runden Tischen ist eine einzige Design-Ansage: "Wir wollen, dass sich bei uns jeder wohlfült. Der Student Mitte 20 genauso wie mein Vater und seine Freunde", sagt Munkwitz. Zugleich liegt dem gelernten Architekten das Leohnardsviertel am Herz, mit seiner wunderschönen alten Bausubstanz, die an viel zu vielen Ecken verfällt. "Wir wollten das Haus so renovieren, dass der Gast den Originalzustand erahnen kann", so Munkwitz.
Dieses Ansinnen ist ganz nach dem Geschmack von Gerhard Goller, der bis 2007 die Gaststättenbehörde der Stadt Stuttgart geleitet hat. Goller ist der Experte, wenn es um die Geschichte der Vereinigten Hüttenwerke geht. Er hat den oberen Teil der hier abgedruckten Karte gestaltet: Einst wurde auf der anderen Seite der Altstadt nämlich schon einmal im Sinne einer Großstadt gefeiert. Zwischen Animierbars und Jazz-Lokalen fand ein spannendes Nachtleben statt, das sich in Baracken und Hütten abspielte, die der damalige Oberbürgermeister Arnulf Klett "Vereinigte Hüttenwerke" taufte. "Das war eine Ausgehlandschaft, die nicht so uniformiert wie die heutige daherkam", sagt Goller. In jedem Lokal sei man in eine völlig neue Welt eingetaucht.
Das White Noise und ein Libero-Nachfolger folgen bald
So könnte das im besten Fall bald wieder sein, wenn an der Hauptstätter Straße sozusagen die Hüttenwerke 2.0, eine Art Gegen-Theodor-Heuss-Straße entsteht. Als nächstes eröffnet Mitte April die Gastronomie White Noise an der Stelle, an der einst das gefeierte Litfass residierte. Teil eins besteht aus einer Bar für 150 Gäste, ein Club mit der Größe für 300 Besucher soll danach folgen. "Wir wollen das Publikum mit qualitativ hochwertiger elektronischer Musik locken", sagt Manuel Klink, der sich um das Booking des Clubs kümmert.
Das White Noise könnte zur ersten Anlaufstelle für das Ausgehpublikum des Hans-im-Glück-Brunnens werden, das schon jetzt gerne in der Bar Romantica an der Hauptstätter Straße weiterfeiert. Ab Ende Mai gibt es für die Verlagerung der Szene dann noch einen weiteren Grund: Henriette Trauer, die 19 Jahre lang im legendären Libero im Stuttgarter Süden tätig war, eröffnet gemeinsam mit Stefan Arzt und Kersten Knödel eine "unaufgeregte Bar ohne Cocktail-Chi-Chi" (Trauer) an der Hauptstätter Straße 45. Die autogerechte Stadt kann sich warm anziehen.
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... b5223.html
Darum geht es wohl zuerst:
Neue Ausgehmeile in Stuttgart
Die Vereinigten Hüttenwerke 2.0
Von Ingmar Volkmann
11. März 2015 - 15:14 Uhr
Rund um die Hauptstätter Straße eröffnen in den kommenden Wochen und Monaten vielversprechende neue Clubs und Bars. Aus der Stadtautobahn könnte eine Theodor-Heuss-Straße mit mehr gastronomischem Anspruch werden.
Stuttgart - Die Hauptstätter Straße gehört zu den vielen städtebaulichen Sünden Stuttgarts, die einst in der Zeit des Mantras von der autogerechten Stadt verwirklicht wurden. Richtig lange aufhalten will man sich an der Feinstauboase als Flaneur nicht. Das könnte sich bald ändern. Zwischen Leonhardsviertel und Eberhardtstraße eröffnen einige viel versprechende Clubs und Bars, die das Gesicht der Straße nachhaltig verändern könnten.
Die ersten im Bunde der Retter der Hauptstätter Straße sind Janusch Munkwitz und Dawit Porwich. Die beiden Gastronomen - Porwich war zuletzt Barchef im Scholz am Marktplatz, Munkwitz betreibt bereits drei andere Lokale in Stuttgart - werten nebenbei auch noch das Leonhardsviertel auf, wenn ihre Bar ab dem 13. März an der Weberstraße 3 täglich ab 18 Uhr geöffnet hat.
Das Paul & George sieht nach New York in Stuttgart aus
Die Paul & George getaufte Gastronomie sieht aus, als hätte man sich die schönste Bar in New York geborgt und in Stuttgart wieder aufgebaut. Der Raum mit den Backsteinwänden, einer ellenlangen Bar und maßgeschneiderten runden Tischen ist eine einzige Design-Ansage: "Wir wollen, dass sich bei uns jeder wohlfült. Der Student Mitte 20 genauso wie mein Vater und seine Freunde", sagt Munkwitz. Zugleich liegt dem gelernten Architekten das Leohnardsviertel am Herz, mit seiner wunderschönen alten Bausubstanz, die an viel zu vielen Ecken verfällt. "Wir wollten das Haus so renovieren, dass der Gast den Originalzustand erahnen kann", so Munkwitz.
Dieses Ansinnen ist ganz nach dem Geschmack von Gerhard Goller, der bis 2007 die Gaststättenbehörde der Stadt Stuttgart geleitet hat. Goller ist der Experte, wenn es um die Geschichte der Vereinigten Hüttenwerke geht. Er hat den oberen Teil der hier abgedruckten Karte gestaltet: Einst wurde auf der anderen Seite der Altstadt nämlich schon einmal im Sinne einer Großstadt gefeiert. Zwischen Animierbars und Jazz-Lokalen fand ein spannendes Nachtleben statt, das sich in Baracken und Hütten abspielte, die der damalige Oberbürgermeister Arnulf Klett "Vereinigte Hüttenwerke" taufte. "Das war eine Ausgehlandschaft, die nicht so uniformiert wie die heutige daherkam", sagt Goller. In jedem Lokal sei man in eine völlig neue Welt eingetaucht.
