Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
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Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Ich habe gerade den folgenden englischsprachigen TEDx Talk von Nicole Emma gefunden und angeschaut. Er hat, auch durch persönliche Erfahrungen in jüngster Zeit, mich sehr ergriffen.
Hier eine Zusammenfassung des übersetzten Begleittextes zum Talk:
"In einer Gesellschaft, die starke, stoische Alpha-Männer schätzt, wo kann ein Mann Raum finden, um verletzlich zu sein?
Nicole Emma, eine Sexarbeiterin mit 18 Jahren Erfahrung, gibt eine einzigartige Perspektive auf das Bedürfnis der Männer nach Verbindung. Über die Sprecherin: Nicole Emma ist ein Beziehungs- und Intimitätstrainer und Sexarbeiter. "
Nicole bringt einen Aufruf an die Öffentlichkeit, die gesellschaftlichen Erwartungen zu verändern und unsere eigenen Vorurteile auszuräumen. Sie spricht darüber, wie wir unbeabsichtigt eine ängstliche und wütende Gesellschaft schaffen und wie wir zu Neugier, Ausgeglichenheit und Liebe zurückkehren können.
Hier eine Zusammenfassung des übersetzten Begleittextes zum Talk:
"In einer Gesellschaft, die starke, stoische Alpha-Männer schätzt, wo kann ein Mann Raum finden, um verletzlich zu sein?
Nicole Emma, eine Sexarbeiterin mit 18 Jahren Erfahrung, gibt eine einzigartige Perspektive auf das Bedürfnis der Männer nach Verbindung. Über die Sprecherin: Nicole Emma ist ein Beziehungs- und Intimitätstrainer und Sexarbeiter. "
Nicole bringt einen Aufruf an die Öffentlichkeit, die gesellschaftlichen Erwartungen zu verändern und unsere eigenen Vorurteile auszuräumen. Sie spricht darüber, wie wir unbeabsichtigt eine ängstliche und wütende Gesellschaft schaffen und wie wir zu Neugier, Ausgeglichenheit und Liebe zurückkehren können.
„Ein Atom ist leichter zu zertrümmern als ein Vorurteil“ (Albert Einstein)
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
@hapebe
Danke!
Liebe Grüße
christian
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Dieses Video hat auch mich tief berührt. Als Arzt und Partner einer ehemaligen Sexworkerin und als ihr ehemalig sehr einsamer Kunde kann ich Folgendes mit Bestimmtheit sagen.
Sexworker sollten in die selbe Gewwerkschaft wie wir Ärzte aufgenommen werden und auch von einer gemeinsamen berufsständischen Altersversorgung profitieren, weil die Arbeit, die Sexworker leisten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede mit der Arbeit eines Arztes haben. Meist trennt uns Ärzte ähnlich wie bei Sexworkern nur das Latex von direktem Kontakt mit intimen Körperflüssigkeiten. Oft sind wir Ärzte wie auch Sexworker die einzigen Menschen, denen sich einsame Menschen mir ihren intimsten Geheimnissen offenbaren und anvertrauen können. Oft machen wir Ärzte wie auch alle Sexworker den Unterschied, ob ein Mensch sein Leben noch für lebenswert hält. Meist bekommen wir dies gar nicht mit oder erfahren dies erst Jahre später. Ähnlich wie Sexworker sind auch wir Ärzte hohen körperlichen und vor allem emotionalen Ansprüchen unserer Kunden ausgesetzt und es wird von uns erwartet, dass wir immer für jedes menschliches Bedürfnis zur Verfügung stehen. Ähnlich wie Sexworker haben auch wir Ärzte es regelmäßig mit den unterschiedlichsten Menschen aus dem gesamten Spektrum unserer Gesellschaft zu tun.
Vielen lieben Dank für diesen Link zu diesem beeindruckenden Vortrag von einer selbstbewussten und sehr erfahrenen Sexworkerin mit Herz!
Was denken die erfahrenen Sexworker hier in diesem Forum - in ihrer Wonstube - darüber?
Liebe Grüsse an alle,
Harald
Sexworker sollten in die selbe Gewwerkschaft wie wir Ärzte aufgenommen werden und auch von einer gemeinsamen berufsständischen Altersversorgung profitieren, weil die Arbeit, die Sexworker leisten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede mit der Arbeit eines Arztes haben. Meist trennt uns Ärzte ähnlich wie bei Sexworkern nur das Latex von direktem Kontakt mit intimen Körperflüssigkeiten. Oft sind wir Ärzte wie auch Sexworker die einzigen Menschen, denen sich einsame Menschen mir ihren intimsten Geheimnissen offenbaren und anvertrauen können. Oft machen wir Ärzte wie auch alle Sexworker den Unterschied, ob ein Mensch sein Leben noch für lebenswert hält. Meist bekommen wir dies gar nicht mit oder erfahren dies erst Jahre später. Ähnlich wie Sexworker sind auch wir Ärzte hohen körperlichen und vor allem emotionalen Ansprüchen unserer Kunden ausgesetzt und es wird von uns erwartet, dass wir immer für jedes menschliches Bedürfnis zur Verfügung stehen. Ähnlich wie Sexworker haben auch wir Ärzte es regelmäßig mit den unterschiedlichsten Menschen aus dem gesamten Spektrum unserer Gesellschaft zu tun.
Vielen lieben Dank für diesen Link zu diesem beeindruckenden Vortrag von einer selbstbewussten und sehr erfahrenen Sexworkerin mit Herz!
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Harald
Nichts passiert aus Zufall. Du schaffst die Realität in der Du lebst und bist dafür voll verantwortlich!
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- Admina
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Also ich war früher Sozialarbeiterin und muss sagen, ich bin als Sexarbeiterin viel mehr Sozialarbeiterin als ich das jemals zuvor war.
