Domenica
Ex-Hure spricht über den Kiez und das Älterwerden
Von Edgar S. Hasse und Eva Eusterhus 2. Juni 2008,
Domenica Niehoff (62) ist Deutschlands bekannteste Ex-Hure. Jahrelang leistete sie auf dem Kiez vollen Körpereinsatz - zuletzt allerdings als Streetworkerin, die den Mädchen beim Ausstieg aus dem Milieu half. Nachdem sie eine Zeit lang in Boos (Eifel) gelebt hat, ist Domenica vor vier Wochen auf den Kiez zurückgekehrt. Dort lebt sie jetzt in einer kleinen Wohnung. Die WELT sprach mir ihr über St. Pauli, Freier und das Älterwerden.
DIE WELT:
Sind Sie froh, wieder in Hamburg zu sein?
Domenica Niehoff:
Natürlich. Jeder redet mit jedem, jeder fragt jeden was. Man hilft einander auf St. Pauli.
In der Eifel war das nicht so?
Domenica:
Da kennen Sie die Bauern aus der Eiffel nicht! Die sind von einem ganz anderen Schlag als die Leute vom Kiez.
Wie lange haben Sie nicht auf dem Kiez gelebt?
Domenica:
Das waren bestimmt mehr als zehn Jahre, obwohl ich immer Kontakt hatte.
Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Domenica:
Ich sehe die Veränderung in der "Kaffeeklappe". Das ist eine Organisation der Diakonie, die Prostituierten beim Ausstieg aus dem Milieu hilft. Da sind Gott sei Dank jetzt junge Aussteigerinnen. Die sind nicht so verrottet, wie wir es damals zum Teil waren. Die sehen noch gut aus, sind jünger und hübscher, gepflegter und haben bestimmt Chancen, ein neues Leben anzufangen. Für den Drogenstrich in St. Georg sage ich Ihnen aber genau das Gegenteil: Den Mädels, die auf Droge sind, geht es ganz schlecht. Sie haben Eiterbeulen und Abszesse an Armen und Beinen durch die Spritzen.
Was hat sich noch verändert auf St. Pauli?
Domenica:
Es gibt nicht mehr diese tollen Herren und Freier, die wir früher hatten. Die haben noch wirklich etwas springen lassen. Heute kommen die Männer abgezählt hierher mit Hartz IV. Es kommt die Masse, aber keine Klasse mehr. Und die Preise sind total verfallen. Hier wird schon mit 20 Euro gekobert. Außerdem macht das Internet viel kaputt, die vielen Fotos. Und man verabredet sich lieber im Chat.
Wo wird der Kiez in einigen Jahren stehen, sozial gesehen?
Domenica:
Eine neue Generation ist da. Und von den Älteren stirbt fast jede Woche eine. Der Zusammenhalt wird, das glaube ich, geringer werden. Jeder will etwas von den Brotsamen haben, alle wollen mit abkassieren auf der geilsten Meile.
Viele, denen Sie zur Symbolfigur geworden sind, freuen sich, dass Sie zurückgekehrt sind ...
Domenica:
Früher haben mich viele richtig zur Minna gemacht, weil ich in den Medien auf das Tabuthema Prostitution hingewiesen habe. Die gleichen Leute kommen nun zu mir und fragen mich, ob ich ihnen mit ein bisschen PR helfen kann. Weil sie meinen, dann ist mehr los in ihrem Laden.
Wie sehen Sie heute Ihre Rolle als Symbolfigur?
Domenica:
Ich will jeden Tag eine gute Tat vollbringen. Wenn zu mir ein Mädchen kommt, hole ich sie hoch in meine Wohnung. Ich gebe ihr etwas zu essen und koche immer frisch. Dabei kann man sich gut unterhalten. Bin ich überhaupt richtig geschminkt?
Perfekt. Was haben Sie in all den Jahren als Deutschlands bekannteste Prostituierte erreicht?
Domenica:
Ich habe erreicht, dass mehr über Prostitution geredet wird. Dass nicht mehr so darüber getuschelt wird. Dass sich Mädels trauen zu sagen: Ich war im Milieu, aber jetzt will ich aussteigen. Wer dagegen früher hier gelandet war, der kam nicht wieder raus.
Haben Sie sich selbst verändert?
Domenica:
Ich habe nicht das Gefühl, mich verändert zu haben. Außer dass ich dicker geworden bin. Das hat sich verändert.
Sie haben in Ihrem Leben viele Männer gehabt ...
Domenica:
Gehabt weniger. Die sind hier so vorbeigezogen.
Wie haben Sie die Freier erlebt?