Das White Noise und ein Libero-Nachfolger folgen bald
So könnte das im besten Fall bald wieder sein, wenn an der Hauptstätter Straße sozusagen die Hüttenwerke 2.0, eine Art Gegen-Theodor-Heuss-Straße entsteht. Als nächstes eröffnet Mitte April die Gastronomie White Noise an der Stelle, an der einst das gefeierte Litfass residierte. Teil eins besteht aus einer Bar für 150 Gäste, ein Club mit der Größe für 300 Besucher soll danach folgen. "Wir wollen das Publikum mit qualitativ hochwertiger elektronischer Musik locken", sagt Manuel Klink, der sich um das Booking des Clubs kümmert.
Das White Noise könnte zur ersten Anlaufstelle für das Ausgehpublikum des Hans-im-Glück-Brunnens werden, das schon jetzt gerne in der Bar Romantica an der Hauptstätter Straße weiterfeiert. Ab Ende Mai gibt es für die Verlagerung der Szene dann noch einen weiteren Grund: Henriette Trauer, die 19 Jahre lang im legendären Libero im Stuttgarter Süden tätig war, eröffnet gemeinsam mit Stefan Arzt und Kersten Knödel eine "unaufgeregte Bar ohne Cocktail-Chi-Chi" (Trauer) an der Hauptstätter Straße 45. Die autogerechte Stadt kann sich warm anziehen.
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SCHÖNEN GUTEN TAG, liebe Gäste, im Leonhardsviertel, in der Altstadt, im Stuttgarter Städtle.
meine Damen und Herren, wir begrüßen Sie bei unserem 2. Schmuddel-Bankett, dem sponsorenfreien Straßenfest zu Ehren eines Stadtquartiers, in dem es noch andere Dinge gibt als Elend und Prostitution. Hier in diesem Viertel wohnen und arbeiten Menschen, die stolz sind auf ihren kleinen Kiez, den sie lieben und verteidigen.
Mehr als ein Jahr ist seit unseren ersten Schmuddel-Spielen vergangen, und wenn wir fragen, was hat sich inzwischen verändert hat, dann lautet die Antwort: Das Leonhardsviertel ist ein politisches Thema geworden, wir haben Aufmerksamkeit erzielt, und das ist besser als nichts. Allerdings sind wir nicht so naiv zu denken, es habe sich in der Praxis viel verändert, nur weil der Oberbürgermeister hin und wieder mit einem sogenannten Masterplan etwas Wirbel in der Presse macht.
Meine Damen und Herren, wir tagen heute hier im historischen Kern der Stadt, in der früheren Leonhardsvorstadt, im Zentrum von Alt-Stuttgart, in der vergessenen City. Ich denke, diese Kulisse hier, und alle die gekommen sind, die uns helfen, haben unseren Applaus verdient.
Wenn die Rathaus-Politiker über die Huren und die Freier diskutieren und Verlautbarungen hinausposaunen, erwähnen sie nicht mal ansatzweise das jahrzehntelange stadtplanerisches Versagen im Leonhardsviertel. Dann kommen unfreiwillig komische Sätze wie der des Ordnungsbürgermeisters: "Wir müssen die Abwärtsspirale der Prostitution stoppen." Dabei muss man wissen, dass im Rathaus oft genug Leute über Dinge reden und entscheiden, die sie gar nicht kennen. Viele von ihnen waren nie hier / in diesem Revier, obwohl es nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt ist.
Es sind nicht nur irgendwelche Schicksalsschläge, es sind Politiker und Behörden, meine Damen und Herren, die Menschen die Würde nehmen, indem sie diesen Kiez hier verkommen lassen und ihre eigene Stadtgeschichte ignorieren. Den Rathaus-Strategen fällt zur Rettung des Leonhardsviertels nicht Besseres als neue, geradezu hirnrissige Gastronomie-Reglementierungen – so läppisch und realitätsfremd wie die medizinische Überwachung der Huren und die Kondompflicht für Freier. Wenn die Beamten in Zukunft die Einhaltung ihres Gummi-Paragrafen kontrollieren, sollten sie sich eine alte schwäbische Weisheit zu Herzen nehmen. "Man steckt halt net drin."
Die Elendsprostitution in der Altstadt kann ja auch deshalb stattfinden, weil die Verweigerung einer vernünftigen Stadtplanung den Nährboden für dieses Elend bereitet hat. Schon in den achtziger Jahren hat der OB Rommel verfügt, das Leonhardsviertel "auszutrocknen" – und in Wahrheit hat die Stadtverwaltung lange Zeit Zuhälterei und Menschenhandel mit ominösen Immobilienverkäufen unterstützt. Im Übrigen erzählt uns diese Art der schlimmsten Hungerlohn-Prostitution mit ausschließlich ausländischen Frauen durchaus auch etwas über die Politik in Europa.
Ein sozial angeschlagenes Revier saniert man nicht mit Verordnungen. Es ist eine alte Erfahrung: Man kann zur Befriedung eines sozialen Brennpunkts in der Bronx Armeen von Polizisten schicken – oder aber ein Museum bauen. Mit dem Museum hat man bessere Erfahrungen gemacht. Nun sind wir hier nicht in der Bronx. Aber auch im kleinen Leonhardsviertel gibt es Möglichkeiten, die Gegend kulturell aufzuwerten. Dazu brauchen wir kein Museum, man kann beispielsweise das Siegle-Haus wieder bespielen. Und je mehr hier los ist, desto defensiver verhalten sich die Freier mit ihren merkwürdigen Neigungen.