Wir haben in der Sozialen Arbeit ein Diagnostik-Tool namens egozentrierte Netzwerkkarte. Ganz verkürzt gesagt, erlaubt dieses Tool, sich einen Überblick über das soziale Netzwerk eines/einer Klientin zu verschaffen. Nähe, Distanz, soziale Dichte, soziale Kontrolle, Tragfähigkeit des Netzes, isolierte Bereiche etc. werden dadurch abgebildet. Mir ist als Sexworker sehr schnell aufgefallen, dass man im Netzwerk vieler KlientInnen die Position eines sogenannten "Isolierten" einnimmt. "Isolierte" sind Personen, mit denen der Klient, für den man die Netzwerkkarte anfertigt, eine enge Bindung hat, die aber mit sonst niemandem im Netzwerk eine Verbindung haben. "Isolierte" gelten in der Netzwerktheorie als ungemein wichtig zur Stützung der Persönlichkeit. Isolierte sind Menschen, mit denen man über alles reden kann, weil es eben keine Verbindung zu anderen im Netzwerk gibt. Was den Isolierten erzählt wird, ist in Sicherheit. Den Isolierten gegenüber kann man sich neu erfinden, ihnen gegenüber kann man sich im Reden und Erzählen neu strukturieren. Dabei ist es ja irrelevant, ob das nun die "Wahrheit" ist, was da erzählt wird, sowohl in der Sozial- als auch in der Sexarbeit. Ein Gegenüber zu haben, vor dem man sich neu erfinden kann, ist eine ganz wichtige Wirkung aller Beratungs- und Therapiesettings. Teile/Aspekte davon können in die Realität hinüberwirken, weil sie in der Erzählung schon wahr wurden. Und auch wenn andere Bereiche des sozialen Netzwerks wegbrechen, wenn man dort und da zerstritten ist und Leute im Netzwerk hinterrücks über einen reden - auch dann ist die/der Isolierte noch immer völlig unvoreingenommen für einen da, da er/sie ja von den Konflikten im Netzwerk nichts mitbekommt. Also diese Funktion übernimmt man als Sexworker sehr oft!
Es gibt auch Menschen, die in freiwilliger Exklusion leben und sämtliche Kontakte nach außen abgebrochen haben. Ich habe da zb einen Kunden, den ich regelmäßig besuche und dem es überhaupt nicht um Sex geht. Er selbst sagt, Menschen seien ihm eigentlich zuwider, aber irgendwie merkt er jetzt im Alter, dass er eine "Ansprache" braucht, einfach auch, um das Sprechen nicht zu verlernen. Er macht sich die Woche über Notizen über Dinge, die ihm einfallen, und die er dann bei unserem "Date" mit mir bespricht. Am Anfang war das für mich schon ziemlich anstrengend, weil ich echt nicht wusste - puh, wie soll nur die Zeit mit diesem Eigenbrötler vergehen. Aber... mit der Zeit wurden diese Dates dann auch für MICH wichtige Fixtermine, auf die ich mich nun schon richtig freue. Auch ICH nutze diese Treffen jetzt, um über die Woche zu resümieren. Also irgendwie ist der Klient jetzt auch für MICH eine Art "Isolierter" in meinem Netzwerk geworden. :)
Wir haben in der Sozialen Arbeit ein Diagnostik-Tool namens egozentrierte Netzwerkkarte. Ganz verkürzt gesagt, erlaubt dieses Tool, sich einen Überblick über das soziale Netzwerk eines/einer Klientin zu verschaffen. Nähe, Distanz, soziale Dichte, soziale Kontrolle, Tragfähigkeit des Netzes, isolierte Bereiche etc. werden dadurch abgebildet. Mir ist als Sexworker sehr schnell aufgefallen, dass man im Netzwerk vieler KlientInnen die Position eines sogenannten "Isolierten" einnimmt. "Isolierte" sind Personen, mit denen der Klient, für den man die Netzwerkkarte anfertigt, eine enge Bindung hat, die aber mit sonst niemandem im Netzwerk eine Verbindung haben. "Isolierte" gelten in der Netzwerktheorie als ungemein wichtig zur Stützung der Persönlichkeit. Isolierte sind Menschen, mit denen man über alles reden kann, weil es eben keine Verbindung zu anderen im Netzwerk gibt. Was den Isolierten erzählt wird, ist in Sicherheit. Den Isolierten gegenüber kann man sich neu erfinden, ihnen gegenüber kann man sich im Reden und Erzählen neu strukturieren. Dabei ist es ja irrelevant, ob das nun die "Wahrheit" ist, was da erzählt wird, sowohl in der Sozial- als auch in der Sexarbeit. Ein Gegenüber zu haben, vor dem man sich neu erfinden kann, ist eine ganz wichtige Wirkung aller Beratungs- und Therapiesettings. Teile/Aspekte davon können in die Realität hinüberwirken, weil sie in der Erzählung schon wahr wurden. Und auch wenn andere Bereiche des sozialen Netzwerks wegbrechen, wenn man dort und da zerstritten ist und Leute im Netzwerk hinterrücks über einen reden - auch dann ist die/der Isolierte noch immer völlig unvoreingenommen für einen da, da er/sie ja von den Konflikten im Netzwerk nichts mitbekommt. Also diese Funktion übernimmt man als Sexworker sehr oft!
Es gibt auch Menschen, die in freiwilliger Exklusion leben und sämtliche Kontakte nach außen abgebrochen haben. Ich habe da zb einen Kunden, den ich regelmäßig besuche und dem es überhaupt nicht um Sex geht. Er selbst sagt, Menschen seien ihm eigentlich zuwider, aber irgendwie merkt er jetzt im Alter, dass er eine "Ansprache" braucht, einfach auch, um das Sprechen nicht zu verlernen. Er macht sich die Woche über Notizen über Dinge, die ihm einfallen, und die er dann bei unserem "Date" mit mir bespricht. Am Anfang war das für mich schon ziemlich anstrengend, weil ich echt nicht wusste - puh, wie soll nur die Zeit mit diesem Eigenbrötler vergehen. Aber... mit der Zeit wurden diese Dates dann auch für MICH wichtige Fixtermine, auf die ich mich nun schon richtig freue. Auch ICH nutze diese Treffen jetzt, um über die Woche zu resümieren. Also irgendwie ist der Klient jetzt auch für MICH eine Art "Isolierter" in meinem Netzwerk geworden. :)
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
@Thorja
Schön geschrieben. Danke.
Sexworker.at ist auch Kultur.
Und aus Kultur erwächst unsere Stärke.
Veraguas
Schön geschrieben. Danke.
Sexworker.at ist auch Kultur.
