Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Realität&

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
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nicole6
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Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Realität&

Beitrag von nicole6 »

Wahrnehmung und Wirklichkeit. Wie entsteht "Realität" im Kopf?

Wer schon länger hier im Forum ist, und häufiger Kontakt damit hat, dem ist
vielleicht aufgefallen, dass ich in letzter Zeit weniger Kommentare abgebe.
Der Grund dafür ist, dass ich ein Buch schrieb. Arbeitstitel:
Kunst & Design mit Recycling - Materialien.
Das Manuskript ist nun bei fünf Herausgebern, Fischer Verlag, Klecks Verlag,
DLV, Paramont und Schlosser Verlag. Jetzt warte ich auf die Ergebnisse der
Lektorate und die Entscheidungen der Verlagsbesitzer.

Im Buch beschrieb ich nicht nur alle möglichen Materialien, Techniken,
und Vorgangsweisen, sondern auch die psychologischen Hintergründe
die zum Thema passen. Ein wichtiger Punkt dabei ist, wie wird ein Gegenstand
zum Kunstobjekt ? Welche Transformation geschieht in der Psyche, dass
ein Steinhaufen als "Kunst" angesehen wird? Offensichtlich findet da eine
Art "Kopftheater" statt!

Prinzipiell, nicht inhaltlich, aber strukturell, findet das gleiche System des
"Kopftheaters" in der Sexarbeit statt. Ein Mann zahlt, und erwartet dann wie
im Kino oder im Theater, dass das nun folgende Ereignis ihn so einnimmt,
dass er für eine Zeit lang glaubt, es sei wirklich. Die leibliche Erregung dabei
ist auf jeden Fall real, der Rest ist aber imaginär, Kopftheater. Hier ist denn
auch das Feld der Überschneidungen von Kunst und Sexarbeit, oder,
von der Kunst der Sexarbeit!

Nun dachte ich, dass vielleicht einige hier im Forum sich für das Thema interessieren.
Ich stelle deswegen einen Auszug aus dem Manuskript vor.
Die zu speziellen Bezüge zur Kunst lies ich aus.
Da ich den Text Zeile für Zeile umformatieren muss um lesefreundlich zu sein,
und dies einige Zeit in Anspruch nimmt, mache ich es wie in einigen vorherigen
Gelegenheiten, und bringe jeden Tag ein paar Seiten.
Im Text kann man fast immer den Begriff "Kunst" mit "Sex" oder
"Sexarbeit" austauschen, und der Sinn bleibt trotzdem erhalten!

##########################################################

Über das Mögliche und Unmögliche in der Kunst
Die Absicht dieses Kapitels ist, die LeserInnen zu überzeugen, dass sie zu
wesentlich mehr im Bereich Kunst und Design fähig sind, als man es ihnen in der Schule
und im Leben eingetrichtert hat. Einige Jahrzehnte malte ich fast nur. Ich bewunderte
Bildhauer. Für mich war es unverständlich, wie man aus einem Brocken Stein eine Büste
heraus hämmern kann. Das gleiche Rätsel war für mich die Kreation einer Großskulptur
aus Stahl oder Bronze. Im Bereich Skulpturen arbeite ich nun zwar erst etwa seit zwanzig
Jahren, aber ich weiß jetzt, dass es wesentlich schwieriger ist ein gutes Bild zu malen, als
eine gute Skulptur zu machen, aus welchem Material auch immer! Offensichtlich sind die
Hindernisse dabei hauptsächlich psychologisch, und weniger auf der materiellen Seite zu
suchen.

Was unterscheidet KünstlerInnen von HandwerkerInnen? HandwerkerInnen
erlernen Techniken und Vorgangsweisen ihres Metiers, um Objekte herzustellen. Natürlich
müssen sie sich weiterbilden! Aber im Ganzen wiederholen sie in ihrem Beruf ihre einmal
erlernten Fähigkeiten. Wer das Malen lernt, oder das Bildhauen, und bleibt danach immer
bei den einmal erlernten Techniken, der ist dann ein Mal-Handwerker, oder ein
Skulpturen-Handwerker! Das ist gut so, denn eine gesunde Gesellschaft braucht die
gesamte Varianz des Verhaltens! KünstlerInnen probieren dagegen ständig Neues aus.
Kranke Gesellschaften beschränken die Wahlfreiheit der Tätigkeiten ihrer Mitglieder.
Mit dem Grad der Einschränkungen steigt proportional die Tendenz zum Konflikt.
Besteht schon ein Konflikt, dann reduziert sich die Spannung, wenn den beteiligten
Personen die Wahlfreiheit erhöht wird.
Es liegt in der Natur der Dinge, dass man bei der Suche nach Neuem eigentlich
fast nie Erfolg hat. Wer es trotzdem tut, der qualifiziert sich als KünstlerIn! In dieser Sparte
muss man Misserfolg ertragen können. Man muss die Fähigkeit haben, von der
Gesellschaft vorgesetzte Glaubensinhalte und Verhaltensmuster in Frage zu stellen.
In totalitären Gesellschaften hat diese Eigenschaft machtzersetzende Wirkung,
weshalb KünstlerInnen dort gefürchtet sind wie die Pest, die Viren, die Journalisten,
die Bücher, der freie Meinungsaustausch, oder wie der Teufel - je nach den herrschenden
Glaubensvorschriften der jeweiligen Gesellschaft.

Ein großes Problem bei diesem Thema ist das Wort "Kunst" selbst. In kapitalistisch
orientierten Gesellschaften ist der Glaube, es gäbe "Kunst", so wahr, wie die Behauptung
der jungfräulichen Geburt der katholischen Göttin Maria, und die Unfehlbarkeit der Päpste.
Man muss der besagen Religion angehören, um die Dogmen zu glauben. Da gibt es wie
überall Grauzonen. Einige glauben nicht daran, aber machen formal doch bei dieser
Gruppe mit, weil sie sich an anderen Stellen davon Vorteile erhoffen.

Um zu zeigen dass es "Kunst" gibt, müsste es ein allgemein gültiges und
neutrales Kriterium geben, welches "Kunst" von "Nicht-Kunst" zu unterscheiden erlaubt.
Und das gibt es nicht! Jeder Versuch eine Definition zu formen, scheitert, denn als Folge
müsste man je nach Definition mindestens 90% aller Werke aus den Museen entfernen,
welche heute dort als "Kunstobjekte" ausgestellt werden! Eine der besten Analysen dazu
findet man bei Klaus Borgees: das Kunsturteil, Wiederaufnahme eines Verfahrens
(Fischer, 1983). Das Buch gehört zum Besten was ich je zu diesem Thema gelesen habe!
In kapitalistischen Gesellschaften kontrolliert ein ökonomischer Machtblock den
Kunstbereich wie der Vatikan die Kirche. Für diese Gruppe ist die Kunst ein Mittel um
Geld zu machen, und unterscheidet sich wenig von der Börse. Damit das funktioniert,
müssen sich die Männer an den Kontrollpositionen die Definitionsmacht darüber erhalten,
was "Kunst" ist.

In der Technik gibt es eine Definition, was "Elektrik" ist, und was "Elektronik"
bedeutet. Der Staat gibt eine Definition heraus, wie sich ein "Benzinmotor" von einem
"Dieselmotor" unterscheidet, damit die Steuer entsprechend verlangt werden kann.
Da es aber keine widerspruchsfreie Definition für "Kunst" gibt, wird dieser fundamentale
Punkt im Unklaren gelassen. Diese Unklarheit soll so mysteriös erscheinen wie die
Himmelfahrt Marias und die Auferstehung des Christengottes Jesus.
Was man nicht kennt, darüber kann man keine Macht ausüben! Männer verboten
deswegen Jahrhunderte lang Frauen Schulbildung und Wahlrecht, damit Frauen keine
Kontrolle über ihr Leben haben konnten. Für die Männer an der Macht des Kunstbereiches
wäre es finanziell verheerend, wenn die Unklarheit über den Kunstbegriff und dessen
Inhalt beseitigt werden würde! Im Volk herrscht deswegen oft die Meinung vor:
"das verstehe ich nicht, also ist es Kunst"! Dies liegt ganz in der Absicht des Machblockes,
damit der Kunstmarkt als Mittel zur Bereicherung in seiner bisherigen Machtstruktur
erhalten bleibt.

Der ägyptische Künstler Hassan Khan meint dazu, dass die einzige Absicht
der von Männern kontrollierten Regime die sei, die Existenz der Machtstruktur als
solche zu erhalten, was die Funktionäre auf den unteren Ebenen mit einschließt.
"Der Künstler oder Intellektuelle innerhalb dieser Ordnung ist notwendigerweise damit
verknüpft, indem er Begründungen produziert, welche die Funktion der sozialen Ordnung
erklären oder rechtfertigen." (Hassan Khan: The case against continuity, or is it possible
to be enchanted?; in: Rogers, Sarah, A. / Van der Vlist, Eline (editors), 2014,
Arab Art History; Khalid Shiman Collection).

Die aktive Beteiligung der KünstlerInnen an diesem System des Geldmachens
für den Kunst-Machtblock zeigt sich besonders klar an zwei Phänomenen. Das eine
ist die Beteiligung der KünstlerInnen am Kauf von Katalogseiten, deren Hauptzweck
der uneingestandene Wunsch nach öffentlicher Bestätigung und Ruhm ist.
Es gibt sogar Zeitschriften, die je nach der Größe des verfügbaren Geldbeutels
ruhmreiche Lobeshymnen auf die "berühmten KünstlerInnen" verbreiten. Der einzig
Verdienende dabei ist der Herausgeber dieser Kataloge!
Das zweite Phänomen ist der sogenannte "Ruf nach Künstlern", auf englisch
"call for artists", der in den meisten Fällen mit der Bedingung verknüpft ist, dass zur
Bewerbung schon Zahlungen zu erfolgen haben, und nicht erst dann, wenn die Person
zur Ausstellung selektiert wurde! So müssen auch Personen Geld berappen, obwohl sie
danach nicht eingeladen werden! Das ist so, als wenn man sich zum Besuch einer
Theateraufführung anmeldet, dafür zahlen muss, aber nachher erfährt, dass die Direktion
beschlossen hat, die Person nicht zur Aufführung zuzulassen, aber das Geld behält!
Solange KünstlerInnen bei diesen Manipulationen mitmachen, sind sie auch
mitverantwortlich für die illusionären Wertvorstellungen in der gegenwärtigen Kunstwelt!

In der sogenannten "modernen Kunst" gibt es viele Objekte, die einen "Abfalltest"
nicht bestehen würden! Ein "Abfalltest" geht so: man nimmt ein Objekt, das vom Kunstmarkt
als "Kunst" betitelt wird, und legt es an den Straßenrand, z.B. zu einer Gruppe von Objekten,
bereit zur Abholung der Müllabfuhr. Wenn vorbeikommende Personen es unbeachtet liegen
lassen und damit als Objekt der Kategorie Müll anerkennen, dann hat das "Kunstobjekt"
den Test nicht bestanden!

Im folgenden Text verwende ich zwei Begriffe: "Volk" und "Machtblock". Inhaltlich
folge ich dabei der Definition des Kultur- und Medienwissenschaftlers John Fiske.
Die Begriffe bezeichnen nicht einzelne Teilgruppen oder einzelnen Personen innerhalb
einer Gesellschaft, sondern sie deuten auf ein Verhalten von Personen hin. Ein und
dieselbe Person kann zu einem Zeitpunkt sich als "Machtblock" verhalten, bei einer
anderen Gelegenheit als "Volk". Ein Beispiel dazu: Der Chef eines Konzerns verhält sich
während den Arbeitszeiten der Firma den Angestellten gegenüber wie der Machblock.
Abends jedoch bucht er zwei Stunden in einem Studio und lässt sich von einer
Sexarbeiterin als "Volk" behandeln. Ein Angestellter dieser Firma erfährt als "Volk"
die Befehle des Chefs, wenn er aber nach hause kommt, dann führt er sich seiner
Frau gegenüber als Machtblock auf, weil das Essen nicht auf dem Tisch steht.

"Kunst" ist eine soziale Konstruktion. Es ist nichts, was in der materiellen
Welt als solches existiert, wie ein Fluss, eine Verkehrsampel oder eine Marihuanaplantage.
In technisierten Gesellschaften unterliegt der Inhalt des Begriffes der Manipulation des
Machtblockes, welcher kapitalistischen Zielen folgt. Natürlich benutzt auch das Volk den
Begriff, aber in völlig anderer Weise und mit anderen Inhalten bestückt! So findet man in
allen Gesellschaften die Kunst des Machtblockes, und die des einfachen Volkes.
Vergleichsweise findet man in allen Gesellschaft eine "offizielle", vom Klerus
kontrollierte Religion, und eine "inoffizielle", die von der Mehrheit des Volkes praktiziert wird,
und sich inhaltlich und in den praktisch vollzogenen Riten sehr stark von der
Machtblockreligion unterscheidet. Dabei gibt es in der Religion wie auch in der Kunst
Überschneidungen und wesentliche Differenzen zwischen der offiziellen Denkschablone
und der Praxis des Volkes! Im Kunstbereich besteht dabei der größte Unterschied in der
ziemlich willkürliche Zuordnung von monetären Werten zu Objekten der Kategorie "Kunst".

Der Machblock erhebt auf dieses Zuordnungsrecht ein Monopol.
Um dieses Zuordnungsrecht vor dem Volk zu legitimieren, werden vom Machtblock
selbsternannte sogenannte "Experten" einberufen, die ihr Gehalt vom Machtblock erhalten.
Diese Experten konstruieren ein schwammiges Konzept von "Kunst" und fordern ein
Monopol auf die Definitionsmacht über diesen schwammigen Begriff. Der Verkauf dieser als
"Kunst" definierten Objekte führt zu Einnahmen des Machtblocks. Mit diesen Einnahmen
werden zwei Zyklen aktiviert. Der eine Zyklus befindet sich auf ideologischer Ebene, der
andere auf materieller.
Ergeben sich hohe Verkaufszahlen oder hohe Erträge, dann produzieren diese
Zahlen eine "Wahrheit". Was oft gesagt wird soll wahrer sein als das was wenig gesagt wird,
oder gar nicht. Alle Diktaturen folgen diesem Prinzip und kontrollieren deswegen die Medien.

Auch die industrielle Werbung benutzt diese Vorgangsweise. Mit dem nun produzierten
Wahrheitsbegriff der Kunst, wird rückwirkend die primäre Konstruktion legitimiert (blauer
Zyklus in der Abbildung). Auf der materiellen Ebene garantiert der Verkauf von "Kunst" ein
Einkommen, das in zwei Formen benutzt wird: als Ressource um weiter "Kunst" zu
produzieren, und als Mittel, die Macht zu erhalten (roter Zyklus in der Abbildung). Auch hier
gilt das Prinzip, dass der Eindruck entstehen soll, wo mehr Geld fließt, sei der
Wahrheitsgehalt der damit verknüpften Sozialstruktur höher.


Bild


Wie wichtig es für den Machtblock ist, im Besitz der Definitionsmacht über den
Begriff "Kunst" zu sein, wird durch das folgende Beispiel klar. Auch normale Menschen wie
du und ich können problemlos Skulpturen erstellen, welche im Vergleich zur "Elitekunst"
gleichwertig sind! Das demonstrierten einige Studenten 1984 in Livorno. Damals wurde
während einer Modigliani-Ausstellung ein Kanal in der Stadt vertieft. Drei Studenten und
ein Bauarbeiter der Kanalreinigung planten einen Scherz, und kreierten mit einer einfachen
Schlagbohrmaschine eine Skulptur, die Modiglianis Werken ähnlich war. Dann baten sie
ihren Bauarbeiter-Freund, den Stein in den Fluss zu werfen und danach während der
Flussreinigung zu "finden". Was war das für ein Aufsehen, als ein "unbekannter Modigliani"
gefunden wurde! Aber es war nicht der Stein den die drei Studenten gemacht hatten!

Die Kritiker überschlugen sich in ihrem Lob! Die Museumsdirektorin Vera Durbé erkannte in
den Flusssteinen die "geniale Hand" des weltberühmten Künstlers! Tage danach wurde
dann auch noch der Stein der Studenten gefunden!
Was war geschehen? Der Arbeiter dachte sich, was die Studenten können,
das kann er auch, und machte sich daran, ebenfalls einen "Modigliani" zu kreieren!
Dann warf er beide Kreationen ins Stadtgewässer von Livorno. Als die Studenten
dann an die Öffentlichkeit gingen und sagten, sie hätten diese "Meisterwerke" gefertigt,
glaubte ihnen niemand. Aber sie demonstrierten es während einer Live-Fernsehsendung!

Die "Experten" des Machtblocks sahen dabei recht belämmert drein! Ich hoffe, dass dieses
Beispiel alleine schon ausreicht um LeserInnen zu überzeugen, dass auch sie "hohe Kunst"
kreieren können, und dass die Grenze zu dem, was man als "unmöglich" ansieht,
ein Stück weiter ins Niemandsland geschoben wurde!
Zusammengefasst kann man also belegen, dass vor allem in industrialisierten
Ländern ein Objekt zu "Kunst" wird, wenn es ins Museum kommt. Es ist also nicht das
Objekt an sich, was den Betrachter denken lässt, er habe es mit einem wertvollen Objekt
zu tun, sondern der Ort! Eine Analogie mag es verdeutlichen: ein Mann lädt seine Geliebte
zum Dinner ein, und während sie auf das Essen warten, bewundert er ihre wundervollen
Haare und streicht mit seiner Hand darüber. Als die Suppe kommt, findet er darin ein Haar
darin und regt sich fürchterlich auf, was für eine unsaubere Küche hier herrsche! Das Haar
ist das gleiche wie vorher, über das er bewundert gestreichelt hatte, wovon eines an seinen
Fingern hängen blieb, und dann in seiner Suppe landete. Was sich geändert hat, ist der Ort!
Das Gemeinsame an der Erzeugung von "Kunst" und der von "Schmutz" ist, dass in beiden
Fällen die Akteure ihre Beteiligung an der Wertetransformation leugnen!

Das "Modigliani - Experiment" der Studenten von Livorno gehört zu den Ereignissen,
welche diese soziale Konstruktion von "Kunst" aufdeckten.
Um einem Missverständnis vorzubeugen: selbst der Begriff "Museum" ist eine
soziale Konstruktion! Aus der Sicht eines Marsmenschen lässt sich der Ort "Museum"
prinzipiell nicht vom Ort "Rathaus", "Gefängnis", "Bank", oder "Opernhaus" unterscheiden,
da diese keine inhärenten Werte besitzen. Damit unterscheiden sie sich beispielsweise
von den Orten "Schwimmbad", "öffentliche Toilette", "Stadtpark", "Wasserquelle",
"Gemüsebeet" oder "Steinbruch". Solche Orte sind von sich aus schon nützlich,
ohne dass man ihnen über eine sozialen Konstruktion einen Wert zuordnen muss.

KünstlerInnen haben die Fähigkeit sich diesem System kapitalistischer
Kunstzwänge zu entziehen. Dazu müssen sie Wege außerhalb vorherrschender
Denkmuster gehen, müssen ausprobieren, ob das "Unmögliche" wirklich unmöglich ist.
Man muss sich nicht nur klar werden was gesagt und geschrieben wurde, sondern auch
was nicht geschrieben wurde! Nur in der mathematischen binären Logik gilt, das eine
Aussage die nicht wahr ist, zwingend falsch sein soll! Und selbst hier gibt es Löcher in
der Logikstruktur, wie der Gödelsche Beweis zeigte! Wer sich dafür interessiert, dem sei
folgendes Buch empfohlen. Es ist das einzige Buch das ich kenne, welches den
Gödelschen Beweis auch für Nicht-Mathematiker verständlich erklärt:
Nagel, Ernest / Newman, James, R.;1992; Der Gödelsche Beweis; Scientia Nova,
Oldenbourg, München.

In der realen Welt gibt es immer mehr als zwei Möglichkeiten. Die häufigste dritte
Variation ist "unbestimmt". In vielen Situationen im Leben ist es wichtiger zu wissen was
nicht funktioniert, als das, was man meint tun zu müssen! Die Überzeugung, zu wissen was
in einer bestimmten Situation zu tun ist, kann manchmal auch eine Falle sein, da es keine
zwei völlig identische Situationen im Leben gibt! Eine Entscheidung kann nur dann richtig
sein, wenn auch der Zeitpunkt eingehalten wird!

(Fortsetzung folgt)

Spitfire969
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Beitrag von Spitfire969 »

1. Der Unterschied von Kunst und Elektrik: Elektrik hat mit „Anfassbarem“ zu tun. Hier haben wir eine hohe Gewissheit, was wir sehen, messen und zählen können. Kunst entsteht im Kopf. Ähnlich wie Religion oder ähnlich "transzendenten" Phänomene, entsteht Kunst in unsern Köpfen. In unserem Kopf entsteht ein ganz eigenständiges Konstrukt dazu. Das setzt sich zusammen aus allen unseren Erfahrungen, Einstellungen, Werten, Interessen … Deshalb wird es nie eine klare Definition geben, was Kunst ist. Und – auch wenn es den Religionsführern gar nicht gefällt – Religion löst bei jedem Menschen etwas anderes aus.
2. Vielleicht frustriere ich Dich damit: Es ist sehr schwer, für Bücher einen Verlag zu finden. Es sein denn, Du zahlt 5.000-10.000 Euro. Oder Du bist fest überzeugt, dass das ein Riesenrenner auf dem Buchmarkt wird. Probiere es doch im Selbstverlag http://www.selfpublisherbibel.de/ Das ist viel einfacher, als Du vielleicht denkst.
3. Viel Erfolg!

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Beitrag von Jupiter »

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Spitfire969 hat geschrieben:1. Der Unterschied von Kunst und Elektrik: Elektrik hat mit „Anfassbarem“ zu tun. Hier haben wir eine hohe Gewissheit, was wir sehen, messen und zählen können.
Nein, Elektrik ist keinesfalls etwas "Anfassbares". Bei der Elektrik können definierte Prozesse mit "Hilfsmitteln" nachgewiesen werden. Dabei gibt es immer noch verschiedene Prozesse für welche keine wirtschaftlichen Interessen bestehen und deswegen unberücksichtigt werden.

@Nicole, herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Werk. Ich denke, das die Auswirkung einer politisch definierte Kunst, uns insbesonders der Nationalsozialismus vor Augen geführt hat.
Vielleicht gehst du auch noch auf künstlerische Tätigkeiten ein, welche nur Selbstzweck und keinen wirtschaftlichen Erfolgen dienen (privates Hobby). Hier liegt die "Wertschätzung" doch nur im persönlichen Bereich.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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RE: Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Reali

Beitrag von nicole6 »

nun, ich habe schon 7 Bücher geschrieben, die von Verlagen
gedruckt und in andere Sprachen übersetzt wurden.
Ich kenne mich in dem Gewerbe also aus.
Außerdem ist es hier so, dass die Verlage, die ich oben
angegeben habe, sich dafür interessieren!
Es gibt weltweit kein Buch zu dem Thema!
Es wird also das erste in dem Bereich sein!

zu deinen einleitenden Bemerkungen:
auch Bilder und Skulpturen sind zum anfassen, also "real" !
Man kann die Bilder anfassen und zählen!
Aber in der Elektronik kann man das, was die Elektronik
eigentlich ausmacht, die Elektronen, nicht anfassen!
Und was Elektronen sind, kann auch niemand sagen, denn
sie können sich als punktartige Objekte zeigen, wie auch
in Wellenform Muster schaffen. In der makroskopischen
Welt wie wir sie kennen, gibt es das nicht!
Ein großer Teil der sogenannten Wissenschaft unterscheidet
sich auf einer Meta-Ebene nicht von Religionen.
Da komme ich dann noch dazu, und beweise es auch.

Nicole

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Beitrag von nicole6 »

caro Jupiter
unsere Mails haben sich überschnitten!
Natürlich gehe ich noch auf "HobbykünstlerInnen" ein!
Ja, das ganze Buch richtet sich an sie!
Deine Bemerkungen zur Elektronik kann ich nur unterstreichen!
Zudem ist es nicht nur die Elektronik, welche große Lücken
in der Erklärung hat, selbst in der Basisphysik gibt es gröbsten
Unsinn, wie z.B. bei der Erklärung des Kreiseleffektes!
Die meisten Märchengeschichten findet man aber in der Astrophysik!

Ich entschloss mich hier im Forum gewisse Kapitel vorzustellen,
weil ich beim Schreiben erkannte, wie viel Parallelen es
zwischen den Tätigkeiten als Künstlerin gibt. Bilder und Skulpturen
fertigen, gehört zum statischen Bereich der Kunst. Tanz, Musik,
Tantramassagen, Gesang, Sexarbeit, Performances, sind Kunst in Bewegung.
Die Wertekonstruktionen in diesen Bereichen sind auf einer
Meta-Ebene vergleichbar. Das werden dann die folgenden Beiträge zeigen.

Nicole

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Beitrag von Jupiter »

          Bild
nicole6 hat geschrieben: Ich entschloss mich hier im Forum gewisse Kapitel vorzustellen,
weil ich beim Schreiben erkannte, wie viel Parallelen es
zwischen den Tätigkeiten als Künstlerin gibt. Bilder und Skulpturen
fertigen, gehört zum statischen Bereich der Kunst. Tanz, Musik,
Tantramassagen, Gesang, Sexarbeit, Performances, sind Kunst in Bewegung.
Die Wertekonstruktionen in diesen Bereichen sind auf einer
Meta-Ebene vergleichbar. Das werden dann die folgenden Beiträge zeigen.
Ja, ich glaube da hast du recht. Da ich im Hören von Musik eine Erfüllung fühle, deshalb auch sehr gern Konzerte besuche, habe ich meine besten Dates mit Frauen gehabt, die hier meine Leidenschaft nachvollziehen können, ja wenn sie aktive Musikerinnen sind. Ich denke, dass mit Geist und Seele einfühlen können, ist hier irgendwie besonders ausgeprägt.

Ich freu mich schon auf deine weitere Berichte.
Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

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RE: Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Reali

Beitrag von nicole6 »

Jetzt folgen sechs kleine Aufgaben zum Thema "möglich oder unmöglich?",
deren Lösungsschwierigkeit zunehmend steigt. Die Lösungen folgen weiter unten.
Die erste Aufgabe ist relativ leicht. Auf den folgenden Fotos sieht man eine Steinskulptur,
welche im Skulpturenpark des Europäischen Fortbildungszentrums für das Steinhandwerk
aufgestellt ist. Sie besteht aus vier ineinander geschachtelten Teilen aus Hartgestein.
Die Frage dabei ist, wie wurden diese Teile ineinander geschoben? Von oben kann es
offensichtlich nicht gehen, da die jeweils unteren Steinquader an der oberen Fläche ein
herausstehendes Teil haben, was sich nach unten verengt! Von den vier Seiten her kann
es auch nicht gewesen sein, denn die Ausstülpungen aus Hartgestein gehen nach allen
vier Seiten! Wie wurde es also gemacht? Dass es dafür eine Lösung gibt, zeigen die Fotos!
Die vier Steine sind alle aus einem Stück und nicht zusammen gesetzt!

Bild

Die zweite Aufgabe ist, ein DIN-A4 Blatt Papier zu nehmen und mit der Schere ein
Loch so hinein zu schneiden, dass zwei Personen darin durch passen!

Als drittes: auf ein Blatt Papier zeichnen wir 9 Punkte in 3-Dreiergruppen als Quadrat.
Die Aufgabe ist nun wie folgt: mit 4 zusammenhängenden geraden Linien müssen alle
9 Punkte verbunden werden, ohne dass man den Stift absetzt!

Ein viertes, etwas schwierigeres Beispiel: zeichne einen Kreis und den Mittelpunkt,
aber nur den Kreis und nur den Mittelpunkt in einem Zug, ohne abzusetzen! Zwischen
Mittelpunkt und Kreis darf also keine Verbindungslinie sein!

