Feministin und Sexarbeiterin

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
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Queen
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Beitrag von Queen »

@ Natascha

Interessant wie oft du schon ankündigst "leiser rücktsichtsvoller toleranter netter usw " zu sein ..... :017

Christian hat immer recht und du entschuldigst dich .... wann gedenkst du dich mal daran ZU HALTEN !!???

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6T
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Beitrag von 6T »

Natascha hat geschrieben: Ja hast recht. Werde in Zukunft leiser lachen.
wobei wir wiedermal bei natascha´s beschwichtigungen wären.... kommt periodisch so alle 5 - 6 postings. ist dir das nicht zu blöd DB-natascha ? willst du nicht langsam beginnen nachzudenken BEVOR du gröhlst ?????

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

So - und jetzt sind wir Alle wieder so nett und kehren zum überaus interessanten Topic "FEMINISTIN und SEXARBEITERIN" zurück.....

Ich denke, dass jetzt jeder seine Meinung zum Ausdruck gebracht und wir die eigentliche Diskussion fortführen sollten.

LG

Christian
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Beitrag von annainga »

ich fand das thema sehr interessant..... aber vielleicht war´s doch nicht so toll ausgesucht.
was ist denn das männliche gegenstück zu feministin? aber jetzt bitte nicht macho. hm..... maskulinist?

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annainga
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Beitrag von annainga »

"Erklärtes Hauptziel des Maskulismus ist die Gleichberechtigung beider Geschlechter in allen Aspekten. Im Unterschied zum Feminismus, der die aktive Bevorzugung von Frauen fordert, um eine echte Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, vertritt der Maskulismus die These, die totale Gleichbehandlung aller Menschen unabhängig vom Geschlecht sei der richtige Weg zu diesem Ziel. Die feministisch beeinflusste Gleichstellungspolitik benachteilige tatsächlich die Männer."

was es nicht so alles gibt. (auch wikipedia)

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Beitrag von Morpheus »

annainga hat geschrieben:"Die feministisch beeinflusste Gleichstellungspolitik benachteilige tatsächlich die Männer."
(auch wikipedia)
Eine Aussage, der ich was abgewinnen kann, nicht nur weil ich ein Mann bin! :002
Viele Leute hinterlassen Spuren, nur wenige Eindrücke!

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Beitrag von Natascha »

Die feministisch beeinflusste Gleichstellungspolitik benachteilige tatsächlich die Männer
Na super, jetzt können wir vielleicht die Männer zu einer vom aussterben bedrohten schützenswürdigen Art erklären.
Es gibt bis heute keine Gleichberechtigung, und eine Frau muß doppelt so gut wie ein Mann sein, wenn sie das gleiche erreichen will. Noch immer verdienen Frauen um 30 % weniger als Männer. Und für sie bedeuten Kinder die Armutsfalle nr. 1. Und da soll ich mich um die Männer sorgen?
LG

Natascha

Es gibt eine Menge Leute auf der Welt, die in der Hölle sind, weil sie zu sehr vom Urteil anderer abhängen. Die Hölle sind die anderen (Jean-Paul Sartre)

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Beitrag von Queen »

@annainga


zitiere :
ich fand das thema sehr interessant..... aber vielleicht war´s doch nicht so toll ausgesucht.

NEIN !!! es war gut ausgesucht :002 und empfinde es ebenfalls als sehr interessant ! also büüddeee weiter im Text

Gruss

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annainga
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Beitrag von annainga »

hallo morpheus,
lies doch auch mal ausführlich nach, was unter "maskulismus" in wikipedia steht. ich war überrascht. wobei ich denke, dass männer sehr unter leistungsdruck stehen, denn sie sollen vieles leisten (familie ernähren, im haushalt mithelfen, beschützer, liebevolle väter sein). dass sich die rollen nicht mehr so klar abgrenzen lassen, ist für beide geschlechter schwer!
nur weil frauen und männer unterschiedlich sind, sollte man nicht von ungerechtigkeit sprechen.
liebe grüße von annainga

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Feminismus und Sexarbeit

Beitrag von Zwerg »

Ich möchte Euch 2 Artikel aus "die Standard" zu diesem Thema nicht vorenthalten:

Brot, aber keine Rosen
Können Prostituierte autonom sein? - Ausschnitte eines feministischen Diskurses


Innerhalb des feministischen Diskurses der Neuen Frauenbewegung seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wird Prostitution grundsätzlich als Frauenarbeit an Männern definiert. Frauen "vermieten zu festen Zeiten und unterschiedlichen Tarifen ihren Körper, ihren Kopf, ihr Herz, ihre Haut und/oder ihre Geschlechtsteile. Sie stellen sich zur Verfügung als seelische Mülleimer und Krisenmanagerin, als Versuchskaninchen für Handlungen und Wünsche, die Männer ihren 'eigenen' Frauen/Freundinnen nicht zu offenbaren wagen...", schreibt Pieke Biermann im Frauenhandlexikon. Dabei sei die Arbeit der Prostituierten hart, öde, nervenaufreibend, gesundheitsgefährdend und neben ihrer gesellschaftlichen Ächtung wären die Frauen psychisch, physisch und politisch permanenten Bedrohungen ausgesetzt.