Und aus Kultur erwächst unsere Stärke.
Veraguas
Welches Problem auch immer in der Gesellschaft besteht-
der Staat weiss eine völlig irre Problemlösung die niemandem nützt, aber Arbeitsplätze im Beamtenapparat schafft. H.S.
der Staat weiss eine völlig irre Problemlösung die niemandem nützt, aber Arbeitsplätze im Beamtenapparat schafft. H.S.
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Liebe Thorja,
herzlichen Dank für diesen sehr aufschlussreichen Hinweis. Das lohnt das Nachdenken ... Für viele Stammkunden bin ich wirklich ein solcher "Isolierter", bei dem sie aus ihrem angestammten Netzwerk heraustreten und frei reden können und das auch wollen.
Ich bemerke aber auch selbst an mir, dass ich solche Partner brauche - zum Beispiel meine Forumsfreundinnen. Das hilft, auch mit schwierigeren Situationen fertigzuwerden. Andererseits hat "Isolierter" eine Doppelbedeutung: mein Netzwerk hat sich in den letzten Jahren auch eingeengt. Für Sexworkerinnen ist es nach meiner Erfahrung nicht leicht, ein breitgespanntes, mehrere Milieus einbeziehendes Netzwerk aufrechtzuerhalten.
herzlichen Dank für diesen sehr aufschlussreichen Hinweis. Das lohnt das Nachdenken ... Für viele Stammkunden bin ich wirklich ein solcher "Isolierter", bei dem sie aus ihrem angestammten Netzwerk heraustreten und frei reden können und das auch wollen.
Ich bemerke aber auch selbst an mir, dass ich solche Partner brauche - zum Beispiel meine Forumsfreundinnen. Das hilft, auch mit schwierigeren Situationen fertigzuwerden. Andererseits hat "Isolierter" eine Doppelbedeutung: mein Netzwerk hat sich in den letzten Jahren auch eingeengt. Für Sexworkerinnen ist es nach meiner Erfahrung nicht leicht, ein breitgespanntes, mehrere Milieus einbeziehendes Netzwerk aufrechtzuerhalten.
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- Admina
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Nur als vielleicht beruhigender Hinweis:
Ein starkes Netzwerk heißt auch immer soziale Kontrolle. Das maximal dichte Netzwerk muss man sich so vorstellen, dass jeder, den man kennt, jeden kennt, den man kennt. Graphisch schaut das dann aus wie eine dichte Punktewolke, in der jeder Punkt mit jedem verbunden ist. So ein Netzwerk ist natürlich sehr tragfähig, engt aber auch die individuelle Freiheit ein. Der Gynäkologe ist zugleich der Ehemann von der besten Freundin, und die beste Freundin ist die Kindergärtnerin deiner Kinder, in der Freizeit deine ehrenamtliche Sozialarbeiterin, beide sind jeden Sonntag bei deinen Eltern zum Kaffee eingeladen, die Eltern sind zugleich deine Vorgesetzten in der Arbeit ... der reinste Horror! :) Da kannst du wahrscheinlich nicht mal eine Stunde von zuhause wegfahren, ohne dass dich jemand fragt: "Was machst du, wo fährst hin?"
Ein leereres Netzwerk ermöglicht auch mehr Freiheit. Und es macht ja Sinn, dass das Netzwerk von uns Sexworkern "ausdünnt" - in dem Sinne, dass man sich von möglicherweise bedrohenden Kontakten befreit. Lieber 1 neuer stützender Kontakt als daran festhalten, mehrere bedrohliche Kontakte um jeden Preis zu halten.
Ein starkes Netzwerk heißt auch immer soziale Kontrolle. Das maximal dichte Netzwerk muss man sich so vorstellen, dass jeder, den man kennt, jeden kennt, den man kennt. Graphisch schaut das dann aus wie eine dichte Punktewolke, in der jeder Punkt mit jedem verbunden ist. So ein Netzwerk ist natürlich sehr tragfähig, engt aber auch die individuelle Freiheit ein. Der Gynäkologe ist zugleich der Ehemann von der besten Freundin, und die beste Freundin ist die Kindergärtnerin deiner Kinder, in der Freizeit deine ehrenamtliche Sozialarbeiterin, beide sind jeden Sonntag bei deinen Eltern zum Kaffee eingeladen, die Eltern sind zugleich deine Vorgesetzten in der Arbeit ... der reinste Horror! :) Da kannst du wahrscheinlich nicht mal eine Stunde von zuhause wegfahren, ohne dass dich jemand fragt: "Was machst du, wo fährst hin?"
Ein leereres Netzwerk ermöglicht auch mehr Freiheit. Und es macht ja Sinn, dass das Netzwerk von uns Sexworkern "ausdünnt" - in dem Sinne, dass man sich von möglicherweise bedrohenden Kontakten befreit. Lieber 1 neuer stützender Kontakt als daran festhalten, mehrere bedrohliche Kontakte um jeden Preis zu halten.
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Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Hi, ich hab' das Video fremdsprachlich nicht verstanden, aber die Kommentare habe ich gelesen. Ich bin etwas befremdet, weil meine Sexworkerin, Entschuldigung, darf man ja nicht schreiben, weil damit Besitzansprüche assoziiert werden, also die Frau, zu der ich gehe, die knuddelt mich immer wenn ich da bin, und kneift mir zwischen die Beine, wenn ich gehe. Die muß nicht einsam sein, damit ich mich zu ihr gehen traue. Genauso wenig wie meine Hausärztin. Zu der gehe ich wenn ich krank bin, und dann erzähle ich ihr alles, damit ich wieder gesund werde. Und natürlich denke ich bei ihrer Figur immer, "mein Gott, ich will auch so schlank und so federleicht sein wie sie. Sie ernährt sich sicherlich gesund und macht jeden Tag ihre Gymnastik. Muß ich auch wieder machen." Vielmehr empfinde ich die jetzige prekäre Situation im Prostitutionsgewerbe, wie sie durch Gesetzgeber und Gesellschaftsdiskurs geschaffen wurde, als belastend für mich, weil ich denke, "mein Gott, wie soll sie mit 6.000 € Miete nur für's Zimmer gesund über die Runden kommen, und dabei auch noch ihre Zukunftspläne realisieren? (Angebotsreduzierung durch exorbitante Mietpreise die sich nur noch die Besten leisten können, oder die, die sich für die Besten halten, bis sie merken, dass es nicht zu schaffen ist). Da ist man dann nicht weit von der "Ausnutzung einer Notlage" entfernt, wenn das Ziel der Berufsausübung nicht zu schaffen ist. Ich geb' zu, da bin ich dann auch nicht weit davon entfernt, nur mal reden zu wollen. Weil das echt belastet. Meiner anderen Beziehung im Lotterleben geht's aktuell wirklich schlecht. Die will an mich zurückzahlen! Hallo! In den 80er und Anfang der 90er hab' ich einfach drauf losgemacht, mach' es oder laß' es. Das geht heutzutage nicht mehr (so einfach). Und da les ' ich hier, wie schlecht es den Männern geht. Die sollen auf die Straße gehen, und für ihre Frauen demonstrieren, dann sind sie gleich wieder gesund, und im wahren Leben angekommen. Sorry, ich kann nicht anders.