Als Steigerung ein fünftes Beispiel: finde ein Objekt, das sich zweimal drehen muss,
damit es sich einmal dreht!? Wenn man das Objekt gefunden hat, versteht man auch, dass
es alle denkbaren Variationen erlaubt: es gibt die Möglichkeit dass es sich drei- oder viermal
dreht, um sich einmal zu drehen. Jede Zahl ist realisierbar! Aber zum Anfang sollte man sich
nur auf das Verhältnis eins zu zwei konzentrieren!

Ein sechstes Beispiel, das noch schwieriger ist: wenn man ein Blatt Papier zwei mal
faltet, dann entsteht ein mittiges Kreuz aus Falten, das man mit einem Stift markieren kann.
Schneidet man nun mit einer Schere entlang der Kreuzlinien, so zerfällt das Papier in 4
Stücke. Die Aufgabe ist nun, das Papier mit dem Kreuz so zu manipulieren, dass man mit
der Schere den Linien des Kreuzes entlang schneiden kann, und das Objekt dabei aber
nicht nur ganz bleibt, sondern auch noch genau die ursprüngliche Größe des Papiers
herauskommt! Man hat also nach den Schnitten mit der Schere nicht 4 Teile, sondern nur
ein einziges! Einen kleinen Tipp will ich hier aber geben: es hat irgendwie mit der Lösung
von der fünften Aufgabe zu tun!


In den obigen Aufgaben findet man Lösungen nur, wenn man sich weit außerhalb
eingefahrener Denkmuster bewegt. Die Steinskulptur wurde so hergestellt: die
Ausstülpungen und die dazu gehörigen Öffnungen sind diagonal im 45-Gard-Winkel in
Stein geschnitten worden. So kann man die Teile diagonal ineinander schieben, und der
verblüffende Effekt tritt auf.

Zur Lösung der zweiten Aufgabe schneidet man von gegenüberliegenden Rändern aus
wechselweise tiefe Schnitte ins Papier. So entsteht eine Art Schlange. Schneidet man nun
mittig dem Schlangenmuster entlang, so ergibt sich ein Ring, der um so größer wird, je
mehr wechselseitige Einschnitte man gemacht hat!

Bei der dritten Aufgabe ist die häufigste Denkblockade die, dass man aus dem
Text Schlussfolgerungen zieht, die dort nicht stehen! Die meisten Personen suchen einen
Weg innerhalb des Bereiches, der durch die neun Punkte definiert wird. Aber es steht
nirgends, dass man mit den Strichen nicht auch außerhalb gehen darf! Und nur so kann
man mit vier Linien ohne Absetzen alle Punkte verbinden. Nummeriert man die Punkte
durch, so ist der Lösungsweg wie folgt: Der erste Strich geht von der Eins über die Zwei
und Drei hinaus. Dann zieht man im Winkel von fünfundvierzig Grad über die Sechs und
die Acht hinaus die zweite Linie. In einem weiteren Winkel von fünfundvierzig Grad geht
der dritte Strich über die Sieben und Vier zur Eins, und mit dem vierten Strich über die
Fünf zur Neun hat man die Lösung gefunden.

Eine häufig vorkommende Denkblockade bei der vierten Aufgabe ist wie bei den
vorigen, dass man aus dem Text Schlussfolgerungen zieht, die dort nicht stehen! Natürlich
kann man auf einem glatten Stück Blatt Papier nicht erst einen Punkt setzen, und sich dann
ohne abzusetzen am Kreisrand befinden! Aber auf einem gefalteten Papier geht es!
Dazu knickt man ein Blatt zu einem Viertel zur Mitte hin. Die Papierkante liegt nun in
Blattmitte. Dann setzt man mit einem Stift genau oberhalb der Kante einen Punkt und
zieht vom Punkt aus, ohne abzusetzen, auf dem gefalteten Teil des Papiers eine
halbkreisförmige Linie zum oberen Bereich. Dort angelangt, beginnt man den Kreis zu
zeichnen, und faltet dabei den unteren Teil des Papiers zurück. So wurde buchstabengetreu
die Lösung vollzogen!

Jede Sprache ist ungenau. Jedes Wort das wir benutzen, lässt sich immer auf eine
Gruppe von Objekten anwenden, nie auf nur ein einzelnes! Wenn eine Gruppe von Objekten
als solche existiert, dann muss es Unterschiede geben, sonst könnte man sie nicht als
verschieden erkennen. Das Problem hier eine Lösung zu finden, liegt darin, dass man den
Wortbegriffen Eigenschaften zuschreibt, welche sie nicht zwingend haben müssen! Wenn
der Begriff "einmal" auf einen Vorgangangewendet wird, geht man in der Regel davon aus,
dass es innerhalb des Vorgangs keine Veränderung am Objekt gibt, welche die Verwendung
des Wortes "einmal" in Frage stellen könnte. Das Gleiche gilt für den Begriff "drehen". Wenn
wir uns "drehen" vorstellen, so denken wir meist an ein Objekt, das im wesentlichen vor und
nach der Drehung gleich ist. Das gilt im Allgemeinen für alle starren Objekte. Wo bei starren
Körpern auch immer die Drehachse liegt, es gibt nur eine! Wenn das Objekt sich also
zweimal dreht, dann hat es sich zweimal gedreht, und nicht einmal!

Es gibt aber ein Objekt, das zwei, von sich vollkommen unabhängige Drehachsen
haben kann! In der Geometrie kennt man es als Torus. Es ist ein Ring wie ein
Fahrradschlauch. So ein Fahrradschlauch hat ein Ventil, das wir als Bezugspunkt benutzen.
Eine der Drehachsen dieses Schlauchs ist der Mittelpunkt , wo sich sonst die Fahrradnabe
befindet. Benennen wir diese Achse mit N für Nabe. Die zweite, von N unabhängige
Drehachse ist die Schlauchachse im Inneren der Röhre, die wir mit S bezeichnen, um auf
den Schlauch Bezug zu nehmen. Somit erkennen wir zwei voneinander unabhängige
Drehungen um N und S. Diese Drehungen kann man kombinieren, zum Bespiel so, dass
bei der ersten ganzen Drehung um N das Ventil, das zuerst nach innen zeigte, um 180
Grad nach außen gedreht wird. Bei der zweiten Drehung um N wird das Ventil nochmals
um 180 Grad gedreht, und befindet sich dann wieder in der ursprünglichen Position. Die
Position aller Punkte des Objektes ist nun identisch mir der am Anfang, vor den beiden
Umdrehungen um N, und der einen Umdrehung von S.

Damit haben wir eine Beschreibung für ein Objekt, das sich "zwei mal drehen muss,
damit es sich einmal dreht" ! Jetzt erkennt man auch, dass sich das eine Wort "drehen"
auf zwei unterschiedliche Vorgänge innerhalb eines Objektes bezogen hat!
Das Verhältnis der beiden Drehungen ist ½. In der Teilchenphysik kennt man das
unter dem Begriff "Spin ½". Die Physiker haben dabei das Problem, dass sie sich die
Teilchen immer noch als Kugeln vorstellen.
Wenn sie zu einem mehrdimensionalen Torusmodell wechseln würden, könnten sie
viele ihrer Rätsel lösen, denn damit kann man alle Spinvarianten erklären,
wie auch das Phänomen des Iso-Spins!


Nun zur sechsten Aufgabe. Wir zeichnen auf ein Blatt Papier ein Kreuz,
welches Breite und Höhe halbiert. Wenn wir nun mit der Schere den Linien entlang
schneiden würden, dann bekommen wir als Ergebnis vier getrennte Rechtecke. Als
nächsten falten wir das Papier zweimal über die Mitten, so dass die vier Ecken
übereinander liegen. Mit einer Schere schneiden wir nun am geviertelten Papier
das Viertel mit den Ecken ab. Beim auseinander falten, erhalten wir ein Kreuz mit
Mittellinien. Je zwei gegenüberliegende Enden des Kreuzes werden nun in entgegen
gesetzter Richtung mit Klebeband auf Stoß aneinander geheftet. Man erhält somit zwei
um 90 Grad gedrehte Ringe. Jetzt kann man mit der Schere dieses Objekt den
vorgezeichneten Linien entlang auseinander schneiden, aber es bleibt Eines!
Es ist, als ob das Innere des Papiers nach außen gestülpt wurde. Die Außenkante
hat genau die ursprüngliche Größe des Papiers! In der Mathematik gibt es einen Bereich,
der sich mit der Erforschung von Oberflächen bei Objekten beschäftigt: die Topologie.
Topologisch gesehen, ist das oben beschriebene Objekt ein partieller Torus.

Wie schon gesagt, ein Torus ist ein Modell, das ineinander geschachtelte Zyklen
enthält, weshalb das Modell auch in den Mythen der Völker erscheint. Interessanterweise
findet man bei Platon in Timaios 36 b-c eine exakte Beschreibung des oben beschriebenen
Modells! Thematisch geht es ihm hier um ein Modell des (gekrümmten) Universums.
Er benutzt dazu den Begriff 'Weltseele':

" Indem er nun diese gesamte Zusammenfügung der Länge nach spaltete,
die Mitte der einen an die der anderen in der Gestalt eines Chi (X) fügte, bog er sie
zusammen und verband sie durch einen Kreis in eins, jede nämlich der Stelle des (ersten)
Zusammentreffens gegenüber mit sich selbst und mit der anderen, umschloß sie rings
durch die gleichförmige und in einem Raume kreisende Bewegung und führte den einen
der Kreise von innen, den anderen von außen herum."

Was Platon hier beschreibt, wird in der folgenden Skizze verdeutlicht.

Bild

Das griechische Chi wird wie ein X geschrieben. In der Kunst vergangener Epochen
wurde der Kreis, oder das Rad, immer als Symbol von Lebenszyklen verwendet,
wobei die Radachse als Symbol für eine höhere Dimension steht, die vom weltlichen
Raum aus nicht einsehbar ist. In der vedischen Literatur ist "aksa" das am häufigsten
benutzte Wort für "sterben". Unser deutsches Wort "Achse" kommt daher.
Die Radachse ist in einer Position die sich nicht ändert, während sich das Rad dreht.
Doch das Wort "aksa" hat noch eine weitere Bedeutung. Im vedischen Himmel (devana)
spielen die Götter (deva) mit den Würfeln, während Einstein glaubte, dass sein
Christengott nicht würfelt. Einer dieser Wurfkombinationen heißt ebenfalls "aksa"!

Damit wird das Unbestimmte, das Offene, Zufällige in die Kreation mit einbezogen,
ohne das keine Veränderung, ja nicht einmal Bewusstsein möglich wäre.
Das Sanskritwort für "Rad" ist "cacra", von dem das griechische Wort "kuklos" abstammt,
im deutschen als "Zyklus", bei Esoterikern als "Chakra" bekannt.
(GONZÁLEZ-REIMANN, LUIS; 1986; The ancient Vedic dice game;
in: World Archaeoastronomy, Cambridge University Press, N.Y. Seite197).

Die Veden lehren uns also, dass alles im Universum in Zyklen abläuft.
Die Inhalte verändern sich, aber die Resultate der Veränderungen sind nicht vollständig
vorhersehbar, sondern unterschiedlichen Graden der Wahrscheinlichkeit unterworfen.
Das entspricht ziemlich genau den Aussagen moderner Wissenschaften!
So hat die vedische Religion das Prinzip des Unschärfegesetzes der Quantentheorie
einige Tausend Jahre vorher gelehrt.

(FORTSETZUNG FOLGT)

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Beitrag von nicole6 »

Als KünstlerIn muss man fähig sein Dinge zu tun, welche in einer Gesellschaft
als unsinnig gelten. Der Wissenschaftler Jan Hacking erwähnt in einem Buch eine
Aussage des Physikers Georg Darwin, der meinte, man solle ab und zu ein total
verrücktes Experiment machen, zum Beispiel, jeden Morgen in den Kelch einer Tulpe
blasen. Wahrscheinlich wird dabei nichts passieren. Im anderen Fall würde das eine
aufregende Entdeckung sein! (Hacking, Jan; Representing and intervening; Cambridge
University Press, 1983; Seite 154). Solche scheinbar unsinnigen Experimente helfen aber
den Geist offen gegenüber Neuem zu halten, was für KünstlerInnen notwendig ist!

Nimmt man Kreativität als Kennzeichen für künstlerisches Arbeiten, so können
sich viele Wissenschaftler ebenfalls als Künstler bezeichnen. KünstlerInnen kreieren mit
ihren Werkzeugen in ihren Ateliers Objekte, die es ohne sie nicht geben würde. Das
gleiche gilt für WissenschaftlerInnen. Auch sie kreieren in ihren Labors mit den Apparaten
Phänomene, die es ohne diese Apparate nicht geben würde. Die Apparate für den
Faraday-Effekt, den Compton-Effekt, den Zeeman-Effekt, den photoelektrischen Effekt,
den Josephson-Effekt, usw. sind alle von Menschen gemacht und erfunden. Außerhalb
der Apparate gibt es keinen Hall-Effekt. Die abgeschlossene Welt der Labors existiert
nicht in der Natur. Der Hall-Effekt existierte nicht, bevor er im Labor erzeugt wurde.

Die von KünstlerInnen erzeugte Skulptur existierte nicht in der Natur. Dazu kommt,
dass die viele Experimente die meiste Zeit nicht funktionieren. Dies zu ignorieren bedeutet,
zu vergessen, was die Experimentatoren tun: Kreieren, produzieren, verfeinern und
stabilisieren von Phänomenen! Wenn die gesuchten Phänomene in der Natur so
zahlreich wären wie z.B. Löwenzahn, würde es bemerkenswert sein, wenn die
Experimente nicht funktionieren!

Es herrscht die Illusion, dass Wissenschaft immer überprüfbare, das heißt,
wiederholbare Experimente macht, um die Allgemeinheit der theoretischen Aussagen
zu belegen. Viele der Experimente in der Wissenschaft sind aber so teuer, dass sie
wegen der damit verbundenen Kosten nicht wiederholt werden, und somit ein Unikat
darstellen, wie die Skulptur einer Künstlerin! Viele sogenannte ‘Naturgesetze’ können
nur mit hochkomplizierten Geräten im Labor hergestellt werden! Sie sind von den
Apparaturen abhängig und müssten eigentlich ‘Laborgesetze’ heißen, da sie in der Natur
außerhalb der ‘heiligen Hallen’ der Wissenschaft nie vorkommen können. Sir Arhur
Eddington formte dazu ein passendes Beispiel:

“Nehmen wir an, ein Künstler brächte die phantastische Theorie zur Geltung, daß die
Form eines menschlichen Kopfes in einem rohgeformten Marmorblock existiere. Alle
unsere vernünftigen Instinkte erheben sich gegen solch eine anthropomorphe Spekulation.
Es ist unvorstellbar, daß die Natur eine solche Form innerhalb des Blockes angesetzt
haben sollte. Der Künstler geht aber dazu über, seine Theorie durch das Experiment zu
beweisen, und zwar mit einem ganz rudimentären Gerät. Er benützt lediglich einen Meissel,
um die Form für unsere Besichtigung frei zu legen und beweist triumphierend seine Theorie
... Unterscheidet sich das Verfahren des Bildhauers wesentlich von dem des Physikers?
Dieser hat eine Vorstellung von einer harmonischen Wellenform, die er an den
unwahrscheinlichsten Orten sieht, zum Beispiel im unregelmäßigen weißen Licht.
Mit einem Reflexionsgitter statt mit einem Meissel trennt er sie vom übrigen weißen
Licht ab und stellt sie uns zur Besichtigung hin.
(EDDINGTON, SIR, ARTHUR; 1939; Philosophie der Naturwissenschaft; Humbold, Wien, Seite 141-142;)

Wer mehr darüber wissen will, wie in der Wissenschaft Erkenntnisse produziert
werden und konstruiert, anstatt "entdeckt", dem sei das folgende Buch empfohlen:
Knorr-Cetina, Karin; 1984; die Fabrikation von Erkenntnis.
Zur Anthropologie der Wissenschaft, Suhrkamp, Frankfurt.



Über Kreativität.
Jeder Mensch besitzt Kreativität. Sie wird jeweils individuell ausgedrückt und nicht
immer zum eigenen Besten! Wenn das Ego Amok läuft, und Gefühle verachtet werden,
dann wendet sich die ureigene Kreativität zum Nachteil der Person. Aber auch daraus
kann man lernen. Manchmal geht der Lernprozess schnell, bei manchen dauert es länger,
und bei anderen reicht ein einziges Leben nicht dazu aus. Aber besteht ist immer ein Wahl,
um auf die eine oder andere Weise zu handeln!

In kapitalistisch orientierten Gesellschaften wird vom Machtblock die Illusion
erzeugt, dass Handeln die zentrale Aktivität sei, um Erfolg zu haben. Dabei demonstriert
die Realität dieser Gesellschaften genau das Gegenteil. Die Personen die am meisten
Geld zusammen raffen, tun auf materieller Ebene wenig oder gar nichts, um diesen
Reichtum zu legitimieren. Das ist in der Kunstwelt, als Teil kapitalistischer Gesellschaften,
nicht anders. Die Personen, die zur Entstehung von Kunst nichts Konkretes beitragen,
verdienen am meisten; besonders viel dann, wenn die KünstlerInnen sterben!

Nun ist es so, dass der Vorgang der Kreativität nicht dann stattfindet, wenn man
auf der materiellen Ebene etwas tut, sondern nur dann, wenn man gerade nichts tut!
Das heißt aber nicht, dass man die Aussage umkehren darf! Wer nichts tut, ist deswegen
noch lange nicht kreativ! Wer Hunger hat, der isst, wenn er oder sie nicht eines derjenigen
Kinder ist, von denen durchschnittlich alle vier Sekunden eines an Hunger stirbt. Auch hier
gilt nicht die Umkehrung, dass jemand der isst, auch Hunger hat! Sonst gäbe es nicht die
sehr hohe Zahl an Übergewichtigen, und die Millionen Tonnen an Nahrungsmittel, welche
Bewohner der reichen Industrieländer auf den Müll werfen!

Wenn ich Personen treffe, die behaupten, sie seien nicht kreativ, ihnen kämen
keine Ideen, dann gebe ich ihnen den Rat, sie sollen einmal Radio, Fernseher, und alle
Tonquellen im Haus ausmachen, und eine halbe Stunde aufrecht auf einem Stuhl sitzen
und nichts tun! Das "nichts tun" schließt hier auch "nicht-denken" ein! Während die
meisten es anfangs vielleicht noch schaffen 10 Minuten zu sitzen, ohne den Drang
zu spüren aufzustehen und etwas zu tun, vermag kaum jemand nur ein oder zwei
Minuten zu verbringen nichts zu denken! Das Denken ist für Menschen so zwanghaft wie
für den Fisch das schwimmen, oder für den Vogel das fliegen.

Das Denken des Egos ist nur ein kleiner Teil unserer Psyche, und nicht einmal
der wichtigste Aspekt! Andere Anteile der Psyche sind Aufmerksamkeit, die Gefühle des
Leibes, Spontanes Handeln, und das Traumbewusstsein, welches wiederum mehrschichtig
aufgebaut ist. Diese weiteren Bestandteile der Psyche erlauben es, dass wir von dort aus
unser Denken beobachten können! Durch Meditationstechniken lernt man zum Beispiel,
dass durch Übung der Aufmerksamkeit die Tätigkeiten der Gedanken beobachtet werden
können. Man kann beobachten wie sie kommen und gehen. Ergebnisse durch spontanes
Handeln zeigen Inhalte von unbewussten Denkmustern an. Mit den Augen können wir nicht
"um die Ecke sehen", aber mit gut geschultem Gefühl und geschärfter Aufmerksamkeit geht es!

Wer KünstlerInnen bei ihren Aktivitäten beobachtet, sieht nicht Kreativität,
sondern Handlungen, welche die Produkte der Kreativität in materielle Formen fassen.
Aktiv sein, heißt nicht automatisch kreativ sein! Man kann auch stundenlang Löcher in
den Boden graben, und sie danach wieder zuschütten!

Manifestationen der Kreativität können zeitabhängig sein, wie beim Tanz und
der Musik, oder permanent, wie bei Skulpturen, Design, Architektur und Malerei. In
industriellen Gesellschaften wir die Kunst des Träumens überhaupt nicht geschätzt,
ja nicht einmal erwähnt! In manchen nicht-technisierten Kulturen haben Meister des
Träumens hingegen eine hohe soziale Stellung!

Zwischenformen sind beispielsweise die Kunst des Kochens oder der Gärtnerei.
Die kreative Aktivität erfolgt jenseits der materiellen Ebene. Was uns bewusst werden kann,
ist das Endergebnis. Hier ist auch ein Vergleich mit dem Träumen nützlich. In der obersten
Traumschicht erfahren wir Vorgänge und erleben Objekte, deren Symbolik in einer tiefer
liegenden Schicht kreiert wurden. Das heißt logischerweise, dass es eine Ebene geben
muss, welche diese Inhalte erzeugt, und eine weitere dazwischen, welche die erzeugten
Inhalte in Symbole umsetzt! Dort muss man nach der Quelle der Kreativität suchen!

Das bewusste Denken ist sowohl in der Psyche als auch im Gehirn hierarchisch
dem Gefühl untergeordnet. Somit können wir nur das bewusst denken, was zuvor vom
Gefühlsteil der Psyche ausgewählt wurde, um dem rationalen Ego vorgelegt zu werden.
Wenn man also spontan Gefühlen nachgeht, ist man logischerweise den Quellen der
Kreativität näher, als wenn man rationalen Denkmustern folgt!

(FORTSETZUNG FOLGT)

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RE: Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Reali

Beitrag von nicole6 »

Harmonieregeln

Eines der wichtigsten Instrumente zur Untersuchung von Regeln über Harmonien
und Proportionen, sowohl im visuellen, als auch im auditiven Bereich, ist die
Fibonacci-Reihe. Ihren Namen erhielt sie vom italienischen Mathematiker Leonardo di Pisa,
dessen Vater Bonacci hieß, und der Sohn deswegen auch "figlio di Bonacci" genannt wurde,
aus dem sich später der Name "Fibonacci" formte. Im Buch "liber abbaci" beschreibt er das
Liebesleben von Kaninchen und deren Vermehrung. Er wies nach, dass die Zahl der
Nachkommen einer Zahlenreihe folgt, welche heute "Fibonacci-Reihe" genannt wird.
Wie diese Reihe zustande kommt, lässt sich einfach auch an einer Kuh erklären.

Im ersten Jahr haben wir eine Kuh (1). Im zweiten Jahr wird sie trächtig, ist aber
immer noch eine Kuh (1). Dann gebärt sie ein Kalb, sie sind also zu zweit (2). Das Kalb
kann noch nicht gebären, die Kuh aber schon, so haben wir im folgenden Punkt des
Zyklus drei Tiere: die Kuh mit ihrem neuen Kalb, und das Kalb vom Vorjahr (3).
Ein Jahr danach kann das erstgeborene Kalb auch gebären, zusammen mit Mama-Kuh.
Zu den Dreien kommen also 2 Neuankömmlinge: 3+2=5. Ein weiteres Jahr, und wir haben
insgesamt 5+3=8 Tiere. Es ist leicht zu sehen, dass der nachfolgende Wert sich immer
aus den zwei vorherigen zusammen setzt. Die Folge die sich dabei ergibt, sieht dann so
aus:

0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, ..........

Das Besondere daran: der Quotient zweier aufeinander folgenden Elemente nähert
sich bei höheren Zahlen immer mehr einem Wert, der in der Mathematik Phi (?) genannt
wird, und in der Kunst als Goldener Schnitt bekannt ist. Der Wert ist von
Phi ist ? = 1,6180344.......; Wie wichtig diese Zahl ist, erkennt man daran, dass jede Folge,
die aus zwei beliebigen Zahlen den Nachfolger aus der Summe der vorigen Werte ermittelt,
die Eigenschaft hat, dass nach einigen Schritten der Quotient sich immer dem Goldenen
Schnitt nähert! Ein Beispiel dazu. Nimmt man die Zahlen 17 und 108 als Anfangswerte,
so ist die Summe

125. 108+125=233, 125+233=358, 233+358=591, 358+591=949. 591+949=1540.

Brechen wir hier einmal die Folge ab und dividieren die letzten beiden Werte:
1540:949=1,622......;
Bei zwei beliebigen Zahlen ist man also nach nur fünf Schritten vom Goldenen Schnitt nur
zwei Tausendstel entfernt!

Phi ist eine irrationale Zahl, sie lässt sich also nicht durch einen Bruch darstellen,
und die Zahlenreihe hört nie auf und wird auch nicht periodisch. "Rational" heißt hier,
dass man Werte in einem Bruch angeben kann, der im Zähler und Nenner eine
Ganze Zahl hat. Wenn das nicht geht, dann ist der Bruch irrational, das heißt: nicht-rational.

Unter allen irrationalen Zahlen ist Phi die irrationalste. Es ist die einzige Zahl,
welche sich als unendlichen Bruch aus lauter Einsen darstellen lässt: 1/1+1/1+1/1+1/1+......
Im zweidimensionalen Raum erzeugt die Fibonaccireihe eine Spirale, die sogenannte
Fibonacci-Spirale, die es bei Schnecken, Muscheln, Blumen, Früchten, und vielen
Gemüsesorten gibt.

Bild



Trägt man auf einem Koordinatenkreuz Phi gegen Eins auf, so erhält man den
Fibonacci-Winkel mit etwa 58,2 Grad. Bei vielen Pflanzen. z.B. bei der Sonnenblume, sind
am Stängel die Blätter spiralig im 58 Grad Winkel gedreht. Findet man bei Pflanzen
Spiralform vor, so folgt diese meist den Regeln der Fibonacci Reihe.

Es ist kurios, dass die Rotation der Venus, zeitlich gesehen, ziemlich genau der
Fibonacci-Regel folgt! Eine Venusrotation entspricht 243 Erdentage, das sind etwa 3/5 des
Erdenjahres. Fünf dividiert durch Drei ergibt 1,6666..., was schon ziemlich nahe an den
Goldenen Schnitt heran reicht!

Vor ungefähr 50 Jahren wiesen die Mathematiker Kolmogorov, Arnold und Moser
nach, dass zyklische Systeme, die in ihren Frequenzverhältnissen sehr irrational sind,
gegenüber Störungen in ihrer Eigenfrequenz sehr unempfindlich sind. Diese Theorie wird mit
den Anfangsbuchstaben ihrer Erfinder auch KAM-Theorie genannt. "Frequenz" ist ein
anderer Name für einen zyklischen Vorgang. In der Natur sind alle Vorgänge Zyklen
ausgesetzt und unterliegen dabei ständig irgendwelchen Einflüssen = Störungen. Da
irrationale Verhältnisse in Zyklen stabiler sind als rationale, so ist es nur logisch, dass in der
Evolution das irrationalste davon das häufigste wurde!

Ein Beispiel für ein zyklisches System mit rationalem Frequenzverhältnis ist ein
Pendel. Schwingt das Pendel frei, das heißt in seiner Eigenfrequenz, dann kann man es mit
einer geringen Störung anhalten, indem man zum Beispiel das Pendel mit dem Finger
berührt. Ein Pendel ist natürlich ein sehr einfaches zyklisches System. Aber es gibt ja auch
kompliziertere, wie zum Beispiel eine Schlagbohrmaschine, oder ein Motor in einem Auto.
Da der Goldene Schnitt die irrationalste aller Zahlen ist, haben Systeme, welche in
diesem Verhältnis schwingen, die größte Stabilität bei eventuellen Störungen. Deswegen gibt
es den Goldenen Schnitt wahrscheinlich so häufig bei Pflanzen. In ihrem Wachstum sind sie
vielen Einflüssen der Natur ausgesetzt.