Wichtig ist im Leonhardsviertel, eine Mischung aus Milieu-Schuppen und seriösen Bars herzustellen. Noch vor 15 Jahren gab es hier Geschäfte und Handwerksbetriebe und ein gutes nachbarschaftliches Leben mitten im Milieu. Auch heute gibt es attraktive Orte, die mehr Publikum vertragen könnten. Dazu müssen die Bürger mehr von diesem Viertel kennen als unsinnige Gerüchte über Gewalt, Wahn und Untergang. Es gibt liebenswerte Dinge im Viertel. Sie kennen die Plätze. Den Bix Jazzclub, den Live-Club Kiste, die originelle Jakob-Stube, die gewitzte Uhu-Bar, die schicke Bar Fou Fou. Oder die relativ neue Bar Paul & George in der Weberstraße, ein Musterbeispiel dafür, wie man eine Kneipe mit Respekt vor der Umgebung gestalten kann. Dann haben wir das erstklassige Restaurant Fröhlich, den Brunnenwirt mit seinem Imbiss und seiner reellen schwäbischen Küche, den Murrhardter Hof, den lustigen und bunten Metzer-Imbiss Ergenzinger. Und bald eröffnen die Wirte des ehemaligen Libero an der Haupstätter Straße ihre neue Kneipe. Das Siegle-Haus dagegen, wo einst Bands wie AC/DC auftraten, ist ein totes Gemäuer.
Kommen wir zu einem aktuellen Fall: Nach vier Jahren am Leonhardsplatz, neben dem Brunnenwirt, gibt das Plattencafé Ratzer Records seinen Laden auf und zieht im Oktober an den Marienplatz um. Der Grund: Die Räume, die die Ratzers von der Stadt gemietet haben, sind definitiv zu teuer. Was danach kommt, wissen wir nicht.
Und da sind wir an einem sehr wichtigen Punkt: Wenn die Stadtverwaltung einem sogenannten sozialen Brennpunkt helfen will, dann kann sie nicht mit den üblichen Bürokraten-Scheuklappen Dienst nach Vorschrift machen.
Dann darf sie die Mietpreise nicht nach üblichen Maßstäben festlegen.
Dann muss die Politik über ihren Profit-Schatten springen und sagen: Ein Tausender weniger Miete in einem solchen Viertel ist im Haushalt einer immer noch reichen Stadt nicht mal Peanuts, wenn dafür ein sympathischer Ort entsteht und gute Leute anlockt.
Und da sind wir bei einem politischen Grundübel: Zu wenige Rathauspolitiker begreifen, dass es günstige Freiräume braucht in einer sogenannten Großstadt, Freiräume für belebende Läden, für Studios und Ateliers für Musiker, für Künstler aller Art. Solche Räume müssen bezahlbar sein, und deshalb ist es grober Unfug, übliche Mieten für städtische Räume wie hier in der Altstadt zu verlangen. Würden die Politiker mal nachdenken, statt auf ihren Smartphones herumzuspielen, würden sie womöglich begreifen: Die niedrigere Miete rechnet sich, wenn Leute aus diesen kleinen Immobilien etwas atmosphärisch Schönes machen. Und etwas anderes bieten als den Konsumschrott der Konzernketten, mit dem inzwischen die ganze Stadt zugestellt wird.
Im Leonhardsviertel gibt es außerdem seltene historische Bausubstanz, Architektur, die bis ins Barockzeitalter zurückreicht und geschützt werden muss. Diese Gegend kennt nicht nur amüsante Geschichten wie die des legendären Würstles-Jürgen, der am Brunnenwirt aufmüpfige Kundschaft mit den Worten beruhigte: "Benehmen Sie sich. Die Herren in diesem Viertel sind nicht sehr diskussionsfreudig."
In diesem Viertel gibt es auch eine Geschichte des demokratischen Widerstands. Vor 500 Jahren ließ der Herzog Ulrich drüben auf dem Wilhelmsplatz dem Stuttgarter Bauernkrieger Legelin-Jörg und dessen Freunden den Kopf abhacken, weil sie geplant hatten, den Aufständischen vom Armen Konrad die Stadttore zu öffnen. - Gleich hier um die Ecke in der Jakobstraße 6, im Haus der Jakobstube, wurde 1807 der Historiker, Dichter, Pfarrer und demokratische Abgeordnete Wilhelm Zimmermann geboren. Und hier in der Leonhardstraße 8 wurde vor 50 Jahren der Club Voltaire eröffnet. Er war sechs Jahre lang demokratisches Zentrum von Arbeitern, bürgerlichen Intellektuellen, Künstlern und kritischen Charakterköpfen. Peter Grohmann wird dazu noch was sagen.
Meine Damen und Herren, die kleine Bürgerinitiative Unsere Altstadt hat sich zusammengetan, um das Leonhardsviertel ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Um für einen fairen Umgang mit diesem Quartier zu plädieren – und ein kleines Stück Heimat neu zu beleben.
Die Gefahr ist groß, dass irgendwann die Bagger der Investoren kommen. Dann werden hier unbezahlbare Wohnungen und überflüssige Büros gebaut, und das Ganze heißt dann nicht mehr Städtle, sondern Leonhardshöfe.
Liebe Gäste, Männer, Frauen und sonstige Vögel hier auf dem kleinsten städtischen Strich der Welt, wir wünschen Ihnen, wir wünschen euch einen erregenden Nachmittag im schönsten Schmuddel der Stadt. Wir wünschen euch einen coolen Sommertag mit gutem Essen, mit aufschlussreichen Gesprächen, mit bewegender Musik von unseren großartigen Künstlern, die ohne erwähnenswerte Gage spielen.