Wo Schatten ist, muß auch Licht sein.
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- PlatinStern
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Danke floggy!
Wahre Worte aus dem wahren Leben …
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
@floggy
Auch ich muss mich wie Lucille Deinen Worten anschließen. Danke.
Liebe Grüße von mir
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Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Guten Abend, vielen Dank Lucille und deernhh, das ist sehr lieb, mir das Gefühl zu geben, dass ich die Dinge noch einigermaßen realistisch sehe.
Bevor ich es wieder vergessen sollte: Allen hier Alles Gute, und nie den Mut ganz verlieren. Das wünsche ich alle Tage, nicht nur heute.
Ich selbst versuche mich an dem zu Orientieren, was über führende Sex Worker Organisationen, und deren Sprecher, nachzulesen ist. So ist mir beispielsweise bekannt, dass der BesD die Sexarbeit als Freiberufliche Tätigkeit (indoors) bzw als Reisegewerbe (outdoors) verankert sehen möchte, und ferner vorgeschlagen hat, die Krankenversicherung wie bei einer Künstlerkrankenkasse zu lösen. Die sui generis Scheinlösung des deutschen Gesetzgebers zeigt ja auch, wie schwer man sich seit 2001 damit tut, Sexarbeit als Arbeit zu verankern.
Der Job von SW ist, auf sexuelles Begehren eine Antwort zu geben. Das ist jetzt von mir, weil ich mich da auf keine Quelle beziehen kann, außer: "Violence is not part of the job description". Also ein SW kann nie ein Arzt sein, und im Video oben, haben wir es mit einer Beziehungs- und Intimitätstrainer[in] zu tun, die auch Sexarbeiter[in] ist (oder war - sorry wenn ich da was falsches schreibe). Ich würde mich mißverstanden fühlen, wenn mich die Frau zu der ich gehe, therapieren wollte. Umgekehrt müßte ein SW redlich bleiben, und offen mitteilen, dass ein therapeutisches Gespräch, und sei es nur in Ansätzen, seine Kompetenz überschreitet. Da kann man als SW ja auch schnell in tiefe Gewässer kommen. Und ob ein SW Analysen betreibt, oder seinen beruflichen Hintergrund heranzieht, und damit seine Kommunikationsfähigkeit und Empathie steigern kann, sei dahingestellt. Als sinnlich veranlagter Mensch macht bei mir der Kopf nicht so viel.
Klar haben Männer viele Probleme, und von mir aus kommen überwiegend problematische Biografien zu SW (ob das so ist oder nicht, ist mir eigentlich egal) , und sei es nur aufgrund einer kurzen Krise. Das ist dann so wie bei den Beratungsstellen für Menschenhandel, die sehen dann immer nur die eigentlichen Fälle. Hat ein Mann wieder eine Sexpartnerin gefunden, wird er wohl den Gratisservice vorziehen. Aber zu glauben, SW nehmen sich problematischer Klientel an, ist meines Erachtens total falsch. Aufgrund der Erfahrung und Menschenkenntnis, wird jeder Kunde eingehend gecheckt, und nur in prekären Lagen -da könnte man jetzt eine Menge schreiben- geht ein SW ein unkalkulierbares Risiko ein. Und was ist schon normal'? Der Mann der wieder eine Sexpartnerin gefunden hat, tickt womöglich ganz anders, spinnt sich in Liebe und Treue hinein, und in ein Leben wo Geld eine andere Rolle spielt, und rastet gegenüber Sexdienstleistenden aus, oder wird unverschämt und hinterhältig, während er in seinem konservativen Weltbild völlig im Lot ist. So manche Konflikte, und auch das Stigma, würde ich auf diese unterschiedlichen Lebensmodelle, die womöglich für manche Menschen auch unvereinbar sind, zurückführen.
Aufgrund der frauenverachtenden Kommentare in Freier Foren habe ich für mich den Schluß gezogen, dass in den jüngeren Generationen vermehrt Draufgängertypen heranerzogen wurden. Das wäre dann etwa die Kompensation von dem, was im Video als der weiche Typ dargestellt wird. Aber das hieße auch, dass beide Typen von Mann zu SW gehen, nicht nur die Feinfühligen, sondern auch die Draufgänger.
Ich finde, es sollte schon so bleiben: SW geben eine Antwort auf sexuelles Begehren, warum auch immer, und in welcher Form auch immer, sie diese Antwort geben. Niemand soll vergeblich bitten müssen.
Ich hoffe ich habe nichts vergessen, und nichts zweideutig formuliert.
Schönen Abend
Bevor ich es wieder vergessen sollte: Allen hier Alles Gute, und nie den Mut ganz verlieren. Das wünsche ich alle Tage, nicht nur heute.
Ich selbst versuche mich an dem zu Orientieren, was über führende Sex Worker Organisationen, und deren Sprecher, nachzulesen ist. So ist mir beispielsweise bekannt, dass der BesD die Sexarbeit als Freiberufliche Tätigkeit (indoors) bzw als Reisegewerbe (outdoors) verankert sehen möchte, und ferner vorgeschlagen hat, die Krankenversicherung wie bei einer Künstlerkrankenkasse zu lösen. Die sui generis Scheinlösung des deutschen Gesetzgebers zeigt ja auch, wie schwer man sich seit 2001 damit tut, Sexarbeit als Arbeit zu verankern.