Im Hörbereich empfindet man alle diese Proportionen von Frequenzen als
harmonisch. Beim Verhältnis von 1:1 ist der erste und zweite Ton der gleiche. 1:2 (0,5) ist
eine Oktave. 2:3 (0,666....) ist eine Quinte. 3:5 (0,6) ist die große Sext, und 5:8 (0,625) ist die
kleine Sext. Auch der Dreiklang 3:5:8 ist harmonisch. Die zahlenmäßigen Proportionen die
aus der Fibonaccireihe kommen sind also nicht nur sicht- sondern auch hörbar!

Interessanterweise ist die siderische Umlaufzeit der Venus (das ist die Umlaufzeit im
Bezug auf die Fixsterne) mit 224,701 Tagen im Vergleich zur Erde ziemlich genau im
Goldenen Schnitt. Da fehlen nur ein-einhalb Tage um das Erdenjahr voll zu machen:
224,701 Tage x 1.62 = 363,566218.

Unsere Vorfahren wussten das, und benannten diesen Planeten nach der
Liebesgöttin Venus. Als geometrisches Symbol diente dazu auch der fünfzackige Stern oder
das Fünfeck. Manchmal wurde eine Ecke des Sterns offen gelassen, um die Lebenssymbolik
mit der astronomischen Tatsache zu verknüpfen. Ein Beispiel dazu ist Goethes Faust. Um
Mephisto hervor zu rufen, musste Faust einen fünfzackigen Stern auf den Boden malen, bei
dem eine Ecke offen ist!

Das teuerste Buch der Welt, die Gutenberg-Bibel, zwischen 1452 und 1455
gedruckt, ist auch im Verhältnis des Goldenen Schnittes hergestellt worden. Aufgrund des
Formates ist der Satzspiegel genau so hoch wie die Breite der Seite. 1987 hatte ein Käufer
dafür 9,75 Millionen DM bezahlt.

Die Griechen hatten bei ihren Bauwerken vorwiegend den Goldenen Schnitt
verwendet. Als Beispiel für die Verwendung vom Goldenen Schnitt in der Architektur dient im
Folgenden die Konstruktion des Petersdoms. Die Seitenverhältnisse darin weisen überall
den Goldenen Schnitt Phi (?) = 1,618... auf. In der folgenden Grafik findet man Phi hier: ? =
B/A = D/C = C/E = G/F.

Bild



Es ist bekannt, dass der Russe Sergie Eisenstein seinen Stummfilm
"Schlachtschiff Potemkin" im Verhältnis des Goldenen Schnittes aufteilte. Wichtige Szenen
begann er an Zeitpunkten, die er über die Länge des Filmstreifens berechnete.
In einem Artikel von Mike Kay in der Zeitschrift American Scientist (März/April 1996)
wird beschrieben, dass bei der Analyse von Mozarts Sonate bei fast allen Stücken die
Aufteilung nach dem Goldenen Schnitt erfolgte. Heute weiß man nicht mehr, ob er dies
intuitiv machte, oder bewusst. Aber seine Schwester gab einmal an, dass ihr Bruder es liebte
mit Zahlen zu spielen. Über das Thema gibt es auch einen Artikel in "The Mathematics
Magazine" von 1995.

Derek Haylock analysierte 1978 Beethovens Fünfte und fand heraus, dass das
berühmte Thema der Einleitung nicht nur am Anfang und am Ende auftaucht, sondern auch
genau am Goldenen Schnitt. Mit Sicherheit hat Bela Bartòk den Goldenen Schnitt zur
Komposition benutzt. Darüber gibt es Veröffentlichungen von Erno Lendvai (1966, 1971).
Zwischen einem Pentagonstern und dem Goldenen Schnitt besteht ein
Zusammenhang, da die Verbindungslinien sich in den Verhältnissen 3:5:8 teilen, was einem
Teil der Fibonaccisequenz entspricht.

(FORTSETZUNG FOLGT)

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RE: Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Reali

Beitrag von nicole6 »

Vom Sehen, Hören, und den anderen Sinnen

Es ist eine große Illusion zu glauben, dass die Herstellung und Konstruktion von
Skulpturen - und visueller Kunst generell - nur mit dem Sehen zu tun habe! Die Bezeichnung
"visuelle Kunst" ist in gewisser Weise irreführend! Egal was wir mit unseren Augen
empfangen, wir speichern die Seh-Erfahrung immer zusammen mit den Geräuschen und
Klängen welche uns zu dem Zeitpunkt umgeben. Aber nicht nur das, denn der menschliche
Leib speichert simultan auch die Gefühle, Gerüche, den Geschmackssinn, und die Daten
des Gleichgewichtsgefühls. Alle Sinne sind immer aktiv und auch immer wichtig beim
arbeiten, nicht nur in der Kunst, sondern auch im täglichen Leben.

In patriarchalen Gesellschaften legen Männer an der Macht Wert auf physische
Trennung von Personen und Objekten. Deswegen wird in solchen Gesellschaften der
Sehsinn überbewertet, da er Trennung voraussetzt. Der Sinn für Hautkontakte, Geschmack
und Geruch werden hingegen mit sogenannten "weiblichen" Werten versehen, und
abgewertet. Auch der Hörsinn hat in solchen Gesellschaften eine untergeordnete Rolle. Hier
herrscht allgemein das Trennungsparadigma vor. Es besagt, dass es theoretisch und
praktisch möglich sei, dass Objekte vollständig voneinander getrennt sein könnten. Das ist
natürlich kompletter Unsinn! Jede Trennung oder Vereinigung ist immer partial. Vertreter
alter Religionen lehren das seit Tausenden von Jahren. Die Ergebnisse moderner
Wissenschaften haben das im Nachhinein nur noch bestätigt! Einer der überzeugendsten
Versuche dazu ist das sogenannte Einstein-Podolsky-Rosen-Experiment (EPR) mit
verschränkten Elektronen. Doch auch die räumlich unbeschränkte Wirkung der
Gravitationskraft ist ein Beleg dafür, dass es keine totale Trennung von Objekten geben
kann!

.In der Kunst werden ebenfalls Wahrnehmungen durch den Geruch und den
Geschmack meist negiert, obwohl sie im täglichen Leben immer wertvolle und in einigen
Situationen sogar wichtigere Informationen liefern als der Sehsinn! Die Erziehung von
Kindern in patriarchalen Gesellschaften läuft hauptsächlich über die optische Wahrnehmung
ab. Leiblicher Kontakt wird stark tabuisiert, da eine Zuwendung zu diesen "weiblichen"
Sinnen die Machtstruktur der Männerherrschaft ins Wanken bringen würde. Damit hängt
auch die krankhafte verklemmte Einstellung zum Sex zusammen, der ja hauptsächlich durch
direkten leiblichen Kontakt stattfindet. Die wahnhafte Geringschätzung der leiblichen Gefühle
projiziert sich dann auch auf die Berufsgruppe der Sexarbeiterinnen, welche das
befriedigende Stimulieren von Leibesgefühlen als Beruf gewählt haben.

Ein Beispiel zur simultanen Wahrnehmung mehrerer Sinne: beim Schweißen ist der
Sehsinn zweifach stark eingeschränkt. Zum einen arbeitet man mit einem stark verdunkelten
Glas, um die Augen nicht nur gegen die zu hohe Helligkeit des Lichtbogens zu schützen,
sondern auch vor den UV-Strahlen. Zum anderen ist die seitliche Vision durch die Flanken
des Schweißhelms total blockiert! Damit fällt ein wesentlicher Teil der Informationen weg, die
unsere Position im Raum angeben! Als Folge davon hat man bei längeren Schweißnähten
oft das Problem mit dem eigenen Anstand zum Schweißgut. Der kleinste Teil des Auges ist
zum fokussieren da. Der allergrößte Teil hingegen dient zur Orientierung im Raum und zum
Erkennen eigener und fremder Bewegungen.

Egal mit welchem Material man arbeitet, bei der Verarbeitung entstehen Geräusche
und Gerüche. Wir atmen Luft ein, Staub legt sich auf der Zunge ab. Wir fühlen Vibrationen
und Gewicht der Maschinen, Schwingungen auf der Haut, die bis ins Innere der Gewebe
unseres Leibes vordringen. Jeder Teil dieser Informationen ist wichtig, um den Vorgang
beurteilen zu können, mit dem man sich gerade beschäftigt. Um sinnvoll und sicher arbeiten
zu können, ist es also wichtig, keine der Wahrnehmungsarten höher oder niedriger
einzuschätzen als andere! Wenn sich beim arbeiten der Geschmack auf der Zunge ändert,
oder ein seltsamer Geruch steigt auf, und man weiß nicht sofort was das bedeutet, dann
muss man sofort mit allen Aktivitäten aufhören und herausfinden woher das kommt!

Ein Beispiel dazu: im Sommer schweißte ich im Freien und bemerkte einen Geruch
wie verbranntes Gras. Ich dachte sofort daran, dass eventuell ein herabfallender Tropfen von
glühendem Eisen das Gras in Flammen setzte. Ich schaute nach unten, da war aber nichts
zu sehen! Ich schaute herum, aber konnte mit den Augen nichts brennendes sehen. Rings
herum wuchs nur saftig grünes Gras. So dachte ich, dass irgendwo in der Nähe ein Bauer
das Gras unter den Reben abflammte, wie es hier manchmal üblich ist, und arbeitete weiter.
Meine Beine wurden nun zunehmend wärmer. Das führte ich darauf zurück, dass ich mit
dem Rücken zur Sommersonne stand, und der dunkelblaue Overall die Sonnenstrahlen
absorbierte. Doch die Hitze an den Beinen wurde immer stärker, und auch der Geruch von
verbranntem Gras! Als dann noch der Gestank von verbranntem Gummi dazu kam, lief ich
herum, um die Ursache des Brandgeruchs heraus zu finden. Jetzt verschwand sowohl dieser
Geruch, als auch die Hitze an den Beinen! Also musste die Ursache doch dort zu finden
sein, wo ich vorher stand! Aber dort war nichts zu sehen als grünes Gras! So stochere ich
mit einem Schraubenzieher am Boden herum, und plötzlich kam eine Flamme aus dem
Boden! Auch wenn das meiste Gras grün war, gab es viele Gräser bei denen sich schon der
Samen entwickelte und deren Stängel nun austrocknete. Über diese trockene Stängel
breitete sich das Feuer schnell aus. Zum Schweißen habe ich immer einen großen Eimer
Wasser parat. Den konnte ich nun benutzen um das Feuer zu löschen.

Was war geschehen? Einen Monat zuvor arbeitete ich mehrere Tage lang mit Holz,
und es legte sich viel Sägemehl ab. Danach regnete es eine Woche, und das Sägemehl
setzte und verdichtete sich, da ich dort meist mein Auto parkte, und auch viel mit Schuhen
darüber lief. Der Regen lies auch das Gras neu wachsen, und so konnte man die verdichtete
Schicht Sägemehl nicht mehr sehen. Nach der Regenphase hatten wir eine Hitzwelle, das
verdichtete Sägemehl trocknete aus, und man konnte es vom trockenen, und vom Gras
bewachsenen Boden nicht mehr unterscheiden.. Ein herabfallender Tropfen glühendes Eisen
setzte nun das Sägemehl in einen Schmorbrand, der zuerst von meiner Nase, und dann von
den Wärmezellen der Beine wahrgenommen wurde. Als ich dann mit dem Schraubenzieher
im Boden herum stocherte, konnte Sauerstoff an die Hitzequelle gelangen, und ein offenes
Feuer entstand. Das offene Feuer wäre später auch so noch ausgebrochen, wenn ich nicht
nach der Ursache der Wahrnehmungen von Nase und Gefühl gehört hätte!

Eine Skulptur, oder welches Objekt auch immer, nehmen wir anders wahr, wenn
sich der Geräuschpegel ändert, oder wenn damit Klang oder Musik verbunden ist. Die
Wahrnehmung und Bewertung einer beliebigen Statue in einem Museum ändert sich, wenn
gleichzeitig Zirkusmusik abgespielt wird, Opernarien, oder eine Heavy-Metal-Band spielt!
Wenn Klänge, Geräusche, oder Musik nicht die optische Wahrnehmung beeinflussen
würden, dann wäre die Vorschrift, in öffentlichen Museen Stille zu bewahren, unsinnig!
Ein anderes Beispiel dazu sind Nachrichten im Fernsehen. Wenn wir abends den
Apparat einschalten und sehen wollen was in der Welt so geschehen ist, dann erwarten wir
bei der optischen Präsentation der Nachrichten ein gewisses Muster, das im übrigen fast auf
der ganzen Welt gleich ist. Die SprecherInnen sollten formal gekleidet sein, und der
Hintergrund sollte entweder neutral sein, oder es sollte etwas darauf projiziert werden, was
dem Inhalt der auditiven Botschaft entspricht. Die Sprecher dürfen keine Mine verziehen,
wenn sie über abscheuliche Kriegsverbrechen reden, und gleich danach über das Aufsehen,
das eine neue Frisur einer Filmdiva erregte. Den Auftritt eines Staatsmannes oder ein Video
über eine Militärparade mit Zirkusmusik zu hinterlegen, ist tabu. Ebenfalls geht es nicht,
einen Bericht über die Eröffnung eines neuen Kinderspielplatzes mit Beethoven oder
gregorianischen Mönchsgesängen zu garnieren.

Wahrnehmungsprozesse beim Sehen und Hören ähneln sich. Auge und Ohr
enthalten prinzipiell drei Teile. Dem Außenohr und dem Hörkanal entspricht beim Auge die
Schicht aus Stäbchen und Zapfen. Auch im Auge wird die einkommende Information durch
Stäbchen und Zäpfchen beim Übergang von der ersten zur zweiten Schicht umgewandelt. Im
Innenohr ist die Hörmuschel mit Flüssigkeit gefüllt. Ausgestreckt würde das Schneckenorgan
etwa 3 cm lang sein. Auf der Innenseite befinden sich etwa 20000 haardünne Nervenzellen
unterschiedlicher Länge. Wenn eine dieser Zellen von einer durchgehenden Welle in der
Eigenfrequenz erregt wird, schwingt sie heftiger als sonst und gibt dann ein Signal ans
Gehirn ab. Phasendifferenzen vom rechten und linken Ohr geben dem Gehirn die
Möglichkeit die Richtung des Schalls zu errechnen.

Bild


Sehen und Erkennen sind zwei unterschiedliche Prozesse. Das Sehen an sich ist
vollkommen unbewusst! Wir können uns nicht bewusst machen wie wir sehen!. Bei der
Wahrnehmung hängt unser Bewusstsein von einer höheren Instanz ab: von der
Gefühlsebene. Die Ebene der Gefühle ist übrigens in der Gehirnhierarchie die höchste
Instanz! Ihr ist auch die Rationalität untergeordnet! Die Rationalität des Egos kann keine
Entscheidungen treffen. Diese werden immer und nur auf der Gefühlsebene getroffen! Dem
Gefühl nicht zu folgen garantiert Probleme! (Antonio R. Damasio 2004, Luc Ciompi 2002).

(FORTSETZUNG FOLGT)

Spitfire969
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Beitrag von Spitfire969 »

Nicole, ich glaube, Du hast einen neuen Leser gewonnen!
Mich fasziniert Dein ungeheuer breites Wissen und die Fähigkeit, das in wohlgeformte Sätze zu kleiden. Ich beschäftige mich (unter anderem) schon länger den Strukturen der Natur. Angefangen hat es mit Fraktaler Geometrie (Benoin Mandelbrodt). "Baupläne" von Muscheln, Farmen, Radiolarien etc. interessieren mich.
Freue mich über weitere Leseproben. Wenn das Buch rauskommt, gibst Du bestimmt den Titel zum bestellen durch.
Danke für die Inspiration!
Zuletzt geändert von Spitfire969 am 26.07.2014, 17:53, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von nicole6 »

ciao Spitfire969,
zu fraktaler Geometrie komme ich noch.
Ich werde dazu das einfachste Modell vorstellen, das es dazu gibt,
um den Prozess allen Lesern transparent zu machen.
Als Grundlagen braucht man dazu nur das 1 x 1,
und nicht einmal das! die Zahlen Null und Eins genügen!

Nicole

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RE: Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Reali

Beitrag von nicole6 »

Wahrnehmung und Erinnerung

Im Gehirn werden Erinnerungen nicht wie Schrift in Büchern oder in Energiemuster
auf Tonbändern gespeichert, sondern sie müssen jeweils wieder neu rekonstruiert werden!
Es gibt also keine Bereiche im Gehirn, in denen alle unsere Erlebnisse wie in einem Archiv
abgelegt sind. Die Konstruktion der Vergangenheit ist von gegenwärtigen Emotionen geleitet
und ändert sich dementsprechend, wenn die Inhalte der Gefühle sich ändern. Da macht es
keinen Sinn zu sagen: 'aber die richtige Vergangenheit ist unverändert' !

Nun macht (fast) jede Person die Erfahrung, sich an mindestens eine Vergangenheit
zu erinnern. Doch diese Erinnerung ist nicht statisch. Der Wissenschaftler B.S. Aaronson
zeigte durch Hypnoseexperimente, dass sich die Vergangenheit von Personen nachhaltig
ändern lässt. Dazu sammelte er zuerst die drei frühesten bewussten Ereignisse, an die sich
Personen erinnern konnten und notierte sie. Dann wurde die Person hypnotisiert und durch
eine Regression in die Zeit zurückversetzt, in der sie negative Erfahrungen gemacht hatten.
Sie mussten dann das Ereignis nochmals durchleben, aber das Ende des Geschehens
wurde durch die Experimentatoren geändert.

"Anfangs schüchtern, unsicher und mit dem Wunsch zu gefallen, wurde er nun
aggressiv und selbstbewusst. Er hatte einen scharfen Sinn für seinen Wert und seine
Rechte. Seine Ergebnisse in einer Testserie die er vor und nach dem Wiedererleben früherer
Erinnerung machte, waren völlig verschieden. Als wir ihn baten seine frühesten drei
Erinnerungen niederzuschreiben, erzeugte er drei von der ersten Version völlig verschiedene
Erinnerungen ... Er setzte sich heftig zur Wehr, als die Zeit kam ihm seine Erinnerung in die
vorige Form zu wechseln." (AARONSON, BERNARD, S.; 1972; Time,Time stance and
Existence.; in: The Study of Time, Springer, Berlin, Seite 297-298)

Insgesamt hatte Aaronson´s Versuch 7 Stufen. In der ersten wurde den Leuten die
Vergangenheit weghypnotisiert. Die zweite Bedingung hieß 'keine Gegenwart', gefolgt von
'keiner Zukunft' , 'keine Vergangenheit und Gegenwart', 'keine Vergangenheit und Zukunft'
und 'keine Gegenwart und Zukunft'. Zusätzlich gab es eine Kontrolle. Als Kontrast dazu
wurden die folgende Bedingungen hypnotisch vermittelt: (1) 'ausgedehnte Vergangenheit',
(2) 'ausgedehnte Gegenwart', (3) 'ausgedehnte Zukunft', (4) 'ausgedehnte Vergangenheit
und Gegenwart', (5) 'ausgedehnte Vergangenheit und Zukunft', (6) 'ausgedehnte Gegenwart
und Zukunft' und wie zuvor eine Kontrolle.

Zusammengefasst waren die Ergebnisse wie folgt. Je ausgedehnter ein Zeitbereich
bewusst erfasst wird, um so positiver wirkt es sich auf die Psyche aus. Am katastrophalsten
war der Effekt mit 'keiner Gegenwart', bei der genau das simuliert wurde, was angeblich laut
den Theorien der Physiker seit Aristoteles sein soll: eine nichtexistente Gegenwart auf Null
zusammengeschrumpft! Bei einem Probanten musste der Versuch sofort abgebrochen
werden, weil er Anzeichen von Todesstarre zeigte. Die anderen wurden schwer depressiv,
kindisch und feindselig. Die Kontrollperson die hypnoseresistent war, zeigte eine natürliche
Aggressivität. "Er fühlte, daß man gewalttätige Aktionen starten müsse, um Leben in einer
Welt zu bezeugen, die es ihm verwehrte." (ebd. Seite 302). Vergleichbar mit dem Effekt von
'keine Gegenwart' ist der von 'Keine Vergangenheit, keine Zukunft'. Nur dass die
Auswirkungen noch gravierender ins Negative rutschten.

Unrsula Cornehls untersuchte ab 1957 im Abstand von 2 Jahren eine Gruppe von
Erwachsenen und fragte sie über ihre Kindheitserinnerungen. Sie fand heraus, dass
Erinnerungen mit zunehmendem Abstand von der Gegenwart unschärfer wurden, wobei die
zeitliche Abfolge von Ereignissen verloren ging. Die Inhalte hingen dabei von den beteiligten
Gefühlen ab (CORNEHLS, URSULA; 1957). Die Vorstellungen was Vergangenheit 'zu sein hat',
sind anerzogen und werden in der Kindheit vor allem durch die Eltern geprägt.
Otto Joachim Grüsser untersuchte sowohl im visuellen wie auch im auditiven
Bereich die emotionale Abhängigkeit des Zeitgefühls (OTTO-JOACHIM GRÜSSER; 1983),

welches offensichtlich nur in der Gegenwart stattfinden kann, was für jedes Gefühl und jeden
Gedanken gilt. Er zeigte auch, dass in die zeitliche Strukturierung der Gegenwart nicht nur
Erinnerungen aus der Vergangenheit einfließen, sondern auch aus der Zukunft, wo sie
allerdings eine andere Bezeichnung haben und 'Erwartungen' genannt werden.
"Die Bedeutung eines Wortes innerhalb eines längeren Satzes ändert sich unter
Umständen durch Wörter, die im Satz oder Nebensatz sehr viel später gehört oder gelesen
werden. Die zeitliche 'Rückwärtskorrektur' der Wortbedeutung erfolgt in der Regel jedoch
völlig automatisch ... Aufmerksame Wahrnehmung enthält immer auch einen
Erwartungswert, der durch die Bewertung des gerade Wahrgenommenen durch frühere
Erfahrung (Gedächtnis) entsteht. Etwas vereinfachend kann man sagen, daß während der
psychischen Präsenzzeit immer auch unmittelbar Zukünftiges erwartend mit berücksichtigt
wird." (eben da. Seite 101).

Die Zeitdistanz welche benötigt wird um einzelne Elemente in einer ausgedehnten
Gegenwart zu integrieren, wird von Grüsser mit etwa 20 Sekunden angegeben. Dieser Wert
kann für KünstlerInnen interessant sein, welche sich mit Performances beschäftigen, und mit
Klanginstallationen.

Besonders im Bereich der unbewussten, unterschwelligen (subliminaren)
Wahrnehmung lässt sich zeigen, wie Erinnerungen die Wahrnehmung beeinflussen. In
kontrollierten Laborstudien, die 1970 vom Psychologen Anthony Marcel durchgeführt
wurden, konnte man zeigen, dass eine Entscheidung auf eine Anregung hin erleichtert wird,
wenn dieser einem Reiz folgt, der in der gleichen Kategorie angesiedelt ist. Im Experiment
sollten Personen entscheiden ob eine Buchstabenreihe ein Wort darstellt (z.B. Doktor, Brot,
Auto) , oder ein Nicht-Wort (z.B. Tokdor, Trob, Aotu). Wenn vorher ein Wort präsentiert
wurde das inhaltlich in die gleiche Kategorie gehört, wie z.B. - Krankenschwester, ...., Doktor,
- dann wurde das Wort schneller von einem Nicht-Wort unterschieden. Und das geschah
auch, wenn der inhaltlich zugehörige Begriff unterhalb der Hörschwelle präsentiert wurde! (A.
E. Kazdin (Ed.), 2000). Auch nachfolgende Studien haben dies bestätigt.

Optische Wahrnehmung ist demnach nicht nur die Verarbeitung von Informationen
welche das Gehirn durch das Auge erhält. Optische Wahrnehmung ist auch damit
beschäftigt Erwartungen mit dem abzugleichen, was das Auge empfängt! Das hat als direkte
Konsequenz, dass Erwartungen unsere Wahrnehmung beeinflussen. Das betrifft nicht nur
das Alltagsleben, sondern natürlich auch die Kunstszene!

Unser Gehirn reagiert auch nicht auf alle Informationen aus dem Auge gleich
intensiv. So werden z.B. in der oberen Schicht der Augen schräge Linien im 45 Grad-Winkel
intensiver wahrgenommen als Linien die parallel zu den Augenpaaren liegen. Das ist auch
eine Tatsache, die für die künstlerische Gestaltung von Objekten wichtig ist.

Die meisten Menschen glauben, dass beim Sehen nur Information vom Auge zum
Gehirn läuft. Aber es gibt auch eine Menge Informationen, die vom Gehirn aus zum Auge
laufen, und zwar doppelt so viele! Für jedes Axon das vom Auge aus Informationen zum
Thalamus führt, der diese dann an den visuellen Cortex weiter leitet, gibt es zwei Axone vom
Gehirn zum Thalamus, welche die Rohdaten vom Auge modulieren! Wir sehen in der Kunst
also nicht nur dasjenige, was unser Gehirn meint, was dort draußen sein soll! Somit ist der
Inhalt von dem, was vom Auge aus zurück läuft nicht der Inhalt des Sehvorganges, sondern
eher der Unterschied von der Außenwelt zu dem was unser Gehirn erwartet, was in der
realen Welt sein sollte. Was wir erfahren, ist eine gemischte Wahrnehmung mit Teilen aus
der materiellen Welt und Teilen aus den Erwatungen. Wenn ein "Kunstexperte" also eine
Skulptur betrachtet, dann gleicht sein Gehirn die optischen Daten mit den Erwartungen aus
der Zukunft, und den Erinnerungen der Vergangenheit ab, und das Gefühl sendet diese
gefilterten Informationen zum rationalen Bewusstsein zur "Betrachtung".

Im Gehirn eines streng religiöser Klerikers läuft das gleiche mentale Programm ab.
Da hier aber die Erwartungen und Erinnerungen sich vom Kunstexperten unterscheiden,
"sehen" beide etwas völlig unterschiedliches, obwohl das physische Objekt identisch ist!
Objekte die wir noch nie gesehen haben sind schwieriger zu erkennen als bekannte
Objekte, obwohl sie fürs Auge gleich deutlich erscheinen. Wenn das Neue einmal erkannt ist,
dann wird es Teil der Erwartungshaltung und wir können es nicht mehr "nicht-sehen"!
Ein Beispiel dazu folgt unten. Es ist ein Ausschnitt eines Gemäldes. Die Personen
darauf bilden 4 Frauengesichter. Es mag eine Weile dauern bis man alle erkennt. Einmal
erkannt, kann sie nicht mehr "nicht-sehen"!

Bild

Wenn wir danach ein zweites Bild dieser Art sehen, dann ruft unser Gehirn aus
seinem Speicher die vorige Erfahrung hervor, und man sieht solche Strukturen viel schneller.
Im folgenden Ausschnitt eines Gemäldes bilden die Personen und Objekte darauf 7
Frauengesichter.

Bild



Das Gehirn hat einen Bereich, der nur zur Gesichtserkennung da ist. Diese
Fähigkeit ist unabhängig vom Erkennen der Umwelt, und sie kann auch separat verloren
gehen, ohne dass andere Bereiche des Gehirns damit ins Spiel kommen. Personen die
davon betroffen sind, können alles sehen, sie können auch Gesichter sehen, nur eben keine
Gesichter erkennen! (Pöppel, Ernst, 1993). Wenn so eine Person mit ihrer Familie
zusammen lebt, dann sind sie wie Fremde, auch wenn die Person sie tausendmal gesehen
hat. Diese Sensibilität des Gehirns auf Gesichtserkennung ist auch der Grund dafür, warum
man in abstrakten und gegenstandslosen Mustern so leicht ein "Gesicht" zuerkennen glaubt!