In diesem Sinne: Wir lassen uns den Spaß in diesem Viertel nicht verderben. Lang lebe das Leonhardsviertel! Lang lebe die Altstadt!
http://www.flaneursalon.de/de/depeschen ... l=20150718
meine Damen und Herren, wir begrüßen Sie bei unserem 2. Schmuddel-Bankett, dem sponsorenfreien Straßenfest zu Ehren eines Stadtquartiers, in dem es noch andere Dinge gibt als Elend und Prostitution. Hier in diesem Viertel wohnen und arbeiten Menschen, die stolz sind auf ihren kleinen Kiez, den sie lieben und verteidigen.
Mehr als ein Jahr ist seit unseren ersten Schmuddel-Spielen vergangen, und wenn wir fragen, was hat sich inzwischen verändert hat, dann lautet die Antwort: Das Leonhardsviertel ist ein politisches Thema geworden, wir haben Aufmerksamkeit erzielt, und das ist besser als nichts. Allerdings sind wir nicht so naiv zu denken, es habe sich in der Praxis viel verändert, nur weil der Oberbürgermeister hin und wieder mit einem sogenannten Masterplan etwas Wirbel in der Presse macht.
Meine Damen und Herren, wir tagen heute hier im historischen Kern der Stadt, in der früheren Leonhardsvorstadt, im Zentrum von Alt-Stuttgart, in der vergessenen City. Ich denke, diese Kulisse hier, und alle die gekommen sind, die uns helfen, haben unseren Applaus verdient.
Wenn die Rathaus-Politiker über die Huren und die Freier diskutieren und Verlautbarungen hinausposaunen, erwähnen sie nicht mal ansatzweise das jahrzehntelange stadtplanerisches Versagen im Leonhardsviertel. Dann kommen unfreiwillig komische Sätze wie der des Ordnungsbürgermeisters: "Wir müssen die Abwärtsspirale der Prostitution stoppen." Dabei muss man wissen, dass im Rathaus oft genug Leute über Dinge reden und entscheiden, die sie gar nicht kennen. Viele von ihnen waren nie hier / in diesem Revier, obwohl es nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt ist.
Es sind nicht nur irgendwelche Schicksalsschläge, es sind Politiker und Behörden, meine Damen und Herren, die Menschen die Würde nehmen, indem sie diesen Kiez hier verkommen lassen und ihre eigene Stadtgeschichte ignorieren. Den Rathaus-Strategen fällt zur Rettung des Leonhardsviertels nicht Besseres als neue, geradezu hirnrissige Gastronomie-Reglementierungen – so läppisch und realitätsfremd wie die medizinische Überwachung der Huren und die Kondompflicht für Freier. Wenn die Beamten in Zukunft die Einhaltung ihres Gummi-Paragrafen kontrollieren, sollten sie sich eine alte schwäbische Weisheit zu Herzen nehmen. "Man steckt halt net drin."
Die Elendsprostitution in der Altstadt kann ja auch deshalb stattfinden, weil die Verweigerung einer vernünftigen Stadtplanung den Nährboden für dieses Elend bereitet hat. Schon in den achtziger Jahren hat der OB Rommel verfügt, das Leonhardsviertel "auszutrocknen" – und in Wahrheit hat die Stadtverwaltung lange Zeit Zuhälterei und Menschenhandel mit ominösen Immobilienverkäufen unterstützt. Im Übrigen erzählt uns diese Art der schlimmsten Hungerlohn-Prostitution mit ausschließlich ausländischen Frauen durchaus auch etwas über die Politik in Europa.
Ein sozial angeschlagenes Revier saniert man nicht mit Verordnungen. Es ist eine alte Erfahrung: Man kann zur Befriedung eines sozialen Brennpunkts in der Bronx Armeen von Polizisten schicken – oder aber ein Museum bauen. Mit dem Museum hat man bessere Erfahrungen gemacht. Nun sind wir hier nicht in der Bronx. Aber auch im kleinen Leonhardsviertel gibt es Möglichkeiten, die Gegend kulturell aufzuwerten. Dazu brauchen wir kein Museum, man kann beispielsweise das Siegle-Haus wieder bespielen. Und je mehr hier los ist, desto defensiver verhalten sich die Freier mit ihren merkwürdigen Neigungen.
Wichtig ist im Leonhardsviertel, eine Mischung aus Milieu-Schuppen und seriösen Bars herzustellen. Noch vor 15 Jahren gab es hier Geschäfte und Handwerksbetriebe und ein gutes nachbarschaftliches Leben mitten im Milieu. Auch heute gibt es attraktive Orte, die mehr Publikum vertragen könnten. Dazu müssen die Bürger mehr von diesem Viertel kennen als unsinnige Gerüchte über Gewalt, Wahn und Untergang. Es gibt liebenswerte Dinge im Viertel. Sie kennen die Plätze. Den Bix Jazzclub, den Live-Club Kiste, die originelle Jakob-Stube, die gewitzte Uhu-Bar, die schicke Bar Fou Fou. Oder die relativ neue Bar Paul & George in der Weberstraße, ein Musterbeispiel dafür, wie man eine Kneipe mit Respekt vor der Umgebung gestalten kann. Dann haben wir das erstklassige Restaurant Fröhlich, den Brunnenwirt mit seinem Imbiss und seiner reellen schwäbischen Küche, den Murrhardter Hof, den lustigen und bunten Metzer-Imbiss Ergenzinger. Und bald eröffnen die Wirte des ehemaligen Libero an der Haupstätter Straße ihre neue Kneipe. Das Siegle-Haus dagegen, wo einst Bands wie AC/DC auftraten, ist ein totes Gemäuer.
Kommen wir zu einem aktuellen Fall: Nach vier Jahren am Leonhardsplatz, neben dem Brunnenwirt, gibt das Plattencafé Ratzer Records seinen Laden auf und zieht im Oktober an den Marienplatz um. Der Grund: Die Räume, die die Ratzers von der Stadt gemietet haben, sind definitiv zu teuer. Was danach kommt, wissen wir nicht.