Prostitution als ein Stück Hausarbeit

Biermann bezeichnet Prostitution als "ein Stück Hausarbeit", das "da ausgelagert aus Haus/Familie, wo frauen umsonst arbeiten - entlohnt wird, ähnlich anderen ausgelagerten Hausarbeiten wie Kindererziehung, Krankenpflege u.a. Im Unterschied zu diesen gilt Prostitution jedoch vor dem Gesetz und in der Öffentlichkeit ebenso wenig als Arbeit wie die übrige, unentlohnte Hausarbeit". Der Ideologisierung der Hausarbeit als der "Natur der Frau" gemäß, entspreche jene der Prostitution als "Laster und Unwesen von Dirnen". In diesem Sinne würden die Frauen behandelt: der einen werde "wahre Erfüllung eines Frauenlebens" in Ausicht gestellt, die andere werde als "Schande für ihr Geschlecht" oder als "gekauftes, hilfloses Opfer der brutalsten Frauenausbeutung durch Männer" diskriminiert, deklariert Biermann.

"Hauptschlachtfeld des Frauenkampfes"

Alice Schwarzer schreibt unter dem Titel "Prostitution und Menschenwürde" im "Neuen Emma-Buch" aus dem Jahr 1986, dass die Prostituierte eine Schlüsselfigur dessen sei, "was so abwiegelnd Frauenfrage genannt wird; und der Kampf gegen die Prostitution - der nur auf den ersten Blick paradoxerweise gleichzeitig ein Kampf für die Prostituierten ist", sei "Hauptschlachtfeld des Frauenkampfes". Denn die Frauen, so Schwarzer weiter "sind vom Patriarchat mit vielen Spaltungsmanövern auseinander getrieben und aufeinander gehetzt worden: die Schönen gegen die Hässlichen, die Alten gegen die Jungen, die Mütter gegen die Nicht-Mütter, die Berufstätigen gegen die Hausfrauen. Und die Prostituierten gegen die Nicht-Prostituierten".

Die Frau als Ware

Insoferne stellt Kate Millets Buch "Das verkaufte Geschlecht" eine radikale Absage an dieses Spaltungsmanöver dar. Galt zu Beginn der Frauenbewegung noch die theoretische Annahme, dass die Prostitution die Kehrseite der Monogamie sei, schreibt Millet, dann hat sich diese Auffassung verändert, als "Prostitution wie Monogamie Ausdruck der Doppelmoral und der Ideologie von der Frau als Ware" seien, denn "die eine kauft man für eine Nacht, die andere für ein Leben; die eine für ein paar Scheine, die andere für den Unterhalt und die soziale (Schein-)Sicherheit".

Kate Millet sieht in der Prostitution ein Exempel für die soziale Situation der Frau. Jedoch werde hier nicht nur ihre Abhängigkeit offenbar, sondern mehr noch durch den Akt der Prostitution der Wert der Frauen allgemein deklariert. Als Wert einer Sache. Denn die Prostitutierte verkaufe nicht nur Sex, sondern ihre Würde. Und der Kunde kaufe ebenso nicht Sex, sondern Macht. Macht über eine Frau.

Macht über Frauen

Dabei lässt Millet das gerne vorgebrachte Argument, Frauen würden es freiwillig tun, weil sie eben masochistisch veranlagt seien, nicht gelten. Sie sieht darin eine Zwecklüge, weil ja bekannt sei, dass "jede an einer Frau begangene Grausamkeit sich auf diese Weise rechtfertigen lässt ... Wenn uns ein so selbstzerstörerisches Verhalten aufgezwungen worden ist, dann, weil unsere Gesellschaft es darauf angelegt hat, etwas in ihren Frauen zu zerstören...".