Der Job von SW ist, auf sexuelles Begehren eine Antwort zu geben. Das ist jetzt von mir, weil ich mich da auf keine Quelle beziehen kann, außer: "Violence is not part of the job description". Also ein SW kann nie ein Arzt sein, und im Video oben, haben wir es mit einer Beziehungs- und Intimitätstrainer[in] zu tun, die auch Sexarbeiter[in] ist (oder war - sorry wenn ich da was falsches schreibe). Ich würde mich mißverstanden fühlen, wenn mich die Frau zu der ich gehe, therapieren wollte. Umgekehrt müßte ein SW redlich bleiben, und offen mitteilen, dass ein therapeutisches Gespräch, und sei es nur in Ansätzen, seine Kompetenz überschreitet. Da kann man als SW ja auch schnell in tiefe Gewässer kommen. Und ob ein SW Analysen betreibt, oder seinen beruflichen Hintergrund heranzieht, und damit seine Kommunikationsfähigkeit und Empathie steigern kann, sei dahingestellt. Als sinnlich veranlagter Mensch macht bei mir der Kopf nicht so viel.
Klar haben Männer viele Probleme, und von mir aus kommen überwiegend problematische Biografien zu SW (ob das so ist oder nicht, ist mir eigentlich egal) , und sei es nur aufgrund einer kurzen Krise. Das ist dann so wie bei den Beratungsstellen für Menschenhandel, die sehen dann immer nur die eigentlichen Fälle. Hat ein Mann wieder eine Sexpartnerin gefunden, wird er wohl den Gratisservice vorziehen. Aber zu glauben, SW nehmen sich problematischer Klientel an, ist meines Erachtens total falsch. Aufgrund der Erfahrung und Menschenkenntnis, wird jeder Kunde eingehend gecheckt, und nur in prekären Lagen -da könnte man jetzt eine Menge schreiben- geht ein SW ein unkalkulierbares Risiko ein. Und was ist schon normal'? Der Mann der wieder eine Sexpartnerin gefunden hat, tickt womöglich ganz anders, spinnt sich in Liebe und Treue hinein, und in ein Leben wo Geld eine andere Rolle spielt, und rastet gegenüber Sexdienstleistenden aus, oder wird unverschämt und hinterhältig, während er in seinem konservativen Weltbild völlig im Lot ist. So manche Konflikte, und auch das Stigma, würde ich auf diese unterschiedlichen Lebensmodelle, die womöglich für manche Menschen auch unvereinbar sind, zurückführen.
Aufgrund der frauenverachtenden Kommentare in Freier Foren habe ich für mich den Schluß gezogen, dass in den jüngeren Generationen vermehrt Draufgängertypen heranerzogen wurden. Das wäre dann etwa die Kompensation von dem, was im Video als der weiche Typ dargestellt wird. Aber das hieße auch, dass beide Typen von Mann zu SW gehen, nicht nur die Feinfühligen, sondern auch die Draufgänger.
Ich finde, es sollte schon so bleiben: SW geben eine Antwort auf sexuelles Begehren, warum auch immer, und in welcher Form auch immer, sie diese Antwort geben. Niemand soll vergeblich bitten müssen.
Ich hoffe ich habe nichts vergessen, und nichts zweideutig formuliert.
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- PlatinStern
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Sorry, Stopp, der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. Deutschland fordert die Anerkennung als Freiberufler, da wir eine höchstpersönliche Dienstleistung erbringen.
Und mit Sicherheit NICHT als ‚fliegende Händler‘ zu gelten mit einer in jeder Gemeinde und Stadt den Ordnungsbehörden zur Lizensierung und Abstempelung vorzulegenden Reisegewerbekarte.
Mit allem Respekt lieber floggy, es ist mir absolut schleierhaft woher Du solcherlei ‚FakeNews‘ hast.
Bis in die Mitte des letzten Jahrzehnts gab es diese übergriffige Kontroll-Behandlung gegenüber Sexworkern allerdings noch teilweise in einzelnen Gemeinden diverser Bundesländer als Ausdruck diskriminierender Gängelung unter dem Deckmäntelchen der nachgesagten Steuerflucht. Das wollte und will Keine und Keiner zurück!
Mit liebem Gruß vom BesD e.V.
Lucille
Und mit Sicherheit NICHT als ‚fliegende Händler‘ zu gelten mit einer in jeder Gemeinde und Stadt den Ordnungsbehörden zur Lizensierung und Abstempelung vorzulegenden Reisegewerbekarte.
Mit allem Respekt lieber floggy, es ist mir absolut schleierhaft woher Du solcherlei ‚FakeNews‘ hast.
Bis in die Mitte des letzten Jahrzehnts gab es diese übergriffige Kontroll-Behandlung gegenüber Sexworkern allerdings noch teilweise in einzelnen Gemeinden diverser Bundesländer als Ausdruck diskriminierender Gängelung unter dem Deckmäntelchen der nachgesagten Steuerflucht. Das wollte und will Keine und Keiner zurück!
Mit liebem Gruß vom BesD e.V.
Lucille
Zuletzt geändert von Lucille am 07.01.2020, 01:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Auch wir vertreten mehrheitlich diesen Standpunkt
Liebe Grüße
christian
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Tatsächlich? Ich hätt jetzt laienhafterweise angenoimmen, dass man sich mit Unwahrheiten - grad wenns offensichtlich in einer heiklen Situation ist - selbst ins Knie schiesst. Oder ist das so gemeint, dass man nur jemanden braucht, der zuhört, und von dem man eh keine sinnvolle Antwort (die ja nicht kommen kann, wenn man schwindelt) erwartet?
- dass die SW keine Therapheutin ist/ ersetzen kann , ist mir vollkommen klar. Trotzdem sollte man nicht nur leere Gespräche um des Redens willen führen, oder? - das würd ich sogar als Respektlosigkeit ihr gegenüber sehen.
Auf der anderen Seite seh ich es schon kritisch, eine Person mit meinen privaten Sorgen ungefragt zuzumüllen. Selbst wenn sie zu erkennen gibt, dass das ok ist.... Mitleid? Kundenbindung? Leichter die Zeit rumbringen als mit Sex? Hört sich auch alles nicht so toll an.