Und da sind wir an einem sehr wichtigen Punkt: Wenn die Stadtverwaltung einem sogenannten sozialen Brennpunkt helfen will, dann kann sie nicht mit den üblichen Bürokraten-Scheuklappen Dienst nach Vorschrift machen.
Dann darf sie die Mietpreise nicht nach üblichen Maßstäben festlegen.
Dann muss die Politik über ihren Profit-Schatten springen und sagen: Ein Tausender weniger Miete in einem solchen Viertel ist im Haushalt einer immer noch reichen Stadt nicht mal Peanuts, wenn dafür ein sympathischer Ort entsteht und gute Leute anlockt.
Und da sind wir bei einem politischen Grundübel: Zu wenige Rathauspolitiker begreifen, dass es günstige Freiräume braucht in einer sogenannten Großstadt, Freiräume für belebende Läden, für Studios und Ateliers für Musiker, für Künstler aller Art. Solche Räume müssen bezahlbar sein, und deshalb ist es grober Unfug, übliche Mieten für städtische Räume wie hier in der Altstadt zu verlangen. Würden die Politiker mal nachdenken, statt auf ihren Smartphones herumzuspielen, würden sie womöglich begreifen: Die niedrigere Miete rechnet sich, wenn Leute aus diesen kleinen Immobilien etwas atmosphärisch Schönes machen. Und etwas anderes bieten als den Konsumschrott der Konzernketten, mit dem inzwischen die ganze Stadt zugestellt wird.
Im Leonhardsviertel gibt es außerdem seltene historische Bausubstanz, Architektur, die bis ins Barockzeitalter zurückreicht und geschützt werden muss. Diese Gegend kennt nicht nur amüsante Geschichten wie die des legendären Würstles-Jürgen, der am Brunnenwirt aufmüpfige Kundschaft mit den Worten beruhigte: "Benehmen Sie sich. Die Herren in diesem Viertel sind nicht sehr diskussionsfreudig."
In diesem Viertel gibt es auch eine Geschichte des demokratischen Widerstands. Vor 500 Jahren ließ der Herzog Ulrich drüben auf dem Wilhelmsplatz dem Stuttgarter Bauernkrieger Legelin-Jörg und dessen Freunden den Kopf abhacken, weil sie geplant hatten, den Aufständischen vom Armen Konrad die Stadttore zu öffnen. - Gleich hier um die Ecke in der Jakobstraße 6, im Haus der Jakobstube, wurde 1807 der Historiker, Dichter, Pfarrer und demokratische Abgeordnete Wilhelm Zimmermann geboren. Und hier in der Leonhardstraße 8 wurde vor 50 Jahren der Club Voltaire eröffnet. Er war sechs Jahre lang demokratisches Zentrum von Arbeitern, bürgerlichen Intellektuellen, Künstlern und kritischen Charakterköpfen. Peter Grohmann wird dazu noch was sagen.
Meine Damen und Herren, die kleine Bürgerinitiative Unsere Altstadt hat sich zusammengetan, um das Leonhardsviertel ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Um für einen fairen Umgang mit diesem Quartier zu plädieren – und ein kleines Stück Heimat neu zu beleben.
Die Gefahr ist groß, dass irgendwann die Bagger der Investoren kommen. Dann werden hier unbezahlbare Wohnungen und überflüssige Büros gebaut, und das Ganze heißt dann nicht mehr Städtle, sondern Leonhardshöfe.
Liebe Gäste, Männer, Frauen und sonstige Vögel hier auf dem kleinsten städtischen Strich der Welt, wir wünschen Ihnen, wir wünschen euch einen erregenden Nachmittag im schönsten Schmuddel der Stadt. Wir wünschen euch einen coolen Sommertag mit gutem Essen, mit aufschlussreichen Gesprächen, mit bewegender Musik von unseren großartigen Künstlern, die ohne erwähnenswerte Gage spielen.
In diesem Sinne: Wir lassen uns den Spaß in diesem Viertel nicht verderben. Lang lebe das Leonhardsviertel! Lang lebe die Altstadt!
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Illegale Bordelle in Stuttgart
Etappensieg für die Stadt
Marc Schieferecke
12. August 2015 - 15:30 Uhr
Nach einem Urteil des Landgerichts muss ein illegales Bordell in der Leonhardstraße schließen. Doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich Stadt und Bordellbetreiber in der nächsten gerichtlichen Instanz wiedertreffen.
S-Mitte - Die Stadt hat in einem weiteren Gerichtsverfahren gegen einen Bordellbetreiber Recht zugesprochen bekommen. Nach ihrer Lesart wird das Haus an der Leonhardstraße 6 illegal zur Prostitution genutzt. So sieht es auch das Landgericht. Es urteilte am Dienstag, dass der Bordellbetreiber schließen muss. Missachtet er den Richterspruch, droht ihm eine Geldstrafe von bis zu einer Viertelmillion Euro oder ersatzweise eine Haftstrafe von sechs Monaten.
Aller Voraussicht nach ist das Urteil aber nicht gleichbedeutend mit der Schließung. Nach bisherigen Erfahrungen mit juristischen Streitigkeiten im Rotlicht nutzt die Branche stets den vollen Rechtsweg aus. Was bedeutet, dass sich Stadt und Bordellbetreiber in der nächsten Instanz wiedertreffen werden, dann vor dem Oberlandesgericht. „Jede Wette“ würde er abschließen, dass die Gegenseite in die Berufung gehen, sagte der städtische Rechtsanwalt Roger Bohn.
Die Stadt prozessiert gegen jenen Bordellbetreiber nicht zum ersten Mal. Einen anderen Betrieb an der Leonhardstraße hatte er trotz höchstinstanzlichem Urteil des Oberlandesgerichts nach zwischenzeitlicher Schließung wieder eröffnet. Formal hatte ein Mieter aus der Schweiz das Haus übernommen und an Prostituierte untervermietet, angeblich gegen den Willen des Eigentümers. Der Fall ging neuerlich in den Rechtsstreit. Letztlich schloss das Bordell während des laufenden Verfahrens ohne erkennbaren Grund.