Materielle Autonomie ist gut, aber zuwenig

Für Prostituierte, zitiert Alice Schwarzer, Ergebnisse ihrer Interviews, ist das Schlimmste, dass diese Frauen ihre Menschenwürde verkaufen. "Nicht so sehr im Bett, als mehr dadurch, dass man den Handel abschließt, dass man sich kaufen lässt". Und so gehe es bei der Unterdrückung von Menschen neben dem direkten materiellen Nutzen immer um Macht im weitesten Sinn. Denn, wenn auch die Prostituierten im Gegensatz zu den Hausfrauen, um an die These Biermanns anzuschließen, Geld verdienen, so könne der finanzielle Gewinn den Verlust an Frauenwürde nicht kaschieren. Nebenbei bemerkt kassieren die Männer, also Zuhälter, ja den Großteil des Geldes wieder ab; denn lediglich zehn Prozent der Prostituierten bewegen sich sozusagen "frei am Markt".

Worum es der feministischen Bewegung aber prinzipiell geht: sie kämpft nicht nur für Brot, sondern auch für Rosen. Symbole materieller und psychischer Autonomie. Prostituierte bekommen Brot, aber keine Rosen.

http://diestandard.at/?url=/?id=2822771

--------------

Feminismus und Prostitution
Abschaffung oder Anerkennung? Eine lange Diskussion

Im wesentlichen lassen sich feministische Zugänge zu Prostitution in zwei Stränge einteilen: Jenem, der Prostitution als pathologischen Auswuchs des Patriarchats betrachtet und deshalb ihre Abschaffung fordert, und dem anderen, der aus einem feministischen Engagement heraus oder als Betroffene die Arbeits- und Lebensbedingungen von SexarbeiterInnen verbessern will.

Klarerweise theoriegeleiteter stellt sich die erste Variante an, da es Prostitution in dieser oder anderer Form in fast allen Gesellschaften der Erde gibt. Wesentlich ist der Fokus auf den gewalttätigen und zwanghaften Aspekt von Sex gegen Geld. Frauen, die in der Prostitution arbeiten, werden als Opfer einer frauenfeindlichen Umgebung gesehen, das der jeweils Betroffenen keine andere Wahl lässt, als sich ihren Lebensunterhalt mit Prostitution zu verdienen. Vorschub leistet dieser Argumentation die zunehmende Ausbreitung und Thematisierung von Frauenhandel in die westlichen Industrienationen, wenngleich diese nicht ausschließlich in die Prostitution führt.

Demgegenüber formierte sich seit den frühen 80er-Jahren das "Sex Workers Rights Movement", das im Gegensatz zu den Gegnerinnen auch aus aktiven "Huren" besteht. Im Zentrum steht hier der Kampf um die Anerkennung von Sexarbeit als normales Gewerbe mit gleichwertigen Rechten und Pflichten. Einhergehend mit dieser Anerkennung würden Arbeitsbedingungen und Status von Sexarbeiterinnen verbessert werden, argumentieren die Befürworterinnen.

Auch in Deutschland gibt es seit 1980 eine autonome Hurenorganisation, genannt "Hydra", die für die Anerkennung von Sexarbeit als Job wie jeder andere kämpft.

Den Prostitutionsgegnerinnen wird von dieser Seite vorgeworfen, Sexarbeiterinnen per se als Opfer darzustellen, wie generell in einer konservativen, bürgerlichen Logik von der Untrennbarkeit von Liebe und Sexualität zu verharren. Das "Unmenschliche" in der Prostitution sei nicht grundsätzlich, wenn sich Frauen bewusst zu dieser Tätigkeit entscheiden. Wesentlich sei aber der gesellschaftliche Rückhalt in Form von Integration und Gesetzen. (red)

http://diestandard.at/?url=/?id=2822771

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Beitrag von annainga »

seit ich sw bin, hat sich mein männerbild positiv verändert! vor allem seit ich selbstständig und nach meinen eigenen vorstellungen arbeiten kann. dadurch, dass meine kunden sehr offen mit mir reden (das geht mit sw´s oft leichter als mit der partnerin), war ich oft überrascht, wie viele dinge ich vorher falsch interpretiert habe. nach außen sind viele männer unnahbar, stark, unnachgiebig, weil sie den erwartungen entsprechen wollen. ich war oft entzückt, wenn ich die "schwache, weiche" seite kennenlernen durfte. es kommt mir grotesk vor, wenn ich christians geposteten artikel durchlese und von "mülleimer, versuchskaninchen, ächtung, bedrohung, opfer, würdelos, machtlos" lesen muss. was ich überwiegend kennenlerne in meinem beruf ist liebenswerte unsicherheit, respekt, sehnsüchte, zufriedenheit.
schade, dass sw´s nicht mehr öffentlichkeitsarbeit machen, um ein realistisches bild von unserer arbeit zu geben. jede/r von uns sollte überlegen wie ihr/sein beitrag aussehen könnte.
das gefühl feministin zu sein, feminin zu sein (was für unterschiedliche bilder diese ähnlichen wörter erzeugen) habe ich sehr oft seit ich sw bin.
liebe grüße an euch von annainga