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Zwischen weitgehender Sprachlosigkeit und und einem Therapiegespräch gibts ja ein seeeehr weites Feld. ;)Ed Roth hat geschrieben: ↑12.01.2020, 00:16...- dass die SW keine Therapheutin ist/ ersetzen kann , ist mir vollkommen klar. Trotzdem sollte man nicht nur leere Gespräche um des Redens willen führen, oder? - das würd ich sogar als Respektlosigkeit ihr gegenüber sehen.
Auf der anderen Seite seh ich es schon kritisch, eine Person mit meinen privaten Sorgen ungefragt zuzumüllen. Selbst wenn sie zu erkennen gibt, dass das ok ist.... Mitleid? Kundenbindung? Leichter die Zeit rumbringen als mit Sex? Hört sich auch alles nicht so toll an. ...
So wie ein (Pay-)Sex-Date letztendlich das Ergebnis eines (vielleicht unbewussten) vielschichtigen Entscheidungsfindungs- und Aushandlungsprozesses ist, so seh ich auch die Gespräche während eines Dates: zwei Erwachsene haben sich in eine Situation begeben, in der sie miteinander umgehen "müssen". Und zu diesem "miteinander umgehen müssen" wird mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit einvernehmlicher Sex gehören, aber sicher auch das miteinander reden.
Und ähnlich wie es beim Sex läuft, so läuft es m.E. auch für beide Beteiligte beim miteinander Reden:
- man nimmt sich mehr oder weniger bewusst in einer Rolle wahr,
- man hat seine Vorlieben (die man gerne auslebt oder über die man eben gerne redet),
- man achtet dabei auf die eigenen Grenzen/Tabus und jene des/der GesprächspartnerIn
- ...
und so entsteht in diesem Setting manchmal eher belangloser Tratsch, manchmal etwas Herumgeblödel, manchmal ein tiefsinniges Gespräch und manchmal stellt man fest, dass man sich (fast) nix zu sagen hat.
ad "zumüllen mit privaten Sorgen": seh ich so wie Du als kritisch und grenzwertig - und war für mich als Kunde immer ein "No-Go" - mit einer großen Ausnahme:
In einer für mich belastenden Situation suchte ich "jemand zum Reden". Meine Frau wäre selbstverständlich die erste Adresse für dieses Gespräch gewesen, war aber zu diesem Zeitpunkt auf Studienreise im Ausland. Und da es um sehr persönliche Dinge im Zusammenhang mit dem Tod eines engen Freundes ging, fiel aus meiner Sicht ein Gutteil meines Freundeskreises aus*.
Also schrieb ich meiner damaligen "Stamm-Sexworkerin", mit der ich mich schon damals auch abseits des Bettes sehr gut verstand, eine e-Mail in der ich ihr meine Situation schilderte und sie fragte, ob sie sich mit mir statt im Hotel zu einem "Spaziergang mit viel Reden" treffen würde.
Sie sagte nach kurzer Bedenkzeit zu und wir marschierten lange über den tiefverschneiten Cobenzl. Ich redete, sie hörte zu, ich redete, ich schwieg, sie fragte nach, ich redete, ...
... und beim Gehen und Reden begannen sich die Dinge für mich langsam zu klären.
Bei der abschließenden Jause vereinbarten wir, das Gespräch am kommenden Tag fortzusetzen - da wanderten wir dann redend durch den Schönbrunner Schloßpark.
Auch wenn diese beiden Gespräche nun schon mehr als 10 Jahre zurückliegen, sind sie mir heute noch in sehr schöner Erinnerung und ich werd meiner Gesprächspartnerin wohl immer sehr dankbar sein für die Zeit, die wir so miteinander verbrachten.
Manchmal kann eine unwahre Geschichte wahrer sein als eine wahre. Das klingt jetzt iwie sehr esoterisch, was ich damit meine ist, dass auch und gerade beim Erzählen einer unwahren Geschichte die Aspekte zutage treten, die der/dem ErzählerIn letztendlich wichtig sind und sich so für sie/ihn neue Einsichten und Erkenntnisse ergeben können.Ed Roth hat geschrieben: ↑12.01.2020, 00:16,,, Tatsächlich? Ich hätt jetzt laienhafterweise angenoimmen, dass man sich mit Unwahrheiten - grad wenns offensichtlich in einer heiklen Situation ist - selbst ins Knie schiesst. Oder ist das so gemeint, dass man nur jemanden braucht, der zuhört, und von dem man eh keine sinnvolle Antwort (die ja nicht kommen kann, wenn man schwindelt) erwartet? ...
* übrigens ein recht typisches Beispiel für die Wichtigkeit von "Isolierten" auf der eigenen egozentrierten Netzwerkkarte ;)
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- Admina
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Ich werd jetzt hier kein E-Learning-Seminar für menschliche Kommunikation anfangen können, doch so viel sei gesagt:
Ein zwischenmenschliches Gespräch besteht aus weitaus mehr als gegenseitiger Berichterstattung objektivierbarer Fakten. Und ja, echtes, menschliches Zuhören, echtes menschliches Nachempfinden, sich-Einfühlen in das Erzählte, im gegenseitigen Wissen, dass wir es immer mit Deutung und Interpretation unabhängig von so kruden Kategorien wie "wahr/falsch" zu tun haben, ist so ziemlich das wichtigste, was es überhaupt gibt. Es ist heilsam, sich im Gegenüber spiegeln zu dürfen, es tröstet die Seele, spüren zu dürfen, dass jemand sich endlich wirklich interessiert.