Domenica:
Es gab solche und solche und solche. Alle Schichten. Sie waren winselnd, bettelnd, fordernd, gemein. Brav, lieb, reich, arm, jung, alt. Ich hatte alles, ich hatte alles. Ich weiß gar nicht, was mir noch fehlt.
Wie viele mögen das gewesen sein?
Domenica:
Da möchte ich keine Zahl nennen.
Bereuen Sie etwas in Ihrem Leben?
Domenica:
Man bereut entweder alles oder gar nichts. Wenn, dann müsste ich alles bereuen. Da hätte ich einen ganz anderen Weg gehen müssen. Ich möchte aber nicht alles noch mal erleben. Doppelt gemoppelt ist doch langweilig. Mein erster Mann hat sich erschossen in meinem Beisein. Das hat dann dazu geführt, dass ich obdachlos wurde und das schnelle Geld machen wollte. Noch heute warte ich auf das schnelle Geld. Und es kommt immer noch nicht.
Sie haben damals für die Rechte der Prostituierten gekämpft und ein Tabu gebrochen. Wofür lohnt es sich heute zu kämpfen?
Domenica:
Es gibt noch immer Diskriminierung und Verachtung. Ich muss mich immer noch entschuldigen, dass ich das gemacht habe. Die Verachtung den Frauen gegenüber ist aber nicht gerechtfertigt. Und die Scham bei den Frauen ist ebenfalls noch da. Es ist nicht so, dass sie mit dem Hintern wackeln: Ich bin eine Hure - ach, wie schön. Sie müssen hart arbeiten.
Könnten Sie sich vorstellen, in einer festen Beziehung zu leben?
Domenica:
Ich kann mir das vorstellen. Nur der Mann womöglich nicht.
Aber er kann noch in Ihr Leben kommen ...
Domenica:
Meinen Sie, der kommt noch in mein Leben? Ich hole mal das Fernglas (greift zu einem Bundeswehr-Fernglas und schaut durch das Fenster der Veranda). Vielleicht sehe ihn herumlaufen ...
Gab es einen besonderen Mann in Ihrem Leben, eine große Liebe?
Domenica:
Ja, die gab es mal. Aber im Moment bin ich vogelfrei, und das ist schön so.
Macht Ihnen das Altwerden Probleme?
Domenica:
Ich hoffe nur nicht, dass es im Kopf losgeht. Auch möchte ich nicht bettlägerig sein. Ansonsten ist mir das Alter wegen einer Falte mehr oder weniger wirklich wurscht.
WELT ONLINE
http://www.welt.de/hamburg/article20580 ... erden.html
http://www.welt.de/welt_print/article20 ... _mehr.html
Ausgestiegen - Das harte Leben der Ex-Huren -NDR 23 Uhr 5.1.
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Ja - Das ist wieder die Zeitung.
Seltsamer Weise spricht sie in der Sendung anders - gerade Thema Männer / Älterwerden !
Sie sagt : ich habe manchmal das Gefühl, das die Frauen ihre Männer von mir reißen - obwohl ich schon lange ausgestiegen bin.
Natürlich wäre es schön mit einem Mann an meiner Seite. Ich habe das alleine sein doch gar nicht nötig.
Dann fast zum Schluß : " Manchmal habe ich das Gefühl, dass die so tun als wenn die uns helfen wollen und im stillen lachen die über uns. Ich glaube , wir können uns nur selbst vertrauen ! "
Völlig raus aus der Materie sind sie alle 4 nicht - schon durch Kontakte und Wohnort bedingt !
Komisch nur - na sicher wirkt das Gelesende anders, als das Gesehende !!!
Beim lesen kann man viel verdecken, aber die Kamera ist da gnadenlos !
Aber interessant - Danke !
LG Melly
Seltsamer Weise spricht sie in der Sendung anders - gerade Thema Männer / Älterwerden !
Sie sagt : ich habe manchmal das Gefühl, das die Frauen ihre Männer von mir reißen - obwohl ich schon lange ausgestiegen bin.
Natürlich wäre es schön mit einem Mann an meiner Seite. Ich habe das alleine sein doch gar nicht nötig.
Dann fast zum Schluß : " Manchmal habe ich das Gefühl, dass die so tun als wenn die uns helfen wollen und im stillen lachen die über uns. Ich glaube , wir können uns nur selbst vertrauen ! "
Völlig raus aus der Materie sind sie alle 4 nicht - schon durch Kontakte und Wohnort bedingt !
Komisch nur - na sicher wirkt das Gelesende anders, als das Gesehende !!!
Beim lesen kann man viel verdecken, aber die Kamera ist da gnadenlos !
Aber interessant - Danke !
LG Melly
„Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen.“
Johann Wolfgang von Goethe
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