Um aus den Milliarden von Sehdaten diejenigen auszuwählen die für den Moment
notwendig sind, benutzt das Gehirn als Selektionskriterium das Gefühl. Die momentanen
Gefühle steuern die Aufmerksamkeit auf die Objekte, der Rest wird vom Ego-Bewusstsein
ignoriert, aber vom unbewussten Teil der Psyche trotzdem wahrgenommen. "Gefühlsloses"
Sehen gibt es nicht! Es ist a eine Illusion. Das zeigte sich auch an Patienten mit
Augenschäden aus dem Vietnamkrieg. Bei Rehabilitierungsprogrammen konnten Soldaten
ihr Sehvermögen erst verbessern, wenn sie bei Übungen über den Ermüdungszustand
hinaus, oder sogar bis zur Erschöpfung geführt wurden. Erst dann befreiten sie sich von
verdrängten Gefühlen welche bis dahin den Heilungsvorgang der Augen blockierten.

Bei Depressionen ist die Fähigkeit Farben zu unterscheiden, gestört, wie
Untersuchungen der Universität Regensburg zeigten. Betroffene Personen sollten
Farbflächen mit verschiedenen Farbwerten in ein zweidimensionales Muster legen. Dabei
lagen die Fehler auf der Blau-Gelben Achse wesentlich höher als bei der Rot-Grünen Achse.
(Meißner / Aschenbrenner / Tucha / Zwisler / Eichhammer / Klein / Lange; 2005).

Beim Hören ist der Anteil der Gefühle bei der Wahrnehmung ungleich höher. Die
ganze Film- und Fernsehindustrie hängt davon ab. Ein Film ohne Ton braucht schon
außerordentlich starke Inhalte um Zuschauer zu interessieren, und selbst das geht nicht über
einen längeren Zeitraum. Klänge sind nicht beliebig. Jede Art von Geräusch und Musik
erzeugt bei Zuhörern Gefühle, sei es Zustimmung, Ablehnung, Begeisterung oder Abscheu.
Geräusche sind mit emotionalem Gehalt verknüpft. In gewisser Weise werden durch einen
entsprechenden Sound die beabsichtigten Gefühle im Film erst erzeugt, da in nur sehr
wenigen Fällen das Bildmaterial dazu geeignet ist ohne Klänge und Sound die vom
Filmemacher beabsichtigte Reaktion beim Betrachter hervorzurufen. Ein Film von Sergio
Leone , oder Stanley Kubricks Film "2001", erhalten erst durch den Sound die Stellung,
welche sie in der Filmgeschichte haben. Almdudlerklänge oder eine Bayerische Blaskapelle
mit Südtiroler Jodlern würden den ganzen Film für die Betrachter wertlos machen.

Eine Besonderheit der Sehwahrnehmung ist die Entfernungsbewertung von Farben.
Blau wird mit "weit weg" und "unerreichbar verknüpft. Das hat evolutionäre Gründe. Blau ist
erfahrungsgemäß mit der Farbe des Himmels verbunden. Berge die weiter weg sind,
erscheinen immer blauer als Berge in der Nähe, egal welche Farbe die Berge in der Nähe
haben, da zwischen dem Beobachter und den weiter weg liegenden Gebirgen mehr blaue
und feuchte Luft dazwischen liegt. Damit häng auch wohl zusammen, dass Autoritäten sich
eher blau kleiden als rot, um autoritäre Distanz zu symbolisieren. Auch die Polizei benutzt
blaues Blinklicht, obwohl sicherheitstechnisch gesehen grünes Warnlicht viel besser wäre,
weil die höchste Empfindlichkeit des menschlichen Auges im gelb-grünen Bereich liegt, und
somit eher und weiter gesehen werden kann!

Rote Farben tauchen in der Natur eher selten auf, und meist nur im Nahbereich.
Rot hat somit den Wert von "nahe". In patriarchalen Gesellschaften wird die Farbe rot von
Männern vermieden, weil sie selbst diese Farbe vor nicht zu langer Zeit den Frauen
zugeordnet haben. Die Farbe Grün liegt in der Entfernungsbewertung zwischen Blau und
Rot. Diese Bewertung der Farben ist ein Grund dafür, warum man selbst in
gegenstandslosen Gemälden "Tiefe" sehen kann. Ein anderer ist, dass dunkle Stellen intuitiv
als "Schatten" interpretiert werden, und helle Stellen als hervortretende Objekte.
Bei drei vertikalen Punkten wird der untere als näher empfunden. Auch dies hat
einen logischen Grund in der Evolution und in der Optik: schauen wir auf einen Baum, ein
Haus, oder einen Berg, auf dem drei Stellen in gleichem Abstand liegen, dann ist uns
notwendigerweise der unterste Punkt am nächsten, und der oberste am fernsten! Ein Objekt,
auf dem drei Punkte gleich weit entfernt sind, müsste sphärisch auf einem zu uns hin
gekrümmten Bogen liegen, wobei wir dann noch im Mittelpunkt des Krümmungsradiusses
stehen müssen. So ein Objekt kann in der Natur eine Höhle sein, aber nie ein Objekt mit
linearer Struktur!

1792 beschrieb Johann Wolfgang von Goethe, wie Schatten, die an sich grau
erscheinen sollten, farbig waren. In gewisser Weise entspricht das einem Residualeffekt
beim Hören, bei dem nicht wahrgenommene Informationen vom Gehirn durch Erzeugen von
zusätzlichen Daten ergänzt werden. Hier erkennen wir wieder den oben beschriebenen
Vorgang, dass von außen kommende Informationen nie direkt ins Gehirn gelangen, sondern
erst mit Erinnerungen und Erwarten abgeglichen werden, bevor sie vom Gefühl an den
rationalen Teil des Bewusstseins zur Kenntnisnahme vorgelegt werden! Bei Versuchen in
diesem Bereich, bei denen Farbfelder in Umgebungsfelder eingebettet wurden, zeigte es
sich, dass es bei roter oder pinkfarbener Umgebung am wenigsten zur Induktion von
farbigen Schatten kommt. In der Nacht ermüden Augen bei roter Farbwahrnehmung am
wenigsten, was einige Autohersteller dazu brachte, das Armaturenbrett mit rotem Licht zu
beleuchten. Bei anderen Farben bewegte sich die Sättigung der induzierten Farbe zwischen
50% und 70% der Umfeldfarbe.

Die Erklärung der Forscher darauf ist, dass das visuelle System auf das ganze
Gesichtsfeld mit entsprechenden Farbkorrektionen reagiert. Ist das Umfeld viel heller als das
Zentrum, dann dient das Umfeld als Referenzfläche. Wird nun die Innenfläche heller
gemacht, dann nimmt das Gehirn als Bezugsfläche den Innenbereich. Im Verhältnis dazu
wird die Farbwahrnehmung der anderen Farben festgelegt. Somit wird die Erscheinung von
farbigen Schatten als ein Spezialfall der Farbkonstanz angesehen. (Kallmann, Anatol Julian /
Schramme Jürgen / Neumeyer, Christa; 2005).

Wer mit dem Winkelschleifer an rotem Sandstein arbeitet, muss dabei eine
Staubmaske tragen und eine Schutzbrille. Dadurch wird das Gesichtsfeld stark
eingeschränkt. Bei längeren Arbeiten erscheinen dann vor dem Auge grüne Felder, und vor
allem die Schattenpartien erscheinen grün. Das liegt darin, dass die Sehzellen sehr einseitig
die Chemikalien verbrauchen, die zum Sehen von Rot notwendig sind. Wenn dann die
Aufnahmefähigkeit sich für Rot reduziert, sieht man die Komplementärfarbe grün. Einen
ähnlichen Effekt hat man, wenn man eine Minute auf ein grell rotes Feld starrt, und gleich
danach auf eine weiße Fläche, dann sieht man auch grün.

Wie man in der folgenden Abbildung sieht, erscheint uns der gleiche Grauwert
innerhalb einer hellen Umgebung dunkler als in einer dunklen Umgebung. Das liegt daran,
weil für das Gehirn der Referenzwert immer die hellere Fläche ist. Im linken Teil der
Abbildung ist der hellere Teil der Innenkreis, im anderen Fall ist es das Einbettungsquadrat.
Damit wir uns in der Welt bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen zurecht finden, ist der
absolute Wert der Lichtintensität drittrangig. Ob wir den linken Teil der Abbildung unten als
Blick aus einer Höhle betrachten, oder als Blick zum Vollmond, kann nur der Kontext
bestimmen!

Bild

Der unten dargestellte doppelte Grauwerteverlauf erzeugt im Gehirn die Illusion
einer gebogenen Fläche, bei der es kurz vor er Biegung zu einem leichten Glänzen kommt.
Der Helligkeitsverlauf ist jedoch konstant abnehmend!

Bild

(FORTSETZUNG FOLGT)

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Beitrag von friederike »

Liebe Nicole6,

herzlichen Dank für Deine sehr hilfreichen und erhellenden Berichte! Du kannst toll erklären…

LG,
Friederike

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RE: Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Reali

Beitrag von nicole6 »

Zyklen bei Ton und Farben

Die Zyklen im Audiobereich sind offensichtlich die Oktaven, wobei sich jeder Ton auf
einer höheren Frequenz wiederholt. Wenn nun eine Oktave der Verdoppellung der Frequenz
entspricht, dann entspricht das Frequenzspektrum des menschlichen Auges ebenfalls einer
Oktave, da der wahrnehmbare Bereich von etwa 400 Nanometer bis etwa 800 Nanometer
geht. Doch es gibt noch ein anderes Phänomen, um von einer Oktave beim Licht zu
sprechen. Mischt man die Farben Rot und Gelb, so sieht man als Ergebnis Orange. Die
Farbe Orange liegt frequenzmäßig auch zwischen Rot und Gelb. Mischt man die Farben
Gelb und Blau, so erhält man Grün. Auch hier liegt die Mischfarbe frequenzmäßig zwischen
den Originalfarben. Mischt man jedoch Blau und Rot, so ist die Mischfarbe nicht Gelb
welches als Farbe dazwischen liegt, sondern Violett! Und Violett liegt oberhalb von Blau und
hat eine höhere Frequenz als Blau. Dieses Phänomen lässt sich auf einer linearen Skala
nicht erklären, sondern nur auf einer zyklischen.

Bild

Bild



Auch die Rhythmen der Gehirntätigkeit stehen zueinander im Oktavenverhältnis.
Von der langsamsten Aktivität an, den Deltawellen, über Theta- und Alfa- bis zu den
Betawellen verdoppelt sich der Mittelwert der Hirnfrequenzen.

Bild





Wahrnehmung erfolgt innerhalb Zeitfenster

Wenn wir Kunst- oder Gebrauchsobjekte herstellen, dann unterliegen diese einem
Zweck, ansonsten wären sie sinn- und zwecklos! Bei der Ausgestaltung des Objektes ist es
somit sehr hilfreich, wenn wir uns bewusst machen, wie unsere Kreationen von anderen
Personen wahrgenommen werden. Die Aussage hier heißt aber nicht, dass diese
Wahrnehmung auch ins Bewusstsein dringt! Hier wird die Tatsache beschrieben, dass wir
die Objekte vor uns unterschiedlich beurteilen, je nachdem ob sie sich vor uns auf der
rechten oder linken Seite befinden. Das gilt sowohl für die optische, wie auch auditive
Wahrnehmung.

Damit es zu keinen Missverständnissen kommt, gilt es die Begriffe "sehen",
"wahrnehmen" und "bewusst" zu klären, da in der Umgangssprache diese Worte oft als
gleichwertig angesehen werden. Das Auge empfängt Licht (Photonen). Aber Licht kann man
weder sehen noch fotografieren! Was als "Licht" bezeichnet wird, ist das Resultat der
Vernichtung der Photonen in Reaktion mit den Sehzellen oder der Photoschicht der Kamera.
Das ist so, als ob man behaupten würde, das Betrachten einer Salami könnte Rückschlüsse
darauf zulassen wie das lebende Tier ausgesehen hat! Im Auge wird das Resultat dieser
Photonenvernichtung noch mehrfach umgewandelt, bevor es über den Thalamus geleitet
wird. Der Thalamus verändert dann diese visuellen Daten durch Informationen die von
anderen Teilen des Gehirns kommen, und sendet diese Manipulationen zum Sehzentrum.
Das Gefühl verarbeitet diese Kombinationen und gibt ans Bewusstsein die Informationen
weiter, die dann "gesehen" werden sollen. Die restlichen, ebenfalls gültigen Informationen
bleiben demnach dem Ego-Bewusstsein verborgen!

Es gibt eine bestimmte Form von Blindheit, bei der die Betroffenen zwar bewusst
nichts sehen, aber trotzdem erraten können, welche Form eine Lichtquelle vor ihren Augen
hat! "Sehen" und "wahrnehmen" sind also getrennte Vorgänge.
Um über Wahrnehmung forschen zu können, wurde der Begriff "Zeitfenster"
eingeführt. Dieser Begriff basiert darauf, dass jede Wahrnehmung in einer Art von
"ausgedehnter Gegenwart" stattfinden muss, in der wir sehen, hören, fühlen, schmecken und
riechen, und die Balance halten! Musik braucht eine ausgedehnte Gegenwart, ansonsten
könnte man nur Sequenzen einzelner Töne hören, und keine Melodie, da nach dem
Verklingen eines Tones der folgende Ton vollständig in sich isoliert wäre, und die
Verbindung mit den Folgetönen wäre weg.

Nach gesicherten Ergebnissen der Physik gibt es eine minimale Grenze sowohl für
die Energie, wie auch für Zeit und Raum. Im Bereich der Sozialwissenschaften kennt man
ein Gegenwartsfenster, das etwa einen Bereich von 3 Sekunden umfasst, wie
Forschungsergebnisse von Margret Schleidt, Ernst Pöppel und Irmgard Feldhütter zeigen.
Sie untersuchten bei 14 Sprachen die Zeiteinheiten beim Vortragen von Gedichten (Schleid
M. / Eibl-Eibesfeldt / E. Pöppel, 1997).

Bei gestörter Wahrnehmung gibt es auch größere Zeitfenster. So lebt der
Amerikaner Boswel seit 1975 auf einer 40-Sekunden-Insel eines Zeitozeans. Eine
Hirnhautentzündung unterbrach in seinem Gehirn die Verbindung von Erfahrungen in der
Gegenwart mit der neuen Vergangenheit. Alles, was er nach 40 Sekunden zu sehen und zu
hören bekommt, ist wieder neu für ihn (Spiegel 10/1992, Seite 228). 1960 übte ein
Luftwaffenrekrut in San Diego mit seinem Stubengenossen fechten, wobei ihm das Florett
durch die Nase ins Hirn traf. Seither steht für ihn die Zeit still. Er glaubt sich immer noch im
Jahr 1960 und lebt in der Welt von Eisenhower und Elvis Presley (Spiegel 10/1992, Seite
224).

Der Zeitforscher Dobbs (DOBBS, H., A., C.; 1972 ) weist darauf hin, dass eine exakte
Trennung zwischen Gegenwart und Vergangenheit nie möglich ist. Man kann nie wissen
wann Wahrnehmung aufhört und Erinnerung anfängt. Erinnerungen und Erwartungen dienen
nämlich dazu, die einkommenden Sinnesdaten zu interpretieren, und geben der
Wahrnehmung deswegen erst ihren Sinn! Und ohne Sinn kann ein Mensch nicht sinnvoll
reagieren. Somit reagiert man anders wenn ein Ei zum Tischrand rollt, als wenn es ein
Tennisball ist. Und wenn ein Münchner eine Bierflasche über den Tisch rollen sieht, dann
reagiert er anders wenn sie leer ist, als wenn sie voll ist.


Wahrnehmung erfolgt in Quanten

Unterhalb einer Differenz von 0,003 Sekunden hört man bei zwei Signalen nur einen
Ton. Bei Hautreizen ist das Zeitfenster etwa 0,01 Sekunden und beim Sehen mindestens
0,02 Sekunden. Demnach hat bei einer gegebenen Reizsituation das akustische System die
beste, und das visuelle die schlechteste zeitliche Auflösung.

Ernst Pöppel zeigte bei Experimenten, dass zwar die Gleichzeitigkeit bei Auge, Ohr
und Gefühl unterschiedliche Werte aufweist, dass aber die Spanne gleich ist, um zwischen
einem ersten und einem zweiten Signal unterscheiden zu können: 0,03 Sekunden. Erst ab
diesem Wert bekommt Zeit eine Richtung (Pöppel, Ernst, 1993; Seite 72)! Hier wird deutlich,
dass Zeit und Zeitrichtung nicht gekoppelt sein müssen! Die meisten Leute meinen, dass der
Begriff "Zeit" immer schon die Richtung mit einschließt. Aber hier sieht man, dass das nicht
sein muss. Schreibfehler auf der Tastatur, bei denen Buchstaben in der Reihenfolge
vertauscht werden, haben hier ihre prinzipielle Ursache. Wenn die Tippgeschwindigkeit sehr
hoch wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Anschlagsfolge unter den Wert von 0,03
Sekunden kommt, und man betritt somit in den Bereich der richtungslosen Zeit, und kann
nicht mehr unterscheiden welche Taste als erste oder zweite gedrückt wurde!

Die zeitliche Ordnung von Ereignissen wird nicht per se wahrgenommen, sondern
entsteht erst durch eine Konstruktion im Gehirn, was bei Patienten mit Sprachstörungen
festgestellt wurde, welche 0,08 Sekunden brauchten, um eine Zeitrichtung festzustellen.
Nach Pöppel wird dadurch die Sprechgeschwindigkeit an die zeitlichen Möglichkeiten des
geschädigten Gehirns angepasst (Pöppel, Ernst, 1993; Seite 7).

Somit ist der Hörvorgang nicht kontinuierlich, sondern erfolgt in Quanten von 0,03
Sekunden. Dieser oszillatorische Prozess synchronisiert die neuronalen Aktivitäten im
Gehirn, um ein "Gleichzeitigkeitsmuster" hervorzurufen. Entscheidungen fallen also nicht zu
einem beliebigen Zeitpunkt, sondern nur zu "Quantenpunkten" der Hörzeit. Der natürliche
"Hörtakt" bei Menschen ist somit drei hundertstel Sekunden. Die ersten drei hundertstel
Sekunden nehmen wir Informationen über das Ohr auf. Dann sind wir für weitere drei
hundertstel Sekunden taub, weil die Information nun verarbeitet wird, und die Person kann
dann entscheiden ob und wie sie auf diese Reize regieren soll oder nicht.

Experimentell wurde die Quantisierung des Sehens so nachgewiesen, indem man
auf einem Bildschirm zwei flackernde Punkte zeigte. Bei Frequenzen unter 15 Hertz sieht
man zwei hin und her springende Punkte. Danach sieht man ein Flackern von zwei Punkten.
Aber wenn man bei dreihundert Hertz angekommen ist, dann ist nur noch ein Punkt zu
sehen. Welcher Punkt das ist, das hängt davon ab, zu welchem Moment man im Versuch bei
den dreihundert Hertz angelangt ist. Der Grund dafür ist, für weitere 0,03 Sekunde ist das
Auge "blind". Es ist die Zeitperiode in der die Information zum Gehirn gesendet wird. In
dieser Zeitspanne blinkt dann der zweite Punkt auf, der aber nicht wahrgenommen werden
kann. Und wenn das Auge wieder sieht, dann ist der erste Punkt wieder angesteuert.

Der Forscher Bruce Brigeman stellt bei Versuchen in Stanford fest, dass die
Gehirnzellen problemlos einer Bildschirmfrequenz von 120 Hertz folgen konnten, obwohl das
Bewusstsein nichts davon erfährt. So stellte er sich die Frage, warum brauchen dann Leute
beim Lesen von Bildschirmtexten länger, als beim gleichen Text auf Papier?

Die Wahrnehmungslücken werden vom Gehirn ausgefüllt. Zudem noch zerstückeln
die Sakkaden weiter die visuelle Wahrnehmung. "Sakkaden" ist der wissenschaftliche
Ausdruck für schnelle Zickzack-Bewegungen des Auges beim Sehen. Im Bewusstsein
kommt davon nichts an, da unser Gehirn die einzelnen Bruchstücke zu einem ruhigen
Wahrnehmungsbild zusammensetzt. Dies hat zur Folge, dass bei Bildschirmen mit einer
Frequenz von 50 oder 60 HZ die Lesegeschwindigkeit langsamer ist als der gleiche Text in
gedruckter Version. Da der Text auf dem Bildschirm immer wieder neu aufgebaut werden
muss, findet das Auge bei den Zick-Zack-Bewegungen oft leere Plätze vor, und muss dann
warten, bis der Text wieder erscheint. Das führt zu Ermüdungserscheinungen, da die
Sprünge der Augen nicht mit der Bildschirmfrequenz synchronisiert sind (Bruce Brigeman;
1993). Wenn allerdings die Bildschirmfrequenz auf über dreihundert Hertz angehoben wird,
dann ist die Lesegeschwindigkeit bei Probanden auf Papier die gleiche wie beim Bildschirm.
Wie wichtig die Augen-Sprünge beim Sehen sind, zeigt sich bei Personen, bei
denen der Teil des Gehirns beschädigt ist, der Sakkaden zum Beispiel nach links lenkt, in
dem Fall ist es die rechten Seite des Gehirns. Obwohl das Auge sonst gesund ist, können
diese Personen, während sie nach vorne schauen, nicht wahrnehmen, was auf ihrer linken
Seite geschieht (Perry / Zeki , 2005).

Durch bestimmte Meditationstechniken kann man sich dazu trainieren, die
Sakkadensprünge der Augen zu unterbinden. Im dem Moment wo man damit Erfolg hat, hört
die Sehfähigkeit des Auges sofort auf, und man ist "blind" ! Aber sobald man dann die
Sakkanden wieder zulässt, kommt augenblicklich die normale Sehfähigkeit zurück!
In Experimenten bei denen Versuchspersonen eine Wahl treffen mussten, kam
heraus, dass die Gehirnfrequenz, dei der Entscheidungen getroffen werden, bei etwa 40 Hz
liegt (Pöppel, E.; 1968 ). Da die Übertragungszeit vom Auge zum Gehirn viel länger ist als
die vom Ohr zum Gehirn, ergibt sich damit praktisch ein "Horizont der Gleichzeitigkeit". Ernst
Pöppel gibt hier die Entfernung von zehn Meter an, die der Sound durchläuft, bis das Gehirn
die visuelle Information verarbeitet hat. Das heißt, bis zu einer Entfernung von etwa zehn
Metern empfinden Menschen Vorgänge, bei denen sie gleichzeitig sehen und hören, als
"jetzt", als Gegenwart. Bei sehr viel größeren Entfernungen hat jede Person einmal die
Erfahrung gemacht, dass es eine Differenz zwischen dem visuellen Ereignis und dem
dazugehörigen Geräusch gibt. Diese Tatsache sollte von Künstlerinnen bei Objekten
berücksichtigt werden, bei denen Form und Klang eine Rolle spielen!

Die Nervenschwingungen im Gehirn wird dabei auf die 40 Hz Konstante geschätzt
(Pöppel, E., Schill, Steinbüchel: 1990 ). Diese 40Hz Frequenz der Hörwahrnehmung ist
auch bei totaler Betäubung, z.B. bei einer Operation, nicht ausgeschaltet (Schwender /
Madler / Klasing / Peter / Pöppel, 1994).

Eine quantisierte Zeit beschreibt Platon in Timaios 37d: " ...so sann er darauf, ein
bewegliches Bild der Unvergänglichkeit zu gestalten, und machte, dabei zugleich den
Himmel ordnend, dasjenige, dem wir den Namen Zeit beigelegt haben, zu einem in Zahlen
fortschreitenden unvergänglichen Bilde der in dem Einen verharrenden Unendlichkeit.".


Raumwahrnehmung durch Hören

Spontan mag es für viele LeserInnen seltsam erscheinen, dass man Raumvolumen
an sich und Distanzen im Raum nicht nur mit den Augen, sondern durch die Ohren
wahrnehmen kann. Praktisch tun wir das permanent jeden Tag. Die Ohren sind zur
Zeitwahrnehmung sehr gut eingerichtet, doch sie werden auch zur Raumwahrnehmung
verwendet, auch wenn sie darin weniger präzise sind. Die auditive Wahrnehmung von Raum
erfolgt hauptsächlich über eine Frequenzanalyse des aufgefangenen Schalls. Frequenzen
werden durch den Schneckengang des Innenohrs der sogenannten Fourier-Analyse
unterzogen. Da tiefe Frequenzen weiter laufen als hohe, welche schnell von der Umgebung
verschluckt werden, ändert sich ein gegebenes Geräusch mit dem Abstand zur Quelle. Es
wird nicht nur leiser, sondern ändert auch die Klangqualität. Viele Leute kennen das
Phänomen, dass man bei einem Rock-Konzert, oder bei einem Volksfest, von weitem zuerst
die Bässe hört. Die hohen Töne kann man erst wahrnehmen, wenn man ziemlich nahe an
der Kapelle ist.

Eine auditive Wahrnehmung von Raumvolumen erfolgt, wenn wir eine leer Flasche
am Wasserhahn auffüllen. Da können wir auch mit geschlossenen Augen feststellen, wann
die Flasche voll ist, da die Geräusche nicht nur zu höheren Frequenzen wechseln, sondern
sich dabei auch das Frequenzspektrum ändert, weil die Flasche nach oben hin enger wird.
Die entstehenden Luftblasen können am Flaschenhals nicht mehr so schnell aus dem
Wasser nach oben heraus wie weiter unten, wo die Flasche weiter ist. Dadurch sammeln sie
sich zu größeren Blasen, die dann beim Aufplatzen an der Oberfläche die Art des
Geräusches ändern.

Die Raumwahrnehmung erfolgt beim Menschen auch durch die Form der
Ohrmuschel. Der einlaufende Schall wird durch die Wülste der Ohrmuschel auf
unterschiedlich langen Wegen ins Innenohr geleitet. Durch Laufzeitdifferenzen der
Schallwellen kann dann das Gehirn den Ort der Quelle ermitteln und durch die
asymmetrische Form der Muschel auch oben und unten unterscheiden (Thews, Klaus;
1994).

Den experimentellen Weg des "Sehens" durch die Ohren ging Helga Domes
(Domes, Helga; 1960). Sie zog sich einige Wochen eine Brille auf, welche den Gesichtssinn
blockierte. Dabei stellte sich heraus, dass Blinde aus reflektierten Schallwellen mittels
Frequenzanalyse die Entfernung orten. Dieser Vorgang läuft unbewusst ab, das heißt, das
Gehirn hört durch die Information aus dem Ohr, aber das Tagesbewusstsein nimmt dies
nicht wahr. Einen vergleichbaren Effekt kennt man beim Auge.

Generell gilt, dass die Teile des Psyche auf Menschen den größten Einfluss haben,
die in der jeweiligen Gesellschaftsordnung tabuisiert, ignoriert und verboten sind. Das gilt für
den Sex, die Nacktheit, und gilt auch für die Minderbewertung des Hörens, Fühlens und
Schmeckens im Vergleich zur maßlosen Überbewertung der optischen Präsenz von
Menschen und Objekten. Die Werbung nutzt diese sozialpsychologischen Defekte einer
Gesellschaft für ihre Zwecke.

Diese Fakten sind nicht immer bei der Planung und Gestaltung von Designobjekten
und Skulpturen maßgebend und an erster Stelle. Doch die hier beschriebenen Effekte wirken
immer, ob man sich das bewusst macht oder nicht. Zu bestimmten Gelegenheiten kann man
dann als KünstlerIn das Wissen darüber konstruktiv einsetzen.