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Beitrag von Queen »

Hello annainga

Deinen Zeilen kann ich nur beipflichten :008

Und weisst welche Gedanken ich seit geraumer Zeit hege !? :002
Ich würde gerne eine Kolumne schreiben !!! Über SW .... als SW .... und letztendlich maybe auch als Betreiberin ..... wobei darin meine Erfahrungen noch zu " zart " sind ....
Sogar noch " Öffentlicher " würde ich dannach gehen .... mit einer Talkshow :003

who know's .... DU wärst allemal mein erster Talkgast :006

es grüsst dich

Queen

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Beitrag von KonTom »

Feminismus, Internationalismus und der Kampf um die Moral

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstarkte die Frauenbewegung in vielen Ländern. In Europa und Amerika bildeten sich zahlreiche internationale feministische Verbände, die neben einer Vielzahl politischer Ziele vor allem auch allgemeine gesellschaftliche Reformen propagierten und anstrebten. Über die Durchsetzung von Frauenrechten hinaus, eine Auseinandersetzung, die sich zunehmend auf das politische Wahlrecht konzentrieren sollte, gelangten auch Fragen der Sittlichkeit und der Sexualmoral auf die Tagesordnung dieser Organisationen. Davon handelt die vorliegende Quelle, nämlich ein Brief Josephine Butlers an die erste Konferenz des Internationalen Frauenbundes (International Council of Women), die im März 1888 in Washington D.C. stattfand.[2] Jose­phine Butler, eine führende britische Sozialreformerin und Vertreterin des Nationalen Frauenverbands, konnte selbst nicht an der Konferenz teilnehmen und übermittelte ihr Anliegen deshalb schriftlich.

Der Internationale Frauenbund war einer der neuen wichtigen Frauenverbände, dessen Arbeit im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert von einem weitgefächerten transatlantischen Reformerinnennetzwerk getragen werden sollte. Die Initiative ging zunächst von den amerikanischen Wahlrechtsreformerinnen Elizabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony aus, die nach der Rückkehr von einer England-Reise im Jahr 1882 die Gründung eines internationalen Dachverbandes vorantrieben. Die Teilnehmerinnen der Washingtoner Tagung von 1888 kamen sowohl aus Europa wie aus den Vereinigten Staaten, wobei Europa nicht nur durch Britinnen, sondern auch von einer starken skandinavischen Delegation und Teilnehmerinnen aus Frankreich repräsentiert war. Einige europäische und amerikanische Missionarinnen ‚vertraten’ überdies Indien. Der Internationale Frauenbund hatte den Anspruch, sämtliche Fragen zu behandeln, die für Frauen von Belang waren. Fragen der so genannten Temperenz (Mäßigkeit und Abstinenz) und des so sogenannten Arbeiterinnenschutzes dominierten die Verbandsarbeit der ersten Jahre.[3] Darüber hinaus befasste sich der Frauenbund auch mit Fragen der Sexualmoral, wofür sich Josephine Butler besonders interessierte. Josephine Butler (1828-1906) war zuvor bereits oft in Frauenangelegenheiten aktiv gewesen, vor allem in Großbritannien. Seit 1860 war sie aber, was in ihrem Brief angedeutet wird, auch besonders an der Situation in den Kolonien interessiert. Das lange Leben Butlers, die in Northumberland geboren wurde und später einen zu Erziehungsproblemen schreibenden anglikanischen Kleriker heiratete, war immer von leidenschaftlichem politischen Engagement geprägt. Dementsprechend trug auch ihre im Jahr 1896 erschienene Autobiografie den viel sagenden Titel Personal Reminiscences of a Great Crusade – „Persönliche Erinnerungen an einen großen Kreuzzug“. Frauenrechte verteidigte Butler in vielerlei Hinsicht. Lange Zeit hatte sie ein starkes Interesse an Fragen der Hochschulbildung. Sie kämpfte für die Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten für Frauen zu Universitäten und Professionen – in einer Bewegung, die allerdings nur zögerlich in Schwung kam.[4]