Als zuhörendes, interpretierendes, rückmeldendes Gegenüber unterscheidet man sehr wohl, ob man einfach egoistisch zugedröhnt wird, weil sich der Sprecher gern selber reden hört - und man letztendlich austauschbar ist - oder ob der Sprecher das echte Gefühl hat, genau in mir persönlich eine gute Adressatin für seine Inhalte gefunden zu haben. Im ersten Fall entsteht kaum eine innere Verbindung. Im zweiten Fall sehr wohl. Ich stell mir das immer vor wie 2 unsichtbare, innere Antennen, mit denen wir uns verbinden können. Dröhnt mich jemand nur zu, sucht seine Antenne mich gar nicht. Wenn meine Antenne versucht, sich seiner anzunähern, wird dieser Versuch abgewiesen. In echter Kommunikation dagegen suchen sich diese Antennen, verbinden sich, und ich darf in das innere Erleben meines Gesprächspartners schauen, was ich als große Ehre empfinde. Es ist nicht immer "schön", es ist auch oft traurig, aber es ist authentisch. Das ist wohl das, worum es in 1. Linie geht: Authentizität. Auch wenn jemand, der den Gesprächspartner besser kennt, ihn angesichts seiner Erzählung des Schwindelns bezichtigen würde, kann das trotzdem authentisch sein, da die erzählten Aspekte einfach trotzdem im Erzählenden vorkommen, trotzdem Bedeutung haben, in welcher Form auch immer. DASS er es mir genauso erzählt, wie er es mir erzählt, hat eine Bedeutung für ihn - und für die bin ich da. Sehr gerne sogar. Und die Tatsache, dass jemand das Erzählte als Schwindelei abtun könnte, ist ihrerseits schon sehr voraussetzungsreich, fußt auf Interpretation und Deutung (evtl ebenfalls auf Schwindel) ebendieser Person, deren Motive und Beweggründe... also was ist schon "Wahrheit".
Dröhnt mich jemand nur zu, hör ich mir das auch an. Ich finde es dann nur für den Erzählenden schade, dass er die Gelegenheit eines Dates mit mir nicht besser nutzt. Ich wäre ja jemand, wo diese Fassade nicht notwendig wäre, da ich ihn nicht kenne und ihm daher weitgehend vorurteilsfrei begegnen kann. Aber auch hier denk ich mir: Ok, dass er so agiert, scheint für ihn wichtig zu sein. Ich lass das auf mich wirken, bleibe eher passiv, und stell mir vor, ich bin ein Filter, durch den all diese Inhalte einfach hindurchwandern.
Ein zwischenmenschliches Gespräch besteht aus weitaus mehr als gegenseitiger Berichterstattung objektivierbarer Fakten. Und ja, echtes, menschliches Zuhören, echtes menschliches Nachempfinden, sich-Einfühlen in das Erzählte, im gegenseitigen Wissen, dass wir es immer mit Deutung und Interpretation unabhängig von so kruden Kategorien wie "wahr/falsch" zu tun haben, ist so ziemlich das wichtigste, was es überhaupt gibt. Es ist heilsam, sich im Gegenüber spiegeln zu dürfen, es tröstet die Seele, spüren zu dürfen, dass jemand sich endlich wirklich interessiert.
Als zuhörendes, interpretierendes, rückmeldendes Gegenüber unterscheidet man sehr wohl, ob man einfach egoistisch zugedröhnt wird, weil sich der Sprecher gern selber reden hört - und man letztendlich austauschbar ist - oder ob der Sprecher das echte Gefühl hat, genau in mir persönlich eine gute Adressatin für seine Inhalte gefunden zu haben. Im ersten Fall entsteht kaum eine innere Verbindung. Im zweiten Fall sehr wohl. Ich stell mir das immer vor wie 2 unsichtbare, innere Antennen, mit denen wir uns verbinden können. Dröhnt mich jemand nur zu, sucht seine Antenne mich gar nicht. Wenn meine Antenne versucht, sich seiner anzunähern, wird dieser Versuch abgewiesen. In echter Kommunikation dagegen suchen sich diese Antennen, verbinden sich, und ich darf in das innere Erleben meines Gesprächspartners schauen, was ich als große Ehre empfinde. Es ist nicht immer "schön", es ist auch oft traurig, aber es ist authentisch. Das ist wohl das, worum es in 1. Linie geht: Authentizität. Auch wenn jemand, der den Gesprächspartner besser kennt, ihn angesichts seiner Erzählung des Schwindelns bezichtigen würde, kann das trotzdem authentisch sein, da die erzählten Aspekte einfach trotzdem im Erzählenden vorkommen, trotzdem Bedeutung haben, in welcher Form auch immer. DASS er es mir genauso erzählt, wie er es mir erzählt, hat eine Bedeutung für ihn - und für die bin ich da. Sehr gerne sogar. Und die Tatsache, dass jemand das Erzählte als Schwindelei abtun könnte, ist ihrerseits schon sehr voraussetzungsreich, fußt auf Interpretation und Deutung (evtl ebenfalls auf Schwindel) ebendieser Person, deren Motive und Beweggründe... also was ist schon "Wahrheit".
Dröhnt mich jemand nur zu, hör ich mir das auch an. Ich finde es dann nur für den Erzählenden schade, dass er die Gelegenheit eines Dates mit mir nicht besser nutzt. Ich wäre ja jemand, wo diese Fassade nicht notwendig wäre, da ich ihn nicht kenne und ihm daher weitgehend vorurteilsfrei begegnen kann. Aber auch hier denk ich mir: Ok, dass er so agiert, scheint für ihn wichtig zu sein. Ich lass das auf mich wirken, bleibe eher passiv, und stell mir vor, ich bin ein Filter, durch den all diese Inhalte einfach hindurchwandern.
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Exkurs: Reisegewerbe
Danke Lucille für die Gegendarstellung. Meine Fake-News war keine Absicht. Das Sachgebiet Sex gegen Geld ist einfach umfangreich, vielschichtig, komplex, kompliziert, und irgendwas muss ich durcheinandergebracht haben. Sorry, Learning by Doing. Ich verspreche, ich werde das für mich klären. Leider überarbeitet der BesD gerade das Thema. Das mit dem Reisegewerbe hat ja eh nur Bedeutung im Zusammenhang mit der Straßenprostitution (outdoor). berufsverband-sexarbeit.de: "Anerkennung von Sexarbeit als freier Beruf und Zugang zur Künstler-Sozial-Kasse. Erklärung folgt in Kürze"
Wo Schatten ist, muß auch Licht sein.
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Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
Zum Thema würde ich gerne noch sagen, dass ich das auch kenne, beispielsweise eine schwierige Entscheidungsfindung in einem Gespräch einfach einmal wahr werden lassen, und dann schaun, wie es sich anfühlt. Das geht mit allen aufgeschlossenen Menschen. Und es geht daher auch mit SW, aber das muss nicht zwangsläufig so sein. Es kommt immer auf die Situation an.