Dazu noch eine Randnotiz: auch Temperatur kann man hören! Wer in der Küche
einen elektrischen Wasserkocher hat, der weis fast auf die Sekunde genau wann der Sensor
das Gerät abschaltet, da sich das Geräusch kurz vor dem Kochen signifikant ändert. Einen
vergleichbaren Verlauf der Geräusche kennt man von den italienischen Mokka-Geräten.
Raumwahrnehmung von Kunstobjekten

Natürlich unterscheidet sich die physische Raumwahrnehmung von allgemeinen
Objekten nicht generell von Skulpturen und Designermöbeln. Allgemeine Erkenntnisse der
kognitiven Wissenschaften gelten erst recht für die Kunst. Der Unterschied liegt hier in einer
zusätzlichen Bewertung des Gesehenen. Das gleiche Objekt wird anders gesehen wenn
man glaubt es sei ein Kunstobjekt oder keines. Das Gesehene wird somit zu einem Produkt
des Denkens, wodurch das optisch Wahrgenommene verändert ins Bewusstsein gerät.
Eine Marktbäuerin macht 1982 nach dem Melken ihrer Kühe einen Sonntagsausflug
nach Düsseldorf. Sie benutzt die Gelegenheit zu einem Besuch in der Kunstakademie, in der
ein Europavertreter des Dalai Lamas erwartet wird. Dort sieht sie in einer Ecke fünf
Kilogramm Butter. Ihre Bewertung dieses Milchrahmproduktes wird völlig anders sein, als die
einer Putzfrau oder eines Kunststudenten im achten Semester, oder des Hausmeisters der
Akademie, der vier Jahre später den Fettfleck entfernte.

Für Buddhisten sind 'Zeit' und 'Raum' mentale Kreationen, weshalb sie auf die
Erforschung der Funktionsweise der Psyche mehr Wert legen, als auf die Produkte der
Psyche. Als Analogie ein Vergleich mit einem Computer: wenn der Bildschirm Probleme
anzeigt, dann bringt es wenig die Pixelkombinationen auf dem Bildschirm zu untersuchen!
Wichtiger ist es, die Funktionsweise des Computers zu erkunden! Im Allgemeinen liegen sie
damit auf gleicher Linie wie die Konstruktivisten der Kognitionswissenschaften, nur dass
Buddhisten ihre Aussagen schon vor über 2000 Jahren formulierten. Nach Siegfried J.
Schmid ist die Realität, als eine Welt unabhängiger Gegenstände, eine Fiktion des rein
deskriptiven Bereiches, da die Logik der Beschreibung im wesentlichen der Logik des
beschreibenden Systems gleicht. Die Gegenstände der Erkenntnis, zum Beispiel Skulpturen,
sind im Prinzip Konstruktionen des Gehirns, das gelernt hat, in individuellen und sozialen
Situation den Erwartungen entsprechend zu reagieren.

Wissenschaftliche Experimente, wie auch Werke von KünstlerInnen, sind Teil der
sozialen Konstruktion von Wissen, wobei der Kontext den Rahmen für die Deutung abgibt. In
der Wissenschaft zeigte sich das besonders deutlich bei Atomversuchen. Niels Bohr
bemerkte dazu, "daß kein Inhalt ohne formalen Rahmen faßbar ist und daß jeder Rahmen,
wie nützlich er bisher auch gewesen sein mag, als zu eng befunden werden kann, um neue
Erfahrungen zu umfassen." Ohne weiteres lässt sich diese Aussage auch auf den
Zusammenhang von Kunstobjekt und dessen Umgebung anwenden. Die Wirkung jeder Art
von Skulptur hängt wesentlich vom sozialen und psychologischen Hintergrund ab, vor dem
man sie sieht!

Um ein Objekt als Skulptur zu erkennen, muss man vorher wissen, wie ein Objekt
auszusehen hat, das der Kategorie "Skulptur" angehören soll. Das räumliche Erkennen der
Figur erfolgt also durch Gedankenaktivität. Einstein setzte Masse und Energie gleich.
Buddhistische Lehren setzen auch Masse und Energie gleich, nur sind sie konsequenter,
indem sie Gedankenaktivitäten als Energie anerkennen (sonst wäre kein EEG möglich), und
ihnen folglich auch Energie-Substanz zuschreiben:

"Es gibt keine Gedanken, noch Aktionen die nicht substanzlos sind." (Vajrasamadhi
Sutra. Takakusu IX, 368).

Logischerweise verschwindet dann das Objekt mit der Tilgung aus dem
Gedankenbereich:
"Wenn die objektive Sphäre von Gedanken verschwindet, ist das Objekt was
jemand benennen kann, ebenfalls weg." (Candrakirti, Prasannapada XVIII, 372, 7 - 374).

Durch die Verbundenheit von Gedankenwelt und deren materielle Manifestation im
Raum, wird das Individuum im Buddhismus zur Verantwortung gezogen. Ein Trennung
zwischen 'außen' und 'innen' ist illusorisch:

"Was auch immer die Gedanken erzeugen, besitzt die Eigenschaft des Erzeugers.
Sind Wellen von Wasser verschieden? Ihre Natur und die des Raumes sind gleich. Wer
spricht, wer hört und was ist sicher? Wie der Staub in einem staubigen Tunnel, was im
Herzen aufsteigt wird sich im Herzen niederlegen." (Sarahas Treasury of Songs, Dohakosha,
72-73).

Natürlich gibt es auch für die Buddhisten eine Realität außerhalb der persönlichen
Zeit-Raum-Konstruktionen. Aber um diese kennen zu lernen, muss man erst zwischen der
konstruktiven Aktivität des Geistes und eben diesen konstruierten Objekten unterscheiden
können! Im Kontext hier heißt das, dass KünstlerInnen zwischen den kreativen Aktivitäten
und den kreierten Objekten unterscheiden müssen. Die Konstruktivisten sprechen hier von
'Viabilität', einer Fähigkeit, innerhalb von Bedingungen und Hindernissen zu überleben. Wer
die Eigenkonstruktionen der psychischen Aktivitäten leugnet, findet sich bald in realen
materiellen Schwierigkeiten wieder.

Für Buddhisten steht primär die Beobachtung der materiellen Realität. Das Denken
darüber ist sekundär. Ihr Ziel ist, durch Training der Aufmerksamkeit die äußere Natur von
Raum und Zeit als Spiegel des inneren Seins zu erkennen. Angewendet auf die Kunst heißt
das, es ist viel wichtiger mit Aufmerksamkeit den Raum wahrzunehmen, als darüber
nachzudenken, wie das Objekt wirkt. Man kann nicht simultan aufmerksam sein und
nachdenken! Die meisten Autounfälle geschehen eben deshalb, weil die betroffenen
Personen statt aufmerksam den Raum vor sich zu beobachten, in Gedankenaktivitäten
verstrickt sind!

Im Kontrast dazu steht bei westlichen Naturwissenschaftlern an erster Stelle das
Denken über die Natur. Kopfgeburten der Theorie haben Vorrang vor der Realität. Die
materielle Wirklichkeit stellen sie auf eine sekundäre Stufe. Dies zeigt sich besonders
deutlich im Reden von der 'Übereinstimmung der Theorien mit den Realitäten'. Hier hört man
von "Abweichungen" und "Störungen" durch die Natur, als ob die Theorie das Maß sei, an
der die Natur sich zu messen habe. Es heißt beispielsweise, der Planet Merkur zeige
Abweichungen vom Keplerschen Gesetz, anstatt wie es wirklich ist, dass das 'Gesetz' von
der realen Merkurbahn abweicht, also ungenau ist. Oder im Fall der Quantenphysik reden
die Forscher von der "Störung durch die Beobachtung", als ob ihre mathematischen Formeln
eine Realität seien und die Natur 'richtig' beschreiben würden, nur sie hält sich leider nicht an
die Vorschriften der Wissenschaftler! Tja, was soll man da sagen, die Natur gehorcht nicht!
Im Kunstgeschäft gibt es analoge Erwartungen, wie eine Skulptur einer gewissen
Zeitperiode auszusehen hat. Wenn das der Fall ist, dann stimmt die Kunsttheorie mit der
konstruieren Realität überein. Objekte die nicht damit überein stimmen, gelten als
Abweichungen von den Kunsterwartungen, oder fallen sogar ganz aus der Kategorie
"Kunstobjekt" heraus.

Ernst von Glaserfeld äußert sich über diese Einstellung:
"Wer meint, an den Grenzen seiner Bewegungsfreiheit die ontische Wirklichkeit zu
erkennen, ist ebenso irregeführt wie ein Autofahrer, der die Stelle, wo ihm das Benzin
ausgeht, für das Ende der Straße hält." (GLASERFELD, VON, ERNST; 1992; Konstruktion der
Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität; in: Einführung in den Konstruktivismus, Piper,
München, Seite 31)

Wenn Theoretiker der Kunstszene ihre Gedankenkonstruktionen einmal geschaffen
haben, dann schleppen sie diese mit sich herum, sagen buddhistische Lehren, wie ein Stück
Eisen, das dem Magneten folgt. Ihnen wird dann nicht mehr bewusst, dass die Art wie sie
Kunstwerke betrachten und bewerten, ihre eigene Konstruktion ist, und nicht die Realität des
Werkes an sich.

Da bei der Betrachtung einer Skulptur die Raumposition des Betrachters im Gehirn
Assoziationsketten auslöst, welche das betrachtete Objekt bewerten, gilt es, sich über die
Erziehungsmuster klar zu werden, denen man in seiner Gesellschaft ausgesetzt wurde. Was
"oben" ist wird höher bewertet als was "unten" ist, "groß" soll besser sein als "klein", "viel"
soll besser sein als "wenig" (außer bei Schulden!). Wenn das Licht von links kommt, wird das
als angenehmer empfunden als wenn es von rechts kommt, weswegen bei den meisten
Gemälden auf der Welt das Licht von links kommt. Wenn in einer Galerie 5 Skulpturen auf
dem Boden liegen, und 5 auf Podesten stehen, dann werden die auf den Podesten zuerst
verkauft!

Wenn Männer Frauen fotografieren so lieben sie es, dass die Frau dabei zu ihnen
aufblickt. Beim Fototermin eines Politikers ist es umgekehrt, er wird von unten her
fotografiert, damit man auch auf dem Foto zu ihm aufsehen muss.
Menschen haben die Tendenz in einem Raum sich eher nach rechts zu wenden.
Das könnte damit zusammen hängen, dass man zur Orientierung im Raum mehr die linke
Gehirnhälfte benutzt, und bei deren Aktivität sich die Augen nach rechts wenden.
Supermärkte versuchen deshalb, wenn es geht, den Eingang rechts zu legen, so liegt die
Kasse links. Im anderen Fall tendieren Kunden dazu, den kürzesten Weg zur Kasse rechts
zu nehmen, und kaufen keine überflüssigen Waren.

Im Kunstunterricht wird noch immer das Gesetz der Perspektive so gelehrt, dass
sich Geraden in einem Punkt am Horizont schneiden. Das ist natürlich Unsinn! Am Horizont
schneide sich gar nichts! Geraden schneiden sich höchstens auf einem Blatt Papier!
Bahngeleise sind parallel. Wenn wir mitten drauf stehen und nach unten schauen, so sehen
wir sie "parallel". Schauen wir nach vorne, so laufen sie zusammen. Also kann das, was wir
sehen, keine Gerade sein, denn die wahrgenommenen Parallelen unten passen zum
gesehenen Winkel am Horizont nur als gekrümmte Kurve zusammen!

Wenn wir die Welt betrachten, dann sehen wir sie sphärisch. Wir befinden uns in
einer Kugel der Wahrnehmung. Alle Objekte, die von unseren Augen den gleichen Abstand
haben, befinden sich auf einer Kugeloberfläche! Im Prinzip sehen wir so wie auf Fotos die
mit Fischaugenobjektiven gemacht wurden. Normale Kameraobjektive sind nicht objektiv! Sie
stellen nicht die Welt dar wie wir sie sehen, sondern wie wir glauben dass wir sie sehen
sollten!

Wenn wir vor einer Hauswand stehen, sind die Kanten des Hauses in sich parallel.
Wenn wir aber vor dem Haus stehen, ist der Abstand unserer Augen von den Kanten der
Hauswand zu- oder abnehmend. Die Abbildung auf unserer Netzhaut ist also nicht parallel,
sondern sphärisch! Wir sehen also nicht "parallel", sondern gekrümmt! Parallel zu "sehen"
heißt also, dass man sich etwas vormacht was in der Realität nicht stattfindet! Die
Anstrengungen welche die Industrie daran setzt, Kameras auf den Markt zu bringen, welche
gekrümmte Linien in Geraden umwandelt, hat also psychologische Gründe. Hier produziert
die Industrie ihre Verkaufsobjekte so, dass sie den sozialen Erwartungen folgen, indem die
Linsen die Welt so verzerrt abbilden, dass sie den Gedankenkonstruktionen des
Käuferkreises entsprechen. Das Verkaufsprodukt das die Abbildung der Welt so verzerrt,
wird dann "Objektiv" genannt ! Wenn man es so überlegt, ist das ein interessantes
sprachtheoretisches Phänomen!

Interkulturell ist der rechte Winkel ein Symbol für Hierarchie und Unabhängigkeit.
Kreisformen stehen hingegen für Kooperation und Miteinander. Dies spiegelt sich in allen
Zeiten der menschlichen Geschichte in der Geometrie der Architektur wieder. Je
hierarchischer und patriarchaler die Gesellschaft, um so mehr besteht eine Tendenz dazu,
den rechten Winkel zu bevorzugen. Gesellschaften in denen Kooperation als soziales Prinzip
gelebt wird, ziehen Rundformen vor. Besonders deutlich wird dies in der Konstruktion heiliger
Stätten. Die Erfinder hierarchischer Religionen, deren Schöpfergott von seiner Schöpfung
getrennt ist, konstruieren fast immer linear ausgelegte Kultstätten: vorne steht der Altar,
dahinter steht gleich der Priester, der behauptet, Mittler zum Gott seines Volkes zu sein.
Dann folgen die VIP's (das sind nicht die "Vertreter In Pension"!), dann die wohlhabenden
Bürger, und nach hinten die Armen. So wird das ökonomische Sozialgefüge auf eine lineare
Struktur projiziert.

Vertreter von Religionen, nach deren Ansicht alles göttlich ist, und es nichts
außerhalb des Göttlichen geben kann, schaffen entweder keine besonderen Kultstätten, oder
solche mit runder Auslegung. Hier haben dann alle Teilnehmer am Ritus den gleichen
physischen Abstand zur Kultstätte.

Bild



In der Tabelle oben findet man eine Sammlung archäologischer Orte über einen
Zeitraum von 5000 Jahren bis zur Zeitenwende. Die untersuchten Gebiete sind
Mesopotamien, Sardinien und Malta. Ansonsten ist es sehr schwierig Gegenden zu finden,
bei denen man über einen so langen Zeitraum von 5000 Jahren die Entwicklung der
Architektur studieren kann. Die zugehörigen analysierten Orte sind in der nächsten Liste
angegeben. Aus der Tabelle wird deutlich, dass mit dem Wandel von einer kooperativen
gleichberechtigten Gesellschaft hin zum Patriarchat, die runden Elemente verschwanden,
und der Rechte Winkel vorherrschend wurde.

Naher Osten:
1 Samarra 2 Ubaid I 3 Arpachiyah 4 Tell al'Ubaid 5 Ubaid III
6 Ubaid IV 7 Tepe Gawra 8 Warka 9 Oval Terrace
10 Sin Temple 11 Nippur 12 Khafaje 13 Shara, Tell Asmar
14 Ur 15 Mari 16 Ashur-Nirari I 17 Nimrud 18 Babylon

Malta:
20, 21 Hal Saflieri, Hal Tarxien, Hagar Qin, Mnajdra

Sardinien:
22 Pre-Nuraghe 23, 24, 25 Nuraghe Kultur 26 Phönizier



In der heutigen Zeit sind Gebäude ohne rechte Winkel und ohne monotone
Strukturelemente extrem selten. Ein erfreuliches Beispiel dass es auch anders geht, ist das
neue Opernhaus von Guangzhou in Südchina, entworfen von Zaha Hadid, einem Architekten
aus Irak. Im ganzen Gebäude gibt es keine senkrechten oder geraden Wände, keine rechte
Winkel. In dem Punkt ähnelt es den Jahrtausende alten Behausungen in Malta, bei denen
die Bewohner nur Gebäude konstruierten, bei denen es keine rechten Winkel, ebene Wände
und Geraden gibt. Ein führender Archäologe meinte dazu:

"Die Tempelbauer vermieden es, kantige oder rechteckige Räume zu bauen.
Warum?" ( Zammit, Themistocles; 1995 (1929); Die prähistorischen Tempel von Malta und
Gozo, Union Print, Malta, Seite 6).

Die richtige Frage wäre aber, warum wird heute die Architektur vom rechten Winkel
beherrscht und von planen Flächen, wo doch der rechte Winkel das schlechteste Bauprinzip
ist, das man sich überhaupt nur vorstellen kann? Es gibt kein schlechteres! In Norditalien
wurden in den vergangenen Jahrhunderten die meisten mehrstöckigen Häuser immer nach
dem gleichen Prinzip konstruiert: das Erdgeschoss bestand aus steinernen Bogengewölben
(Volt). Darüber kam ein Geschoss, dessen Innen- und Außenwände in einer an der Basis
sehr dicken Mauer konisch nach oben zuliefen. Manchmal wurden sie aus Stein gebaut,
manchmal aus einer Art komprimierten Sand-Kalk-Mischung. Der Rest darüber war aus
Holz. So eine Konstruktion war, und ist bis heute immer noch Erdbebenfest, was die neuen,
modernen Häuser meist nicht mehr sind, da die Wände und Decken im rechten Winkel
zueinander stehen!

(FORTSETZUNG FOLGT)

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RE: Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Reali

Beitrag von nicole6 »

Zeitwahrnehmung bei Kunstobjekten

Die Wirkung einer Skulptur hängt nicht nur von Farbe, Form und Blickwinkel ab,
sondern auch zu einem wesentlichem Teil von der Zeitspanne die man zur Verfügung hat,
oder die man sich erlaubt. Nun ist der Begriff "Zeit" mit vielen Inhalten befrachtet, die
eigentlich nichts damit zu tun haben. Wenn jemand sagt "dazu habe ich keine Zeit", meint
man meist, dass man die Sache für unwichtig ansieht. Ein anderer Ausdruck ist, "wie doch
die Zeit vergeht!" . Das ist so, als ob man sagt, "wie doch die Länge vergeht". Länge an sich
ist eine Maßeinheit, die kommt nicht und vergeht nicht. Was sich ändert sind die Objekte,
aber das lässt die Kategorie "Zeit" unberührt. Noch ein bekannter Spruch ist, "das spart mir
viel Zeit!". Wer spart, was auch immer, hat danach mehr vom Gesparten. "Zeit" kann man
aber so wenig sparen wie "Länge", "Gewicht" oder "Temperatur".

Um hier einen klaren und unmissverständlichen Wortgebrauch zu garantieren, führe
ich eine Definition von "Zeit" ein, welche im Text hier verbindlich ist:

"Zeit" ist die Lücke zwischen der Erscheinung eines Objektes und dem Ersatz durch
ein anderes.

Diese Definition ist formal für alle Bereiche der Wissenschaft und des Lebens
verwendbar und widerspruchsfrei. Diese Definition von "Zeit" ist unabhängig vom Inhalt und
erlaubt verschiedene Zeitabläufe die simultan ablaufen oder ineinander geschachtelt sind.
Somit ist klar, dass Zeit nicht intrinsisch mit Bewegung verbunden ist, wie viele Philosophen
geglaubt haben. Eine löbliche Ausnahme davon ist Hans Reichenbach:
"Niemals messen wir "reine Zeit", sondern stets ein Geschehen..... Jeder Zeitablauf
ist für uns an ein Geschehen geknüpft; anders wäre er gar nicht wahrnehmbar".
(Reichenbach, Hans, 1928; Philosophie der Raum-Zeit-Lehre; Walter de Gruyter &
Co; Seite 138).

Ein einleuchtendes Beispiel dazu ist ein Fernseh- oder Computerbildschirm. Die
Pixel darauf bewegen sich nicht, und trotzdem entsteht der Effekt von zeitlicher Veränderung
und Bewegung!

Es gilt hier auch, zwischen linearen und zyklischen Abläufen von Zeit zu
unterscheiden. Lineare Zeiten verhalten sich relativ zueinander, zyklische nicht! Man kennt
das zum Beispiel vom Autofahren her. Bei zwei Autos auf der Autobahn, die mit gleicher
Geschwindigkeit neben einander fahren, bleibt der Abstand über die Zeit konstant. Wenn
einer von beiden beschleunigt, dann bewegt sich der unbeschleunigte im Vergleich zum
anderen nach hinten. Eine ähnliche Situation hat man, wenn zwei Autos auf dem Parkplatz
stehen. Auch hier ist der zeitliche Abstand zwischen beiden konstant. Fährt einer davon
rückwärts aus der Parklücke heraus, dann bewegt sich relativ dazu das parkende Auto nach
vorne. Das ist es, wenn man davon spricht, dass lineare Geschwindigkeiten relativ sind!
Bei zyklischen Zeitabläufen ist das nicht der Fall! Man benutzt hier auch den Begriff
"Rotation". Betrachte ich in der Nacht einen Stern und drehe mich dann um 360 Grad, dann
ist diese Rotation absolut, und nicht relativ! Denn es ist nicht möglich, dass sich das
Universum in einer Sekunde um uns gedreht hat!

Albert Einstein versuchte in seiner speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie
den linearen Effekt von Relativität mit den Kräften bei der Rotation gleichzusetzen, damit er
den Zusammenhang mit der Schwerkraft hat. Das ist natürlich ein Unsinn, denn die
Anhängigkeiten sind vollkommen verschieden! Bei der linearen Beschleunigung sind dir
Kräfte über die Länge konstant. Bei der Rotation sind sie umgekehrt proportional zum
Radius, und bei der Schwerkraft sind sie umgekehrt proportional zum Quadrat! Nichts davon
kann man also gleichsetzen, und trotzdem wird dieser Unsinn immer noch gelehrt und man
findet ihn in den Physikbüchern! Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: die
Tatsache dass ein Formel funktioniert, heißt noch lange nicht, dass die Begründung für die
Formel stimmig ist!

Das Thema der Zeitwahrnehmung von Skulpturen bezieht sich hier ausdrücklich
nicht auf den vom Volk oder vom Machtblock zugeschriebenen künstlerischen Gehalt von
Skulpturen, sondern es ist eine Betrachtung auf einer Meta-Ebene, deren Inhalt interkulturell
gültig ist.

Wenn LeserInnen dieses Buchs eine Skulptur oder ein Design mit
Recyclingmaterialien planen, dann haben sie meist auch schon einen Ort im Sinn, wo dieses
Objekt aufgestellt werden soll. Es kann das Mittelstück eines Kreisverkehrs sein, bei dem
tagtäglich viele Autos herumfahren, und wo Fußgänger die Skulptur nur von weitem sehen
können. Oder es ist ein öffentlich zugänglicher Platz in einer für Autos gesperrten
Fußgängerzone, oder eine Ecke auf dem Rasen hinter dem Wohnhaus. Die Zeitspanne die
jemand zur Verfügung hat um diese Objekte wahrzunehmen und zu bewerten, ist somit
extrem unterschiedlich. Wenn das Objekt Aufmerksamkeit erregen soll, dass muss es sich
vor allem vom Hintergrund abheben. Vor unruhigem Hintergrund fällt ein glattes Objekt eher
auf und umgekehrt gilt das gleiche.

Skulpturen die vom Auto aus gesehen werden sollen, stimulieren eher die
Aufmerksamkeit, wenn sie Öffnungen haben, durch die man den Hintergrund sehen kann.
Die Skulptur wirkt dann wie ein Rahmen, und das Sichtbare hinter der Öffnung ist ein mit der
Zeit sich wandelnder Inhalt. Es wirkt wie eine Laufschrift auf einer Werbetafel. Hier wirken
auch spiegelnde Fläche die das Sonnenlicht reflektieren. In Teilstücken unterbrochene
Sichtblenden haben einen ähnlichen Effekt, selbst wenn sie aus Glas bestehen, da ab einem
Einfallswinkel von 41 Grad Glas wie ein Spiegel total reflektiert. Für den gleichen Zweck
eignen sich tief strukturierte Kunstobjekte, da sie sich in der kurzen Zeit, die man sie vom
Auto aus sieht, durch den wechselnden Betrachtungswinkel stark ändern.

Doch es gibt auch subtilere Effekte die man nutzen kann. Es ist nicht nur ein
psychologischer Unterschied ob wir eine Skulptur betrachten die sich dreht, oder ob wir um
die Skulptur herum gehen! Unser Leib ist voll von Nervenbündeln die elektrische Signale
transportieren. Bewegen wir uns im Raum, dann durchqueren wir dabei das Erdmagnetfeld,
was wiederum in unserem Leib durch diese Bewegung Ströme induziert, wie beim Dynamo.
Dies ist nicht der Fall wenn wir stehen und die Skulptur sich dreht! Eine ähnliche Situation ist
gegeben, wenn jemand als Sport durch Wiesen und Felder läuft, im Vergleich zu jemandem
der in einer Gymnastikhalle das Laufband benutzt. Die Stimulierung durch das
Erdmagnetfeld verstärkt das Immunsystem. Das Magnetfeld steht immer senkrecht auf
Oberflächen. Deswegen funktioniert auch der Blitzableiter, weil an der Spitze sich das
Magnetfeld stark verdichtet. Auf Bergspitzen hat man eine vergleichbare Situation, weshalb
ein Aufenthalt dort oben Heilungen beschleunigt. Unsere Vorfahren wussten das, weshalb
sie Kranke und Verletzte auf Berge trugen. Die schnelle Heilung wurde dann den Göttern
zugeschrieben, denen sie auf dem Berg angeblich näher waren.
Wenn nun jemand auf die Idee kommt, und strahlenförmig von einer zentral
positionierten Skulptur aus wellenförmige Strukturen aus Erdwällen anlegen würde, dann
müsste jemand der um die Skulptur herum geht diese Wellen auf- und ablaufen. Der Leib
erfährt dann ein Wechselbad an magnetischer Stimulationen, da auf den Hochpunkten der
Wellen das Magnetfeld wächst, und in den Tiefpunkten sinkt.

Für Skulpturen an öffentlichen Orten bei denen viel Zeit zur Verfügung steht sie zu
erfahren, eignen sich Oberflächengestaltungen die Feinstrukturen enthalten. Um sie
wahrnehmen zu können, braucht man viel Zeit. Dadurch wird eine positive Bewertung des
Objektes stimuliert. Man kennt diese Technik besonders von asiatischen Tempeln, bei denen
es oft keinen Bereich gibt, der nicht künstlerisch bearbeitet wurde. Auch die Zeit selbst, die
notwendig ist um sich Zugang zu verschaffen, hat Einfluss auf die Bewertung einer Skulptur!
Dazu werden verschiedene Methoden angewendet. Eine davon ist, dass die Person einen
längeren Fußweg vor sich hat, um an das Objekt zu kommen, oder es werden Hindernisse
eingebaut.

Eine andere ist, dass der Zugang zwar kurz ist, aber sehr steil, und somit
anstrengend und zeitaufwendig. Das extremste was ich dazu kennen lernte, ist der Wat
Arum Tempel in Bangkok, bei dem die Treppe im Mittelbereich auf die Stupa hinauf fast 70
Grad erreicht, und dabei öffentlich zugänglich ist! Auf dem Foto in der Abbildung unten links
ist die steile Treppe mit rot gekennzeichnet. In der Mitte sieht man die Treppe von oben aus.
Das rechte Foto zeig den Blick von diesem Teil aus nach oben. Der überaus große
Detailreichtum dieses Objektes ist überwältigend, und der Effekt steigert sich noch wenn
man das obere Ende der Treppe erreicht hat! Hier wurden all die oben besprochenen
architektonischen Tricks angewendet um dem Besucher zu imponieren!