Das größte Problem jedoch, das Butler ganz besonders am Herzen lag, war, was sie als sexuellen Missbrauch von Frauen unter stillschweigender Duldung der führenden Regierungen ansah: die Prostitution. Butler verabscheute sie und dennoch widerstand sie heftig der verbreiteten Reaktion, die Prostituierten selbst für die hochgradig bedauernswerte Lage und ihren verwerflichen moralischen Zustand verantwortlich zu machen. Mehr noch, Butler stellte sich energisch den oft schon langanhaltenden Versuchen von staatlicher Seite entgegen, die Prostitution im Interesse der Wahrung des allgemeinen Wohls und der öffentlichen Sicherheit zu regulieren. Ihre heftigsten Angriffe richteten sich dabei gegen britische Maßnahmen wie den Contagious Diseases Act, der Prostituierte zu Untersuchungen hinsichtlich möglicher Blutkrankheiten zwang. Aus Butlers Sicht nahmen sämtliche Regulierungsbestrebungen die unmoralische Entwürdigung von Frauen bewusst hin und verliehen der Prostitution so eine Legitimität, die diese sonst nicht gehabt hätte. Butlers Hoffnung bestand vielmehr in der Beseitigung jeglicher Regulierung und jeglicher Toleranz der Prostitution von Seiten der Regierungen, was einhergehen sollte mit einer moralischen Reform, die Frauen von der sexuellen Dienstleistung für Männer befreien und die geläufige Doppelmoral Frauen gegenüber auflösen sollte.

Ab den 1880er Jahren wandten sich Butler und mit ihr viele andere Reformerinnen und Reformer aber auch noch einem weiteren Thema zu: der Frage der „weißen Sklaverei“. Butler und ihre Mitstreiter machten dabei immer wieder darauf aufmerksam, dass zahlreiche Frauen und insbesondere auch junge Mädchen in europäischen und amerikanischen Städten entführt und anschließend an Bordellbesitzer in Länder wie Russland, Brasilien oder Argentinien verkauft würden. Es handelte sich hierbei um eine von Angst und Wut bestimmte, emotional hoch aufgeladene international geführte Debatte, die in den 1880er und 1890er Jahren vor allem von Frauen dominiert wurde. In ihr artikuliert sich ein Gefühl der Bedrohung des eigenen Lebens und des Lebens der eigenen Töchter.

Butlers Brief illustriert einige Fragen, die in Anknüpfung an den transatlantischen Feminismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts von Historikerinnen und Historikern bis heute diskutiert werden. Ein erster entscheidender Punkt ist hier das Verhältnis von Feminismus und Religion: Der Feminismus war eine völlig neuartige Bewegung und wurde von vielen gläubigen Anhängerinnen des Christentums abgelehnt, gleichzeitig zogen aber viele führende Feministinnen Kraft aus religiösen – christlichen und jüdischen – Überzeugungen, die nicht unbedingt im Einklang mit der jeweiligen Tradition stehen mussten. Die Analyse dieser speziellen Mischung und der Beziehungen zwischen dem Feminismus, der europäischen Kultur und den Geschlechterverhältnissen ist nach wie vor eine besondere Herausforderung.

Butler spricht weiter, wenn auch eher implizit, das Verhältnis von Feminismus und sozialer Klasse an. Viele der führenden Politiker des 19. Jahrhunderts teilten die Gesellschaft in Eigentümer und Arbeiter ein, in angesehene sowie weniger bis gar nicht angesehene Teile der Gesellschaft. Feministinnen wollten eine andere Sicht der Dinge schaffen, doch viele Historikerinnen und Historiker bezweifeln, dass es ihnen gelang, die gesellschaftlichen Trennlinien zu überwinden. Insofern kann hier legitimerweise auch gefragt werden, was wohl Arbeiterfrauen und Prostituierte von Butlers Bestrebungen und Argumenten gehalten und wie sie wohl den Beitrag des Feminismus zur Auflösung der herrschenden sozialen Ungleichheit einschätzt hätten.

Feministinnen setzten sich jedoch nicht nur für neue Frauenrechte ein, sondern entwickelten und vermittelten, drittens, auch bestimmte Frauenbilder – was im Übrigen implizit auch immer einen Vergleich mit entsprechenden Männerbildern enthielt. Auch in dieser Hinsicht provozieren Teile des Dokuments eine Stellungnahme und werfen vor allem die oft diskutierte Frage auf, ob die Reformerinnen für eine Gleichheit der Geschlechter eintraten, oder aber lediglich nur für eine „Besserbehandlung“ der Frauen eintraten, zu der kein grundsätzlicher Wandel der bestehenden hierarchischen Strukturen zwischen den Geschlechtern nötig war.