Auch die Leonhardstraße 6 beschäftigt keineswegs zum ersten Mal Juristen. Allein der Prozess vor dem Landgericht währte fast fünf Jahre. Die Anwälte des Betreibers hatten ein Urteil mit immer neuen Verfahrenstricks hinausgezögert. Mal meldeten sie sich aus dem Urlaub krank, mal stellten sie Befangenheitsanträge, mal reichten sie wegen Nebensächlichkeiten Gegenklagen ein. Ursprünglich war der Richterspruch bereits für den 20. Februar angekündigt. In der Urteilsverkündung ließ das Gericht sogar anklingen, es halte die Verzögerungstaktik für Rechtsmissbrauch.
Dem Hauseigentümer hingegen bringt jede Verzögerung erkleckliche Einnahmen. Nach Bohns Recherchen zahlen die Prostituierten täglich knapp 3000 Euro Mieter für ihre Zimmer.
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 4a641.html
Etappensieg für die Stadt
Marc Schieferecke
12. August 2015 - 15:30 Uhr
Nach einem Urteil des Landgerichts muss ein illegales Bordell in der Leonhardstraße schließen. Doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich Stadt und Bordellbetreiber in der nächsten gerichtlichen Instanz wiedertreffen.
S-Mitte - Die Stadt hat in einem weiteren Gerichtsverfahren gegen einen Bordellbetreiber Recht zugesprochen bekommen. Nach ihrer Lesart wird das Haus an der Leonhardstraße 6 illegal zur Prostitution genutzt. So sieht es auch das Landgericht. Es urteilte am Dienstag, dass der Bordellbetreiber schließen muss. Missachtet er den Richterspruch, droht ihm eine Geldstrafe von bis zu einer Viertelmillion Euro oder ersatzweise eine Haftstrafe von sechs Monaten.
Aller Voraussicht nach ist das Urteil aber nicht gleichbedeutend mit der Schließung. Nach bisherigen Erfahrungen mit juristischen Streitigkeiten im Rotlicht nutzt die Branche stets den vollen Rechtsweg aus. Was bedeutet, dass sich Stadt und Bordellbetreiber in der nächsten Instanz wiedertreffen werden, dann vor dem Oberlandesgericht. „Jede Wette“ würde er abschließen, dass die Gegenseite in die Berufung gehen, sagte der städtische Rechtsanwalt Roger Bohn.
Die Stadt prozessiert gegen jenen Bordellbetreiber nicht zum ersten Mal. Einen anderen Betrieb an der Leonhardstraße hatte er trotz höchstinstanzlichem Urteil des Oberlandesgerichts nach zwischenzeitlicher Schließung wieder eröffnet. Formal hatte ein Mieter aus der Schweiz das Haus übernommen und an Prostituierte untervermietet, angeblich gegen den Willen des Eigentümers. Der Fall ging neuerlich in den Rechtsstreit. Letztlich schloss das Bordell während des laufenden Verfahrens ohne erkennbaren Grund.
Auch die Leonhardstraße 6 beschäftigt keineswegs zum ersten Mal Juristen. Allein der Prozess vor dem Landgericht währte fast fünf Jahre. Die Anwälte des Betreibers hatten ein Urteil mit immer neuen Verfahrenstricks hinausgezögert. Mal meldeten sie sich aus dem Urlaub krank, mal stellten sie Befangenheitsanträge, mal reichten sie wegen Nebensächlichkeiten Gegenklagen ein. Ursprünglich war der Richterspruch bereits für den 20. Februar angekündigt. In der Urteilsverkündung ließ das Gericht sogar anklingen, es halte die Verzögerungstaktik für Rechtsmissbrauch.
Dem Hauseigentümer hingegen bringt jede Verzögerung erkleckliche Einnahmen. Nach Bohns Recherchen zahlen die Prostituierten täglich knapp 3000 Euro Mieter für ihre Zimmer.
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Vom Saufen und Dichten im Rotlichtmilieu
Beim literarischen Streifzug mit Bernd Möbs durch Leonhards- und Bohnenviertel gibt es allerlei Hintergründiges zu erfahren
Von Jan-Philipp Schütze
Stuttgart - Rund um einen Glascontainer in der Katharinenstraße stehen dicht an dicht mehrere Dutzend leere Bier-, Wein- und Sektflaschen. Es sind die Hinterlassenschaften des Bohnenviertelfests, bei dem in den umliegenden Altstadtstraßen am Abend zuvor laut, fröhlich und bis spät in die Nacht hinein gefeiert wurde. Nun, tags darauf, ist wieder Ruhe ins Viertel eingekehrt. „Sonntags herrscht hier eine gewisse meditative Melancholie“, beschreibt es Bernd Möbs den 20 Männern und Frauen, die heute unter seiner Führung einen literarischen Streifzug durch das Bohnenviertel und das angrenzende Leonhardsviertel unternehmen werden.
„Saufen und dichten zwischen Bohnen im Rotlicht“ hat Möbs seinen Rundgang überschrieben, der beim Charlottenplatz an der Weinstube „Zur Kiste“ seinen Anfang nimmt. Hier soll der Schriftsteller Hans Bayer, alias Thaddäus Troll, einst auf seinen Künstlernamen gekommen sein, nachdem er bereits sein zehntes Glas Trollinger intus hatte. Direkt gegenüber, wo heute ein Hochhaus die Szenerie dominiert, befand sich vor 200 Jahren das Äußere Esslinger Tor in der Stadtmauer. Just durch jenes Tor flüchtete einst der große Dichter Friedrich Schiller aus Stuttgart. Er war damals noch unglücklicher Regimentsarzt in Diensten des Herzogs Carl Eugen von Württemberg und desertierte mit seinem Freund Andreas Streicher nach Mannheim. „Als [wir außer dem Tore waren, glaubten [wir , einer großen Gefahr entronnen zu sein“, zitiert Möbs aus einem Bericht Streichers über jene eindrucksvolle Episode.