Bild



Eine Untersuchung, wie sich die Bewertung von Kunstobjekten über längere
Zeiträume wandelt, wurde von Michael Thompson durchgeführt. In seinem Buch "die Theorie
des Abfalls" beschreibt er in mehreren Beispielen, wie die sozialökonomische Konstruktion
von "künstlerischem Wert" bei Objekten erfolgt. Er verwendet dazu ein Modell des
Mathematikers René Thom, die sogenannte Katastrophentheorie. Sie gehört zu den wenigen
mathematischen Modellen, welche für Sozialwissenschaften anwendbar sind. Thompson
zeigt, dass "Kunstobjekte" wegen dem Definitionsmonopol des Machtblocks entweder direkt
als sogenannte "Hochkunst" von deklarierten "berühmten" Künstlern hergestellt werden, oder
sie landen als "Müll" in der Schublade des Vergessens. Eine Zwischenstufe ist hier nicht
vorhanden. Nach Ablauf größerer Zeiträume kann eine Art "Werte-Recycling" stattfinden, bei
dem Objekte, die bis dahin der Kategorie "Müll" angehörten, in der Kategorie "Kunstobjekte"
landen. Welche der Objekte dabei dieser Transformation unterliegen ist unter gewissen
Umständen vorhersehbar. Das Besondere an der Katastrophentheorie ist, dass sie in
gewissem Rahmen längerfristige Vorhersagen zum zeitlichen Ablauf der
Wertetransformation erlaubt. Im Rahmen dieses Buches kann ich nicht darauf eingehen wie
das im einzelnen geschieht, und wie das Modell der Katastrophentheorie funktioniert. Wer
sich dafür interessiert, hier die Buchdaten: Thompson, Michael; 1981; Die Theorie des
Abfalls; Klett-Cotta, Stuttgart.


Unbewusste Wahrnehmung

Ein Hinweis auf den Unterschied zwischen Sehen und Wahrnehmen stellt das
Phänomen "Blindsehen" dar. Patienten mit Blindsicht haben den primären visuellen Cortex
beschädigt. Das ist der Teil des Gehirns, der für das Sehen zuständig ist. Diesen Personen
ist nicht bewusst, dass sie innerhalb ihres visuellen Feldes Anregungen erfahren. Teilt man
das Sehfeld in vier Quadranten, dann kann es vorkommen, dass der Patient in drei von den
vier Feldern normal sieht. Er behauptet aber im vierten Feld nichts wahrnehmen zu können.
Trotzdem kann er Größe, Form, Orientierung und Bewegungsrichtung dvon Objekten
erraten, welche er angeblich nicht sieht! (Weiskrantz, L.; 1986)

Ein weiteres Beispiel für unbewusste Wahrnehmung ist "Prosopagnosia". Bei
diesem Hirnschaden können Personen keine familiären Gesichter erkennen. Auch wenn sie
einer Person ins Gesicht schauen, können sie nicht angeben wer sie ist. Trotzdem können
sie aus einer Liste von Namen den auswählen, den sie am besten für diese Person geeignet
halten.

Dem Residualeffekt ist es zu verdanken, dass kleine Lautsprecher funktionieren. Die
fehlenden Frequenzen der aktuellen Wahrnehmung im Ohr, ergänzt das Gehirn durch
gespeicherte Erinnerungen. Ein ähnlicher Vorgang ist der Sinuseffekt, bei dem das Gehirn
aus der Erinnerung einem reinen Sinuston Obertöne hinzufügt.

Es gibt beim Farbensehen ein gleichwertiges Ereignis zum auditiven Residualeffekt,
welches Farbkonstanz genannt wird. Es ist die Fähigkeit von Menschen, dass sie Objekten
eine konstante Farbe zuzuordnen können, auch wenn sich die Beleuchtung ständig ändert.
Um dies zu erreichen, berücksichtigt unser Gehirn die Umgebungsbedingungen. Bei
Versuchen mussten Testpersonen Felder einer der acht Farbkategorien gelb, orange, rot,
violett, blau, türkis, grün und grau zuordnen. Diese Farben wurden jeweils für eine halbe
Sekunde präsentiert. Zum Vergleich hatten die Personen nur die Umgebungsbeleuchtung
und den Bildschirm zur Verfügung, deren Farbwerte während des Versuches ständig, und
sehr langsam verändert wurden. Der Farbwert, der mit der Umgebungsbeleuchtung und dem
Farbwert des Bildschirms übereinstimmte, wurde von den Testpersonen als "grau" definiert.
Hier werden vom Gehirn großflächig wahrgenommene Farben so korrigiert, dass sie als
Normalwert eines "Standartgraus" dienen, und erst die Abweichung davon wird als "Farbe"
angesehen (Walter, Sebastian / Gegenfurtner, Karl R., 2005).

Asymmetrische Wahrnehmung

Sehen ist ein asymmetrischer Vorgang. Es ist nicht egal, ob der gleiche Gegenstand
in der rechten oder linken Bildhälfte liegt. Die Augenbewegung ist überkreuz mit den
Gehirnhälften verbunden. Wer nach links blickt, steuert mehr Information zur rechten
Gehirnhälfte ins rechte Gehörzentrum, welches für den emotionalen Gehalt zuständig ist.

Bild



Der Blick nach rechts aktiviert die linke Gehirnhälfte, welche hauptsachlich rational
und analytisch arbeitet. Weitere Asymmetrien sind: Blick nach oben steuert das Sehzentrum
an. Blick nach unten steuert den Gefühlsbereich an. Das heißt aber nicht, dass die
Gehirnhälften nicht in der Lage sind beide Arten von Informationen verarbeiten zu können!
Wenn der Mensch gesund ist, dann findet eine natürliche Arbeitsteilung statt. Im Fall, dass
ein Teil des Gehirns durch einen Tumor oder eine andere Krankheit beschädigt ist,
übernimmt der gesunde Teil des Gehirns nach kurzer Zeit die anstehenden Aufgaben.
Die klassischen Künstlerinnen und Künstler benutzten bewusst oder unbewusst seit
Jahrhunderten diese Tatsachen in der Gestaltung ihrer Werke. In Rubens Bild "Raub der
Töchter des Leukippos" geht die visuelle " Diagonale des Gefühls" von links unten nach
rechts oben, und folgt somit der Stellung der Frauen. Die "Diagonale des Verstandes" von
links oben nach rechts unten, folgt dem Blick des männlichen Räubers zur Frau hin. Diese
letzte Richtung wird kulturunabhängig als absteigend empfunden und meist benutzt, um
negative Ereignisse darzustellen, wie z.B. die Grablegung nach der Kreuzigung. Die andere
Richtung wird als aufsteigend erfahren und positiv bewertet. In allen Darstellungen
christlicher Kunst erfolgt die Auferstehung des Christengottes auf einer Diagonale von links
unten nach rechst oben.

Die Analyse archäo-astronomischer Stellen zeigt, dass unsere Vorfahren ganz
bewusst die asymmetrische Wahrnehmung des Gehirns zur Konstruktion ritueller Orte
benutzten, In der Abbildung oben links ist eine genaue Skizze einer Keltenstätte oberhalb
von Riva del Garda in Italien. In dieser Konstruktion ist nichts zufällig! Es sind 17 Stufen, und
die Proportionen sind alle im Goldenen Schnitt Phi. Am oberen Ende der Treppe wurde von
links über einen Kanal Wasser eingeleitet, um den Fluss zu symbolisieren, den die Seele
nach dem Verlassen des Leibes zu überqueren hat. Die Treppe ist schräg nach links
konstruiert, So muss man beim hinauf gehen nach links schauen, und aktiviert dabei die
rechte Gehirnhälfte. Somit wird dem Gläubigen unbewusst mitgeteilt, dass man sich dem
Heiligtum mit Emotionen nähert, nicht mit dem analysierenden Egoverstand.

Bild
Bild


Die Lageskizze auf der rechten Seite stammt von einer Stätte auf einem Hügel
nordwestlich der Häusergruppe San Priamo im Südosten Sardiniens. Die Stelle wurde in der
Pre-Nuraghe-Zeit zwischen 3000 v.u.Z. und 1500 v.u.Z. konstruiert und besteht nur aus
Felsbrocken, welche auf den Boden gelegt wurden. Hier wurde der linke Teil der
symbolischen Schmetterlingsfigur offen gelassen. Wenn man also genau in der Mitte steht,
liegt die offene Stelle links, und die rechte Gehirnhälfte wird aktiviert.

Unten folgt noch ein Beispiel zum Thema. Es ist ein Lageplan eines buddhistischen
Heiligtums, das etwa 100 v.u.Z. in Felsen gehauen wurde. Hier findet man die typische
Zuordnung von Zahlen zu sozialen Inhalten. Der dreifache Durchmesser der runden Stupa
bestimmt den Radius der Bethallenapsis. Die Länge von den Einganssäulen nach hinten ist
3x3=9 Stupaeinheiten. Die kleine Zelle C3 liegt schräg. Die äußere Ecke ist der Schnittpunkt
von der Apsis mit einem Kreis von 9, und einem Kreis um die Mitte der ersten Halle mit 5
Stupaeinheiten. Insgesamt gibt es 2+26=28 Säulen, was symbolisch auf die Mond- und
Menstruationszyklen Bezug nimmt. In der symmetrischen Konstruktion wurde nur der linke
Teil des Zugangs aus dem Fels heraus gehauen.

Bild


Die Werbung benutzt die asymmetrische Bewertung der Raumwahrnehmung zu
ihren Zwecken. In einer Studie, in der etwa 500 Werbeseiten analysiert wurden, kam als
Ergebnis heraus, dass die emotionalen Bildschwerpunkte eher auf der linken Werbeseite
platziert werden und rationale mehr auf der rechten. Deutlich wird der Unterschied in der
Position von Frau und Mann. Es werden wesentlich mehr Frauen auf der linken Seite
positioniert, welche den Gefühlsaspekt repräsentiert als rechts, und bei Männern ist es
umgekehrt. Die folgende Grafik verdeutlicht die statistische Verteilung. Die häufigste
Platzierung ist sowohl für die Frau als auch für den Mann die Mitte. Bei den Frauen gibt es
aber noch eine bedeutende Positionierung links von der Mitte, und bei den Männern rechts
davon.

Bild


In der nachfolgenden Analyse erkennte man eine generelle Verschiebung des
Bildschwerpunktes nach links, während der Text am häufigsten rechts und oben platziert
wurde. Das passt auch mit der generellen Funktionsweise des Gehirns zusammen, bei dem
der visuelle Cortex im hinteren unteren Bereich des Kopfes liegt, und somit angesteuert wird,
wenn die Augen nach oben blicken. Die Blick nach oben und rechts aktiviert dann
gleichzeitig die analytischen Kapazitäten. (Hofmann, A., C.; 2004; ; Zahlen, Raumgeometrie
und Sozialstruktur; in: Freiräume, Band 11/2004, FOPA e.V. Berlin)

Bild


Diese asymmetrische Verteilung zeigt sich interkulturell auch in Hochzeitsfotos.
Darauf steht fast immer der Mann rechts und die Frau links. Auf Friedhöfen steht auf den
Grabsteinen der Text mit den rationalen Daten fast immer rechts, und die Bildsymbolik ist
links. Wenn Paare spazieren gehen und sich dabei die Hände halten, dann greift der Mann
meist mit seiner rechten Hand die linke der Frau, und die Position ist wieder erreicht! Diese
Asymmetrie und deren Wirkung auf den Betrachter von Skulpturen lässt sich sehr
wirkungsvoll in der künstlerischen Praxis umsetzen!

Die zeitliche Verarbeitung von Informationen im Gehirn ist ebenfalls asymmetrisch:
die rechte Seite verarbeitet leichter Hörwahrnehmungen, die linke eher das Sehen. Dieser
Vorteil verschwindet unter Alkoholeinfluss (Pöppel, E. / Steinbach, Th.: 1986). Somit ist es
sinnvoll, beim telefonieren eher das rechte Ohr zu verwenden, wenn man das Gehörte sich
merken will, als das linke Ohr.

Im Allgemeinen fallen in einer gewissen Umgebung eher Objekte auf die sich
verändern, als solche bei denen die Erscheinung konstant bleibt. Doch es ist ein Unterschied
ob sich ein Objekt verkleinert, oder vergrößert. Schon bei Neugeborenen konnte man diese
visuelle Asymmetrie nachweisen. Der Versuch wurde mit fünfzig drei Monate alten
Kleinkindern durchgeführt. Man zeigte ihnen zwölf Objekte, von denen sich eines
vergrößerte, und elf verkleinerten sich. Die Aufmerksamkeit der meisten war auf das sich
vergrößernde Objekt gerichtet. Bei einer umgekehrten Versuchsanordnung, bei denen sich
zwölf Objekte vergrößerten und eines sich verkleinerte waren keine Präferenz festzustellen
(Shirai, N. / Kanazawa / Yamaguchi; 2005).

In einem Internet-Artikel der New York Times vom 14. September 2004 von Anahad
O'Conor (Titel: the right ear is from the Mars), wurden Forschungsergebnisse der Zeitschrift
Science vom 10.September 2004 veröffentlicht (Autor: David Geffen, School of Medicine at
the University of California, Los Angeles), welche besagen, dass auch die auditive
Wahrnehmung asymmetrisch ist und das rechte und linke Ohr den gleichen Sound
verschieden verarbeiten. Im Allgemeinen fällt es dem Gehirn leichter, Sprache zu
verarbeiten, wenn sie im rechten Ohr aufgenommen wird, während Musik die ins linke Ohr
gelangt, besser aufgenommen wird. Diese Ergebnisse können grundlegenden Einfluss
darauf haben, wie in Zukunft Schwerhörigen mit Implantaten und Hörhilfen gedient werden
kann. Für KüntlerInnen ist dieser Punkt für Installationen wichtig, bei denen Klang und Text
mit verwendet wird!

Das Wissen ist nicht neu, dass Verarbeitungen von Wahrnehmungen im Gehirn, die
vom rechten und linken Ohr kommen, unterschiedlich sind,. Aber dass sich die Ohren an der
asymmetrischen Verarbeitung selbst aktiv beteiligen. ist neu. Bei der Untersuchung wurde
die Hörfähigkeit von Tausenden von Kindern getestet, indem man ihnen Miniaturmikrophone
ins Ohr steckte, die gleichzeitig Ton abgeben und die Verstärkung messen konnten. Winzige
Zellen im Ohr reagierten auf den Sound, indem sie sich ausdehnten oder zusammenzogen
um die Impulse zu verstärken, welche dann wiederum über Nervenimpulse ans Gehirn weiter
geleitet wurden. Einige dieser Impulse wurden in die Gegenrichtung reflektiert und erlaubten
so den Wissenschaftlern das Ausmaß der Verstärkung zu messen, ein Maß dafür, wie gut
das Ohr auf den vorgegebenen Sound reagiert. Ein Beispiel: Dr. Siniger fand heraus, dass
eine Serie von raschen Klicks, welche einen Sprachrhythmus darstellen sollten, im rechten
Ohr eine größere Reaktion vorfanden, wohingegen das linke Ohr besser auf Musik reagierte.
In anderen Studien fanden sie heraus, dass Kinder, welche im rechten Ohr Hörprobleme
hatten, in der Schule mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen hatten als Kinder mit
Problemen im linken Ohr. Als Konsequenzen folgerten sie, das rechte Ohr ist wichtiger für
Lernsituationen.

Diese Asymmetrie im Gehirn bei auditiver und visueller Wahrnehmung ist selbst
nicht konstant, das heißt, sie ändert sich mit der Zeit: mit dem Alter nimmt die
Differenzierung ab, oder anders ausgedrückt, mit dem Alter übernehmen mehr und mehr
beide Hemisphären des Gehirns die Aufgaben die zu machen sind, und die seitliche
Trennung ist weniger ausgeprägt (Dolcos. F/ Rice H. J. / Cabeza, R.; 2005).
Wenn es um Reaktionszeiten aufgrund von visuellen Reizen geht, dann reagieren
Personen schneller, wenn der Reiz aufs linke Auge fällt, der dann vom rechten Teil des
Gehirns verarbeitet wird, als wenn der Reiz vom rechten Auge aufgenommen wird. Dabei
verlangsamt sich die Rektionszeit, wenn der Hintergrund rot ist, und er beschleunigt sich bei
grünem Hintergrund (Roth, E.C. / Hellige, J.B., 2005).

Die Raumwahrnehmung von rechts und links ist unsymmetrisch, und sie hängt auch
vom Erziehungssystem und der erlernten Schreibrichtung ab. Gezeigt wurde dies an Kindern
aus Tunesien und Frankreich. Die einen lernen von rechts nach links schreiben, die anderen
umgekehrt. Die Tests wurden zweimal durchgeführt. einmal vor dem Schulanfang, und dann
nochmals ein paar Jahre danach nachdem sie schreiben konnten. Sie sollten dann auf einer
waagerechten Linie die Mitte anzeigen, einen Kreis zeichnen, und eine Reihe von runden
Feldern ausfüllen. Bei der Aufgabe der Linienteilung trat ab 9 Jahren bei den Kindern aus
Frankreich ein merkbarer Unterschied auf, da sie den Teilungspunkt links von der wirkliche
Mitte malten, was bei den tunesischen Kindern nicht der Fall war, und sie malten mehr
Kreise im Gegenuhrzeigersinn. Die Kinder aus Frankreich füllten mehr Felder aus wenn sie
die Hand von rechts nach links bewegten, und bei den tunesischen Kindern war es
umgekehrt (Fagard J.; Dahmen R.; 2005).

Die Asymmetrie im Gehirn ist keine Spezialität des Menschen. Auch bei Affen wurde
eine Arbeitsteilung der Gehirnfunktionen nachgewiesen. Mit Hilfe von Magnetresonanzen
machten William Hopkins und Kollegen am Yerkes-Primaten-Forschungszentrum bei 60
Schimpansengehirnen Aufnahmen und bestimmten damit die Funktionen von Amygdala und
Hippocampus. Der letztere ist an allen Lernprozessen beteiligt und auf der rechten
Gehirnseite deutlich größer als auf er linken. Die Amygdala welche für Emotionen zuständig
ist, verteilt sich hingegen gleichmäßig. Des weiteren konnten sie bei 66 Affen einen
Zusammenhang zwischen der Bevorzugung einer Hand und den Aktivitäten des
dazugehörigen Gehirnzentrums nachweisen. Auch bei Affen ist die meistgebrauchte Hand
die rechte (Dick-Pfaff, Cornelia, 2004).



Effekte von Wiederholungen

Im Leben der Menschen überlagern sich immer zwei Zeitkategorien: die lineare Zeit
und die verschiedenen Zeitzyklen. Die Zeiterfahrung wird durch innere Taktgeber im Gehirn
gesteuert. Wenn sich in gewissen Zeiteinheiten die darin erlebte Erfahrung ändert, dann
erfahren wir Zeit als fortschreitend. Wenn sich allerdings die Inhalte der Zeiteinheiten sehr
ähneln, dann überdeckt sich die vorige Erfahrung mit der danach, und somit haben wir das
Gefühl auf der Stelle stehen zu bleiben. Das trifft immer auf Routinearbeiten zu, die auch
deswegen als frustrierend empfunden werden. Im Prinzip wird sowohl eine auditive, wie auch
eine visuelle ständige Wiederholung als langweilig empfunden, und man kann dies sogar als
Definition für "langweilig" nehmen.

In besonderen Fällen jedoch wird genau diese ständige Wiederholung benutzt, um
aus dem normalen Bewusstseinszustand in andere Zustände zu wechseln. Stundenlanges
Tanzen zu monotonen Rhythmen und Klängen wird schon seit Jahrtausenden in allen
Kulturen der Welt zur Selbsthypnose verwendet und zur Erzeugung von Trancezuständen. In
diesen Zuständen wechseln die Hirnrhythmen zu Theta- und Deltawellen, der gleiche
Bereich der auch in Meditationen erreicht werden kann und normalerweise im Schlaf und
beim Träumen auftritt. In modernen Zeiten kommt zum auditiven Effekt der zyklischen
Wiederholung der visuelle dazu. Nahezu jede Diskothek benutzt Stroboskoplichter um die
Stimmung anzuheizen und das Publikum in Taumel zu versetzen. Bei empfindlichen
Personen kann aber ein rhythmischer Kontrastwechsel im Theta-Bereich zu Aussetzern im
Hirn führen. Das hat in Alleen durch den rhythmischen Wechsel von Licht und Schatten bei
gewissen Personen schon zu Autounfällen geführt!

Wiederholungen in Architektur und Kunst haben einen vergleichbaren Zweck wie in
der Musik: sie sind Taktgeber, sie strukturieren Zeit- und Raumerfahrung. Was darüber
hinausgeht, wird dann so wahrgenommen wie ein schwarzer Fleck auf einer weißen Wand.
Wenn die Größe des sich wiederholenden Objektes bekannt ist, dann erzeugt die
Wiederholung eine klar wahrnehmbare Tiefe. Das daraus herausragende Objekt kann dann
in seiner Größe leichter eingeschätzt werden. Wenn allerdings nur die sich wiederholende
Struktur vorgegeben ist, sei sie optisch oder auditiv, dann entsteht Langeweile, wie das Bum-
Bum-Bum des Techno-Sounds. Oder den Glasfassaden der Hochhäuser in Großstädten.
Generell überschätzen Personen die Höhe von Objekten. Das gleiche Objekt in der
Waagrechten wird bei konstantem Abstand länger wahrgenommen, wenn es senkrecht steht!
Das gleiche Objekt wird als höher wahrgenommen, wenn die Basis sich wiederholende
regelmäßige Muster enthält, deren Größe man kennt.

Bei der Konstruktion buddhistischer Tempel wird dieser Trick oft angewendet! In der
folgenden Abbildung ganz links wurden die Buddhafiguren, die man in der Mitte sieht, weg
retouchiert. Im Originalfoto rechts sind sie vorhanden. Der Baum im Hintergrund gibt eine
Größenordnung vor. Aber Bäume können sehr verschiedene Höhen erreichen! Steht man
vor dem Tempel, befinden sich die Buddhastatuen direkt vor einem. Man weis also genau
wie groß sie sind. Durch die Wiederholung der gleichen Figur bekommt man eine sehr
plastische Vorstellung von Abstand und Tiefe. Die Wiederholungen der Figur auf den oberen
Stufen vergrößert für die Psyche den Eindruck der Tempelhöhe.

Bild



In der Mathematik gibt es Untersuchungen darüber, was allgemein gesehen bei
Systemen geschieht, die Wiederholungen ausgesetzt sind. Hier ein Beispiel zum einfachsten
System was denkbar ist. Es beseht aus nur zwei Elementen. Das eine nennen wir "Aktion",
das zweite "keine Aktion". Diese zwei Elemente kann man auf vier Weise miteinander
verknüpfen. Als Symbol zur Verknüpfung nehmen wir ein Pluszeichen (+). Zur einfacheren
Darstellung kürzen wir "Aktion" mit der Eins (1) ab, und "keine Aktion" mit der Null (0).
Kombinieren wir "Aktion" mit "keiner Aktion", erhält man 1+0=1. Das gleiche Resultat ergibt
sich bei Vertauschung: 0+1=1. Bei zweimal "keine Aktion" geschieht offensichtlich nichts:
0+0=0. Die letzte Kombination ist 1+1. Da es nur zwei Zustände gibt, "Aktion" und "keine
Aktion", muss logischerweise eine Änderung des Zustandes von "Aktion" zum zweiten, einzig
verbleibenden Element führen, die mit Null gekennzeichnet wurde. Man erhält also 1+1=0
Zusammengeschrieben sind die Regeln: 1+0=1, 0+1=1, 0+0=0, 1+1=0.
Diese Regeln wenden wir nun auf zwei Elemente an. Um den Vorgang optisch
besser erkennen zu können, wählen wir für "Aktion" ein schwarzes Feld, und für "keine
Aktion ein weißes.

Bild


Bei A ist nur ein Element präsent. Der Wechsel kann also nur von Schwarz zu Weiß
sein, von 1 zu 0. In B gibt es zwei Elemente, a und b. Die erste Zeile entspricht dem
Zustand zum Zeitpunkt 1. die zweite Zeile entspricht dem Zustand zum Zeitpunkt 2. Die
Elemente a und b sind so miteinander verbunden, dass b von a die Informationen
empfangen kann. Folgt man den Regeln, so ist der Zustand im Zeitpunkt 2 wie in der zweiten
Zeile von B. Das erste Element gibt das Signal an das zweite weiter. Nachdem beide
anfangs den Wert Eins hatten, wechselt das zweite nun auf die Null, da die Regel 1+1=0
dies fordert. In einem dritten Schritt wird der erste Zustand wieder erreicht.

In C sieht man das Ergebnis mit vier Elementen, a, b, c, und d, die in der ersten
Zeile zu finden sind. Wendet man die besagten Regeln das erste mal an, so wird die
Werteverteilung nach dem ersten Zeitschritt in der zweiten Zeile wiedergegeben. Ein weiterer
Durchgang erzeugt die dritte Zeile, und dann folgt die vierte. Beim fünften Mal erhält man
wieder die erste Zeile.

In D sieht man die Verteilung mit 8 Elementen. Jede der 8 Zeilen entspricht einem
Zeitschritt nach der neuen Werteoperation. Jetzt sieht man schon deutlich, dass sich das
Muster von B wiederholt: oberhalb der Diagonalen findet man drei Mal das kleinere Muster,
und unterhalb der Diagonalen sind nur Nullen. Um keine Missverständnisse hervor zu rufen:
was als Flächenmuster erscheint, ist in Wirklichkeit eine lineare Verteilung über die
Zeitachse aufgetragen! Ich stellte diesen Algorithmus hier vor, da er der einfachste ist, den
man sich ausdenken kann, und es somit am einfachsten ist den Vorgang zu verstehen.
Solche Strukturen nennt man "selbstähnlich" oder auch "Fraktale". Im Internet findet man
unter dem Begriff "Fraktale" jede Menge an komplizierteren und sehr schönen Strukturen,
auch dreidimensionale, und solche die sich mit der Zeit als Parameter verändern! Die
Konsequenz daraus ist, dass die Bildung von Fraktalen, Wiederholungen selbstähnlicher
Muster, ein sehr natürlicher Vorgang ist, wenn eine so primitive Regel, wie die oben
dargestellte, schon Fraktale erzeugt!

Mit dem hier beschriebenen Vorgang lässt sich auch gut der Unterschied zwischen
Form und Inhalt eines Vorganges erklären. Was hier interessiert, ist die Kommunikation von
Inhalten durch die Form von Objekten, durch Klang oder Bewegung. Im Beispiel oben ist es
eine Reihe einfachster verknüpfter Elemente und eine feste Regel zur Veränderung. Von
Zeitschritt zu Zeitschritt verändert sich die Form der Linie, die anfangs nur aus schwarzen
Elementen besteht. Doch in jeder Linie ist der ursprüngliche Inhalt enthalten! Nach einer Zahl
an Schritten, welche die der Elemente entspricht, kommt die ursprüngliche Form wieder in
Erscheinung!