Ein vierter Diskussionspunkt bezieht sich auf den Internationalismus. Es ist faszinierend zu sehen, wie schnell der organisierte Feminismus eine internationale Dimen­sion anstrebte. Neben der schon älteren Anti-Sklaverei-Bewegung und neben der international organisierten Arbeiterschaft war auch der Feminismus eine moderne Reformbewegung, die klar auf eine Überwindung von nationalen und kulturellen Grenzen hin orientiert war. Aber auf welcher Grundlage war es Feministinnen überhaupt möglich, gemeinsame Streitpunkte für die gesamte westliche Welt und tatsächlich auch darüber hinaus zu definieren? Deutlich wird, dass der Internationalismus, um den es hier geht, auch im Zusammenhang mit der Entwicklung des europäischen Imperialismus zu sehen ist. Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, welche Reformansätze Feministinnen in internationalen Zusammenhängen etwa in Länder wie z.B. Indien übermittelten, so ergibt sich zwangsläufig die Frage, wieweit das von ihnen immer wieder betonte Humanitätsideal eigentlich trug. Denn ganz unzweifelhaft entwickelte sich der internationale Feminismus, wie wohl auch zu erwarten war, sehr ungleichmäßig, dies gilt sowohl in regionaler Hinsicht als auch in Bezug auf die Rolle und das Gewicht einzelner seiner Protagonistinnen. Und dies traf im Übrigen bis vor kurzem auch noch auf den Feminismus innerhalb Europas zu. Allerdings werden damit die Forderungen, die international gestellt wurden und werden, keineswegs uninteressanter.

Dann ist da schließlich noch das Schreckbild der weißen Sklaverei selbst. Historiker haben herausgefunden, dass die verbreitete Angst in keinem Verhältnis zu dem historisch rekonstruierbaren, quantitativ zu genauer zu umreißenden Problem des Frauenhandels stand. Dies soll nicht die Ernsthaftigkeit Butlers und ihrer Mitstreiterinnen in Abrede stellen. Dennoch drängt sich die Frage auf, warum eben genau zu jener Zeit die Debatte um diese übertrieben wahrgenommene Bedrohung so emotional geführt wurde. Was spielte sich im Leben von Frauen in Europa, in den Vereinigten Staaten und in der Welt insgesamt ab? Womit ist diese neue Art von Angst zu erklären, die eben nicht nur einfach auf ein verbreitetes neuartiges Verbrechen zurückzuführen ist? An dieser Stelle reicht es nicht mehr, allein die Quelle zu interpretieren, selbst wenn man genau hinschaut und zwischen den Zeilen liest. Hier ist ein breiteres Wissen über die sozialen und kulturellen Hintergründe dringend erforderlich, ein Wissen, das auch Migrationsstrukturen und die neue Präsenz von Frauen in der Öffentlichkeit mit einbeziehen muss.

Das aktive Eintreten gegen die „weiße Sklaverei“ hatte letztlich Konsequenzen. Nach 1900 setzte sich die französische Regierung an die Spitze neuerer Bemühungen um eine stärkere internationale Kontrolle durch zwischenstaatliche Abkommen. Schließlich begannen in den 1920er Jahren auch die Regierungen von Ländern wie Argentinien, die sich zuvor durch ein besonders laxes Verhalten gegenüber den „weißen Sklavenhaltern“ negativ bemerkbar gemacht hatten, neue Kontrollmechanismen einzuführen, um die Prostitution in den großen Zentren zu beschränken. Ab diesem Zeitpunkt begann das Schreckensbild der „weißen Sklavinnen“ in sich zusammen zu fallen, teilweise aufgrund der ergriffenen Maßnahmen, teilweise, weil es inzwischen andere, neue internationale Sorgen gab, teilweise aber auch wegen des allmählichen Wandels der Sexualmoral und des Sexualverhaltens von Frauen insbesondere in der europäischen Welt. Aber auch hier sollte im Folgenden einiges an Kontinuität bestehen bleiben oder zumindest wiederaufleben. So gelangten zu Beginn des 21. Jahrhunderts Bedenken über die sexuelle Ausbeutung von Frauen sowie den verstärkten Menschenhandel erneut auf die Tagesordnung, vor allem in Hinblick auf Menschen aus Osteuropa und Südostasien. Einige der Themen und Ziele, für die Butler und ihre Mitstreiterinnen bereits vor über einem Jahrhundert gestritten hatten, gewannen so erneut an Aktualität. Der internationale Feminismus hat sich nicht zuletzt im Zuge seiner großen Weltkonferenzen über das 20. Jahrhundert hinweg bis heute fortgesetzt. Im Mittelpunkt standen dabei immer wieder Bemühungen, Grundlagen für weltweite Frauenrechte zu legen. Ein Beispiel hierfür ist das seit 1975 von den Vereinten Nationen initiierte „Jahr der Frau“. Menschen wie Josephine Butler haben mit ihrer Arbeit entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen.