Weil im Thema "menschliche Verbindungen" angesprochen sind, da mißfällt mir immer, zumindest schwingt bei mir das Gefühl dahingehend immer mit, dass es Kreise in der Bevölkerung gibt, die den körperlichen Sex durch moderne und auch technische Surrogat-Lösungen ersetzt sehen möchten. Pornos sind da ja nur eine Möglichkeit. Ich denke, da entstehen viel mehr andere Probleme, und ich kann nur raten, ein Besuch bei einem SW bringt einen wieder auf den Boden, und hält einen in der Spur, wenn man den richtigen SW gefunden hat.
So ein Schäferstündchen bei einem SW, das muss in der Tat gestaltet werden, und die Gestaltung kann man nicht nur dem entlohnten Teil überlassen. Also da kann wirklich alles passieren, was passieren kann. Und es kommt immer darauf an, wie man gewohnt ist, damit umzugehehn.
Es soll ja Leute geben, die wegen den Illusionen, die sie sich machen, nicht mehr zu SW gehen. Ist mir ehrlich gesagt noch nicht so passiert, weil wenn ich eine schöne Frau sehe, und mit ihr in einem Zimmer bin, und sie nackt ist, und ich auch, dann brauche ich mir keine Illusionen machen. Das ist das Paradies, und ich brauche nur noch zuzugreifen, oder noch besser, mich berühren lassen, und mein Körper und meine Sinne sagen mir: Es ist alles okay.
Weil im Thema "menschliche Verbindungen" angesprochen sind, da mißfällt mir immer, zumindest schwingt bei mir das Gefühl dahingehend immer mit, dass es Kreise in der Bevölkerung gibt, die den körperlichen Sex durch moderne und auch technische Surrogat-Lösungen ersetzt sehen möchten. Pornos sind da ja nur eine Möglichkeit. Ich denke, da entstehen viel mehr andere Probleme, und ich kann nur raten, ein Besuch bei einem SW bringt einen wieder auf den Boden, und hält einen in der Spur, wenn man den richtigen SW gefunden hat.
So ein Schäferstündchen bei einem SW, das muss in der Tat gestaltet werden, und die Gestaltung kann man nicht nur dem entlohnten Teil überlassen. Also da kann wirklich alles passieren, was passieren kann. Und es kommt immer darauf an, wie man gewohnt ist, damit umzugehehn.
Es soll ja Leute geben, die wegen den Illusionen, die sie sich machen, nicht mehr zu SW gehen. Ist mir ehrlich gesagt noch nicht so passiert, weil wenn ich eine schöne Frau sehe, und mit ihr in einem Zimmer bin, und sie nackt ist, und ich auch, dann brauche ich mir keine Illusionen machen. Das ist das Paradies, und ich brauche nur noch zuzugreifen, oder noch besser, mich berühren lassen, und mein Körper und meine Sinne sagen mir: Es ist alles okay.
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- PlatinStern
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Re: Was eine SW uns über menschliche Verbindungen lehren kann
@floggy, @all,
für den Geltungsbereich der deutschen Gewerbeordnung gilt spätestens seit ProstSchG die Erweiterung des
§ 6 GewO ( Anwendungsbereich)
(1) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf …… und die Tätigkeit der Prostituierten.
Damit verbietet sich jegliche Reise- oder sonstwie Gewerbekarte für Sexworker als Person.
( Reisegewerbekarteverlangen sind eigenmächtige, regionale Verordnungen analog zum regionalen Verlangen von rechtlich nicht gedeckten Abgaben nach Düsseldorfer Verfahren)
Und nein, diese regionalen Einschränkungen betrafen nicht nur Kolleg*Innnen in der Straßenarbeit sondern alle Nicht im Ort ansäßigen, sogenannten ‚reisenden Termindamen‘ in Wohnungen, Bordellen, etc.. Das hatte mit Outdoor oder Indoor überhaupt nichts zu tun, eher mit zusätzlicher Steuereinnahmengenerierung.
Eine solche zusätzliche bürokratische Gängelung und absolute Bewegungsprofilkontrolle würden wir im BesD, egal für welches Arbeitsumfeld, für uns Sexdienstleistende niemals fordern!
Wir fordern die vollständige Anerkennung als ‚Freier Beruf‘.
Ich bitte doch dringendst auf die korrekte Differenzierung zwischen umgangssprachlicher Verwendung der Worte ‚Gewerbe‘ und ‚Freiberufler‘ zu klar definierten Rechtsbegriffen der deutschen Gesetzgebung, besonders im Steuer- und Baurecht, zu achten. Danke.
für den Geltungsbereich der deutschen Gewerbeordnung gilt spätestens seit ProstSchG die Erweiterung des
§ 6 GewO ( Anwendungsbereich)
(1) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf …… und die Tätigkeit der Prostituierten.
Damit verbietet sich jegliche Reise- oder sonstwie Gewerbekarte für Sexworker als Person.
( Reisegewerbekarteverlangen sind eigenmächtige, regionale Verordnungen analog zum regionalen Verlangen von rechtlich nicht gedeckten Abgaben nach Düsseldorfer Verfahren)
Und nein, diese regionalen Einschränkungen betrafen nicht nur Kolleg*Innnen in der Straßenarbeit sondern alle Nicht im Ort ansäßigen, sogenannten ‚reisenden Termindamen‘ in Wohnungen, Bordellen, etc.. Das hatte mit Outdoor oder Indoor überhaupt nichts zu tun, eher mit zusätzlicher Steuereinnahmengenerierung.
Eine solche zusätzliche bürokratische Gängelung und absolute Bewegungsprofilkontrolle würden wir im BesD, egal für welches Arbeitsumfeld, für uns Sexdienstleistende niemals fordern!
Wir fordern die vollständige Anerkennung als ‚Freier Beruf‘.
Ich bitte doch dringendst auf die korrekte Differenzierung zwischen umgangssprachlicher Verwendung der Worte ‚Gewerbe‘ und ‚Freiberufler‘ zu klar definierten Rechtsbegriffen der deutschen Gesetzgebung, besonders im Steuer- und Baurecht, zu achten. Danke.