Auch im räumlichen Bereich kann man mit einfachen Mitteln die Entwicklung von
räumlichen Fraktalmustern studieren. Dazu reichen ein paar farbige Kugeln, die man mit
Heißkleber zusammen klebt. In der Abbildung (1) unten wurden vier weiße Kugeln
zusammen geklebt. In der nächsten Phase (2) wurde die Tetraederform mit vier gelben
Kugeln ergänzt. Die Mitten der weißen und gelben Kugeln bilden nun zwei gegeneinander
gerichtete Tetraeder. Für die nächste Schicht (3) kommen in die entstandenen Lücken sechs
rote Kugeln, und in die Restlücken zwölf blaue. Nun kommen wir zur nächsten Schicht. Hier
sind die blauen Kugeln in Dreiergruppen um die gelben platziert. Diese Stellen werden mit je
drei braunen Kugeln aufgefüllt. Die Dreiergruppen um weiß werden mit grünen verklebt. Die
tiefsten Löcher die noch bleiben sind die, bei denen man in der unteren Schicht die gelben
und weißen Kugeln sieht. Sie werden mit der entsprechenden Farbe aufgefüllt, was die
Konstruktion in Abbildung (4) demonstriert. Im Vergleich mit Abbildung (2) sieht man, dass
sich das Muster der zwei ineinander geschobenen Tetraeder wiederholt.

Interessant sind dabei die Zahlen der dazu benötigten Kugeln: In (2) sind es 8
Kugeln. Die nächste Schicht hat 20 Kugeln, und die folgende benötigt 32 Kugeln: das sind
genau die Zahlen der Elektronenkonfiguration von abgeschlossenen Hüllen im Atomaufbau!
Dabei entspricht die 8 der L-Schale, die 20 der M-Schale, und die 32 der N-Schale. Man
sieht also, diese Zahlen ergeben sich automatisch als Konsequenz unter der Bedingung
einer dichten Packung von sphärischen Objekten, und sie bilden ein fraktales Muster!

Bild


Überträgt man dieses Modell auf ein reales lebendes Objekt, zum Beispiel eine
Blume, dann ist "Blume" nicht nur der Zustand der Blüte, sondern auch des Samenträgers
ohne Blütenblätter, und des Samens im Boden, und des Blattes welches aus dem Samen
sprießt, und der Pflanze welche den Blütenkelch entwickelt. Alles ist Teil eines
wiederkehrenden Zyklus. Ein Apfel, ein Apfelbaum und ein Apfelkern sind im Prinzip und in
Realität das gleiche Wesen zu unterschiedlichen Zeitpunkten! Es gehört zum Wesen der
Kunst Objekte in Phasen der Existenz darzustellen, welche je nach Gesellschaft geleugnet
werden, oder unbekannt sind.

Wiederholungen können in Zahlen oder geometrischen Formen ausgedrückt
werden. Interkulturell tragen primäre Basiszahlen und ein paar höhere Zahlen den gleichen
sozialen Inhalt. Die Eins steht für Aktion und Aktivitäten. Die Zwei wird als Spiegelbild der
Eins angesehen, und symbolisiert Nachdenken, Selbsterkenntnis, Meditation, Reflexion. Die
Drei symbolisiert die drei wesentlichen Grundkräfte der Natur: Entstehen, Bestehen,
Vergehen, oft als göttliche Trinität verehrt. Die Vier steht für den Raum und die Materie im
Raum: man braucht genau vier Elemente, um Raum zu definieren. Es ist die X-Achse, Y-
Achse. Z-Achse und die Null. Mit drei Elementen hat man eine Größe zu wenig, mit fünf eine
zuviel! Als geometrisches Symbol steht dafür oft das Quadrat. So wurden im alten China
Mondtempel quadratisch konstruiert, und in den Boden eingelassen. Der Mond bewegt die
Wassermassen auf der Erde durch Ebbe und Flut, und steht somit als Symbol für das
materielle Erdendasein.

Die Fünf steht für das Prinzip des Lebens, insbesondere das der Pflanzen. Im
Deutschen kennt man den Begriff der "fünf Sinne". Hier wird die Fünf, wie auch in anderen
Sprachen, nicht als Zahl, sondern als Symbol verwendet, denn es sind ja mehr als fünf
Sinne: Fühlen, Hören, Riechen, Schmecken, Sehen, der Gleichgewichtssinn, der Sinn für
Luftdruckänderungen (Wetterfühligkeit) und seit einiger Zeit kennt man noch das Organ für
Pheromone. Der zuletzt genannte Sinn ist für das Sozialverhalten zuständig, und das nicht
nur beim Menschen!

Die Sechs bedeutet symbolisch gesehen Bewegung, Änderung, Beschleunigung.
Insbesondere steht sie für das Reich der Tiere. Die Sieben erinnert daran, dass alle
natürliche Zyklen in der Natur 7 interne Stufen haben. Die Tabelle der chemischen Elemente
hat 7 Gruppen, die Astronomie kennt 7 Sterngruppen, Tiere und Pflanzen werden in 7
Hauptgruppen eingeteilt. Unser Kurzzeitgedächtnis kann maximal mit 7 Kategorien arbeiten.
Sogar in einem so abstrakten Bereich wie der Geometrie, hat der 7-dimensionale Raum eine
Besonderheit: die Objekte darin kennen keinen Unterschied mehr zwischen innen und
außen! Es ist uns nicht möglich ein Objekt mit sieben Dimensionen vorzustellen. Aber wenn
man nur eine Ecke nimmt, dann kann man die Situation plausibel beschreiben: Dass wir den
physischen Raum "dreidimensional" nennen, hat historische Gründe Dabei wird immer der
Nullpunkt als Dimensionseinheit vergessen!

Wir stellen uns ein Tetrahedron vor. Das ist eine Pyramide, die aus vier
gleichseitigen Dreiecken zusammengesetzt ist. Drei Dreiecke stehen über einer
Dreiecksbasis. Fügt man nun an der Spitz dieser Pyramide ein weiteres Dreieck hinzu, dann
erhalten wir eine Pyramide mit quadratischer Basis. Bei dieser Pyramide ist der Winkel an
der Spitze größer als beim Tetrahedron. Nun fügen wir an die Spitze eine fünfe Pyramide
hinzu. Es wird eine Pyramide mit einem Pentagon als Basis. Der Winkel an der Spitze wird
noch flacher, aber man kann immer noch bestimmen was innen und außen der Ecke ist!
Dies endet mit einem sechsten gleichseitigen Dreieck an der Spitze, denn nun hat man ein
Hexagon! Es ist vollkommen platt, und es hat sieben Punkte: sechs Eckpunkte und den
Mittelpunkt! Als Konsequenz folgt, in einem Raum mit 7 Dimensionen kann man nicht mehr
feststellen, was innen und außen an den sich darin befindlichen Objekten ist!

Während die Vier symbolisch für Materie steht, bedeutet die Acht, als
Verdoppelung, "geformte Materie". Beispiele dazu: Eisen =4, Nagel =8 ; Holz = 4, Stuhl = 8 ;
Leder = 4, Schuh = 8. Die Neun steht für Produkte göttlicher Kraft: 3x3=9. Die Zehn wurde
sowohl in europäischen wie auch in asiatischen Kulturen mit der Struktur des Universums
verbunden. Weitere mythische Zahlen sind die 12 (Vollständiger Zyklus), die 13 (Wandel,
Neuanfang, Zahl der Vollmonde im Jahr), die 14 (2x7, Kunst, Kreation), die 16 (2x8,
materielle Welt), die 17 (spirituelle Suche nach der Wahrheit), die 18 (2x9, spirituelle Welt)
die 21 (3x7, vollständiger göttlicher Zyklus) und die 28 (4x7=28, Monat, Mondzyklus).

Über asiatischen Tempeleingängen findet man noch die Zahl 108. Darin wird die
Verknüpfung von Zahlen mit sozialen Inhalten besonders klar. In jenen Religionen wird
gelehrt, dass das Göttliche sich selbst geschaffen hat. Also gibt es nichts außerhalb des
Göttlichen. Als Element wird die Drei gewählt, welche die drei göttlichen Kräfte Entstehen,
Bestehen und, Vergehen symbolisiert. Die Drei enthält die 1, 2 und 3. Die göttliche Potenz
wird durch potenzieren symbolisiert. Die Verknüpfung und Kooperation der Elemente
göttlicher Schöpfung miteinander, wird durch die Multiplikation dargestellt. Zusammen
gefasst erhält man:
Die Eins, potenziert mit Eins, multipliziert mit der Zwei, potenziert mit Zwei,
multipliziert mit Drei, potenziert mit Drei. In Zahlen: 11 x 22 x 33 = 1 x 4 x 27 = 108 !

Zahlen werden in Asien seit Jahrhunderten als bequeme Symbolik für soziale
Inhalte verwendet. Ein Beweis dafür ist ein Auszug aus dem buddhistischen Sutra des
Meisters Hui Neng: "....das Reine Land ist nicht weit von hier, da die Distanz von hier
108.000 Meilen ist, was in Wirklichkeit die zehn Schlechtigkeiten und die acht Fehler in uns
repräsentieren. Nun, ich rate euch, gelehrte Hörerschaft, unterlasst als erstes die zehn
Schlechtigkeiten; dann sind wir einhunderttausend Meilen gereist. Als nächsten Schritt lasst
die acht Fehler, und damit seid ihr weitere acht tausend Meilen gereist." (Sutra of HUI NENG,
1966; Buddhist Society London, p. 37,38).

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ENDE DES TEXTES

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RE: Wahrnehmung & Wirklichkeit. Wie entsteht "Reali

Beitrag von nicole6 »

Zeitwahrnehmung bei Kunstobjekten

Die Wirkung einer Skulptur hängt nicht nur von Farbe, Form und Blickwinkel ab,
sondern auch zu einem wesentlichem Teil von der Zeitspanne die man zur Verfügung hat,
oder die man sich erlaubt. Nun ist der Begriff "Zeit" mit vielen Inhalten befrachtet, die
eigentlich nichts damit zu tun haben. Wenn jemand sagt "dazu habe ich keine Zeit", meint
man meist, dass man die Sache für unwichtig ansieht. Ein anderer Ausdruck ist, "wie doch
die Zeit vergeht!" . Das ist so, als ob man sagt, "wie doch die Länge vergeht". Länge an sich
ist eine Maßeinheit, die kommt nicht und vergeht nicht. Was sich ändert sind die Objekte,
aber das lässt die Kategorie "Zeit" unberührt. Noch ein bekannter Spruch ist, "das spart mir
viel Zeit!". Wer spart, was auch immer, hat danach mehr vom Gesparten. "Zeit" kann man
aber so wenig sparen wie "Länge", "Gewicht" oder "Temperatur".

Um hier einen klaren und unmissverständlichen Wortgebrauch zu garantieren, führe
ich eine Definition von "Zeit" ein, welche im Text hier verbindlich ist:

"Zeit" ist die Lücke zwischen der Erscheinung eines Objektes und dem Ersatz durch
ein anderes.

Diese Definition ist formal für alle Bereiche der Wissenschaft und des Lebens
verwendbar und widerspruchsfrei. Diese Definition von "Zeit" ist unabhängig vom Inhalt und
erlaubt verschiedene Zeitabläufe die simultan ablaufen oder ineinander geschachtelt sind.
Somit ist klar, dass Zeit nicht intrinsisch mit Bewegung verbunden ist, wie viele Philosophen
geglaubt haben. Eine löbliche Ausnahme davon ist Hans Reichenbach:
"Niemals messen wir "reine Zeit", sondern stets ein Geschehen..... Jeder Zeitablauf
ist für uns an ein Geschehen geknüpft; anders wäre er gar nicht wahrnehmbar".
(Reichenbach, Hans, 1928; Philosophie der Raum-Zeit-Lehre; Walter de Gruyter &
Co; Seite 138).

Ein einleuchtendes Beispiel dazu ist ein Fernseh- oder Computerbildschirm. Die
Pixel darauf bewegen sich nicht, und trotzdem entsteht der Effekt von zeitlicher Veränderung
und Bewegung!

Es gilt hier auch, zwischen linearen und zyklischen Abläufen von Zeit zu
unterscheiden. Lineare Zeiten verhalten sich relativ zueinander, zyklische nicht! Man kennt
das zum Beispiel vom Autofahren her. Bei zwei Autos auf der Autobahn, die mit gleicher
Geschwindigkeit neben einander fahren, bleibt der Abstand über die Zeit konstant. Wenn
einer von beiden beschleunigt, dann bewegt sich der unbeschleunigte im Vergleich zum
anderen nach hinten. Eine ähnliche Situation hat man, wenn zwei Autos auf dem Parkplatz
stehen. Auch hier ist der zeitliche Abstand zwischen beiden konstant. Fährt einer davon
rückwärts aus der Parklücke heraus, dann bewegt sich relativ dazu das parkende Auto nach
vorne. Das ist es, wenn man davon spricht, dass lineare Geschwindigkeiten relativ sind!
Bei zyklischen Zeitabläufen ist das nicht der Fall! Man benutzt hier auch den Begriff
"Rotation". Betrachte ich in der Nacht einen Stern und drehe mich dann um 360 Grad, dann
ist diese Rotation absolut, und nicht relativ! Denn es ist nicht möglich, dass sich das
Universum in einer Sekunde um uns gedreht hat!

Albert Einstein versuchte in seiner speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie
den linearen Effekt von Relativität mit den Kräften bei der Rotation gleichzusetzen, damit er
den Zusammenhang mit der Schwerkraft hat. Das ist natürlich ein Unsinn, denn die
Anhängigkeiten sind vollkommen verschieden! Bei der linearen Beschleunigung sind dir
Kräfte über die Länge konstant. Bei der Rotation sind sie umgekehrt proportional zum
Radius, und bei der Schwerkraft sind sie umgekehrt proportional zum Quadrat! Nichts davon
kann man also gleichsetzen, und trotzdem wird dieser Unsinn immer noch gelehrt und man
findet ihn in den Physikbüchern! Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: die
Tatsache dass ein Formel funktioniert, heißt noch lange nicht, dass die Begründung für die
Formel stimmig ist!

Das Thema der Zeitwahrnehmung von Skulpturen bezieht sich hier ausdrücklich
nicht auf den vom Volk oder vom Machtblock zugeschriebenen künstlerischen Gehalt von
Skulpturen, sondern es ist eine Betrachtung auf einer Meta-Ebene, deren Inhalt interkulturell
gültig ist.

Wenn LeserInnen dieses Buchs eine Skulptur oder ein Design mit
Recyclingmaterialien planen, dann haben sie meist auch schon einen Ort im Sinn, wo dieses
Objekt aufgestellt werden soll. Es kann das Mittelstück eines Kreisverkehrs sein, bei dem
tagtäglich viele Autos herumfahren, und wo Fußgänger die Skulptur nur von weitem sehen
können. Oder es ist ein öffentlich zugänglicher Platz in einer für Autos gesperrten
Fußgängerzone, oder eine Ecke auf dem Rasen hinter dem Wohnhaus. Die Zeitspanne die
jemand zur Verfügung hat um diese Objekte wahrzunehmen und zu bewerten, ist somit
extrem unterschiedlich. Wenn das Objekt Aufmerksamkeit erregen soll, dass muss es sich
vor allem vom Hintergrund abheben. Vor unruhigem Hintergrund fällt ein glattes Objekt eher
auf und umgekehrt gilt das gleiche.

Skulpturen die vom Auto aus gesehen werden sollen, stimulieren eher die
Aufmerksamkeit, wenn sie Öffnungen haben, durch die man den Hintergrund sehen kann.
Die Skulptur wirkt dann wie ein Rahmen, und das Sichtbare hinter der Öffnung ist ein mit der
Zeit sich wandelnder Inhalt. Es wirkt wie eine Laufschrift auf einer Werbetafel. Hier wirken
auch spiegelnde Fläche die das Sonnenlicht reflektieren. In Teilstücken unterbrochene
Sichtblenden haben einen ähnlichen Effekt, selbst wenn sie aus Glas bestehen, da ab einem
Einfallswinkel von 41 Grad Glas wie ein Spiegel total reflektiert. Für den gleichen Zweck
eignen sich tief strukturierte Kunstobjekte, da sie sich in der kurzen Zeit, die man sie vom
Auto aus sieht, durch den wechselnden Betrachtungswinkel stark ändern.

Doch es gibt auch subtilere Effekte die man nutzen kann. Es ist nicht nur ein
psychologischer Unterschied ob wir eine Skulptur betrachten die sich dreht, oder ob wir um
die Skulptur herum gehen! Unser Leib ist voll von Nervenbündeln die elektrische Signale
transportieren. Bewegen wir uns im Raum, dann durchqueren wir dabei das Erdmagnetfeld,
was wiederum in unserem Leib durch diese Bewegung Ströme induziert, wie beim Dynamo.
Dies ist nicht der Fall wenn wir stehen und die Skulptur sich dreht! Eine ähnliche Situation ist
gegeben, wenn jemand als Sport durch Wiesen und Felder läuft, im Vergleich zu jemandem
der in einer Gymnastikhalle das Laufband benutzt. Die Stimulierung durch das
Erdmagnetfeld verstärkt das Immunsystem. Das Magnetfeld steht immer senkrecht auf
Oberflächen. Deswegen funktioniert auch der Blitzableiter, weil an der Spitze sich das
Magnetfeld stark verdichtet. Auf Bergspitzen hat man eine vergleichbare Situation, weshalb
ein Aufenthalt dort oben Heilungen beschleunigt. Unsere Vorfahren wussten das, weshalb
sie Kranke und Verletzte auf Berge trugen. Die schnelle Heilung wurde dann den Göttern
zugeschrieben, denen sie auf dem Berg angeblich näher waren.
Wenn nun jemand auf die Idee kommt, und strahlenförmig von einer zentral
positionierten Skulptur aus wellenförmige Strukturen aus Erdwällen anlegen würde, dann
müsste jemand der um die Skulptur herum geht diese Wellen auf- und ablaufen. Der Leib
erfährt dann ein Wechselbad an magnetischer Stimulationen, da auf den Hochpunkten der
Wellen das Magnetfeld wächst, und in den Tiefpunkten sinkt.

Für Skulpturen an öffentlichen Orten bei denen viel Zeit zur Verfügung steht sie zu
erfahren, eignen sich Oberflächengestaltungen die Feinstrukturen enthalten. Um sie
wahrnehmen zu können, braucht man viel Zeit. Dadurch wird eine positive Bewertung des
Objektes stimuliert. Man kennt diese Technik besonders von asiatischen Tempeln, bei denen
es oft keinen Bereich gibt, der nicht künstlerisch bearbeitet wurde. Auch die Zeit selbst, die
notwendig ist um sich Zugang zu verschaffen, hat Einfluss auf die Bewertung einer Skulptur!
Dazu werden verschiedene Methoden angewendet. Eine davon ist, dass die Person einen
längeren Fußweg vor sich hat, um an das Objekt zu kommen, oder es werden Hindernisse
eingebaut.

Eine andere ist, dass der Zugang zwar kurz ist, aber sehr steil, und somit
anstrengend und zeitaufwendig. Das extremste was ich dazu kennen lernte, ist der Wat
Arum Tempel in Bangkok, bei dem die Treppe im Mittelbereich auf die Stupa hinauf fast 70
Grad erreicht, und dabei öffentlich zugänglich ist! Auf dem Foto in der Abbildung unten links
ist die steile Treppe mit rot gekennzeichnet. In der Mitte sieht man die Treppe von oben aus.
Das rechte Foto zeig den Blick von diesem Teil aus nach oben. Der überaus große
Detailreichtum dieses Objektes ist überwältigend, und der Effekt steigert sich noch wenn
man das obere Ende der Treppe erreicht hat! Hier wurden all die oben besprochenen
architektonischen Tricks angewendet um dem Besucher zu imponieren!

Bild



Eine Untersuchung, wie sich die Bewertung von Kunstobjekten über längere
Zeiträume wandelt, wurde von Michael Thompson durchgeführt. In seinem Buch "die Theorie
des Abfalls" beschreibt er in mehreren Beispielen, wie die sozialökonomische Konstruktion
von "künstlerischem Wert" bei Objekten erfolgt. Er verwendet dazu ein Modell des
Mathematikers René Thom, die sogenannte Katastrophentheorie. Sie gehört zu den wenigen
mathematischen Modellen, welche für Sozialwissenschaften anwendbar sind. Thompson
zeigt, dass "Kunstobjekte" wegen dem Definitionsmonopol des Machtblocks entweder direkt
als sogenannte "Hochkunst" von deklarierten "berühmten" Künstlern hergestellt werden, oder
sie landen als "Müll" in der Schublade des Vergessens. Eine Zwischenstufe ist hier nicht
vorhanden. Nach Ablauf größerer Zeiträume kann eine Art "Werte-Recycling" stattfinden, bei
dem Objekte, die bis dahin der Kategorie "Müll" angehörten, in der Kategorie "Kunstobjekte"
landen. Welche der Objekte dabei dieser Transformation unterliegen ist unter gewissen
Umständen vorhersehbar. Das Besondere an der Katastrophentheorie ist, dass sie in
gewissem Rahmen längerfristige Vorhersagen zum zeitlichen Ablauf der
Wertetransformation erlaubt. Im Rahmen dieses Buches kann ich nicht darauf eingehen wie
das im einzelnen geschieht, und wie das Modell der Katastrophentheorie funktioniert. Wer
sich dafür interessiert, hier die Buchdaten: Thompson, Michael; 1981; Die Theorie des
Abfalls; Klett-Cotta, Stuttgart.


Unbewusste Wahrnehmung

Ein Hinweis auf den Unterschied zwischen Sehen und Wahrnehmen stellt das
Phänomen "Blindsehen" dar. Patienten mit Blindsicht haben den primären visuellen Cortex
beschädigt. Das ist der Teil des Gehirns, der für das Sehen zuständig ist. Diesen Personen
ist nicht bewusst, dass sie innerhalb ihres visuellen Feldes Anregungen erfahren. Teilt man
das Sehfeld in vier Quadranten, dann kann es vorkommen, dass der Patient in drei von den
vier Feldern normal sieht. Er behauptet aber im vierten Feld nichts wahrnehmen zu können.
Trotzdem kann er Größe, Form, Orientierung und Bewegungsrichtung dvon Objekten
erraten, welche er angeblich nicht sieht! (Weiskrantz, L.; 1986)

Ein weiteres Beispiel für unbewusste Wahrnehmung ist "Prosopagnosia". Bei
diesem Hirnschaden können Personen keine familiären Gesichter erkennen. Auch wenn sie
einer Person ins Gesicht schauen, können sie nicht angeben wer sie ist. Trotzdem können
sie aus einer Liste von Namen den auswählen, den sie am besten für diese Person geeignet
halten.

Dem Residualeffekt ist es zu verdanken, dass kleine Lautsprecher funktionieren. Die
fehlenden Frequenzen der aktuellen Wahrnehmung im Ohr, ergänzt das Gehirn durch
gespeicherte Erinnerungen. Ein ähnlicher Vorgang ist der Sinuseffekt, bei dem das Gehirn
aus der Erinnerung einem reinen Sinuston Obertöne hinzufügt.

Es gibt beim Farbensehen ein gleichwertiges Ereignis zum auditiven Residualeffekt,
welches Farbkonstanz genannt wird. Es ist die Fähigkeit von Menschen, dass sie Objekten
eine konstante Farbe zuzuordnen können, auch wenn sich die Beleuchtung ständig ändert.
Um dies zu erreichen, berücksichtigt unser Gehirn die Umgebungsbedingungen. Bei
Versuchen mussten Testpersonen Felder einer der acht Farbkategorien gelb, orange, rot,
violett, blau, türkis, grün und grau zuordnen. Diese Farben wurden jeweils für eine halbe
Sekunde präsentiert. Zum Vergleich hatten die Personen nur die Umgebungsbeleuchtung
und den Bildschirm zur Verfügung, deren Farbwerte während des Versuches ständig, und
sehr langsam verändert wurden. Der Farbwert, der mit der Umgebungsbeleuchtung und dem
Farbwert des Bildschirms übereinstimmte, wurde von den Testpersonen als "grau" definiert.
Hier werden vom Gehirn großflächig wahrgenommene Farben so korrigiert, dass sie als
Normalwert eines "Standartgraus" dienen, und erst die Abweichung davon wird als "Farbe"
angesehen (Walter, Sebastian / Gegenfurtner, Karl R., 2005).

Asymmetrische Wahrnehmung

Sehen ist ein asymmetrischer Vorgang. Es ist nicht egal, ob der gleiche Gegenstand
in der rechten oder linken Bildhälfte liegt. Die Augenbewegung ist überkreuz mit den
Gehirnhälften verbunden. Wer nach links blickt, steuert mehr Information zur rechten
Gehirnhälfte ins rechte Gehörzentrum, welches für den emotionalen Gehalt zuständig ist.

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Der Blick nach rechts aktiviert die linke Gehirnhälfte, welche hauptsachlich rational
und analytisch arbeitet. Weitere Asymmetrien sind: Blick nach oben steuert das Sehzentrum
an. Blick nach unten steuert den Gefühlsbereich an. Das heißt aber nicht, dass die
Gehirnhälften nicht in der Lage sind beide Arten von Informationen verarbeiten zu können!
Wenn der Mensch gesund ist, dann findet eine natürliche Arbeitsteilung statt. Im Fall, dass
ein Teil des Gehirns durch einen Tumor oder eine andere Krankheit beschädigt ist,
übernimmt der gesunde Teil des Gehirns nach kurzer Zeit die anstehenden Aufgaben.
Die klassischen Künstlerinnen und Künstler benutzten bewusst oder unbewusst seit
Jahrhunderten diese Tatsachen in der Gestaltung ihrer Werke. In Rubens Bild "Raub der
Töchter des Leukippos" geht die visuelle " Diagonale des Gefühls" von links unten nach
rechts oben, und folgt somit der Stellung der Frauen. Die "Diagonale des Verstandes" von
links oben nach rechts unten, folgt dem Blick des männlichen Räubers zur Frau hin. Diese
letzte Richtung wird kulturunabhängig als absteigend empfunden und meist benutzt, um
negative Ereignisse darzustellen, wie z.B. die Grablegung nach der Kreuzigung. Die andere
Richtung wird als aufsteigend erfahren und positiv bewertet. In allen Darstellungen
christlicher Kunst erfolgt die Auferstehung des Christengottes auf einer Diagonale von links
unten nach rechst oben.

Die Analyse archäo-astronomischer Stellen zeigt, dass unsere Vorfahren ganz
bewusst die asymmetrische Wahrnehmung des Gehirns zur Konstruktion ritueller Orte
benutzten, In der Abbildung oben links ist eine genaue Skizze einer Keltenstätte oberhalb
von Riva del Garda in Italien. In dieser Konstruktion ist nichts zufällig! Es sind 17 Stufen, und
die Proportionen sind alle im Goldenen Schnitt Phi. Am oberen Ende der Treppe wurde von
links über einen Kanal Wasser eingeleitet, um den Fluss zu symbolisieren, den die Seele
nach dem Verlassen des Leibes zu überqueren hat. Die Treppe ist schräg nach links
konstruiert, So muss man beim hinauf gehen nach links schauen, und aktiviert dabei die
rechte Gehirnhälfte. Somit wird dem Gläubigen unbewusst mitgeteilt, dass man sich dem
Heiligtum mit Emotionen nähert, nicht mit dem analysierenden Egoverstand.

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Bild


Die Lageskizze auf der rechten Seite stammt von einer Stätte auf einem Hügel
nordwestlich der Häusergruppe San Priamo im Südosten Sardiniens. Die Stelle wurde in der
Pre-Nuraghe-Zeit zwischen 3000 v.u.Z. und 1500 v.u.Z. konstruiert und besteht nur aus
Felsbrocken, welche auf den Boden gelegt wurden. Hier wurde der linke Teil der
symbolischen Schmetterlingsfigur offen gelassen. Wenn man also genau in der Mitte steht,
liegt die offene Stelle links, und die rechte Gehirnhälfte wird aktiviert.