Gleichzeitig standen aber auch immer Fragen der Sexualmoral im Blickpunkt des Feminismus. Sie bewegen sich nach wie vor in den oben erwähnten Spannungsfeldern. Das Wiederaufleben des Feminismus in den 1960er Jahren in Europa und den Vereinigten Staaten ging oft einher mit einer neuen Offenheit gegenüber gelebter weiblicher Sexualität. Und dennoch stießen die Auswirkungen der sogenannten sexuellen Revolution bei einigen Feministinnen auf großen Widerstand. Diese sahen Frauenkörper in den Medien ausgebeutet und die feministische Sache in puren Hedonismus pervertiert.
Amerikanische Feministinnen reagierten hier heftiger als europäische. Die Streitfrage, wie es um das Verhältnis von Feminismus und der jeweils zeitgenössischen Sexualkultur steht, ist bis daher heute keineswegs gelöst.

Von Peter N. Stearns

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6T
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Beitrag von 6T »

posten wir nun alle nurmehr presseberichte und zitate alla marc..... ??????

KonTom
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Beitrag von KonTom »

Net kritisieren, selber Beiträge posten! :033

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annainga
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Beitrag von annainga »

ob die Reformerinnen für eine Gleichheit der Geschlechter eintraten, oder aber lediglich nur für eine „Besserbehandlung“ der Frauen eintraten, zu der kein grundsätzlicher Wandel der bestehenden hierarchischen Strukturen zwischen den Geschlechtern nötig war.
besserbehandlung beruht auf respekt, anerkennung, und das würde die hierarchischen strukturen, bzw. hat bereits die hierarchischen strukturen geändert.

manche forderungen von feministinnen finde ich sehr merkwürdig, obwohl sie ja bereits im einsatz sind, z.b. finde ich die quotenregelung ungerecht.

aber vielleicht hab ich´s auch nicht ganz verstanden. wenn ich mal off-topic gehen darf, nein, nicht off-topic, sondern sehr weit aushole...

"Konzerne wie BP und Shell sind die Vorreiter: Sie handeln schon heute mit CO2-Emissionen, um den Ausstoß des Treibhausgases im Unternehmen zu senken. Vorteil: Energieeinsparungen werden an den Produktionsstandorten finanziert, wo sie am billigsten sind. Dieses Prinzip lässt sich auch auf ganze Branchen oder Staaten übertragen. Richtig angewandt, macht es die Klimapolitik effizienter. Der Emissionshandel funktioniert so: Unternehmen, Branchen oder Staaten bekommen begrenzte Emissionsrechte zugeteilt - quasi die Lizenz zum Ausstoß einer bestimmten Menge an Treibhausgasen. Diese Emissionszertifikate werden handelbar gemacht. Der jeweilige Akteur entscheidet dann selbst, ob er Einspar-Investitionen tätigt oder ob es für ihn günstiger ist, CO2-Lizenzen hinzuzukaufen."

manche regelungen hören sich saublöd an (emissionslizenz, gütesiegel für bordelle, quotenregelung), aber sie funktionieren!

liebe grüße, annainga

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annainga
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Beitrag von annainga »

woran liegt es, dass die dienste von sw´s überwiegend von männern in anspruch genommen werden?
daran, dass männer mehr geld haben?
daran, dass frauen mehr hemmungen haben?
daran, dass männer mehr sex brauchen?
ich freu mich auf eure meinungen..... liebe grüße, annainga

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Marc of Frankfurt
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Wer ist die Autorin?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

POSITIONEN
Nonne, Mutter, Hure

Feuchtgebiete, Lady Ray und "Sex and the City": ein neuer Feminismus? Fakt ist, auch heute noch haben Frauen gegen die Degradierung zum Objekt zu kämpfen.



Snacks, Sandwichs, Kaffee“ – die Zugbegleiterin preist ihr Angebot an, während sie den Imbisswagen hinter sich her zieht. Doch ich bringe nur ein knappes „Nein danke“ über die Lippen. Jetzt etwas essen – unvorstellbar! Schuld daran ist das vor mir liegende Buch: „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche. All die detaillierten Schilderungen über Rasierwunden im Intimbereich, selbstgebastelte Tampons und Stuhlgang nach Analoperationen wirken alles andere als appetitanregend. Trotzdem kann ich den Blick nicht von den Seiten abwenden, bis zum Ende. Es ist schon faszinierend, dass ein Roman, der in puncto Körperflüssigkeiten so ins Detail geht, zum Bestseller wird.

Wir schreiben das Jahr 2008. Während „Feuchtgebiete“ zum Verkaufsschlager wird, tourt die Rapperin Lady Bitch Ray, die mit ihrem Vagina-Style nicht nur Konservative schockiert, durch die Talkshows. Wobei die Bezeichnung Vagina-Style als geradezu verklemmt erscheint im Vergleich zur sexuellen Direktheit ihrer Statements. Sie schafft, dass sogar Harald Schmidt kurz sprachlos wirkt. Als der Film „Sex and the City“ anläuft, ziehen junge Frauen scharenweise ins Kino. Man muss keine Kennerin der Kultserie sein, um zu wissen, dass es in dem Film vor allem um Sex und Mode geht.