Gleich ums Eck stand von 1811 bis 1945 das Kriegsministerium. Beim späteren Kriegsminister Ernst von Hügel arbeitete von 1824 bis 1826 ein junger Mann als Hauslehrer. Sein Name: Wilhelm Hauff. Vor lauter Langeweile und auf Anraten von Frau von Hügel begann er Märchen zu schreiben. Herausgekommen sind dabei auch „Kalif Storch“ und „Die Geschichte vom kleinen Muck“. Später wurde Hauff Redakteur beim Cotta-Verlag. „Es hat ihm nicht viel Glück gebracht, er ist schon mit 25 Jahren gestorben“, erzählt Möbs.
Entlang der Esslinger Straße geht es weiter direkt ins Herz des Bohnenviertels, noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Dorf in der Stadt, bewohnt von Handwerkern, Weingärtnern und Fuhrleuten. Möbs führt die Gruppe in einen Hinterhof in der Rosenstraße, wo bis 1934 eine Synagoge stand, dann weiter in die Weberstraße, einst Heimat vieler Wengerter, und schließlich in die Leonhardskirche, der zweitältesten Kirche im Stadtgebiet, in deren Inneren der deutsche Humanist und Gelehrte Johannes Reuchlin (1455-1522) seine letzte Ruhestätte gefunden hat.
Einen Straßenzug weiter, hinterm Gustav-Siegle-Haus, liegt am Leonhardsplatz eine der Kult-Kneipen der Stadt. Der „Brunnenwirt“ wurde, auch wenn er nicht so aussieht, sogar in den Rang eines literarischen Schauplatzes erhoben. Er ist die Stammkneipe von Gregor Schattschneider, dem Antihelden aus dem „Weiberroman“ von Matthias Politycki. Der war 1991 für drei Monate Stipendiat im Stuttgarter Schriftstellerhaus und ließ sich vom Viertel für seinen Roman inspirieren, erzählt Möbs, ehe der Streifzug weiter hinein ins Rotlichtviertel führt. In einem Gebäude in der Leonhardstraße, an dessen Fassade heute in grellem Neonlicht für „Girls, Girls, Girls“ geworben wird, war bis 1970 der „Club Voltaire“ beheimatet, erste Anlaufstelle für Studenten und andere Rebellen. In den 1960er-Jahren, Zeit der Anti-Vietnamkrieg-Demos und der Mao-Bibeln, tagte dort eine linke Schriftstellergruppe, der „Sozialistisch-Katholische Künstlerbund“. Unter ihnen auch der Literat Manfred Esser, der Bierdeckel mit intelligenten Slogans entwarf wie „CDU - damit das Bier wieder hochkommt“.
Einer, der sich ebenfalls gerne im „Club Voltaire“ aufhielt, sollte später Außenminister und Vizekanzler von Deutschland werden: Joschka Fischer. „Das Leben in der Leonhardstraße hat ihn geprägt“, sagt Möbs. Prägendes erlebten auch die Mitglieder des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds, die sich seinerzeit in der Gaststätte „Brett“ am Katharinenplatz trafen. „Dann hing der süße Duft der Bewusstseinserweiterung unterm Dach“, erzählt Möbs.
Zum Abschluss der Tour steht noch eine Einkehr in der Gaststätte „Drei Mohren“ an. Dort kehrten in den 1960er- und 1970er-Jahren auch zahlreiche Schriftsteller ein, wovon der Roman „Seltsamer Abschied“ von Hermann Lenz zeugt. Über Günter Bruno Fuchs ist zu lesen: „Der dicke Dichter kippte viele Schnäpse, …, zeigte seine fleischerne Gesichtsmaske mit dem roten Pfennigmund und schien sich mit Schnaps aufzublasen.“
Die nächste Führung von Bernd Möbs durchs Bohnen- und Leonhardsviertel findet am morgigen Samstag von 16 bis 18.30 Uhr statt. Anmeldung erbeten unter Telefon 0711/262 41 17, E-Mail an info@bernd-moebs.de.
Artikel vom 14.08.2015 © Eßlinger Zeitung
Beim literarischen Streifzug mit Bernd Möbs durch Leonhards- und Bohnenviertel gibt es allerlei Hintergründiges zu erfahren
Von Jan-Philipp Schütze
Stuttgart - Rund um einen Glascontainer in der Katharinenstraße stehen dicht an dicht mehrere Dutzend leere Bier-, Wein- und Sektflaschen. Es sind die Hinterlassenschaften des Bohnenviertelfests, bei dem in den umliegenden Altstadtstraßen am Abend zuvor laut, fröhlich und bis spät in die Nacht hinein gefeiert wurde. Nun, tags darauf, ist wieder Ruhe ins Viertel eingekehrt. „Sonntags herrscht hier eine gewisse meditative Melancholie“, beschreibt es Bernd Möbs den 20 Männern und Frauen, die heute unter seiner Führung einen literarischen Streifzug durch das Bohnenviertel und das angrenzende Leonhardsviertel unternehmen werden.
