Kennenlernen

[princesca]

Huhu,

Habe schon in ein paar Beiträgen gesehen, dass das Thema Beziehungen von Sexarbeiterinnen thematisiert wurde. Da ich gerade Single bin und auch ganz neu mit der Sexarbeit angefangen habe, würde mich interessieren. ob ihr es (einem möglichen) neuen Partner gleich erzählt oder eher damit wartet oder es gar nicht sagt. Bin da etwas unsicher..

Lieben Gruß von Tabea

[Zwerg]

Hi Tabea!

Ich bin der Typ, der bei uns die Notrufnummer abhandelt - bin also jeden Tag mit den Anfragen von SexarbeiterInnen bzgl. Problemen beschäftigt.... - und deshalb habe ich ein wenig Einblicke, was sich wie verhält und auch, wie man manchen Stress vermeiden kann, besser gesagt "sollte".

Einer der Hauptproblematiken für SexarbeiterInnen ergibt sich durch das Doppelleben - man kann und will nicht Allen sagen was man für eine Tätigkeit ausübt. Seiner eigenen Familie zum Beispiel - dem eventuellen Hauptarbeitgeber gegenüber, oder sonst wem. Ist ja auch seine eigene Entscheidung mit wem man über welches Thema spricht.

Jetzt gibt es 2 Lösungsansätze: Man outet sich immer und überall - dann braucht es kein Doppelleben, aber Du kommst aus der Nummer nur schwer wieder raus - und Du kannst im vorhinein nicht sagen, wie wer reagiert. Es gibt Fälle wo das gut geht, aber es gibt weit mehr Fälle, wo dem nicht so ist. Also raten wir dringlich diesen Schritt zu überlegen. Eigentlich raten wir ihn nie zu tun.

Der 2. Ansatz ist der Schwierigere. Man hält sich so weit wie möglich bedeckt. Man spricht nicht darüber, weil es ja eigentlich Niemand etwas angeht. Wenn man das beibehält ist man zwar im Gegensatz zur ersten Variante (man outet sich) erpressbar nach dem Motto "ich sage was Du tust", aber das kann nur gehen, wenn Jemand etwas weiß... und gerade bei einer neuen Beziehung kannst Du schwer abschätzen, wie die Geschichte in ein paar Wochen aussehen wird. Es gibt keine Garantie, dass der Jenige der Dir jetzt wohlgesonnen ist, auch Morgen noch so denkt.

Wenn mich also wer fragen würde, so würde ich eher zur vorsicht mahnen - Vertrauen ist etwas, was man sich nicht in kurzer Zeit verdienen kann. Und ein ungewolltest Outing kann unabsehbare Folgen haben. Das Risiko ist einfach zu groß. Und ganz ehrlich: Männer sagen auch nicht immer gleich am Anfang was Du vielleicht wissen solltest.

Liebe Grüße - und hoffen wir noch auf weitere Antworten

christian

[deernhh]

Vollkommen richtig!
Auch ich plaediere fuer die zweite Variante.
Man darf sich nie erpressen lassen koennen, z.B. bei einer Trennung, in dem der Ex es jedem steckt, was seine Ex beruflich macht und bei Trennungen meint, dass natuerlich faelschlicherweise die SW immer Schuld daran hat, warum es in der privaten Beziehung nicht geklappt hat. Der feine Herr will dann immer heil und schuldlos bei einer evtl. Trennung rauskommen.
Bin der Meinung, dass private Beziehungen nie so lange halten wie das eigene selbststaendige Leben mit selbststaendiger Arbeit im Sexwork.
Die Sexworker*innen sind "Untertauch-Meister*innen", wenn es sich um ihre Arbeit handelt und die meisten fuehren ein Doppelleben.
Ich z.B. verzichte auf Facebook, Twitter, Instagram usw.
Auch privat sehe ich ganz anders aus als im Web. Huebsch natuerlich (grins), aber angezogen sehr hochgeschlossen.

[hapebe]

Hallo Deernhh. Jetzt musste ich innerlich schmunzeln, wie ich deine Zeilen gelesen habe. Weil mir vor kurzem eine Freundin erzählt hat, sie hätte eine extrem aufgeputze Frau gesehen, High-Heels, Mini, tiefer Ausschnitt. Sie meinte, dass das garantiert eine SW war. Da habe ich auch geschmunzelt und gedacht: Immer diese Vorurteile bzw. Ansichten.
Ich kenne einige, die wie du beschrieben hast, sich komplett unauffällig kleiden. Warum nicht. Ich trage doch auch andere Kleidung ins Büro als in der Freizeit.

[Mondfrau]

Hallo Tabea! Ich bin immer sehr offensiv damit umgegangen, so war ich nicht erpressbar. Man hat mir auch deutlich angesehen, dass ich "von der Firma" war und ich bildete mir ein (das tue ich heute noch) ziemlich schnell zu ahnen, wenn ich einen SW vor mir habe. Wobei Wissen etwas völlig Anderes ist. Ich halte nichts davon ein Doppelleben zu führen, ist viel zu unentspannt für mich. Allerdings habe ich auch keine Kinder oder sonst wen, den ich hätte schützen müssen. In solchen Fällen sähe ich das Ganze dann auch anders. Aber wenn man alleine ist und sich nur um sich und seinen eigenen Seelenfrieden scheren muss, dann ist es meiner Erfahrung nach elementar, dass das enge Umfeld informiert ist, so es ein solches überhaupt gibt.

Alle meine Partner wissen was ich getan habe, das ist Teil meiner Geschichte und meines Lebens. Und ich habe diesen Umgang damit nie bedauert.

Grüßerle!
Mondfrau

[deernhh]

Hallo hapebe,

lustig, deine Geschichte!
Die/der eine so, die/der andere so.
Man weiss nie so genau, wer hinter der Kleidung steckt, trotz Vorurteile und Ansichten.
Kleider machen Leute.

LG deernhh