Lady Ray in den Talkshows, Roche auf den Bestsellerlisten und volle Kinosäle bei „Sex and the City“ – was ist nur los mit dieser Frauengeneration? Einst kämpften Frauen dagegen, durch Pornografie zum Sexobjekt degradiert zu werden. Man denke nur an die PorNo-Kampagne von Alice Schwarzer, die vor 30 Jahren startete. Haben sich die Frauen von heute etwa vom Feminismus abgewandt? Eine solche Analyse wäre zu oberflächlich. Die Lage stellt sich anders da.

Fakt ist, auch heute noch haben Frauen gegen die Degradierung zum Objekt zu kämpfen. Auch heute noch verhindern patriarchale Rollenbilder Selbstverwirklichung. Doch mit den Rollenbildern ist es nicht so einfach: Die Rollen, die einer Frau nach patriarchalem Verständnis zur Verfügung stehen, sind limitiert: Nonne, Mutter oder Hure. Alle drei stellen Frauen vor allem in Beziehung zum Mann dar: die Nonne als Braut Jesus, die Mutter als Ehefrau eines Mannes, die Hure als „Braut“ vieler Männer. Die Herausforderung der Emanzipation besteht darin, diese männerfixierten Rollen abzulegen und als selbstbestimmte Akteurinnen in Erscheinung zu treten.

Die PorNo-Kampagne hat damals geholfen, gegen eine Rolle zu rebellieren. Das war ein großes Verdienst. Doch wer meint, der feministische Königinnenweg bestände darin, jede Bedienung eines männlichen Schönheitsideals zu vermeiden, irrt. Letztlich wählt frau damit nur eine andere Rolle: die der Nonne. Und diese Rolle ist genauso patriarchal vorgezeichnet. Dies sei auch jenen gesagt, die meinen, im Namen des Feminismus gegen allzu viel Freizügigkeit zu Felde ziehen zu müssen.

Auch wenn die Protagonistin von „Feuchtgebiete“ freimütig von ihren vielen Sexabenteuern berichtet und Lady Ray mit Sexsymbolen spielt: Diese Frauen lassen sich auf keine Rolle reduzieren. Lady Ray ist nicht nur Rapperin, sondern schreibt gerade ihre Doktorarbeit. Charlotte Roche widersetzt sich sogar dem Enthaarungswahn und besteht auf ihren Achselhaaren. Selbst die Faszination, die von „Sex and the City“ ausgeht, beruht mehr auf der verlässlichen Freundschaft zwischen den vier Frauen als in all ihren Männergeschichten.

Womöglich sind Charlotte Roche und Lady Ray Vorbotinnen eines neuen Feminismus. Dieser Feminismus ist nicht vordergründig. Und ihm fehlt eine programmatische Untersetzung. Er ist auch nicht leicht zu fassen. Einerseits knüpft er an alltagskulturelle Phänomene an und ist leicht zugänglich. Ja, er bedient sogar so manches Klischee, aber immer mit einem übermütigen, spielerischen Gestus, nah an der Grenze zur Karikatur. Andererseits arbeitet er immer wieder mit schockierenden Effekten und führt somit zu Irritationen in Rollenbildern. Womöglich liegt gerade in dieser irritierenden Ambivalenz, in dieser Vielschichtigkeit und Verspieltheit seine besondere Attraktivität.

Die Autorin ist Bundestagsabgeordnete und Vizechefin der Linkspartei.



(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 04.07.2008)
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 04.07.2008, 16:10, insgesamt 1-mal geändert.

Hanna
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Beitrag von Hanna »

was an diesen Frauen faszinierend wirkt ist ihre wie selbstveständlich gelebte Freiheit sich alles zu greifen und so zu leben wie sie wollen - genauso wie die Männer.
Es ist das Glaubwürdige von allen theoretischen Überlegungen befreite Ausleben ihrer Persönlichkeit.

die Emanzipation hat in diesen Ikonen ihr eigentliches Ziel erreicht - und den erbitterten Kampf um Rechte hinter sich gelassen.

Hanna
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mimmi
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Beitrag von mimmi »

ich verstehe mich als gleichheitsfeministin, soll heissen geschlechterollen sind folge der sozialisation und kein geschlecht ist besser/ wertvoller/ smarter als das andere.
das heisst nicht, dass wir alle kartoffelsäcke tragen müssen und gewisse nettigkeiten wie das öffnen einer autotür tabu sind.

an natascha:
dass du biologiche umstände wie zB gebährfahigkeit mit dem wert eines menschen in verbindung bringst, finde ich höchst bedenklich.