„Saufen und dichten zwischen Bohnen im Rotlicht“ hat Möbs seinen Rundgang überschrieben, der beim Charlottenplatz an der Weinstube „Zur Kiste“ seinen Anfang nimmt. Hier soll der Schriftsteller Hans Bayer, alias Thaddäus Troll, einst auf seinen Künstlernamen gekommen sein, nachdem er bereits sein zehntes Glas Trollinger intus hatte. Direkt gegenüber, wo heute ein Hochhaus die Szenerie dominiert, befand sich vor 200 Jahren das Äußere Esslinger Tor in der Stadtmauer. Just durch jenes Tor flüchtete einst der große Dichter Friedrich Schiller aus Stuttgart. Er war damals noch unglücklicher Regimentsarzt in Diensten des Herzogs Carl Eugen von Württemberg und desertierte mit seinem Freund Andreas Streicher nach Mannheim. „Als [wir außer dem Tore waren, glaubten [wir , einer großen Gefahr entronnen zu sein“, zitiert Möbs aus einem Bericht Streichers über jene eindrucksvolle Episode.
Gleich ums Eck stand von 1811 bis 1945 das Kriegsministerium. Beim späteren Kriegsminister Ernst von Hügel arbeitete von 1824 bis 1826 ein junger Mann als Hauslehrer. Sein Name: Wilhelm Hauff. Vor lauter Langeweile und auf Anraten von Frau von Hügel begann er Märchen zu schreiben. Herausgekommen sind dabei auch „Kalif Storch“ und „Die Geschichte vom kleinen Muck“. Später wurde Hauff Redakteur beim Cotta-Verlag. „Es hat ihm nicht viel Glück gebracht, er ist schon mit 25 Jahren gestorben“, erzählt Möbs.
Entlang der Esslinger Straße geht es weiter direkt ins Herz des Bohnenviertels, noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Dorf in der Stadt, bewohnt von Handwerkern, Weingärtnern und Fuhrleuten. Möbs führt die Gruppe in einen Hinterhof in der Rosenstraße, wo bis 1934 eine Synagoge stand, dann weiter in die Weberstraße, einst Heimat vieler Wengerter, und schließlich in die Leonhardskirche, der zweitältesten Kirche im Stadtgebiet, in deren Inneren der deutsche Humanist und Gelehrte Johannes Reuchlin (1455-1522) seine letzte Ruhestätte gefunden hat.
Einen Straßenzug weiter, hinterm Gustav-Siegle-Haus, liegt am Leonhardsplatz eine der Kult-Kneipen der Stadt. Der „Brunnenwirt“ wurde, auch wenn er nicht so aussieht, sogar in den Rang eines literarischen Schauplatzes erhoben. Er ist die Stammkneipe von Gregor Schattschneider, dem Antihelden aus dem „Weiberroman“ von Matthias Politycki. Der war 1991 für drei Monate Stipendiat im Stuttgarter Schriftstellerhaus und ließ sich vom Viertel für seinen Roman inspirieren, erzählt Möbs, ehe der Streifzug weiter hinein ins Rotlichtviertel führt. In einem Gebäude in der Leonhardstraße, an dessen Fassade heute in grellem Neonlicht für „Girls, Girls, Girls“ geworben wird, war bis 1970 der „Club Voltaire“ beheimatet, erste Anlaufstelle für Studenten und andere Rebellen. In den 1960er-Jahren, Zeit der Anti-Vietnamkrieg-Demos und der Mao-Bibeln, tagte dort eine linke Schriftstellergruppe, der „Sozialistisch-Katholische Künstlerbund“. Unter ihnen auch der Literat Manfred Esser, der Bierdeckel mit intelligenten Slogans entwarf wie „CDU - damit das Bier wieder hochkommt“.
Einer, der sich ebenfalls gerne im „Club Voltaire“ aufhielt, sollte später Außenminister und Vizekanzler von Deutschland werden: Joschka Fischer. „Das Leben in der Leonhardstraße hat ihn geprägt“, sagt Möbs. Prägendes erlebten auch die Mitglieder des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds, die sich seinerzeit in der Gaststätte „Brett“ am Katharinenplatz trafen. „Dann hing der süße Duft der Bewusstseinserweiterung unterm Dach“, erzählt Möbs.
Zum Abschluss der Tour steht noch eine Einkehr in der Gaststätte „Drei Mohren“ an. Dort kehrten in den 1960er- und 1970er-Jahren auch zahlreiche Schriftsteller ein, wovon der Roman „Seltsamer Abschied“ von Hermann Lenz zeugt. Über Günter Bruno Fuchs ist zu lesen: „Der dicke Dichter kippte viele Schnäpse, …, zeigte seine fleischerne Gesichtsmaske mit dem roten Pfennigmund und schien sich mit Schnaps aufzublasen.“
Die nächste Führung von Bernd Möbs durchs Bohnen- und Leonhardsviertel findet am morgigen Samstag von 16 bis 18.30 Uhr statt. Anmeldung erbeten unter Telefon 0711/262 41 17, E-Mail an info@bernd-moebs.de.
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Das Leonhardsviertel, Stuttgarts einziges komplett erhaltenes Altstadtquartier, könnte ein Schmuckstück sein. Doch es ist zur Schmuddelecke verkommen. Nun geht die Stadt gegen illegale Bordelle vor. Doch sie hat selbst zum Verfall beigetragen.
Kompletter Artikel mit vielen Bildern:
http://www.kontextwochenzeitung.de/scha ... -3106.html
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@ehemaliger_User,
vielen Dank auf jeden Fall für den Link und die informativen Bilder aus dem Leonhardsviertel.
Die Frage von Kasharius interessiert mich auch. Soviel ich weiß hat sich die Landesregierung noch nicht geäußert. Auch die Regierung in NRW ist rot-grün, und hier hat Ministerin Steffen die Führung übernommen!
vielen Dank auf jeden Fall für den Link und die informativen Bilder aus dem Leonhardsviertel.
Die Frage von Kasharius interessiert mich auch. Soviel ich weiß hat sich die Landesregierung noch nicht geäußert. Auch die Regierung in NRW ist rot-grün, und hier hat Ministerin Steffen die Führung übernommen!