Unten folgt noch ein Beispiel zum Thema. Es ist ein Lageplan eines buddhistischen
Heiligtums, das etwa 100 v.u.Z. in Felsen gehauen wurde. Hier findet man die typische
Zuordnung von Zahlen zu sozialen Inhalten. Der dreifache Durchmesser der runden Stupa
bestimmt den Radius der Bethallenapsis. Die Länge von den Einganssäulen nach hinten ist
3x3=9 Stupaeinheiten. Die kleine Zelle C3 liegt schräg. Die äußere Ecke ist der Schnittpunkt
von der Apsis mit einem Kreis von 9, und einem Kreis um die Mitte der ersten Halle mit 5
Stupaeinheiten. Insgesamt gibt es 2+26=28 Säulen, was symbolisch auf die Mond- und
Menstruationszyklen Bezug nimmt. In der symmetrischen Konstruktion wurde nur der linke
Teil des Zugangs aus dem Fels heraus gehauen.

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Die Werbung benutzt die asymmetrische Bewertung der Raumwahrnehmung zu
ihren Zwecken. In einer Studie, in der etwa 500 Werbeseiten analysiert wurden, kam als
Ergebnis heraus, dass die emotionalen Bildschwerpunkte eher auf der linken Werbeseite
platziert werden und rationale mehr auf der rechten. Deutlich wird der Unterschied in der
Position von Frau und Mann. Es werden wesentlich mehr Frauen auf der linken Seite
positioniert, welche den Gefühlsaspekt repräsentiert als rechts, und bei Männern ist es
umgekehrt. Die folgende Grafik verdeutlicht die statistische Verteilung. Die häufigste
Platzierung ist sowohl für die Frau als auch für den Mann die Mitte. Bei den Frauen gibt es
aber noch eine bedeutende Positionierung links von der Mitte, und bei den Männern rechts
davon.

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In der nachfolgenden Analyse erkennte man eine generelle Verschiebung des
Bildschwerpunktes nach links, während der Text am häufigsten rechts und oben platziert
wurde. Das passt auch mit der generellen Funktionsweise des Gehirns zusammen, bei dem
der visuelle Cortex im hinteren unteren Bereich des Kopfes liegt, und somit angesteuert wird,
wenn die Augen nach oben blicken. Die Blick nach oben und rechts aktiviert dann
gleichzeitig die analytischen Kapazitäten. (Hofmann, A., C.; 2004; ; Zahlen, Raumgeometrie
und Sozialstruktur; in: Freiräume, Band 11/2004, FOPA e.V. Berlin)

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Diese asymmetrische Verteilung zeigt sich interkulturell auch in Hochzeitsfotos.
Darauf steht fast immer der Mann rechts und die Frau links. Auf Friedhöfen steht auf den
Grabsteinen der Text mit den rationalen Daten fast immer rechts, und die Bildsymbolik ist
links. Wenn Paare spazieren gehen und sich dabei die Hände halten, dann greift der Mann
meist mit seiner rechten Hand die linke der Frau, und die Position ist wieder erreicht! Diese
Asymmetrie und deren Wirkung auf den Betrachter von Skulpturen lässt sich sehr
wirkungsvoll in der künstlerischen Praxis umsetzen!

Die zeitliche Verarbeitung von Informationen im Gehirn ist ebenfalls asymmetrisch:
die rechte Seite verarbeitet leichter Hörwahrnehmungen, die linke eher das Sehen. Dieser
Vorteil verschwindet unter Alkoholeinfluss (Pöppel, E. / Steinbach, Th.: 1986). Somit ist es
sinnvoll, beim telefonieren eher das rechte Ohr zu verwenden, wenn man das Gehörte sich
merken will, als das linke Ohr.

Im Allgemeinen fallen in einer gewissen Umgebung eher Objekte auf die sich
verändern, als solche bei denen die Erscheinung konstant bleibt. Doch es ist ein Unterschied
ob sich ein Objekt verkleinert, oder vergrößert. Schon bei Neugeborenen konnte man diese
visuelle Asymmetrie nachweisen. Der Versuch wurde mit fünfzig drei Monate alten
Kleinkindern durchgeführt. Man zeigte ihnen zwölf Objekte, von denen sich eines
vergrößerte, und elf verkleinerten sich. Die Aufmerksamkeit der meisten war auf das sich
vergrößernde Objekt gerichtet. Bei einer umgekehrten Versuchsanordnung, bei denen sich
zwölf Objekte vergrößerten und eines sich verkleinerte waren keine Präferenz festzustellen
(Shirai, N. / Kanazawa / Yamaguchi; 2005).

In einem Internet-Artikel der New York Times vom 14. September 2004 von Anahad
O'Conor (Titel: the right ear is from the Mars), wurden Forschungsergebnisse der Zeitschrift
Science vom 10.September 2004 veröffentlicht (Autor: David Geffen, School of Medicine at
the University of California, Los Angeles), welche besagen, dass auch die auditive
Wahrnehmung asymmetrisch ist und das rechte und linke Ohr den gleichen Sound
verschieden verarbeiten. Im Allgemeinen fällt es dem Gehirn leichter, Sprache zu
verarbeiten, wenn sie im rechten Ohr aufgenommen wird, während Musik die ins linke Ohr
gelangt, besser aufgenommen wird. Diese Ergebnisse können grundlegenden Einfluss
darauf haben, wie in Zukunft Schwerhörigen mit Implantaten und Hörhilfen gedient werden
kann. Für KüntlerInnen ist dieser Punkt für Installationen wichtig, bei denen Klang und Text
mit verwendet wird!

Das Wissen ist nicht neu, dass Verarbeitungen von Wahrnehmungen im Gehirn, die
vom rechten und linken Ohr kommen, unterschiedlich sind,. Aber dass sich die Ohren an der
asymmetrischen Verarbeitung selbst aktiv beteiligen. ist neu. Bei der Untersuchung wurde
die Hörfähigkeit von Tausenden von Kindern getestet, indem man ihnen Miniaturmikrophone
ins Ohr steckte, die gleichzeitig Ton abgeben und die Verstärkung messen konnten. Winzige
Zellen im Ohr reagierten auf den Sound, indem sie sich ausdehnten oder zusammenzogen
um die Impulse zu verstärken, welche dann wiederum über Nervenimpulse ans Gehirn weiter
geleitet wurden. Einige dieser Impulse wurden in die Gegenrichtung reflektiert und erlaubten
so den Wissenschaftlern das Ausmaß der Verstärkung zu messen, ein Maß dafür, wie gut
das Ohr auf den vorgegebenen Sound reagiert. Ein Beispiel: Dr. Siniger fand heraus, dass
eine Serie von raschen Klicks, welche einen Sprachrhythmus darstellen sollten, im rechten
Ohr eine größere Reaktion vorfanden, wohingegen das linke Ohr besser auf Musik reagierte.
In anderen Studien fanden sie heraus, dass Kinder, welche im rechten Ohr Hörprobleme
hatten, in der Schule mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen hatten als Kinder mit
Problemen im linken Ohr. Als Konsequenzen folgerten sie, das rechte Ohr ist wichtiger für
Lernsituationen.

Diese Asymmetrie im Gehirn bei auditiver und visueller Wahrnehmung ist selbst
nicht konstant, das heißt, sie ändert sich mit der Zeit: mit dem Alter nimmt die
Differenzierung ab, oder anders ausgedrückt, mit dem Alter übernehmen mehr und mehr
beide Hemisphären des Gehirns die Aufgaben die zu machen sind, und die seitliche
Trennung ist weniger ausgeprägt (Dolcos. F/ Rice H. J. / Cabeza, R.; 2005).
Wenn es um Reaktionszeiten aufgrund von visuellen Reizen geht, dann reagieren
Personen schneller, wenn der Reiz aufs linke Auge fällt, der dann vom rechten Teil des
Gehirns verarbeitet wird, als wenn der Reiz vom rechten Auge aufgenommen wird. Dabei
verlangsamt sich die Rektionszeit, wenn der Hintergrund rot ist, und er beschleunigt sich bei
grünem Hintergrund (Roth, E.C. / Hellige, J.B., 2005).

Die Raumwahrnehmung von rechts und links ist unsymmetrisch, und sie hängt auch
vom Erziehungssystem und der erlernten Schreibrichtung ab. Gezeigt wurde dies an Kindern
aus Tunesien und Frankreich. Die einen lernen von rechts nach links schreiben, die anderen
umgekehrt. Die Tests wurden zweimal durchgeführt. einmal vor dem Schulanfang, und dann
nochmals ein paar Jahre danach nachdem sie schreiben konnten. Sie sollten dann auf einer
waagerechten Linie die Mitte anzeigen, einen Kreis zeichnen, und eine Reihe von runden
Feldern ausfüllen. Bei der Aufgabe der Linienteilung trat ab 9 Jahren bei den Kindern aus
Frankreich ein merkbarer Unterschied auf, da sie den Teilungspunkt links von der wirkliche
Mitte malten, was bei den tunesischen Kindern nicht der Fall war, und sie malten mehr
Kreise im Gegenuhrzeigersinn. Die Kinder aus Frankreich füllten mehr Felder aus wenn sie
die Hand von rechts nach links bewegten, und bei den tunesischen Kindern war es
umgekehrt (Fagard J.; Dahmen R.; 2005).

Die Asymmetrie im Gehirn ist keine Spezialität des Menschen. Auch bei Affen wurde
eine Arbeitsteilung der Gehirnfunktionen nachgewiesen. Mit Hilfe von Magnetresonanzen
machten William Hopkins und Kollegen am Yerkes-Primaten-Forschungszentrum bei 60
Schimpansengehirnen Aufnahmen und bestimmten damit die Funktionen von Amygdala und
Hippocampus. Der letztere ist an allen Lernprozessen beteiligt und auf der rechten
Gehirnseite deutlich größer als auf er linken. Die Amygdala welche für Emotionen zuständig
ist, verteilt sich hingegen gleichmäßig. Des weiteren konnten sie bei 66 Affen einen
Zusammenhang zwischen der Bevorzugung einer Hand und den Aktivitäten des
dazugehörigen Gehirnzentrums nachweisen. Auch bei Affen ist die meistgebrauchte Hand
die rechte (Dick-Pfaff, Cornelia, 2004).



Effekte von Wiederholungen

Im Leben der Menschen überlagern sich immer zwei Zeitkategorien: die lineare Zeit
und die verschiedenen Zeitzyklen. Die Zeiterfahrung wird durch innere Taktgeber im Gehirn
gesteuert. Wenn sich in gewissen Zeiteinheiten die darin erlebte Erfahrung ändert, dann
erfahren wir Zeit als fortschreitend. Wenn sich allerdings die Inhalte der Zeiteinheiten sehr
ähneln, dann überdeckt sich die vorige Erfahrung mit der danach, und somit haben wir das
Gefühl auf der Stelle stehen zu bleiben. Das trifft immer auf Routinearbeiten zu, die auch
deswegen als frustrierend empfunden werden. Im Prinzip wird sowohl eine auditive, wie auch
eine visuelle ständige Wiederholung als langweilig empfunden, und man kann dies sogar als
Definition für "langweilig" nehmen.

In besonderen Fällen jedoch wird genau diese ständige Wiederholung benutzt, um
aus dem normalen Bewusstseinszustand in andere Zustände zu wechseln. Stundenlanges
Tanzen zu monotonen Rhythmen und Klängen wird schon seit Jahrtausenden in allen
Kulturen der Welt zur Selbsthypnose verwendet und zur Erzeugung von Trancezuständen. In
diesen Zuständen wechseln die Hirnrhythmen zu Theta- und Deltawellen, der gleiche
Bereich der auch in Meditationen erreicht werden kann und normalerweise im Schlaf und
beim Träumen auftritt. In modernen Zeiten kommt zum auditiven Effekt der zyklischen
Wiederholung der visuelle dazu. Nahezu jede Diskothek benutzt Stroboskoplichter um die
Stimmung anzuheizen und das Publikum in Taumel zu versetzen. Bei empfindlichen
Personen kann aber ein rhythmischer Kontrastwechsel im Theta-Bereich zu Aussetzern im
Hirn führen. Das hat in Alleen durch den rhythmischen Wechsel von Licht und Schatten bei
gewissen Personen schon zu Autounfällen geführt!

Wiederholungen in Architektur und Kunst haben einen vergleichbaren Zweck wie in
der Musik: sie sind Taktgeber, sie strukturieren Zeit- und Raumerfahrung. Was darüber
hinausgeht, wird dann so wahrgenommen wie ein schwarzer Fleck auf einer weißen Wand.
Wenn die Größe des sich wiederholenden Objektes bekannt ist, dann erzeugt die
Wiederholung eine klar wahrnehmbare Tiefe. Das daraus herausragende Objekt kann dann
in seiner Größe leichter eingeschätzt werden. Wenn allerdings nur die sich wiederholende
Struktur vorgegeben ist, sei sie optisch oder auditiv, dann entsteht Langeweile, wie das Bum-
Bum-Bum des Techno-Sounds. Oder den Glasfassaden der Hochhäuser in Großstädten.
Generell überschätzen Personen die Höhe von Objekten. Das gleiche Objekt in der
Waagrechten wird bei konstantem Abstand länger wahrgenommen, wenn es senkrecht steht!
Das gleiche Objekt wird als höher wahrgenommen, wenn die Basis sich wiederholende
regelmäßige Muster enthält, deren Größe man kennt.

Bei der Konstruktion buddhistischer Tempel wird dieser Trick oft angewendet! In der
folgenden Abbildung ganz links wurden die Buddhafiguren, die man in der Mitte sieht, weg
retouchiert. Im Originalfoto rechts sind sie vorhanden. Der Baum im Hintergrund gibt eine
Größenordnung vor. Aber Bäume können sehr verschiedene Höhen erreichen! Steht man
vor dem Tempel, befinden sich die Buddhastatuen direkt vor einem. Man weis also genau
wie groß sie sind. Durch die Wiederholung der gleichen Figur bekommt man eine sehr
plastische Vorstellung von Abstand und Tiefe. Die Wiederholungen der Figur auf den oberen
Stufen vergrößert für die Psyche den Eindruck der Tempelhöhe.

Bild



In der Mathematik gibt es Untersuchungen darüber, was allgemein gesehen bei
Systemen geschieht, die Wiederholungen ausgesetzt sind. Hier ein Beispiel zum einfachsten
System was denkbar ist. Es beseht aus nur zwei Elementen. Das eine nennen wir "Aktion",
das zweite "keine Aktion". Diese zwei Elemente kann man auf vier Weise miteinander
verknüpfen. Als Symbol zur Verknüpfung nehmen wir ein Pluszeichen (+). Zur einfacheren
Darstellung kürzen wir "Aktion" mit der Eins (1) ab, und "keine Aktion" mit der Null (0).
Kombinieren wir "Aktion" mit "keiner Aktion", erhält man 1+0=1. Das gleiche Resultat ergibt
sich bei Vertauschung: 0+1=1. Bei zweimal "keine Aktion" geschieht offensichtlich nichts:
0+0=0. Die letzte Kombination ist 1+1. Da es nur zwei Zustände gibt, "Aktion" und "keine
Aktion", muss logischerweise eine Änderung des Zustandes von "Aktion" zum zweiten, einzig
verbleibenden Element führen, die mit Null gekennzeichnet wurde. Man erhält also 1+1=0
Zusammengeschrieben sind die Regeln: 1+0=1, 0+1=1, 0+0=0, 1+1=0.
Diese Regeln wenden wir nun auf zwei Elemente an. Um den Vorgang optisch
besser erkennen zu können, wählen wir für "Aktion" ein schwarzes Feld, und für "keine
Aktion ein weißes.

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Bei A ist nur ein Element präsent. Der Wechsel kann also nur von Schwarz zu Weiß
sein, von 1 zu 0. In B gibt es zwei Elemente, a und b. Die erste Zeile entspricht dem
Zustand zum Zeitpunkt 1. die zweite Zeile entspricht dem Zustand zum Zeitpunkt 2. Die
Elemente a und b sind so miteinander verbunden, dass b von a die Informationen
empfangen kann. Folgt man den Regeln, so ist der Zustand im Zeitpunkt 2 wie in der zweiten
Zeile von B. Das erste Element gibt das Signal an das zweite weiter. Nachdem beide
anfangs den Wert Eins hatten, wechselt das zweite nun auf die Null, da die Regel 1+1=0
dies fordert. In einem dritten Schritt wird der erste Zustand wieder erreicht.

In C sieht man das Ergebnis mit vier Elementen, a, b, c, und d, die in der ersten
Zeile zu finden sind. Wendet man die besagten Regeln das erste mal an, so wird die
Werteverteilung nach dem ersten Zeitschritt in der zweiten Zeile wiedergegeben. Ein weiterer
Durchgang erzeugt die dritte Zeile, und dann folgt die vierte. Beim fünften Mal erhält man
wieder die erste Zeile.

In D sieht man die Verteilung mit 8 Elementen. Jede der 8 Zeilen entspricht einem
Zeitschritt nach der neuen Werteoperation. Jetzt sieht man schon deutlich, dass sich das
Muster von B wiederholt: oberhalb der Diagonalen findet man drei Mal das kleinere Muster,
und unterhalb der Diagonalen sind nur Nullen. Um keine Missverständnisse hervor zu rufen:
was als Flächenmuster erscheint, ist in Wirklichkeit eine lineare Verteilung über die
Zeitachse aufgetragen! Ich stellte diesen Algorithmus hier vor, da er der einfachste ist, den
man sich ausdenken kann, und es somit am einfachsten ist den Vorgang zu verstehen.
Solche Strukturen nennt man "selbstähnlich" oder auch "Fraktale". Im Internet findet man
unter dem Begriff "Fraktale" jede Menge an komplizierteren und sehr schönen Strukturen,
auch dreidimensionale, und solche die sich mit der Zeit als Parameter verändern! Die
Konsequenz daraus ist, dass die Bildung von Fraktalen, Wiederholungen selbstähnlicher
Muster, ein sehr natürlicher Vorgang ist, wenn eine so primitive Regel, wie die oben
dargestellte, schon Fraktale erzeugt!

Mit dem hier beschriebenen Vorgang lässt sich auch gut der Unterschied zwischen
Form und Inhalt eines Vorganges erklären. Was hier interessiert, ist die Kommunikation von
Inhalten durch die Form von Objekten, durch Klang oder Bewegung. Im Beispiel oben ist es
eine Reihe einfachster verknüpfter Elemente und eine feste Regel zur Veränderung. Von
Zeitschritt zu Zeitschritt verändert sich die Form der Linie, die anfangs nur aus schwarzen
Elementen besteht. Doch in jeder Linie ist der ursprüngliche Inhalt enthalten! Nach einer Zahl
an Schritten, welche die der Elemente entspricht, kommt die ursprüngliche Form wieder in
Erscheinung!

Auch im räumlichen Bereich kann man mit einfachen Mitteln die Entwicklung von
räumlichen Fraktalmustern studieren. Dazu reichen ein paar farbige Kugeln, die man mit
Heißkleber zusammen klebt. In der Abbildung (1) unten wurden vier weiße Kugeln
zusammen geklebt. In der nächsten Phase (2) wurde die Tetraederform mit vier gelben
Kugeln ergänzt. Die Mitten der weißen und gelben Kugeln bilden nun zwei gegeneinander
gerichtete Tetraeder. Für die nächste Schicht (3) kommen in die entstandenen Lücken sechs
rote Kugeln, und in die Restlücken zwölf blaue. Nun kommen wir zur nächsten Schicht. Hier
sind die blauen Kugeln in Dreiergruppen um die gelben platziert. Diese Stellen werden mit je
drei braunen Kugeln aufgefüllt. Die Dreiergruppen um weiß werden mit grünen verklebt. Die
tiefsten Löcher die noch bleiben sind die, bei denen man in der unteren Schicht die gelben
und weißen Kugeln sieht. Sie werden mit der entsprechenden Farbe aufgefüllt, was die
Konstruktion in Abbildung (4) demonstriert. Im Vergleich mit Abbildung (2) sieht man, dass
sich das Muster der zwei ineinander geschobenen Tetraeder wiederholt.

Interessant sind dabei die Zahlen der dazu benötigten Kugeln: In (2) sind es 8
Kugeln. Die nächste Schicht hat 20 Kugeln, und die folgende benötigt 32 Kugeln: das sind
genau die Zahlen der Elektronenkonfiguration von abgeschlossenen Hüllen im Atomaufbau!
Dabei entspricht die 8 der L-Schale, die 20 der M-Schale, und die 32 der N-Schale. Man
sieht also, diese Zahlen ergeben sich automatisch als Konsequenz unter der Bedingung
einer dichten Packung von sphärischen Objekten, und sie bilden ein fraktales Muster!

Bild


Überträgt man dieses Modell auf ein reales lebendes Objekt, zum Beispiel eine
Blume, dann ist "Blume" nicht nur der Zustand der Blüte, sondern auch des Samenträgers
ohne Blütenblätter, und des Samens im Boden, und des Blattes welches aus dem Samen
sprießt, und der Pflanze welche den Blütenkelch entwickelt. Alles ist Teil eines
wiederkehrenden Zyklus. Ein Apfel, ein Apfelbaum und ein Apfelkern sind im Prinzip und in
Realität das gleiche Wesen zu unterschiedlichen Zeitpunkten! Es gehört zum Wesen der
Kunst Objekte in Phasen der Existenz darzustellen, welche je nach Gesellschaft geleugnet
werden, oder unbekannt sind.

Wiederholungen können in Zahlen oder geometrischen Formen ausgedrückt
werden. Interkulturell tragen primäre Basiszahlen und ein paar höhere Zahlen den gleichen
sozialen Inhalt. Die Eins steht für Aktion und Aktivitäten. Die Zwei wird als Spiegelbild der
Eins angesehen, und symbolisiert Nachdenken, Selbsterkenntnis, Meditation, Reflexion. Die
Drei symbolisiert die drei wesentlichen Grundkräfte der Natur: Entstehen, Bestehen,
Vergehen, oft als göttliche Trinität verehrt. Die Vier steht für den Raum und die Materie im
Raum: man braucht genau vier Elemente, um Raum zu definieren. Es ist die X-Achse, Y-
Achse. Z-Achse und die Null. Mit drei Elementen hat man eine Größe zu wenig, mit fünf eine
zuviel! Als geometrisches Symbol steht dafür oft das Quadrat. So wurden im alten China
Mondtempel quadratisch konstruiert, und in den Boden eingelassen. Der Mond bewegt die
Wassermassen auf der Erde durch Ebbe und Flut, und steht somit als Symbol für das
materielle Erdendasein.

Die Fünf steht für das Prinzip des Lebens, insbesondere das der Pflanzen. Im
Deutschen kennt man den Begriff der "fünf Sinne". Hier wird die Fünf, wie auch in anderen
Sprachen, nicht als Zahl, sondern als Symbol verwendet, denn es sind ja mehr als fünf
Sinne: Fühlen, Hören, Riechen, Schmecken, Sehen, der Gleichgewichtssinn, der Sinn für
Luftdruckänderungen (Wetterfühligkeit) und seit einiger Zeit kennt man noch das Organ für
Pheromone. Der zuletzt genannte Sinn ist für das Sozialverhalten zuständig, und das nicht
nur beim Menschen!

Die Sechs bedeutet symbolisch gesehen Bewegung, Änderung, Beschleunigung.
Insbesondere steht sie für das Reich der Tiere. Die Sieben erinnert daran, dass alle
natürliche Zyklen in der Natur 7 interne Stufen haben. Die Tabelle der chemischen Elemente
hat 7 Gruppen, die Astronomie kennt 7 Sterngruppen, Tiere und Pflanzen werden in 7
Hauptgruppen eingeteilt. Unser Kurzzeitgedächtnis kann maximal mit 7 Kategorien arbeiten.
Sogar in einem so abstrakten Bereich wie der Geometrie, hat der 7-dimensionale Raum eine
Besonderheit: die Objekte darin kennen keinen Unterschied mehr zwischen innen und
außen! Es ist uns nicht möglich ein Objekt mit sieben Dimensionen vorzustellen. Aber wenn
man nur eine Ecke nimmt, dann kann man die Situation plausibel beschreiben: Dass wir den
physischen Raum "dreidimensional" nennen, hat historische Gründe Dabei wird immer der
Nullpunkt als Dimensionseinheit vergessen!

Wir stellen uns ein Tetrahedron vor. Das ist eine Pyramide, die aus vier
gleichseitigen Dreiecken zusammengesetzt ist. Drei Dreiecke stehen über einer
Dreiecksbasis. Fügt man nun an der Spitz dieser Pyramide ein weiteres Dreieck hinzu, dann
erhalten wir eine Pyramide mit quadratischer Basis. Bei dieser Pyramide ist der Winkel an
der Spitze größer als beim Tetrahedron. Nun fügen wir an die Spitze eine fünfe Pyramide
hinzu. Es wird eine Pyramide mit einem Pentagon als Basis. Der Winkel an der Spitze wird
noch flacher, aber man kann immer noch bestimmen was innen und außen der Ecke ist!
Dies endet mit einem sechsten gleichseitigen Dreieck an der Spitze, denn nun hat man ein
Hexagon! Es ist vollkommen platt, und es hat sieben Punkte: sechs Eckpunkte und den
Mittelpunkt! Als Konsequenz folgt, in einem Raum mit 7 Dimensionen kann man nicht mehr
feststellen, was innen und außen an den sich darin befindlichen Objekten ist!

Während die Vier symbolisch für Materie steht, bedeutet die Acht, als
Verdoppelung, "geformte Materie". Beispiele dazu: Eisen =4, Nagel =8 ; Holz = 4, Stuhl = 8 ;
Leder = 4, Schuh = 8. Die Neun steht für Produkte göttlicher Kraft: 3x3=9. Die Zehn wurde
sowohl in europäischen wie auch in asiatischen Kulturen mit der Struktur des Universums
verbunden. Weitere mythische Zahlen sind die 12 (Vollständiger Zyklus), die 13 (Wandel,
Neuanfang, Zahl der Vollmonde im Jahr), die 14 (2x7, Kunst, Kreation), die 16 (2x8,
materielle Welt), die 17 (spirituelle Suche nach der Wahrheit), die 18 (2x9, spirituelle Welt)
die 21 (3x7, vollständiger göttlicher Zyklus) und die 28 (4x7=28, Monat, Mondzyklus).

Über asiatischen Tempeleingängen findet man noch die Zahl 108. Darin wird die
Verknüpfung von Zahlen mit sozialen Inhalten besonders klar. In jenen Religionen wird
gelehrt, dass das Göttliche sich selbst geschaffen hat. Also gibt es nichts außerhalb des
Göttlichen. Als Element wird die Drei gewählt, welche die drei göttlichen Kräfte Entstehen,
Bestehen und, Vergehen symbolisiert. Die Drei enthält die 1, 2 und 3. Die göttliche Potenz
wird durch potenzieren symbolisiert. Die Verknüpfung und Kooperation der Elemente
göttlicher Schöpfung miteinander, wird durch die Multiplikation dargestellt. Zusammen
gefasst erhält man:
Die Eins, potenziert mit Eins, multipliziert mit der Zwei, potenziert mit Zwei,
multipliziert mit Drei, potenziert mit Drei. In Zahlen: 11 x 22 x 33 = 1 x 4 x 27 = 108 !

Zahlen werden in Asien seit Jahrhunderten als bequeme Symbolik für soziale
Inhalte verwendet. Ein Beweis dafür ist ein Auszug aus dem buddhistischen Sutra des
Meisters Hui Neng: "....das Reine Land ist nicht weit von hier, da die Distanz von hier
108.000 Meilen ist, was in Wirklichkeit die zehn Schlechtigkeiten und die acht Fehler in uns
repräsentieren. Nun, ich rate euch, gelehrte Hörerschaft, unterlasst als erstes die zehn
Schlechtigkeiten; dann sind wir einhunderttausend Meilen gereist. Als nächsten Schritt lasst
die acht Fehler, und damit seid ihr weitere acht tausend Meilen gereist." (Sutra of HUI NENG,
1966; Buddhist Society London, p. 37,38).

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ENDE DES TEXTES